IT- und Medienrecht

Rundfunkbeitrag für Nebenwohnung

Aktenzeichen  M 26 K 16.1605

Datum:
13.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RBStV RBStV § 2 Abs. 1, § 10
VwVfG VwVfG § 42, § 47 Abs. 2 S. 1
VwGO VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
BGB BGB § 133, § 157

 

Leitsatz

1 Im privaten Bereich ist nach § 2 Abs. 1 RBStV grundsätzlich für jede Wohnung, sei es eine Haupt- oder Nebenwohnung, von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Umdeutung nach § 47 VwVfG kommt nur bei fehlerhaften Verwaltungsakten in Betracht; ein unrichtiger Bescheid iSd § 42 VwVfG bedarf lediglich der Berichtigung.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten (Nr. II.) vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet und hat somit keinen Erfolg. Der angefochtene Festsetzungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Vielmehr hat der Beklagte den Kläger mit diesem Bescheid rechtmäßig zur Entrichtung von Rundfunkbeiträgen herangezogen.
Eine Festsetzung von insgesamt 259,72 Euro begegnet im Hinblick auf das Beitragskonto der Nebenwohnung keinen rechtlichen Bedenken (hierzu 1.). Dies gilt auch insoweit, als der Beklagte nachträglich die im Bescheid ausgewiesene Hauptin die Nebenwohnung umschrieb (hierzu 2.). Der Bescheid war in seiner ursprünglichen Fassung schon gar nicht fehlerhaft, sodass die von dem Beklagten vorgenommene Umschreibung lediglich als Berichtigung anzusehen ist (hierzu 2.1.) Selbst bei unterstellter Fehlerhaftigkeit durfte jedoch eine Umdeutung erfolgen (hierzu 2.2.).
1. Rechtsgrundlage für die Erhebung von Rundfunkbeiträgen ist der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – RBStV – in der Fassung der Bekanntmachung vom 7.6.2011 (GVBl S. 258) i.V.m. § 8 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags – RFinStV – in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juli 2011 (GVBl. S. 566). Im privaten Bereich war im streitgegenständlichen Zeitraum nach § 2 Abs. 1 RBStV grundsätzlich für jede Wohnung, sei es eine Haupt- oder Nebenwohnung, von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Dieser betrug ab Januar 2013 bis März 2015 je Monat 17,98 Euro (s. § 8 RFinStV in der bis 31.3.2015 gültigen Fassung).
Den Kläger traf für die Nebenwohnung eine Beitragsschuld in Höhe der festgesetzten fälligen Rundfunkbeiträge (§ 10 Abs. 5 Satz 1, § 7 Abs. 3 RBStV), denn der Kläger zahlte die auf die Nebenwohnung entfallenden Rundfunkbeiträge nicht, obwohl er von Januar 2013 bis zum 28. Februar 2014 als Inhaber der Nebenwohnung galt,
§ 2 Abs. 2 Nr. 1 RBStV. In diesem Zeitraum war der Kläger unter der Adresse der Nebenwohnung nach dem Melderecht gemeldet. Zwar stellte der Kläger gegenüber dem Beklagten in Abrede, im streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlicher Inhaber dieser Wohnung gewesen zu sein. Vielmehr sei die Wohnung seit 1998 durchgängig und ausschließlich an Dritte vermietet gewesen. Diese Behauptung hat der Kläger gegenüber dem Beklagten weder substantiiert dargelegt, noch bewiesen. Von daher hat der Kläger nicht vermocht, die Vermutung des § 2 Abs. 2 Nr. 1 RBStV zu widerlegen.
Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides unerheblich gewesen wäre, wenn der Kläger nach Erlass desselben seiner Obliegenheit zur Widerlegung der Vermutung noch nachgekommen wäre. Denn maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Sach- und Rechtslage bei einer gegen einen Festsetzungsbescheid gerichteten Anfechtungsklage ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier also der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids bzw. dessen Zustellung (VG München, U.v. 11.7.2016 – M 6 K 15.5114 -, juris Rn 39).
Der Kläger schuldete folglich als Beitragsschuldner rückständige Rundfunkbeiträge in Höhe von insgesamt 251,72 EUR, § 2 Abs. 1, § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV.
Die Festsetzung eines Säumniszuschlags von 8,00 EUR beruht auf § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 RBStV i.V.m. § 11 Abs. 1 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge – Rundfunkbeitragssatzung – und ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
2. Der streitgegenständliche Festsetzungsbescheid ist auch im Hinblick darauf, dass in dem aufgedruckten Kontoauszug ursprünglich die falsche Adresse – die der Hauptwohnung – angegeben war, rechtmäßig. Hieran hat sich nach der durch den Beklagten im Widerspruchsverfahren vorgenommenen Umschreibung nichts geändert.
2.1. Der Bescheid war bereits in seiner ursprünglichen Fassung rechtmäßig und bedurfte lediglich einer Berichtigung entsprechend Art. 42 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes – VwVfG – (vergleiche auch § 42 des Bundesverwaltungsverfahrensgesetz – BVwVfG). Einer Umdeutung, welche der Beklagte offensichtlich für erforderlich hielt, bedurfte es hingegen nicht.
Eine Umdeutung nach Art. 47 VwVfG oder § 47 BVwVfG kommt lediglich bei fehlerhaften Verwaltungsakten in Betracht. Fehlerhaft i.S.d. Art. 47 VwVfG/§ 47 BVwVfG ist ein Verwaltungsakt erst bei formeller oder materieller Rechtswidrigkeit (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Auflage 2013, § 47 Rn. 12). Unrichtig i.S.d. Art. 42 BayVwVfG/§ 42 BVwVfG ist ein Verwaltungsakt hingegen, wenn durch die Formulierung des Verwaltungsakts – etwa auch in dessen Begründung – etwas anderes ausgesagt wird, als die Behörde gewollt hat (Kopp/Ramsauer, a.a.O. § 42 Rn. 5).
Der Festsetzungsbescheid war bereits in seiner ursprünglichen Fassung rechtmäßig. Der sachliche Gehalt des Bescheids ist durch die Umschreibung unberührt geblieben, da der Bescheid schon in seiner nicht berichtigten Fassung genau das aussagte, was der Beklagte im Widerspruchsbescheid klarstellt hat. Schließlich ist der Festsetzungsbescheid bereits vor dessen Umschreibung nach dem objektiven Empfängerhorizont, insbesondere unter Würdigung der zwischen den Beteiligten geführten Korrespondenz, dahingehend auszulegen gewesen (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB), dass der Beklagte den Bescheid nicht im Hinblick auf die Haupt-, sondern die Nebenwohnung erlassen hat und sich der Entscheidungssatz somit auf diese Wohnung bezieht. Durch die Umschreibung im Widerspruchsbescheid hat der Beklagte lediglich die augenscheinliche und offensichtliche Unstimmigkeit zwischen dem Entscheidungssatz des Festsetzungsbescheids und der mit der Berechnung angeführten Begründung richtig gestellt.
Zunächst weist der Bescheid selbst im Briefkopf die Beitragsnummer der Nebenwohnung auf. Ebenso entsprechen die festgesetzten Rundfunkbeiträge exakt der Höhe, in welcher der Beklagte den Kläger unter der Beitragsnummer des Nebenwohnung mehrmals zur Zahlung aufgefordert hat; zuletzt mit Schreiben vom 21. Oktober 2014 sogar mit eindeutigem Verweis auf die ehemalige und vermeintlich vermietete Zweitwohnung des Klägers. Zudem ist sämtliche zwischen den Beteiligten geführte Korrespondenz von Seiten des Beklagten unter der Angabe der Beitragsnummer der Nebenwohnung geführt worden. Hinzu kommt, dass die im Bescheid angegebene Berechnung auch eine „Gutschrift wegen Abmeldung“ aufführt. Die einzig in Betracht kommende Abmeldung betraf jedoch die Nebenwohnung des Klägers. Die Abmeldung zum 28. Februar 2014 teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 8. August 2014 auch mit. Hiermit übereinstimmend wurden ausweislich des streitgegenständlichen Bescheids auch nur Rundfunkbeiträge bis einschließlich dem
28. Februar 2014 festgesetzt.
Unter Zugrundelegung dieser zwischen den Beteiligten geführten Korrespondenz ist es nach dem Empfängerhorizont eines objektiven Betrachters ohne weiteres möglich und sogar offenbar, zu erkennen, dass der Festsetzungsbescheid in seiner ursprünglichen Fassung nur fälschlicherweise die Hauptwohnung benennt, die Festsetzung jedoch von Anfang an die Nebenwohnung betraf. Der sachliche Gehalt des Bescheids blieb durch die im Widerspruchsbescheid vorgenommene Umschreibung insofern unberührt.
Darüber hinaus sei angemerkt, dass die nachträgliche Umschreibung der Begründung, welche in der Berechnung im Kontoauszug zu erblicken ist, bei gebundenen Entscheidungen der Behörde ohne weiteres möglich ist. Mit anderen Worten macht die falsche Begründung eine gebundene Entscheidung nicht rechtswidrig (BeckOK VwGO/Decker, 40. Ed. 1.1.2017, VwGO § 113 Rn. 24, 25). Mit § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV liegt dem Festsetzungsbescheid eine solche gebundene Entscheidung zugrunde. Der Behörde wird hierin kein Ermessen eingeräumt.
2.2. Im Übrigen – dies soll im Interesse einer endgültigen Erledigung der Rechtsstreitigkeit zwischen den Beteiligten noch ausgeführt werden – sieht das erkennende Gericht selbst bei unterstellter Fehlerhaftigkeit des ursprünglichen Bescheids die Durchführung einer Umdeutung im Widerspruchsverfahren nicht als rechtsfehlerhaft an.
Entgegen der vom Kläger vorgetragenen Ansicht ist eine Umdeutung entsprechend Art. 47 Abs. 2 Satz 1 VwVfG im Widerspruchsverfahren nicht dadurch ausgeschlossen, dass – wie der Kläger meint – ihm so der Weg des Widerspruchs gegen einen korrekten Festsetzungsbescheid genommen würde. Wie bereits festgestellt, ist dem Kläger diese Möglichkeit im vorliegenden Fall gerade nicht genommen worden, da der ursprüngliche Bescheid bereits rechtmäßig erlassen worden ist und sich der Kläger hiergegen – wie auch getan – mit einem Widerspruch hat wenden können. Zudem ist anerkannt, dass die Widerspruchsbehörde auch im Widerspruchsbescheid (BeckOK VwVfG/Schemmer, 34. Ed. 1.1.2017, VwVfG § 47 Rn. 50) und sogar ein Gericht im rechtshängigen Verfahren die Umdeutung des ursprünglichen Verwaltungsakts vornehmen darf (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Auflage, § 47 Rn. 39). Im letztgenannten Fall steht dem Betroffenen auch kein Recht auf Durchführung eines Widerspruchsverfahrens zu. Dies hat den Grund darin, dass die Umdeutung Bestandteil der Rechtsfindung ist (BayVGH, U.v. 2.7.2004 – 1 B 02.1006 – NVwZ-RR 2005, 787 (791), wozu unter anderem auch das Widerspruchsverfahren dient.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung.


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