IT- und Medienrecht

Rundfunkbeitragspflicht; möbliertes Zimmer in einem Studentwohnheim

Aktenzeichen  3 E 475/21, 3 E 475/21 Ge

Datum:
8.6.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Gera 3. Kammer
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:VGGERA:2021:0608.3E475.21.00
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

Die Rundfunkbeitragspflicht besteht auch für das Wohnen in einem möblierten Zimmer in einem Studentenwohnheim.(Rn.21)

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15,13 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller erstrebt die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Heranziehung zu Rundfunkbeiträgen.
Seit Oktober 2016 ist der Antragssteller als Inhaber einer Wohnung im Studentenwohnheim in der W… … , Wohnungsnummer … … , … … D… … mit einem Rundfunkbeitragskonto bei dem Antragsgegner angemeldet.
Für den Zeitraum vom 1. Oktober 2016 bis zum 30. September 2017 sowie vom 1. November 2017 bis 30. September 2018 war er unter der Beitragsnummer … von der Zahlung des Rundfunkbeitrags befreit.
Mit Bescheid vom 4. Juni 2019 setzte der Antragsgegner für den Zeitraum vom 1. Oktober 2018 bis zum 31. Dezember 2018 Rundfunkgebühren in Höhe von 60,50 € fest. Diese setzten sich aus 3 Monatsbeiträgen zu je 17,50 € sowie 8 € Säumniszuschlag zusammen. Hiergegen legte der Antragssteller mit Schreiben vom 4. Juli 2019 Widerspruch mit der Begründung ein, dass die zum Beitrag herangezogene Wohnung eine Wohngemeinschaft sei und ein Mitbewohner unter der Beitragsnummer … für diese bereits einen Rundfunkbeitrag entrichte. Gleichzeitig beantragte er die Aussetzung der sofortigen Vollziehung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. März 2021 wies der Antragsgegner den Widerspruch des Antragsstellers gegen den Festsetzungsbescheid vom 4. Juni 2019 sowie den Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung zurück. Der Antragsteller sei Inhaber einer eigenen Wohnung und könne nicht von der Zahlung des Beitrags durch den Mitbewohner profitieren. Der Mitbewohner bewohne nicht wie der Antragsteller die Wohnung … , sondern eine andere Wohnung unter der Anschrift “W… … , … … D… … “. Die Zahlung der Rundfunkbeiträge unter der Beitragsnummer … … … erfolgte daher nicht für die vom Antragsteller bewohnte Wohnung … . Auch eine Befreiung aus anderen Gründen komme nicht in Betracht.
Am 20. April 2021 hat der Antragssteller um einstweiligen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht Gera ersucht und Klage (3 K 474/21 Ge) erhoben.
Der Antragssteller trägt in Ergänzung zu seinem Widerspruch vor, dass nach dem Grundsatz „eine Wohnung = ein Beitrag“ keine Heranziehung zum Rundfunkbeitrag zulässig sei. Er habe lediglich ein Zimmer bewohnt und die Zahlung des Beitrags für die Wohnung durch einen Mitbewohner nachgewiesen.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage zum Aktenzeichen 3 K 474/21 Ge gegen den Festsetzungsbescheid des Antragsgegners vom 4. Juni 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. März 2021 anzuordnen.
Die Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragsgegner verteidigt die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Der Antragsteller habe bisher keine Rundfunkbeiträge entrichtet. Die mitgeteilte Beitragsnummer seines Mitbewohners gehöre allein zu dessen eigener Wohnung und nicht zur Wohnung des Antragstellers. Insofern sei die Erhebung des Beitrags vom Antragsteller gerechtfertigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Vorbringen der Beteiligten und auf die den Antragssteller betreffende Verwaltungsakte des Antragsgegners (2 Heftungen) verwiesen, die zum Gegenstand der Entscheidung gemacht worden sind.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere sind die Voraussetzungen des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO erfüllt. Der Antragsgegner hat mit Widerspruchsbescheid vom 24. März 2021 den Aussetzungsantrag des Antragstellers vom 4. Juli 2019 abgelehnt. Im Übrigen besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragsstellers. Insbesondere ist die im Hauptsacheverfahren anhängige Anfechtungsklage (3 K 474/21 Ge) nicht offensichtlich unzulässig.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
a. Bei der Entscheidung über einen einstweiligen Rechtsschutzantrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hat das Gericht eine Abwägung zwischen dem privaten Interesse an der aufschiebenden Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs einerseits und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits vorzunehmen. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Während bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit des Rechtsbehelfs ein schutzwürdiges Aussetzungsinteresse nicht in Betracht kommt, besteht umgekehrt kein öffentliches Interesse am Vollzug einer offensichtlich rechtswidrigen Verfügung. Lassen sich die Erfolgsaussichten nur abschätzen, ohne eindeutig zu sein, bildet der Grad der Erfolgschance ein wichtiges Element der vom Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung. Die nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. In entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO soll die Aussetzung bei öffentlichen Abgaben und Kosten (nur) erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Beitragsbescheide bestehen oder die Vollziehung für den Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
b. Der angefochtene Beitragsbescheid ist – bei der hier gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage – offensichtlich rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), so dass das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Bescheides die Interessen des Antragstellers, von der Festsetzung von Rundfunkbeiträgen vorläufig verschont zu bleiben, überwiegt.
Der Antragsgegner hat den Antragsteller zu Recht für den Zeitraum vom 1. Oktober 2018 bis zum 31. Dezember 2018 als Wohnungsinhaber zu einem Rundfunkbeitrag in Höhe von monatlich jeweils 17,50 € sowie zu einem Säumniszuschlag in Höhe von jeweils 8,00 € herangezogen.
Rechtsgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrags ist seit dem 1. Januar 2013 der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV). Es ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner den Antragssteller als Wohnungsinhaber zu dem Rundfunkbeitrag herangezogen hat, denn der Antragssteller ist Inhaber einer Wohnung i.S.v. §§ 2 Abs. 2, 3 Abs. 1 RBStV in der W… … … in … D… . Gemäß §§ 2, 3 RBStV ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber ein Rundfunkbeitrag zu entrichten.
c. Die Rundfunkbeitragspflicht entfällt vorliegend nicht dadurch, dass es sich bei dem von dem Antragsteller bewohnten Zimmer in dem Studentenwohnheim nicht um eine „vollständige“ Wohnung, sondern lediglich um ein Zimmer beim Studentenwerk D… handelt.
Das Zimmer des Antragstellers ist eine Wohnung i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 RBStV. Diese Bestimmung stellt ausweislich der Gesetzesbegründung eine Legaldefinition des Wohnungsbegriffs speziell im Zusammenhang mit dem Rundfunkbeitrag dar, die andere, etwa miet-,steuer-, sozial-, oder bauordnungsrechtliche Definitionen aufgrund ihrer Spezialität verdrängt (Beck RundfunkR/Göhmann/Schneider/Siekmann, 4. Aufl. 2018, RBeitrStV § 3 Rn. 5; vgl. Gesetzesbegründung des bayerischen Landesgesetzgebers zu der entsprechenden Vorschrift, BayLT-Drucks. 16/7001, S. 14).
Wohnung ist danach unabhängig von der Zahl der darin enthaltenen Räume jede ortsfeste, baulich abgeschlossene Raumeinheit, die 1. zum Wohnen und Schlafen geeignet ist oder genutzt wird und 2. durch einen eigenen Eingang unmittelbar von einem Treppenhaus, einem Vorraum oder von außen, nicht ausschließlich über eine andere Wohnung, betreten werden kann. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt:
Die vom Antragsteller vorgelegten Grundrisse der Wohnung „3er WG“ lassen keinen Zweifel daran, dass für die dort benannte Wohnung … eine eigenständige Beitragspflicht besteht.
Das vom Antragsteller bewohnte Zimmer ist ein in sich abgeschlossener Raum, der zum Wohnen und Schlafen geeignet und hierfür genutzt wird. Es kann über eine verschließbare Tür, d. h. einen eigenen Eingang von einem Vorraum betreten werden. Der Zutritt erfolgt dabei zwar über einen gemeinschaftlichen Flur, nicht jedoch über eine andere Wohnung. Eine solche andere Wohnung ist insbesondere nicht das Wohnheim bzw. der Gemeinschaftsflur mit der gemeinsame Küche und den sanitären Einrichtungen. Die Zimmer stellen in sich abgeschlossene und abschließbare Wohneinheiten dar, die bei einer wertenden Betrachtung nicht Teil einer gemeinsamen Wohnung bzw. Wohngemeinschaft sind. Anders als in Wohngemeinschaften, in denen ein gemeinsamer Mietvertrag mit dem Vermieter geschlossen wird und der einzelne Bewohner nicht ohne Zustimmung der anderen Bewohner einziehen darf, schließt im vorliegenden Fall jeder Wohnheimzimmerbewohner unabhängig von allen anderen Wohnheimzimmerbewohnern einen eigenen Mietvertrag mit dem Träger der Einrichtung. Der Wohnheimflur stellt auch keine eigene in sich abgeschlossene und abschließbare Wohneinheit dar und verfügt – anders als üblicherweise eine Wohngemeinschaft – weder über einen gemeinsamen Briefkasten noch über eine gemeinsame Türklingel (VG Hamburg, Urt. v. 12. November 2014 – 3 K 159/14; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 18. Februar 2016 – 14 K 3620/14; OVG NRW, Beschl. v. 15. August 2017 – 2 A 2419/16 – jeweils juris).
d. Nichts anderes folgt aus § 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV, wonach als Inhaber einer Wohnung jede Person vermutet wird, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist. Beides ist hier der Fall. Nach eigenem Vortrag des Antragstellers war dieser melderechtlich in der „W… … , Wohnungsnummer … , … D… “ gemeldet und bewohnte diese Wohnung als Hauptwohnsitz.
§ 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV zielt ersichtlich auf die Frage der melde- oder mietrechtlichen Inhaberschaft und stellt diesbezüglich eine gesetzliche Vermutung auf, die der Beweiserleichterung dient (Göhmann/Schneider/Siekmann, in: Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, Kommentar, 3. Aufl. 2012, § 2 RBStV Rn. 15; VG Hamburg, Urt. v. 12. November 2014 – 3 K 159/14 – juris).
Hier war der Antragsteller ausdrücklich mit der „Wohnung … … … “ amtlich gemeldet, sodass auch aufgrund der in § 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV geregelten gesetzlichen Vermutung von der Inhaberschaft einer eigenen beitragsrechtlichen Wohnung auszugehen war.
e. Aus der teilweise gemeinschaftlichen Nutzung von Teilen der Wohnung folgt nicht, dass es sich beim Studentenwohnheim um eine „Gemeinschaftsunterkunft“ i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 1 RBStV handelt, mit der Folge, dass die vom Antragsteller bewohnte Raumeinheit keine Wohnung i.S.d. § 3 Abs. 1 RBStV darstellen würde.
Der Begriff der „Gemeinschaftsunterkunft“ i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 1 RBStV ist im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag nicht legal definiert. Es werden lediglich beispielhaft Kasernen, Unterkünfte für Asylbewerber und Internate aufgezählt. Studentenwohnheime werden indes nicht genannt. Vielmehr heißt es in der Gesetzesbegründung: „Studenten- und Schwesternwohnheime sind demgegenüber keine Gemeinschaftsunterkünfte im Sinne der Ausnahme nach Nummer 1“, wobei im Hinblick auf die negativ genannten Studenten- und Schwesternwohnheime angesichts der unterschiedlichen Wohnformen in der Gesetzesbegründung klargestellt wird, dass es „zur individuellen Abgrenzung auf die räumliche Gestaltung ankommt“, wobei über den Verweis auf § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RBStV hinaus keinerlei Abgrenzungskriterien genannt werden (Gesetzesbegründung der nordrhein-westfälischen Landesregierung zu der entsprechenden Vorschrift, Landtagsdrucksache 15/1303, S. 38).
Unabhängig von der Gesetzesbegründung kann aus den in der Bestimmung aufgezählten Beispielen auf Merkmale geschlossen werden, welche die genannten Raumeinheiten prägen und anhand deren der Begriff der „Gemeinschaftsunterkunft“ i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 1 RBStV näher akzentuiert wird.
Bei den beispielhaft aufgezählten Raumeinheiten handelt es sich nämlich um Unterbringungsformen, in denen als Hauptzweck nicht das selbstbestimmte Wohnen, sondern ein weitergehendes, auch den Aufenthalt prägendes Abhängigkeits- oder Fürsorgeverhältnis und damit einhergehend ein geringer Grad an Privatsphäre im Vordergrund steht (Vgl. VG Hamburg, Urt. v. 12. November 2014 – 3 K 159/14; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 18. Februar 2016 – 14 K 3620/14 – beide juris).
Die Unterbringung erfolgt in den genannten Formen der Gemeinschaftsunterkünfte in der Regel „gelegentlich“ eines Dienst- oder Ausbildungsverhältnisses (Kasernen /Internate) oder aber im Zusammenhang mit der Durchführung des Asylverfahrens, welches mit Aufenthaltsbeschränkungen verbunden ist, die sowohl der Vermeidung von Obdachlosigkeit, als auch der Durchsetzung von verfahrens- und im weiteren Sinne ordnungsrechtlichen Pflichten des schutzsuchenden Ausländers dienen.
Dementsprechend werden „Gemeinschaftsunterkünfte“ durch eine über das Mietverhältnis hinausgehende besonders enge Beziehung zwischen den untergebrachten Personen und dem Träger der Einrichtung, die Zuordnung der Zimmer durch die Einrichtung verbunden mit der Möglichkeit einer jederzeitigen Verlegung, einen besonders niedrigen Grad an Privatsphäre durch weitreichende Kontrollbefugnisse und Betretungsrechte sowie die Möglichkeit der Sanktionierung von Verstößen gegen Anordnungen und Auflagen durch den Einrichtungsträger geprägt (Vgl. VG Hamburg, Urt. v. 12. November 2014 – 3 K 159/14 – juris).
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs handelt es sich bei dem Studentenwohnheim, in dem der Antragsteller wohnt, nicht um eine „Gemeinschaftsunterkunft“ i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 1 RBStV. Zwar weist das Studentenwohnheim namentlich mit der gemeinschaftlichen Nutzung von Küche und sanitären Einrichtungen auch Merkmale auf, welche die in § 3 Abs. 2 Nr. 1 RBStV genannten Beispielsfälle einer „Gemeinschaftsunterkunft“ prägen. Gleichwohl wird das Wohnverhältnis ganz überwiegend nicht durch die oben genannten Merkmale gekennzeichnet. Die Beziehung zwischen dem Träger der Einrichtung sowie den Studierenden geht nicht über ein mietrechtliches Verhältnis hinaus. Ein weitergehendes, auch den Aufenthalt prägendes Abhängigkeits- bzw. Fürsorgeverhältnis, wie es zwischen Soldaten und ihrem Dienstherrn, zwischen Schülerinnen und Schülern und dem Schulträger sowie Asylsuchenden und den Trägern der Unterkünfte gibt, liegt nicht vor (VG Hamburg, Urt. v. 12. November 2014 – 3 K 159/14; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 18. Februar 2016 – 14 K 3620/14 – beide juris).
Weitergehende Verpflichtungen, die über die sich aus dem Mietvertrag ergebenden Pflichten hinausgehen, bestehen sowohl für die Studierenden als auch für den Träger des Wohnheims nicht. Die Zuordnung der Zimmer erfolgt nicht durch einseitige Weisung, sondern ergibt sich – wie auf dem normalen Mietmarkt – aufgrund von Angebot und Nachfrage. Hat der Studierende über ein Zimmer einen Mietvertrag abgeschlossen, ist es dem Träger verwehrt, den Bewohnern ein anderes Zimmer zuzuweisen (VG Hamburg, Urt. v. 12. November 2014 – 3 K 159/14; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 18. Februar 2016 – 14 K 3620/14 – Rn. 47, 48; OVG NRW, Beschl. v 15. August 2017 – 2 A 2419/16 – jeweils juris)
f. Auf die Frage, ob die Zahlung der Rundfunkbeiträge durch den Mitbewohner des Antragstellers mit befreiender Wirkung für ihn erfolgen konnte, kommt es damit – mangels Vorliegen einer gemeinsamen Wohnung – nicht mehr an.
Selbst wenn etwas anderes anzunehmen wäre, stünde die Beitragszahlung des Mitbewohners der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids nicht entgegen, sondern wäre erst im Rahmen der Vollstreckung zu beachten. Die Pflicht zur Entrichtung des Rundfunkbeitrags beginnt mit dem Ersten des Monats, in dem der Beitragsschuldner erstmals die Wohnung innehat (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 RBStV).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Mitbewohner, Herr B… , an den Antragsgegner regelmäßige Beitragszahlungen geleistet hat. Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 RBStV haften mehrere Beitragsschuldner, vorliegend der Antragsteller und Herr B… , als Gesamtschuldner entsprechend § 44 AO.Nach § 44 Abs. 1 AO sind Personen, die nebeneinander dieselbe Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis schulden oder für sie haften oder die zusammen zu einer Steuer zu veranlagen sind, Gesamtschuldner. Soweit nichts anderes bestimmt ist, schuldet hiernach jeder Gesamtschuldner die gesamte Leistung. Der Antragsgegner kann sich an jeden festgestellten Wohnungsinhaber i.S.v. § 2 Abs. 2 RBStV halten und diesen als Gesamtschuldner des Rundfunkbeitrags in Anspruch nehmen. Der Antragsgegner kann folglich auch für mehrere Inhaber einer Wohnung Beitragsnummern vergeben und Festsetzungsbescheide gegenüber allen Inhabern erlassen.
Die Berücksichtigung des von einem der Gesamtschuldner geleisteten (Teil-)Betrags – und damit die Frage des Eintretens einer teilweisen Erfüllung i.S.d. § 362 BGB – ist im Rahmen des Gesamtschuldverhältnisses nach § 422 BGB i.V.m. § 44 AO analog nicht im Rahmen der Festsetzung, sondern bei der Beitreibung der Beitragsschuld zu berücksichtigen. Rechtlicher Ansatzpunkt für die Unerheblichkeit des Erfüllungseinwands gegenüber dem Festsetzungsbescheid im Abgabenrecht ist die Unterscheidung zwischen Festsetzungsverfahren, Erhebungsverfahren und Vollstreckungsverfahren. Kommt es bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus einem Abgabenschuldverhältnis zu Streitigkeiten darüber, ob der von einem Abgabengläubiger geltend gemachte Abgabenanspruch gegenüber dem herangezogenen Abgabenschuldner tatsächlich in der geforderten Höhe entstanden ist, ist der Streit in dem Verfahren, das auf den Erlass eines Festsetzungsbescheids gerichtet ist, zu klären. Streitigkeiten über die Verwirklichung des Abgabenanspruchs, die z. B. die Frage seiner Erfüllung betreffen, sind (nur) auf der zweiten Stufe der Geltendmachung von Abgabenansprüchen auszutragen. Der Streit, ob ein entstandener Abgabenanspruch (bereits wieder) durch Erfüllung erloschen ist, beeinflusst das Festsetzungsverfahren nicht. Deshalb kann ein Gebühren- bzw. Beitragsschuldner also der Festsetzung von entstandenen Abgaben den die Verwirklichungsebene betreffenden Erfüllungseinwand nicht mit Erfolg entgegensetzen (vgl. zu Abwassergebühren VG Düsseldorf, Urt. v. 11. September 2013 – 5 K 3493/13 – Juris). Dass der Antragsgegner sich an jeden festgestellten Wohnungsinhaber i.S.v. § 2 Abs. 2 RBStV halten und diesen als Gesamtschuldner des Rundfunkbeitrags in Anspruch nehmen kann, schließt deshalb auch nicht aus, dass der Antragsgegner gegen mehrere Wohnungsinhaber Vollstreckungsmaßnahmen betreibt (vgl. § 421 Satz 2 BGB). Lediglich insgesamt darf der Rundfunkbeitrag für den jeweiligen Zeitraum pro Wohnung nur jeweils einmal beigetrieben werden (vgl. VG München, GB v. 11. Januar 2017 – M 26 K 15.5003 – Juris).
g. Der im Streit stehende Bescheid begegnet auch im Hinblick auf die Höhe der festgesetzten Rundfunkbeitrags keinen Bedenken. Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 RBStV ist der Rundfunkbeitrag monatlich geschuldet und gemäß § 4 Abs. 3 RGebStV bzw. § 7 Abs. 3 Satz 2 RBStV in der Mitte eines Dreimonatszeitraums für jeweils drei Monate zu leisten. Der Antragsteller hatte die Rundfunkbeiträge trotz deren jeweiliger Fälligkeit nicht gezahlt. Gemäß § 7 Abs. 5 RGebStV bzw. § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV ist der Antragsgegner als Anstalt öffentlichen Rechts berechtigt, die rückständigen Rundfunkbeiträge durch Bescheid festzusetzen. Der Säumniszuschlag wurde auch der Höhe nach rechtsfehlerfrei festgesetzt (vgl. § 4 Abs. 7 Satz 1 RGebStV, § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 RBStV i.V.m. § 11 MDR-Satzung über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge).
h. Anhaltspunkte dafür, dass die Vollziehung des Beitragsbescheids für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge haben könnte, lassen sich seinem Vorbringen nicht entnehmen. Eine unbillige Härte liegt (nur) dann vor, wenn durch die sofortige Vollziehung für den Betroffenen über die eigentliche Zahlung hinausgehende Nachteile entstehen, die nicht oder nur schwer (wieder) gut zu machen sind. Dass dem Antragsteller derartige Nachteile im Falle der Vollziehung der Festsetzungsbescheide drohen könnten, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht vorgetragen (vgl. VG Cottbus, Beschl. v. 13. Juli 2017 – 6 L 840/15 – Juris).
3. Der Antrag bleibt auch dann ohne Erfolg, wenn die Erfolgssausichten der Klage lediglich offen sein sollten. Kann ein Erfolg des Hauptsacheverfahrens nicht mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit prognostiziert werden und ist keine unbillige Härte im Sinne des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO geltend gemacht, bleibt es bei der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO festgelegten gesetzlichen Interessenbewertung, wonach öffentliche Abgaben grundsätzlich vor einer endgültigen Entscheidung über deren Rechtmäßigkeit zu zahlen sind (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 29. Januar 2018 – 9 B 1540/17 – Juris).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 52 Abs. 1 und 3, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Nach der Rechtsprechung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts ist in beitragsrechtlichen Eilverfahren der Streitwert mit einem Viertel der streitigen Beitragsforderung festzusetzen (vgl. Thür-OVG, Beschl. v. 24. August 2017 – 1 EO 397/17 – n.v.), vorliegend demnach in Höhe von 15,13 €.


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