IT- und Medienrecht

Rundfunkbeitrag – Vereinbarkeit mit der Bayerischen Verfassung

Aktenzeichen  M 26 K 15.5003

Datum:
11.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RBStV RBStV § 2, § 3, § 4, § 7
BayV Art. 3 Abs. 1, Art. 101, Art. 112 Abs. 2, Art. 118 Abs. 1
GG GG Art. 70

 

Leitsatz

Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 RBStV über die Erhebung eines Rundfunkbeitrags im privaten Bereich für jede Wohnung ist mit der Bayerischen Verfassung vereinbar. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung (Nr. II des Urteils) ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Entscheidung konnte nach Anhörung der Beteiligten im Wege des Gerichtsbescheids ergehen (§ 84 Abs. 1 VwGO).
Die Klage hat keinen Erfolg, weil sie teilweise bereits unzulässig und im Übrigen unbegründet ist.
1. Die Klage ist unzulässig, soweit sich der Kläger gegen „die Anmeldung zu dem Beitragskonto … … …“ wendet. Unabhängig von Rechtscharakter dieser Maßnahme handelt es sich hierbei um eine behördliche Verfahrenshandlung i.S.v.  § 44a Satz 1 VwGO, die nicht als solche angreifbar ist.
2. Im Übrigen ist die Klage unbegründet, weil die Bescheide vom 1. Juni 2014, 4. Juli 2014 und 2. Juli 2015 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 26. September 2015 rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Beklagte hat den Kläger mit diesen Bescheiden rechtmäßig zu Rundfunkbeitragen herangezogen.
2.1 Rechtsgrundlage für die Erhebung von Rundfunkbeiträgen ist der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (in der Fassung der Bekanntmachung vom 7.6.2011 [GVBl S. 258]). Im privaten Bereich war im streitgegenständlichen Zeitraum nach § 2 Abs. 1 RBStV grundsätzlich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) für 2014 ein Rundfunkbeitrag in Höhe von 17,98 EUR pro Monat zu entrichten.
2.2 Verfassungsrechtliche Einwendungen gegen den Rundfunkbeitragsstaats sind nicht durchgreifend.
Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat am 15. Mai 2014 auf zwei Popularklagen hin unanfechtbar und für alle bayerischen Verfassungsorgane, Gerichte und Behörden bindend (Art. 29 Abs. 1 des Gesetzes über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof – VfGHG) u.a. entschieden, dass die Vorschrift des § 2 Abs. 1 RBStV über die Erhebung eines Rundfunkbeitrags im privaten Bereich für jede Wohnung mit der Bayerischen Verfassung – BV – vereinbar ist (Entscheidung vom 15. Mai 2014 a.a.O.). Die Norm verstoßt nicht gegen die Rundfunkempfangsfreiheit, die allgemeine Handlungsfreiheit, den allgemeinen Gleichheitssatz oder das Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen (Rn. 62). Bei dem Rundfunkbeitrag handelt es sich um eine nichtsteuerliche Abgabe, die zu regeln in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fällt. Sie ist sowohl im privaten wie auch im nicht privaten Bereich im Gegensatz zu einer Steuer nicht „voraussetzungslos“ geschuldet, sondern wird als Gegenleistung für das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erhoben (Leitsatz Nr. 2). Die Abgabe hat den Charakter einer Vorzugslast; dem steht nicht entgegen, dass auch die Inhaber von Raumeinheiten, in denen sich keine Rundfunkempfangsgeräte befinden, zahlungspflichtig sind. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zwingt den Gesetzgeber nicht dazu, eine Befreiungsmöglichkeit für Personen vorzusehen, die von der ihnen eröffneten Nutzungsmöglichkeit keinen Gebrauch machen wollen (Leitsatz Nr. 3). Im privaten Bereich wird mit der Anbindung der Beitragspflicht an das Innehaben einer Wohnung (§ 3 Abs. 1 RBStV) die Möglichkeit der Rundfunknutzung als abzugeltender Vorteil sachgerecht erfasst (Leitsatz Nr. 4).
Das Recht aus Art. 112 Abs. 2 BV auf Rundfunkempfangsfreiheit wird nicht beeinträchtigt (Rn. 63). Das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 101 BV) ist ebenfalls nicht verletzt (Rn. 65), insbesondere weil das Rechtsstaatsprinzip des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV nicht wegen eines Widerspruchs zur Kompetenzordnung des Grundgesetzes verletzt ist (Rn. 68). Der Freistaat Bayern hat mit seiner Zustimmung zum RBStV von seiner Gesetzgebungskompetenz aus Art. 70 Grundgesetz – GG – Gebrauch gemacht, ohne dabei die durch die Finanzverfassung des GG gezogenen Grenzen zu überschreiten (Rn. 70). Unter der Prämisse, dass der Rundfunkbeitrag seiner Zweckbestimmung nach darauf beschränkt ist sicherzustellen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Funktion als Grundversorgung in der gegenwärtigen Rundfunkordnung ungeschmälert erfüllen kann, hat er keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dass der Gesetzgeber den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum überschritten haben könnte (Rn. 83 f.). Die Zahlungspflichten im privaten und nicht privaten Bereich sind verhältnismäßig (Rn. 97).
Die Rundfunkbeitragspflicht nach § 2 Abs. 1 RBStV verstoßt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 118 Abs. 1 BV (Rn. 101). Indem der Gesetzgeber für jede Wohnung deren Inhaber ohne weitere Unterscheidung einen einheitlichen Rundfunkbeitrag auferlegt, hat er nicht wesentlich Ungleiches ohne Rechtfertigung gleich behandelt. Anknüpfungspunkt für die Rundfunkbeitragspflicht ist die Möglichkeit der Programmnutzung, die im privaten Bereich typisierend den einzelnen Wohnungen und damit den dort regelmäßig in einem Haushalt zusammenlebenden Personen zugeordnet wird. Durch den Wohnungsbegriff werden verschiedene Lebenssachverhalte – von dem allein lebenden „Medienverweigerer“ über die „typische Familie“ bis hin zur „medienaffinen“ Wohngemeinschaft – normativ zusammengefasst und einer einheitlichen Beitragspflicht unterworfen, die sämtliche Möglichkeiten der Rundfunknutzung einschließlich der mobilen und derjenigen in einem privaten Kraftfahrzeug abdecken und die vorbehaltlich der Befreiungs- und Ermäßigungsregelungen des § 4 RBStV unausweichlich ist. Diese Typisierung für den privaten Bereich beruht auf einleuchtenden, sachlich vertretbaren Gründen und ist auch unter dem Gesichtspunkt der Abgabengerechtigkeit nicht zu beanstanden (Rn. 105 ff.). Die Härten, die mit der typisierenden Anknüpfung der Rundfunkbeitragspflicht an eine Wohnung einhergehen können, sind in Anbetracht der Höhe der Rundfunkbeitragspflicht nicht besonders intensiv und halten sich angesichts der in § 4 RBStV vorgesehenen Befreiungs- und Ermäßigungsregelungen unter dem Gesichtspunkt der Abgabengerechtigkeit im Rahmen des Zumutbaren (Rn. 110).
Wegen der weiteren Einzelheiten und Begründungen wird auf die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 15. Mai 2014 verwiesen.
Zwar hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof mit seiner Entscheidung unmittelbar nur die Vereinbarkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags mit der Bayerischen Verfassung überprüft. Es ist jedoch nicht ersichtlich, inwieweit sich die mit den jeweiligen Normen der Bayerischen Verfassung korrespondierenden Regelungen des Grundgesetzes von diesen dermaßen unterscheiden sollten, dass mit der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs nicht zugleich feststünde, dass der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag auch nicht gegen die übereinstimmenden Normen des Grundgesetzes verstößt (vgl. Art. 142 GG). Ergänzend ist anzumerken, dass der Bayerische Verfassungsgerichtshof seine Prüfung bei Popularklageverfahren auf alle in Betracht kommenden Normen der Bayerischen Verfassung erstreckt, selbst wenn sie von der Antragspartei nicht als verletzt bezeichnet worden sind oder wenn sie keine Grundrechte verbürgen (Rn. 60).
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 18. März 2016 (Az. 6 C 6.15 – juris) diese Linie bestätigt und den Rundfunkbeitrag im privaten Bereich ebenfalls als verfassungs- bzw. rechtmäßig eingestuft.
2.3 Auch Verstöße gegen europarechtliche Vorgaben – mit der Folge des Anwendungsvorrangs des Europarechts – sind nicht gegeben. Vgl. dazu ebenfalls die Entscheidung des BayVerfGH vom 15. Mai 2014 und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 2016, insbesondere zur Frage der Erfordernis eines Feststellungsverfahrens gemäß Art. 108 Abs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV.
2.4 Formelle Fehler, die durch Nichtigkeit oder einer im Umkehrschluss zu
Art. 45 VwVfG beachtlichen Rechtswidrigkeit führen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist der Beklagte als Anstalt des öffentlichen Rechts gemäß Art. 1 Satz 1. Bayerisches Rundfunkgesetz – BayRG – Behörde i.S.v. Art. 1 Abs. 2 VwVfG; die angefochtenen Bescheide lassen dies auch erkennen.
2.5 Der Kläger ist als Inhaber einer Wohnung gemäß §§ 2 Abs. 1, 7 Abs. 1 bis 3 RBStV Beitragsschuldner und damit zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen im privaten Bereich verpflichtet. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV ist Inhaber einer Wohnung jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist (§ 2 Abs. 2 Satz RBStV). Mehrere Beitragsschuldner – also Wohnungsinhaber – haften gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 RBStV als Gesamtschuldner entsprechend § 44 der Abgabenordnung – AO. Der Beklagte kann sich an jeden festgestellten Wohnungsinhaber i.S.v. § 2 Abs. 2 RBStV halten und diesen als Gesamtschuldner des Rundfunkbeitrags in Anspruch nehmen. Der Beklagte kann folglich auch für mehrere Inhaber einer Wohnung Beitragsnummern vergeben und Festsetzungsbescheide gegenüber allen Inhabern erlassen. Erst durch Erfüllung, d.h. Zahlung eines in Anspruch genommenen Beitragsschuldners, werden auch die übrigen Beitragsschuldner von der Beitragspflicht für den festgesetzten Zeitraum frei, § 2 Abs. 3 Satz 1 RBStV i.V.m. § 44 Abs. 2 Satz 1 AO. Dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ist keine gesetzlich vorgegebene Rangfolge mehrerer festgestellter Beitragsschuldner zu entnehmen. Die Landesrundfunkanstalten sollen nach der Konzeption des Rundfunkbeitragsstaatsvertrag nicht mit aufwändigen und ggf. in die Privatsphäre der Betroffenen eindringenden Ermittlungen dazu befasst werden, wer sonst noch als (weiterer) Wohnungsinhaber und deshalb potentieller Beitragsschuldner in Betracht kommen könnte (VGH B-W, U. v. 4.11.2016 – 2 S 548/16 – juris Rn. 35). Der Beklagte kann sich also – der Ausgestaltung des Rundfunkbeitrags als Gesamtschuld folgend – sowohl an den Kläger als auch an dessen Ehefrau halten. Dies schließt auch nicht aus, dass des Beklagten gegen mehrere Wohnungsinhaber Vollstreckungsmaßnahmen betreibt, vgl. § 421 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB. Nur insgesamt darf der Rundfunkbeitrag für den jeweiligen Zeitraum pro Wohnung nur jeweils einmal (erfolgreich) beigetrieben werden.
Gründe für eine Befreiung oder Ermäßigung gemäß § 4 RBStV sind weder vorgetragen, noch ersichtlich.
2.6 Auch die Festsetzung des Säumniszuschlags ist rechtlich nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage ist § 11 Abs. 1 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge – Rundfunkbeitragssatzung – vom 19. Dezember 2012, in Kraft getreten am 1. Januar 2013 (veröffentlicht im Bayerischen Staatsanzeiger vom 21.12.2012, StAnz Nr. 51-52/2012, S. 3; § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Alt. 3 RBStV). Danach wird, wenn Rundfunkbeiträge nicht innerhalb von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden, ein Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Betrag von 8,00 EUR fällig. Der Säumniszuschlag wird zusammen mit der Rundfunkbeitragsschuld durch Bescheid nach § 10 Abs. 5 RBStV festgesetzt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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