Aktenzeichen 23 O 1565/18
EG-FGV § 6, § 27
Leitsatz
§§ 6, 27 EG-FGV stellen keine Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB dar (Rn. 24). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 20.000,00 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 20.000 Euro abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu.
1. Ein Anspruch aus § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB scheidet aus, da eine sittenwidrige Handlung der Beklagten nicht gegeben ist. Eine solche könnte allenfalls darin liegen, dass potentieller Käufer von Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA 189 über den Einsatz der streitgegenständlichen Motorsteuerungssoftware nicht aufgeklärt wurden, obwohl eine Aufklärungspflicht bestand. Vorliegend hat die Beklagte potentielle Kunden in der Ad-hoc-Mitteilung vom September 2015 aber gerade auf dieses Problem hingewiesen. Zudem wurde nachfolgend in den Medien über dieses Thema berichtet. Die Ad-hoc-Mitteilung erfolgte über neun Monate vor Abschluss des Kaufvertrags durch den Kläger am 07.07.2016. Eine Aufklärungspflichtverletzung ist vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich.
Darüber hinaus geht das Gericht auch davon aus, dass dem Kläger der Softwareeinsatz bekannt war. Zwar gab der Kläger in seiner Anhörung am 10.10.2018 an, er habe bis Januar 2017 nicht gewusst, dass sein Fahrzeug vom sog. Abgasskandal betroffen sei. Er habe gedacht, dass die Blue Motion Technologie nicht betroffen sei. Zwar habe er mitbekommen, dass die Beklagte Probleme habe. Er habe jedoch nicht vertieft recherchiert. Hingegen habe er im Internet bei den Herstellern BMW, Mercedes und VW hinsichtlich verschiedener Dieselmodelle recherchiert und Prospekte angesehen. Die Beklagte nenne die Technologie Blue Motion. Dies bedeute, dass nach der Verbrennung in den Auspuff ein Mittel eingespritzt werde, welches die Abgase im Auspuffbereich chemisch verändere. Er sei selbst als Werkstattmeister bei BMW tätig.
Das Gericht hält die Angabe des Klägers, er habe nicht gewusst, dass sein Fahrzeug betroffen sei, für unglaubhaft. Der Kläger hat die mediale Berichterstattung über den Abgasskandal zur Kenntnis genommen. Er informierte sich ausführlich bei verschiedenen Herstellern über deren Dieselmodelle. Auch klärte er das Gericht über die Funktionsweise der Blue Motion Technologie auf. Dennoch erwarb der Kläger ein Fahrzeug der Beklagten. Als Werkstattmeister eines Mitbewerbers kennt der Kläger unterschiedliche Motorenmodelle und versteht deren Funktionsweise. Es ist schlicht unglaubhaft, dass sich der Kläger trotz der medialen Berichterstattung nicht mit dem Motorentyp und der verwendeten Software auseinander gesetzt haben will.
2. Auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 263 StGB scheidet aus, da die Beklagte den Kläger nicht getäuscht hat. Denn die Beklagte hat potentielle Kunden in der Ad-hoc-Mitteilung vom September 2015 und damit über neun Monate vor Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrags auf den Einsatz der streitgegenständlichen Motorsteuerungssoftware hingewiesen. Ein irreführendes Einwirken der Beklagten auf das Vorstellungsbild des Klägers – sei es durch aktives Tun oder Unterlassen – ist im Vorfeld des Kaufvertragsschlusses daher nicht erkennbar.
3. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6, 27 EG-FGV. Unabhängig davon, ob die Beklagte diese Vorschriften verletzt hat, fehlt ihnen der von § 823 Abs. 2 BGB vorausgesetzte Schutzgesetzcharakter. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (EuGH-Vorlage vom 09.04.2015 – VII ZR 36/15 -, juris Rn. 20, 23) ist eine Norm als Schutzgesetz anzusehen, wenn sie nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zu Gunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mit gewollt hat. Bei Vorschriften, die – wie hier die EG-FGV – Richtlinien umsetzen, kommt es nach der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung insoweit maßgeblich auf den Inhalt und Zweck der Richtlinie 2007/46/EG an.
Den Erwägungsgründen 2, 4 und 23 zufolge bezweckt die Richtlinie 2007/46/EG die Vollendung des Binnenmarkts und dessen ordnungsgemäßes Funktionieren. Darüber hinaus sollen die technischen Anforderungen in Rechtsakten harmonisiert und spezifiziert werden, wobei vor allem eine hohe Verkehrssicherheit, hoher Gesundheits- und Umweltschutz, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung erreicht werden sollen (Erwägungsgrund 2 der Richtlinie). Weder an diesen Stellen noch unter den anderen Erwägungsgründen der Richtlinie lässt sich demgegenüber ein Hinweis dafür finden, dass der Richtliniengeber darüber hinaus den Schutz des einzelnen Fahrzeugerwerbers bzw. -besitzers gegen Vermögensbeeinträchtigungen im Blick hatte. Auch der nationale Gesetzgeber hat in der Begründung zur EG-FGV (Seite 36 der BR-Drucks. 190/09) in Übereinstimmung damit ausführt, dass die Richtlinie dem Abbau von Handelshemmnissen und der Verwirklichung des Binnenmarktes der Gemeinschaft dienen und die EG-FGV darüber hinaus zur Rechtsvereinfachung und zum Bürokratieabbau beitragen soll.
4. Ein Anspruch des Klägers auf Erstattung des Kaufpreises folgt auch nicht aus §§ 311 Abs. 3, 280 Abs. 1, 241 BGB. Selbst wenn man – was bereits sehr fraglich erscheint – eine Sonderverbindung im Sinne des § 311 Abs. 3 BGB zwischen den Parteien bejahte, ist eine Pflichtverletzung der Beklagten durch unterlassene Aufklärung von potentiellen Kunden über den Einsatz der streitgegenständlichen Motorsteuerungssoftware nicht gegeben. Im Übrigen ist auch das Vorliegen eines kausal auf einer etwaigen Pflichtverletzung der Beklagten beruhenden Schadens des Klägers nicht erkennbar, da dieser den streitgegenständlichen Kaufvertrag in Kenntnis des Einsatzes der streitgegenständlichen Motorsteuerungssoftware abgeschlossen hat.
5. Mangels Bestehens eines Anspruchs in der Hauptsache ist auch ein darauf bezogener Anspruch des Klägers gegenüber der Beklagten auf Zahlung von Zinsen nicht gegeben.
6. Ein Anspruch des Klägers auf Feststellung, dass sich die Beklagte seit dem 29.01.2018 im Annahmeverzug befindet, besteht ebenfalls nicht. Denn mangels Bestehens eines Schadensersatzanspruchs des Klägers gegenüber der Beklagten ist auch eine Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs, mit welcher diese sich gem. §§ 293, 294 BGB im Annahmeverzug befinden könnte, nicht ersichtlich.
7. Da ein Anspruch des Klägers gegenüber der Beklagten auf Schadensersatz bereits dem Grunde nach nicht besteht, ist auch ein Anspruch des Klägers gegenüber der Beklagten auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.348,27 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.01.2018 nicht gegeben.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, S. 2 ZPO.
IV. Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. §§ 3, 4 Abs. 1 ZPO.
V. Eine Schriftsatzfrist war den Parteivertretern jeweils nicht einzuräumen. Der Schriftsatz des Beklagtenverterters vom 01.10.2018 enthielt kein neues tatsächliches Vorbringen. Der Beklagtenvertreter vermochte es trotz Übergabe einer Vollmacht nach § 141 Abs. 3 ZPO nicht dem Gericht zu erläutern, weshalb er auf das tatsächliche Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2018 nicht sofort Stellung nehmen könne.