IT- und Medienrecht

Sondernutzungsgebühren für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen

Aktenzeichen  M 10 K 19.5578

Datum:
17.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 22608
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 58 Abs. 2, § 84, § 113 Abs. 1 S. 1, § 124a Abs. 4,§ 155 Abs. 1 S. 1
SNGS § 2 Abs. 1
RDGEG § 3, § 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 2019 wird insoweit aufgehoben, als eine Sondernutzungsgebühr über 160 EUR hinaus festgesetzt worden ist.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Von den Kosten des Verfahrens hat der Kläger 1/12, die Beklagte 11/12 zu tragen.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

1. Über die Klage konnte nach vorheriger Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
2. Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
a) Die Klage ist zulässig; insbesondere ist sie innerhalb der Klagefrist erhoben worden.
Im vorliegenden Fall gilt abweichend von der einmonatigen Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO, da die Rechtsbehelfsbelehrung:zum Bescheid vom 13. Juni 2019 hinsichtlich der festgesetzten Sondernutzungsgebühr unrichtig war.
Sind – wie hier – verschiedene Rechtsbehelfe gegen eine Entscheidung statthaft, ist über sämtliche Rechtsbehelfe zu belehren (vgl.: Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 58 Rn. 8; Kimmel in BeckOK VwGO, 52. Ed. 1.1.2020, § 58 Rn. 13 jew. m.w.N.). Dies ist vorliegend unterblieben. In der Rechtsbehelfsbelehrung:wurde lediglich auf die Möglichkeit hingewiesen, Klage zum Verwaltungsgericht München zu erheben. Auf die nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Ausführungsgesetz zur VwGO bei der Erhebung von Kommunalabgaben daneben bestehende Möglichkeit der Einlegung eines Widerspruchs wurde nicht verwiesen; diese wurde vielmehr ausgeschlossen.
Da dieser Fehler in der Rechtsbehelfsbelehrung:bereits dazu führt, dass diese als unrichtig im Sinne des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO anzusehen ist, kommt es vorliegend nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, dass nicht auf die Möglichkeit der elektronischen Einlegung der Klage hingewiesen worden ist (für eine Entbehrlichkeit eines derartigen Hinweises: Kimmel, a.a.O., Rn. 19).
Die Jahresfrist war im Zeitpunkt der Erhebung der Klage am 11. November 2019 offensichtlich noch nicht verstrichen. Einer Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bedurfte es demgemäß nicht.
b) Die Klage ist insoweit begründet, als im Bescheid vom 13. Juni 2019 eine Sondernutzungsgebühr über 160 EUR hinaus festgesetzt worden ist. Der angegriffene Bescheid ist insofern rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er war daher insoweit aufzuheben. Im Übrigen war die Klage abzuweisen, da sie unbegründet ist. Der streitgegenständliche Bescheid ist ansonsten rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
aa) Rechtsgrundlage für die Erhebung der Sondernutzungsgebühren ist die Sondernutzungsgebührensatzung der Beklagten vom 15. Februar 2001.
Zweifel an der Gültigkeit der Rechtsgrundlage sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
(1) Insbesondere ist die Erhebung einer Mindestgebühr in § 2 Abs. 5 SNGS im Umkehrschluss zu Art. 8 Abs. 2 Satz 3 HS. 2 Kommunalabgabengesetz grundsätzlich zulässig (so im Ergebnis auch: BayVGH, B.v. 17.12.2015 – 8 ZB 14.2702 – BeckRS 2016, 40058). Trotz fehlender Festlegung der Mindestgebühr in Euro ist diese aufgrund des fixen Umrechnungsfaktors von D-Mark zu Euro hinreichend bestimmt; die Höhe von 5 DM ist auch nicht unangemessen hoch.
(2) Der Umstand, dass Nr. 11 Gebührenverzeichnis eine Regelung enthält, die aufgrund ihres geringen Anwendungsbereichs weitgehend leerläuft, führt auch nicht zur Teilnichtigkeit dieser entscheidungserheblichen Regelung.
Nach Nr. 11 Gebührenverzeichnis ist für „Veranstaltungen, Aufführungen, z.B. Autoausstellung“ pro Auto eine Gebühr von 10 EUR vorgesehen.
Die Formulierung „pro Auto“ ist bei sachgerechter Auslegung dahingehend zu verstehen, dass für die Berechnung der Gebühr bei Veranstaltungen oder Aufführungen die Anzahl der auf der Veranstaltung oder bei der Aufführung (zweckgebunden) eingesetzten und abgestellten Autos, nicht beispielsweise diejenige von Fahrzeugen, die die Veranstaltung beliefern, oder von parkenden Autos der Besucher maßgeblich ist. Denn nur dieses Verständnis trägt dem Charakter der Sondernutzungsgebühren, die für die Inanspruchnahme des öffentlichen Verkehrsraums außerhalb des Widmungszwecks für den Verkehr erhoben werden, Rechnung. Beliefern und Parken unterfallen grundsätzlich dem Gemeingebrauch; sie sind damit nicht als Sondernutzung anzusehen und nicht sondernutzungsgebührenfähig. Zudem ist angesichts des gewählten Beispiels „Autoausstellung“ davon auszugehen, dass der Satzungsgeberin diese Art von Veranstaltung bei der Formulierung der Maßeinheit „pro Auto“ vor Augen stand. Bei einer Autoausstellung ist es für die Bemessung des Ausmaßes der Sondernutzung gerade sinnvoll, auf die Anzahl der ausgestellten und damit für die Veranstaltung (zweckgebunden) eingesetzten Autos abzustellen.
Durch diese Maßeinheit ist der Anwendungsbereich von Nr. 11 Gebührenverzeichnis jedoch stark eingeschränkt. Zwar ist der Sondernutzungstatbestand durch die Formulierung „Veranstaltungen, Aufführungen“ grundsätzlich weit gefasst; die Autoausstellung ist nur als beispielhafte Veranstaltung aufgeführt. Aber diese Sondernutzungstatbestände werden durch die ausschließlich gewählte Maßeinheit „pro Auto“ erheblich begrenzt, da keine alternative Maßeinheit zur Berechnung der Gebühr für den Fall geregelt ist, dass bei der Veranstaltung oder Aufführung kein Auto eingesetzt wird.
Diese erhebliche Einschränkung der Anwendbarkeit der Regelung in Nr. 11 Gebührenverzeichnis bewirkt nicht deren Unwirksamkeit, da es – wie der vorliegende Fall zeigt – einen Anwendungsbereich gibt, mag dieser auch gering sein. Denn in den Fällen einer Veranstaltung, Aufführung oder (gerade auch der beispielhaft genannten) Autoausstellung, bei der mindestens ein Auto (zweckgebunden) eingesetzt wird, kann auf die Maßeinheit „pro Auto“ abgestellt werden. Ob in den Fällen von Veranstaltungen oder Aufführungen, in denen kein Auto verwendet wird, dann der Auffangtatbestand des § 2 Abs. 2 SNGS greift oder in diesen Fällen keine Rechtsgrundlage für die Erhebung einer Gebühr besteht, weil sich wegen fehlender Maßeinheit in der speziellen, aber grundsätzlich einschlägigen Gebührenregelung in Nr. 11 Gebührenverzeichnis ein Rückgriff auf den allgemeinen Auffangtatbestand in § 2 Abs. 2 SNGS verbietet, kann an dieser Stelle offenbleiben.
bb) Der Bescheid ist jedoch insoweit materiell rechtswidrig, als eine Sondernutzungsgebühr über 160 EUR hinaus festgesetzt worden ist. Im Übrigen ist er formell und materiell rechtmäßig.
(1) Im konkreten Fall ergibt sich eine Gebührenhöhe von 160 EUR auf der Grundlage von § 2 Abs. 1 SNGS i.V.m. Nr. 11 Gebührenverzeichnis.
Nach § 2 Abs. 1 SNGS bemisst sich die Höhe der Gebühr nach dem der Satzung als Anlage beigefügten Gebührenverzeichnis. Bei Sondernutzungen, die nicht im Gebührenverzeichnis aufgeführt sind, bemessen sich die Gebühren nach § 2 Abs. 2 SNGS im Einzelfall nach Art und Ausmaß der Einwirkung auf die Straße und den Gemeingebrauch sowie nach dem wirtschaftlichen Interesse des Gebührenschuldners.
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist § 2 Abs. 1 SNGS i.V.m. Nr. 1a Gebührenverzeichnis nicht einschlägig, da es bei dem Street Food Festival nicht um das Aufstellen von Baugerüsten, Bauhütten oder Baucontainern oder die Lagerung von Baustoffen oder Materialien geht.
Das Street Food Festival kann auch nicht unter Nr. 8 oder Nr. 10 Gebührenverzeichnis eingeordnet werden, da hierfür nicht lediglich Warenverkaufsvorrichtungen (Nr. 8) oder Verkaufsstände (Nr. 10) aufgebaut worden sind. Zwar führt die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 27. Mai 2020 zutreffend an, dass an den Foodtrucks Speisen und Getränke verkauft worden seien. Aber die Abgabe von Speisen und Getränken an den Foodtrucks darf bei einem Street Food Festival nicht isoliert betrachtet und bewertet werden.
In einer Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls sowie unter Berücksichtigung des Charakters des Street Food Festivals ist dieses vielmehr als Veranstaltung im Sinne von Nr. 11 Gebührenverzeichnis anzusehen. Die Beklagte selbst ist zunächst von einer Veranstaltung ausgegangen, da sie am 22. Mai 2019 eine Veranstaltungserlaubnis erteilt sowie das Street Food Festival im angefochtenen Gebührenbescheid als Veranstaltung bezeichnet hat. Hinzu kommt, dass nach dem unbestrittenen Sachvortrag des Klägers sowie dem von der Beklagten vorgelegten Zeitungsartikel vom 16./17. Februar 2019 für das Street Food Festival neben den Foodtrucks eine Bühne, ein Trampolin, ein Zelt, Bars sowie Biertische und -bänke aufgebaut worden sind. Nach dem Zeitungsartikel sollte das Street Food Festival ein Fest für die ganze Familie mit Auftritten von Bands und mit Kinderbespaßung sein. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sollte das Street Food Festival nicht nur dem Verkauf von Speisen und Getränken an den Foodtrucks dienen. Vielmehr war es – wie die Bezeichnung als Street Food Festival bereits nahelegt – eine Veranstaltung in Form eines Fests, bei dem sich die Besucher nicht nur Speisen und Getränke kaufen, sondern diese auch auf Sitzgelegenheiten vor Ort verzehren, sich aufhalten und dabei die Konzerte hören sowie die Angebote für Kinder in Anspruch nehmen konnten.
Auf das damit grundsätzlich von den Sondernutzungsgebührentatbeständen der Nr. 11 Gebührenverzeichnis erfasste Street Food Festival findet auch die dort gewählte Maßeinheit „pro Auto“ Anwendung. Die Foodtrucks sind als Autos im Sinne von Nr. 11 Gebührenverzeichnis anzusehen.
Ein Automobil, kurz Auto, ist ein mehrspuriges Kraftfahrzeug (also ein von einem Motor angetriebenes Straßenfahrzeug), das zur Beförderung von Personen (Personenkraftwagen und Bus) oder Frachtgütern (Lastkraftwagen) dient. Umgangssprachlich werden mit dem Begriff Auto meist Fahrzeuge bezeichnet, deren Bauart überwiegend zur Personenbeförderung bestimmt ist und die mit einem Automobil-Führerschein auf öffentlichem Verkehrsgrund geführt werden dürfen (vgl. hierzu: https://de.wikipedia.org/wiki/Automobil – abgerufen am 17.8.2020).
Wenn man die umgangssprachliche Bedeutung des Begriffs beiseite lässt, ist der Begriff „Auto“ recht weit zu verstehen. Hiervon ausgehend sind die beim Street Food Festival eingesetzten Foodtrucks als Autos im Sinne von Nr. 11 Gebührenverzeichnis einzuordnen. Hinzu kommt, dass die Foodtrucks nach den vorgelegten Lichtbildern – anders als es ihre Bezeichnung vermuten lässt – keine Lastkraftwagen, sondern eher kleine Busse oder Transporter sind.
Da nach den unwidersprochenen Angaben des Klägers in der Klageschrift tatsächlich 16 Foodtrucks auf dem Festival eingesetzt waren, errechnet sich bei Zugrundelegung des Gebührensatzes von 10 EUR pro Auto gemäß Nr. 11 Gebührenverzeichnis eine Gebühr von 160 EUR. Dem steht nicht entgegen, dass in der verkehrsrechtlichen Anordnung von voraussichtlich 50 teilnehmenden Fahrzeugen ausgegangen wird. Bei der Berechnung der Gebühr kommt es auf die tatsächliche Inanspruchnahme an; nach Aktenlage und unbestrittenem Sachvortrag des Klägers waren 16 Fahrzeuge vor Ort.
Dass es möglicherweise im konkreten Fall – wie die Beklagte meint – im Hinblick auf das Ausmaß der Sondernutzung eines Street Food Festivals angemessener wäre, bei der Ermittlung der Gebührenhöhe auf die in Anspruch genommene Quadratmeterfläche des öffentlichen Raums abzustellen, ist zwar sachlich nachvollziehbar, lässt sich aber mit dem Wortlaut von Nr. 11 Gebührenverzeichnis nicht vereinbaren. Die Vorschrift stellt explizit nur auf die Maßeinheit „pro Auto“ ab. Da vorliegend bei der Veranstaltung tatsächlich Autos eingesetzt worden sind, ist diese Vorschrift einschlägig. Dass diese Norm in Fällen von Veranstaltungen, bei denen keine Autos eingesetzt werden, – wie bereits dargelegt – mangels Regelung einer alternativen Maßeinheit leerläuft, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich.
Nachdem die spezielle Regelung in § 2 Abs. 1 SNGS i.V.m. Nr. 11 Gebührenverzeichnis hier greift, verbietet sich ein Rückgriff auf die generellere Vorschrift in § 2 Abs. 2 SNGS, nach der im Einzelfall auf Art und Ausmaß der Sondernutzung und damit unter Umständen auch auf die in Anspruch genommene Quadratmeterfläche abzustellen wäre.
(2) Im Hinblick auf die Festsetzung einer Sondernutzungsgebühr von 160 EUR ist die Erhebung rechtmäßig. Die Voraussetzungen von Gebührengegenstand, Gebührenschuldnerschaft, Entstehen und Fälligkeit der Gebührenschuld sind insoweit gegeben, §§ 1 Satz 1, 5 Abs. 1 Nr. a), 6 Abs. 1 Alt. 2 SNGS.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat nach dem Ausmaß seines Unterliegens (160 EUR von 2.000 EUR) 1/12, die Beklagte 11/12 der Verfahrenskosten zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung fußt auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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