IT- und Medienrecht

Streit um Kodierung für die Kostenerstattung einer stationären Krankenhausbehandlung

Aktenzeichen  S 39 KR 1016/16

Datum:
28.6.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 155494
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V § 39 Abs. 1, § 109 Abs. 4 S. 3
KHEntgG § 7 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1
KHG § 17b Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

1. Die OPS-Kodes sind eng und möglichst wortlautgetreu auszulegen (BSG Urteil vom 18. Juli 2013, B 3 KR 7/12 R, BeckRS 2013, 73534). (redaktioneller Leitsatz)
2. Wenn die Beklagte der Auffassung ist, dass ein OPS-Kode nicht auf das INVOS-System passt, muss sie das bereits begonnene Verfahren zur Änderung des Kodes beim DIMDI vorantreiben und ein Exklusivum erwirken. Bei Wertungswidersprüchen und sonstige Ungereimtheiten (wie die Beklagte sie annimmt) müssen die zuständigen Stellen durch Änderung für die Zukunft Abhilfe schaffen (vgl. BSG Urteil vom 18. Juli 2013, B 3 KR 7/12 R, BeckRS 2013, 73534). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.374,69 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.07.2015 zu bezahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Der Streitwert wird auf 5.374,69 Euro festgesetzt.

Gründe

II.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klage ist als echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG (SGG) zulässig.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung offener Vergütung in Höhe von 5.374,69 Euro. Ein Erstattungsanspruch der Beklagten in dieser Höhe besteht nicht.
Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der Beklagten ist § 109 Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (KHEntgG) sowie § 17b Abs. 1 Satz 3 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) in Verbindung mit § 39 Abs. 1 SGB V und dem Fallpauschalenkatalog. Gemäß § 7 Satz 1 Nr. 1 i. V. m § 9 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen nach Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog abgerechnet. Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG = Diagnosis Related Groups) geordnet. Für die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalles zu einer DRG wird in einem ersten Schritt die durchgeführte Behandlung nach ihrem Gegenstand und ihren prägenden Merkmalen mit einem Kode gemäß dem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen „Operationen- und Prozedurenschlüssel nach § 301 SGB V“ (OPS-301) verschlüsselt (§ 301 Abs. 2 S. 2 SGB V). Zur sachgerechten Durchführung der Verschlüsselung („Kodierung“) haben die Vertragspartner auf Bundesebene „Kodierrichtlinien“ beschlossen. In einem zweiten Schritt wird der in den Computer eingegebene Kode einer bestimmten DRG zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird. Diesem als „Groupierung“ bezeichneten Prozess der DRG-Zuordnung liegt ein festgelegter Groupierungsalgorithmus zugrunde; in diesem vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Algorithmus wird entsprechend dem vom Krankenhaus eingegebenen Kode nach dem OPS eine bestimmte DRG angesteuert (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juli 2013, B 3 KR 7/12 R mwN).
Die Vergütungsregelungen sind streng nach ihrem Wortlaut und den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben; dabei gibt es grundsätzlich keinen Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen. Ergeben sich bei der Abrechnung Wertungswidersprüche und sonstige Ungereimtheiten, müssen die zuständigen Stellen durch Änderung für die Zukunft Abhilfe schaffen. Eine systematische Interpretation der Vorschriften kann lediglich im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden Bestimmungen des Regelungswerks erfolgen, um mit ihrer Hilfe den Wortlaut der Leistungslegende klarzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juli 2013, B 3 KR 7/12 R).
Gemäß diesen Grundsätzen ist vorliegend die DRG-Fallpauschale DRG F03A zugrunde zu legen, da die OPS 8-923 zutreffend von der Klägerin kodiert worden ist.
Streitentscheidend ist hier, wie die OPS-Ziffer 8-923 aus dem Operationen- und Prozedurenschlüssel der Version 2015 auszulegen ist.
Diese lautet wie folgt:
„8-923 Monitoring der hirnvenösen Sauerstoffsättigung
Hinw.:
Dieser Kode ist nur für intensivmedizinische Patienten anzugeben“.
Die Parteien streiten darüber, ob das von der Klägerin unstreitig angewandte INVOS-Verfahren die Voraussetzungen dieses OPS-Kodes erfüllt. Zwischen den Parteien ist weiter unstreitig, wie das INVOS-Verfahren funktioniert und dass die invasive Messung der Sauerstoffsättigung die Voraussetzungen des OPS-Kodes erfüllt. Im Rahmen des hier anhängigen Gerichtsverfahrens hat sich herauskristallisiert, dass letztlich die Frage entscheidend ist, ob die Messung der Sauerstoffsättigung rein hirnvenös erfolgen muss (so bei der invasiven Messung) oder ob auch eine nicht invasive gewichtete Messung, bei der sowohl die venöse als auch die arterielle Sättigung gemessen wird, ausreichend ist.
Die OPS-Kodes sind nach der o. g. Entscheidung des BSG (Urteil vom 18. Juli 2013, B 3 KR 7/12 R) eng und möglichst wortlautgetreu auszulegen. Nach Auffassung der Kammer findet die Auslegung der Beklagten im Wortlaut des OPS-Kodes keine Stütze. Das INVOS-Verfahren misst die hirnvenöse und hirnarterielle Sauerstoffsättigung und errechnet auf Grund des zwischen den Beteiligten ebenfalls unstreitigen Gewichtungsverhältnisses von 3:1 die hirnvenöse Sauerstoffsättigung. Mittels dieses Verfahrens wird daher die hirnvenöse Sauerstoffsättigung überwacht. Der Wortlaut erfordert nur, ein Monitoring, also eine Überwachung bzw. Beobachtung, der hirnvenösen Sauerstoffsättigung. An die Qualität oder die Art der Durchführung dieses Monitorings werden seitens des OPS-Kodes keine Anforderungen gestellt. Dies tut jedoch die Beklagte. Die Beklagte trägt vor, dass das INVOS-Verfahren nicht in gleicher Weise verlässliche, zutreffende oder sichere Daten liefere als das invasive Messverfahren. Es kann dahingestellt bleiben, ob dies der Fall ist. Denn hierauf kommt es nach dem Wortlaut des OPS 8-923 nicht an. Denn nach der Rechtsprechung des BSG gibt es neben dem Wortlaut keinen Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juli 2013, B 3 KR 7/12 R) .Auch im Übrigen enthalten die OPS-Kodes keine Einschränkung dahingehend, dass nur das jeweils beste/sicherste/qualitativ hochwertigste Verfahren zur Kodierung des entsprechenden OPS führen dürfe. Soweit die Beklagte der Meinung ist, das INVOS-Verfahren sei zur Messung der hirnvenösen Sauerstoffsättigung ungeeignet, muss sie auf die Einleitung eines Bewertungsverfahrens nach § 137c SGB V hinwirken. Die Abrechenbarkeit des Verfahrens wird hierdurch jedoch vor Abschluss des Verfahrens nicht beeinflusst, wenn die jeweilige Methode vom Wortlaut des OPS-Kodes erfasst ist.
Soweit die Beklagte der Auffassung ist, dass der hier streitige OPS-Kode nicht auf das INVOS-System passt, muss sie das bereits begonnene Verfahren zur Änderung des Kodes beim DIMDI vorantreiben und ein Exklusivum erwirken. Denn das BSG hat hierzu entschieden, dass bei Wertungswidersprüchen und sonstige Ungereimtheiten (wie die Beklagte sie annimmt), die zuständigen Stellen durch Änderung für die Zukunft Abhilfe schaffen müssen (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juli 2013, B 3 KR 7/12 R). Bis zu dieser Änderung ist jedoch der gültige Wortlaut heranzuziehen und dieser erfasst die hier streitige Messmethode.
Der Klage war aus diesem Grund stattzugeben.
Der Zinsanspruch beruht auf § 288 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V und des zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossenen Vertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG, § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 und 3, § 63 Abs. 2 GKG auf 5.374,69 Euro festgesetzt.


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