IT- und Medienrecht

Rundfunkbeitragspflicht, Verwaltungsgerichte, Personenbezogenheit, Nebenwohnung, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, Kostenentscheidung, Widerspruchsbescheid, Rechtsmittelbelehrung, Prozeßbevollmächtigter, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Einzelrichter, Rundfunkbeiträge, Streitwertbeschlüsse, Beitragspflichtiger, Festsetzungsbescheid, Postfachanschrift, Neuregelung, Befähigung zum Richteramt, Berufungszulassung

Aktenzeichen  B 3 K 20.165

Datum:
22.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 40887
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RBStV § 2 Abs. 1
RBStV § 4a

 

Leitsatz

Tenor

1.    Die Klage wird abgewiesen.
2.    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.     
Der Kläger darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die nach Antragstellung vom 19.10.2020 zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die geltend gemachte Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für die Wohnung in der … Die Ablehnung des Beklagten im Bescheid vom 12.02.2019, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.01.2020, ist rechtmäßig (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Der Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für die Wohnung des Klägers in … ergibt sich nicht (unmittelbar) aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 18.07.2018 (1 BvR 1675/16 – BGBl. 2018 Teil 1 S. 1349). Gemäß § 31 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz – BVerfGG – hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes im Urteil Gesetzeskraft und gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG für die Gerichte bindende Wirkung.
Der Tenor der Urteilsentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes lautet:
„1. Die Zustimmungsgesetze und Zustimmungsbeschlüsse der Länder zu Artikel 1 des Fünfzehnten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 15. Dezember 2010 sind, soweit sie § 2 Absatz 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (abgedruckt in der Anlage zu Artikel 1 des Gesetzes zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung medienrechtlicher Vorschriften vom 18. Oktober 2011 ) in Landesrecht überführen, mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes insoweit unvereinbar, als Inhaber mehrerer Wohnungen über den Beitrag für eine Wohnung hinaus zur Leistung von Rundfunkbeiträgen herangezogen werden.
2. Das bisherige Recht ist bis zu einer Neuregelung mit der Maßgabe weiter anwendbar, dass ab dem Tag der Verkündung dieses Urteils bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung diejenigen Personen, die nachweislich als Inhaber einer Wohnung ihrer Rundfunkbeitragspflicht nach § 2 Absatz 1 und 3 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags nachkommen, auf Antrag von einer Beitragspflicht für weitere Wohnungen zu befreien sind. Ist über Rechtsbehelfe noch nicht abschließend entschieden, kann ein solcher Antrag rückwirkend für den Zeitraum gestellt werden, der Gegenstand des jeweils angegriffenen Festsetzungsbescheids ist.
3. Die Gesetzgeber sind verpflichtet, spätestens bis zum 30. Juni 2020 eine Neuregelung zu treffen.“
Die vom Bundesverfassungsgericht normierten Tatbestandsvoraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor, denn der Kläger kommt bzw. kam seiner Rundfunkbeitragspflicht als Inhaber seiner Erstwohnung in … nicht nach. Zwar ist der Kläger Inhaber der Wohnung in …, da er dort melderechtlich gemeldet ist bzw. für den streitgegenstädlichen Zeitraum gemeldet war. Zudem unterliegt er auch für diese Erstwohnung der Rundfunkbeitragspflicht (§ 2 Abs. 1 RBStV).
Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes ist es mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, für ein und denselben beitragsgerechten Vorzug von ein und demselben Beitragszahler den Rundfunkbeitrag doppelt zu erheben. Bereits aus dem o.g. Tenor wird deutlich, dass das Bundesverfassungsgericht auf den Begriff herangezogen abstellt, wenn es ausführt, „… mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes insoweit unvereinbar, als Inhaber mehrerer Wohnungen über den Beitrag für eine Wohnung hinaus zur Leistung von Rundfunkbeiträgen herangezogen werden“. Unter Rn. 106 des Urteils führt das Bundesverfassungsgericht zudem aus: „Dabei darf dieselbe Person jedoch für die Möglichkeit der privaten Rundfunknutzung nicht zu insgesamt mehr als einem vollen Beitrag herangezogen werden“. Das Gericht sah damit die doppelte Heranziehung für denselben Vorteil als unzulässig an. Der Vorteil sei bereits abgegolten, soweit Wohnungsinhaber für eine Wohnung bereits zur Leistung eines Rundfunkbeitrages herangezogen würden. Der Vorteil sei personenbezogen in dem Sinne, dass es auf denjenigen Vorteil aus dem Rundfunkempfang ankomme, den die Beitragspflichtigen selbst und unmittelbar ziehen können. Der Rundfunkbeitrag könne aber von einer Person auch in mehreren Wohnungen zur gleichen Zeit nur einmal genutzt werden. Das Innehaben weiterer Wohnungen erhöhe den Vorteil der Möglichkeit zur privaten Rundfunknutzung nicht, und zwar unabhängig davon, wie viele Personen in den jeweiligen Wohnungen zusammenwohnten (vgl. BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 – Rn 106-107). Unter Rn. 111 des Urteils wird weiter ausgeführt, dass bei einer Neuregelung der Gesetzgeber zu beachten habe, dass auf keinen Fall von derselben Person Beiträge für die Möglichkeit der Rundfunknutzung über die Erhebung eines insgesamt vollen Beitrages hinaus verlangt werden dürften.
Eine solche Doppelbelastung lag bzw. liegt in dem hier zu entscheiden Fall gerade nicht vor. Durch die Heranziehung des … (dies dürfte der Vater des Klägers sein) für die Wohnung in … ist nicht bereits der Vorteil auch für die Nebenwohnung des Klägers abgegolten. Wie oben dargelegt, ist den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichtes zu entnehmen, dass der Vorteil zur Rundfunknutzung nicht wohnungsbezogen, sondern personenbezogen zu verstehen ist. Das Bundesverfassungsgericht zeigt deutlich auf, dass es darum geht, dass das Rundfunkangebot von einer Person auch in mehreren Wohnungen zur gleichen Zeit nur einmal genutzt werden kann. Es ging in dieser Entscheidung gerade nicht darum, dass Mehrpersonenhaushalte entlastet werden sollten und es so zu einer Art „Familienbefreiung“ kommen sollte. In dem hier zu entscheidenden Fall verhält es sich gerade so, dass durch das Innehaben einer zweiten Wohnung der Vorteil einer Möglichkeit zur privaten Rundfunknutzung erhöht wird. Der Kläger hat selbst nicht einmal geltend gemacht, dass er die Rundfunkbeiträge für die Hauptwohnung bezahlt hat.
Für eine personenbezogene Auslegung spricht im Übrigen auch die Konzeption des RBStV. Nach § 4 Abs. 1 RBStV wirkt eine Befreiung oder Ermäßigung von der Rundfunkbeitragspflicht grundsätzlich nur personenbezogen. Es wird grundsätzlich nur derjenige befreit, bzw. wird eine Ermäßigung gewährt, der die Voraussetzungen für die Befreiung oder Ermäßigung erfüllt. § 4 Abs. 3 RBStV regelt insoweit abschließend, auf wen sich die Befreiung bzw. Ermäßigung erstreckt. Es wäre damit systemfremd, würde man den durch das Bundesverfassungsgericht geschaffenen Übergangstatbestand dahingehend auslegen, dass die Befreiung desjenigen für die Nebenwohnung, der den Rundfunkbeitrag für die Hauptwohnung entrichtet, im Wege eines Automatismus auf sämtliche weitere Wohnungsinhaber erstrecken würde, ohne dass es eines mit § 4 Abs. 3 RBStV vergleichbaren Erstreckungstatbestand bedürfe (vgl. VG Schleswig-Holstein, U.v. 26.2.2020 – 4 A 317/19 – juris Rn 37).
Der vom Bundesverfassungsgericht geschaffene Befreiungstatbestand ist bei dem Kläger nicht gegeben. Er wurde nicht für den Rundfunkbeitrag für die Erstwohnung herangezogen. Für Haupt- und Nebenwohnung wurden vielmehr verschiedene Personen herangezogen.
Das Gericht folgt ausdrücklich nicht der Entscheidung des VG Greifswald vom 10.03.2020 – 2 A 120/20 HGW -. Dieses stellt für seine Begründung auf die Vorschrift des § 2 Abs. 3 RBStV ab und meint, durch die Erfüllung der Beitragsschuld durch einen Beitragspflichtigen sei die Beitragspflicht für die weiteren Bewohner der Wohnung erloschen, was zur Folge hätte, dass es unerheblich sei, wer in einem Beitragskonto des Beklagten erfasst sei und welches Familienmitglied tatsächlich den Rundfunkbeitrag bezahle. Im Rahmen des hier zu entscheidenden Falles geht es jedoch nicht um die Beitragsschuld für die Erstwohnung und ob diese erloschen ist, sondern darum, ob der Inhaber zweier Wohnungen zur Abschöpfung desselben Vorteils mehrfach herangezogen wird bzw. wurde.
Ein Anspruch auf Befreiung ergibt sich für den Kläger auch nicht aus der seit dem 01.06.2020 geltenden Vorschrift des § 4 a Abs. 1 Satz 1 RBStV. Dieser regelt ausdrücklich, dass eine natürliche Person für ihre Nebenwohnung von der Beitragspflichtig nach § 2 Abs. 1 befreit wird, wenn sie selbst, ihr Ehegatte oder ihr eingetragener Lebenspartner den Rundfunkbeitrag für die Hauptwohnung an die zuständige Landesrundfunkanstalt entrichtet. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterlegener Beteiligter hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.


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