IT- und Medienrecht

Sozialer Appell für das Christliche Kinderhilfswerk verstößt gegen das Gebot der Trennung und Werbung im Programm

Aktenzeichen  7 BV 17.661

Datum:
6.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
K & R – 2019, 69
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RL 2010/13/EU Art. 19 Abs. 1 S. 1 u 2
GG Art. 5 Abs. 1 S. 2
RStV § 2 Abs. 2 Nr. 7 S. 1, § 7 Abs. 3 S. 3, § 45 Abs. 1 u Abs. 2

 

Leitsatz

Das Trennungsgebot in § 7 Abs. 3 Satz 3 RStV ordnet nicht nur die Trennung der Werbung von redaktionellen Inhalten des Programms, sondern auch von sämtlichen anderen Sendungsteilen an. (Rn. 18)

Verfahrensgang

M 17 K 15.2053 2016-10-27 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 27. Oktober 2016 wird die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Verfahrenskosten in beiden Rechtszügen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 21. April 2015, mit dem diese festgestellt und missbilligt hat, dass die Klägerin mit der Ausstrahlung eines sozialen Appells für das Christliche Kinderhilfswerk „World Vision Deutschland e.V.“ innerhalb eines Werbeblocks gegen das Gebot der Trennung von Werbung und Programm i.S.d. § 7 Abs. 3 des Staatsvertrags für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag – RStV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. August 1991 (GVBl S. 451, BayRS 2251-6-S), zuletzt geändert durch den 19. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Neunzehnter Rundfunkänderungsstaatsvertrag) vom 3./7. Dezember 2015 (GVBl S. 258) verstoßen hat, entspricht dem Beschluss der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) und ist rechtmäßig. Er verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 RStV trifft die zuständige Landesmedienanstalt die erforderlichen Maßnahmen, wenn sie den Verstoß eines Anbieters gegen die Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrags festgestellt hat. Davon ist die Beanstandung die Maßnahme mit der geringsten Eingriffsintensität.
Die Klägerin hat mit der Ausstrahlung des Spots zugunsten des Christlichen Kinderhilfswerks „World Vision Deutschland“ innerhalb eines Werbeblocks gegen das Trennungsgebot des § 7 Abs. 3 Satz 3 RStV verstoßen.
Zutreffend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass es sich bei dem sozialen Appell zur Übernahme von Patenschaften für Kinder in der Dritten Welt nicht um Wirtschaftswerbung i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV handelt. Demgemäß sind soziale Appelle wie auch eigene Programmhinweise des Veranstalters und Hinweise auf Begleitmaterialien zu Sendungen nicht auf die in § 45 Abs. 1 RStV bestimmte Höchstwerbezeit anzurechnen (§ 45 Abs. 2 RStV).
Anders als nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts und der Klägerin ordnet das Trennungsgebot in § 7 Abs. 3 Satz 3 RStV nicht nur die Trennung der Werbung von redaktionellen Inhalten des Programms, sondern auch von sämtlichen anderen Sendungsanteilen an.
Nach Sinn und Zweck des Erkennbarkeitsgebots soll sich dem Zuschauer erschließen, dass gerade Werbung läuft und nicht das redaktionelle Programm. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, das fordere nicht die Trennung der Wirtschaftswerbung von sonstiger zulässiger Werbung, wird der Systematik und dem Wortlaut von § 7 Abs. 3 RStV nicht gerecht. Soweit das Verwaltungsgericht hierbei auf die Vorschrift des § 7 Abs. 9 Satz 3 RStV verweist, verkennt es, dass diese lediglich klarstellt, dass soziale Appelle nicht dem Verbot von politischer, weltanschaulicher oder religiöser Werbung unterfallen. Hintergrund ist, dass der Gesetzgeber nach langem Streit sog. ideelle Werbung politischer, weltanschaulicher oder religiöser Art verboten hat (Kreile in HK-RStV, § 7 RStV Rn. 1).
§ 7 Abs. 3 Satz 1 RStV enthält das Erfordernis der Erkennbarkeit der Werbung als solcher. Sie muss leicht erkennbar und vom redaktionellen Inhalt unterscheidbar sein. § 7 Abs. 3 Satz 3 RStV hingegen fordert mit dem sog. Trennungsgebot die eindeutige Absetzung von Werbung und Teleshopping von anderen Sendungsteilen räumlich oder durch optische bzw. akustische Mittel. Es handelt sich dabei nicht lediglich um eine Ergänzung des Erkennbarkeitsgebots im Hinblick auf neue Werbetechniken. Vielmehr kommt beiden Erfordernissen, dem der Erkennbarkeit der Werbung als solcher und der Trennung, d.h. der eindeutigen Absetzung vom Programm, jeweils eigenständige inhaltliche Bedeutung zu. Erkennbarkeitsgebot und Trennungsgebot sind in jeweils gesonderten Regelungen mit eigenen Tatbestandsmerkmalen aufgeführt (BVerwG, U.v. 14.10.2015 – 6 C 17/14 – juris Rn. 11 und Leitsatz 1 = BVerwGE 153, 129). Nach dem Wortlaut erfordert das Erkennbarkeitsgebot, dass Werbung vom redaktionellen Inhalt unterscheidbar sein muss, nach dem Trennungsgebot muss aber Werbung eindeutig von „anderen Sendungsteilen“ abgesetzt sein. Dies entspricht Art. 19 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 der Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 – AVMD-Richtlinie.
Das Trennungsgebot erfordert damit auch, dass sich Werbung eindeutig von sozialen Appellen absetzt. Das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) verweist darauf, dass es aufgrund der Zielrichtung bezahlter Werbung gelte, zu vermeiden, dass das Publikum sie mit dem Programm des Senders verwechselt. Dazu gehören nach § 45 Abs. 2 RStV auch Hinweise auf später ausgestrahlte Sendungen. In diesem Zusammenhang nennt § 45 Abs. 2 RStV auch unentgeltliche Beiträge im Dienst der Öffentlichkeit einschließlich von Spendenaufrufen zu Wohlfahrtszwecken – also soziale Appelle. Aufgrund der Fallgestaltung, die das Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden hatte, hatte es keine Veranlassung auf soziale Appelle als sonstige Programmteile einzugehen, ebenso wenig wie auf die dort ebenfalls genannten gesetzlichen Pflichthinweise.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ff. ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen. Grundsätzlich bedeutsame Fragestellungen hinsichtlich der Bedeutung und der Reichweite des Trennungsgebots gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 RStV sind durch die genannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt.


Ähnliche Artikel

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen

Was tun bei einer negativen Bewertung im Internet?

Kundenbewertungen bei Google sind wichtig für Unternehmen, da sich potenzielle Neukunden oft daran orientieren. Doch was, wenn man negative Bewertungen bekommt oder im schlimmsten Fall sogar falsche? Das kann schädlich für das Geschäft sein. Wir erklären Ihnen, was Sie zu dem Thema wissen sollten.
Mehr lesen

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen


Nach oben