IT- und Medienrecht

Schadensersatzanspruch nach Kauf eines gebrauchten Diesel-Pkw

Aktenzeichen  12 O 441/20

Datum:
17.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 51230
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 826

 

Leitsatz

Ein auf Rückabwicklung des Kaufvertrags über einen gebrauchten Diesel-Pkwgerichteter Anspruch aus § 826 BGB scheidet aus, wenn der Verkäufer nicht der Hersteller des Fahrzeugs ist. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf … € festgesetzt.

Gründe

I. Die Klage ist zulässig. Eine örtliche Zuständigkeit ergibt sich aufgrund des Wohnsitzes des Klägers im hiesigen Gerichtsbezirk jedenfalls aus § 32 ZPO.
II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Gebrauchtwagenkauf keine Ansprüche gegen die Beklagte. Ansprüche ergeben sich vorliegend weder aus Vertrag noch aus Delikt. Voranzustellen ist, dass dem sogenannten „… Abgasskandal“ eine andere Problematik zugrunde liegt. Dort geht es um den Motor EA 189 und einer in der Motorsteuerung verbauten Umschaltlogik, die zwei verschiedene Betriebsmodi steuerte. Nach dem eigenen Sachvortrag der Klagepartei ist daher das hier streitgegenständliche Fahrzeug gerade nicht von diesem sogenannten „Abgasskandal“ betroffen. Im Einzelnen:
1. Eine vertragliche Haftung der Beklagten kommt von vorneherein nicht in Betracht, §§ 311 Abs. II, Abs. III BGB. Der Beklagte hat das streitgegenständliche Fahrzeug bei einem Händler … als Gebrauchtfahrzeug erworben. Die Beklagte war an diesem Kauf nicht beteiligt. Es ist insbesondere nicht ansatzweise erkennbar und auch nicht vorgetragen, wer von der Beklagten das erforderliche besondere Vertrauen wodurch in Anspruch genommen haben könnte, zumal die Beklagte in keiner Weise an den Vertragsverhandlungen teilgenommen hat. Daher ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger der Beklagten besonderes Vertrauen entgegen gebracht haben könnte und wer von der Beklagten dann dieses besondere Vertrauen in Anspruch genommen haben könnte. In diesem Zusammenhang weist das Gericht darauf hin, dass auch die EG-Übereinstimmungsbescheinigung nicht zur Annahme eines Rechte des Klägers begründenden Schuldverhältnisses geführt hat. Auch die Anpreisung in Prospekten beispielsweise als „besonders umweltfreundlich“ ist nicht geeignet, ein besonderes Vertrauen zu begründen, da Werbung als einseitig den Absatzinteressen des Werbenden dienendes Instrument anzusehen ist.
2. Ein Anspruch aus Delikt scheitert bereits daran, dass die Beklagte den streitgegenständlichen Dieselmotor weder entwickelt noch gebaut sondern „nur“ von … bezogen hat zum Einbau in das streitgegenständliche Fahrzeug.
3. Eine deliktische Haftung kommt aber auch aus anderen Gründen nicht in Betracht:
a) Eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB scheidet bei einem Gebrauchtwagenkauf von vorneherein aus.
So ist bereits nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen wer von der Beklagten wann und worüber den Kläger konkret getäuscht haben soll, zumal die Beklagte an dem streitgegenständlichen Kauf in keiner Weise beteiligt war. Es fehlt bereits an einer ausreichenden Darlegung über welche Abgaswerte sich der Kläger konkret welche Gedanken gemacht hat, die dann auch tatsächlich Einfluss auf seine Kaufentscheidung hatten, zumal diesbezüglich hätte dargelegt werden müssen, warum es dem Kläger bei einem derart leistungsstarken SUV gerade auf spezielle Abgaswerte angekommen sein soll. Darüber hinaus ist das Tatbestandsmerkmal der Stoffgleichheit nicht erfüllt, da Schaden und Vermögensvorteil sich gegenüber stehen müssen.
Ein Vermögensvorteil der Beklagten ist nicht ersichtlich, da der Kläger das Fahrzeug bei einem selbständigen Händler erworben hat und der Kaufpreis – auch nicht teilweise – der Beklagten zufließt.
Eine Täuschung durch Unterlassen kommt ebenso nicht in Betracht, da eine Offenbarungspflicht der Beklagten (worüber) gegenüber dem durch keine vertragliche Beziehung verbundenen Kläger nicht gegeben ist. Insbesondere ist nicht erkennbar, woraus sich für die Beklagte eine Garantenpflicht für die Abwendung des „Erfolges“ hätte ergeben sollen.
Schließlich fehlt es an einem kausalen Schaden des Klägers, der das Fahrzeug seit dem Erwerb uneingeschränkt nutzt.
Soweit der Kläger einen Wertverlust des Fahrzeuges beklagt ist darauf hinzuweisen, dass vorliegend nicht zwingend ein kausaler geringerer Wiederverkaufswert angenommen werden kann. Unterstellt, der Wiederverkaufswert für Dieselfahrzeuge ist tatsächlich eingebrochen, ist die Feststellung eines kausalen Wertverlustes im Hinblick auf den sogenannten „Abgasskandal“ – von dem das Fahrzeug des Klägers ohnehin nicht betroffen ist – im Hinblick auf die vom Abgasskandal losgelöste allgemeine Dieselproblematik und die damit zusammenhängende Diskussion um mögliche Fahrverbote in deutschen Großstädten letztlich nicht ausreichend sicher möglich.
b) Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, § 826 BGB ist nicht ausreichend dargelegt und in der vorliegenden Fallkonstellation auch nicht ersichtlich. Insbesondere lässt sich die Entscheidung des BGH vom 25.05.2020 (VI ZR 252/19) nicht auf den hiesigen Fall übertragen, da dort ein … Motor EA 189 inmitten stand.
Unterstellt, die hier vom Kläger beanstandete im Fahrzeug verbaute Software ist als unzulässige Abschalteinrichtung einzustufen, wäre hierin noch kein sittenwidriges Verhalten zu sehen. Es ist gerade nicht ausreichend, dass ein Verhalten gesetzes- oder vertragswidrig ist, unbillig erscheint oder einen Schaden hervorruft. Vielmehr muss sich aus den konkreten Umständen eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens ergeben. Davon abgesehen würde eine Täuschung öffentlicher Prüfstellen nicht ohne weiteres zur Sittenwidrigkeit im Verhältnis zum Kläger führen.
Allgemein gilt für deliktsrechtliche Ansprüche, dass die Ersatzpflicht auf solche Schäden beschränkt ist, die in den Schutzbereich der Norm fallen. Mit Blick hierauf unterliegt auch eine Haftung aus § 826 BGB gewissen Einschränkungen, um das Haftungsrisiko in angemessenen und zumutbaren Grenzen zu halten. Dies bedeutet, dass ein Verhalten hinsichtlich der Herbeiführung bestimmter Schäden als sittlich anstößig zu werten sein kann, während diesem Verhalten eine solche Qualifikation hinsichtlich anderer, wenn auch ebenfalls adäquat verursachter Schadensfolgen nicht zukommt.
Vorliegend bedeutet dies, dass durch die (unterstellt) manipulative Software die Umwelt in erheblichem Maße geschädigt worden sein kann, ein Schaden aber nicht beim Kläger eingetreten ist, da er sein Fahrzeug ohne einen konkret zuordenbare und ohne Einschränkung nutzen konnte und weiterhin kann. Da der Kläger letztlich die Rückabwicklung des Gebrauchtwagenkaufs begehrt, zielt sein Schadensersatzbegehren auf die Befreiung einer vertraglichen Verbindlichkeit ab. Ein etwaiger Anspruch aus § 826 BGB scheitert deshalb bereits daran, dass die Beklagte nicht Vertragspartner des Klägers ist, andernfalls würde die vertragliche Risikozuweisung unterlaufen werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der anzuwendenden EU Verordnung Nummer 715/2007 die zumindest vorrangig der Verbesserung der Luftqualität dient. Hierbei handelt es sich jedoch um eine Verhaltensnorm mit allgemeinschützendem öffentlich-rechtlichen Charakter. Ein individueller Schutzzweck im Verhältnis zum Kläger lässt sich demgegenüber aus der Verordnung nicht ableiten.
c) Der Kläger hat auch keine Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6, 27 EG-FGV Hierbei kann auch dahingestellt bleiben, ob die Software tatsächlich als sogenannte unzulässige Abschalteinrichtung einzustufen ist. Jedenfalls stellen die §§ 6, 27 EG-FGV keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar. Mit der betreffenden EG-Richtlinie wird jedenfalls nicht der Schutz eines einzelnen Erwerbers eines Kfz gegen Vermögensbeeinträchtigungen bezweckt.
Die Klage stellt sich somit insgesamt als unbegründet dar. Der Kläger hat im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Gebrauchtwagenkauf unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Schadensersatzanspruche gegen die Beklagte.
Die Klage war daher abzuweisen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.


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