IT- und Medienrecht

Streitwertfestsetzung, Rundfunkanstalt, Erledigung, Vollstreckung, Verwaltungsverfahren, Anordnung, Festsetzung, Verfahren, Vollstreckungsersuchen, Klage, Kostenentscheidung, Wegfall, Wirkung, Antragsgegner, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, aufschiebenden Wirkung, Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung

Aktenzeichen  7 CS 20.626

Datum:
13.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 51781
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

AN 6 S 20.00290 2020-03-03 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 147,25 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Antragstellerin wendet sich gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. März 2020 insoweit, als ihr Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage hinsichtlich der Festsetzungsbescheide des Beklagten vom 1. Juni 2015, vom 2. Oktober 2015, vom 2. November 2015 und vom 4. März 2016 abgelehnt worden ist.
Die zulässige Beschwerde, bei der der Senat nur die dargelegten Gründe zu prüfen hat (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), hat keinen Erfolg. Zur Begründung wird insoweit auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen. Sie werden zum Gegenstand dieser Entscheidung gemacht (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Der Antragstellerin steht weiterhin ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis zur Seite, auch wenn sie die in den streitgegenständlichen Bescheiden festgesetzten Rundfunkbeiträge bereits beglichen und der Beklagte die Vollstreckungsersuchen zwischenzeitlich zurückgenommen hat. Die Vollstreckung der Festsetzungsbescheide führt nicht zu deren Erledigung und damit zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses der Antragstellerin, weil der durch die Vollstreckung eingetretene Zustand jederzeit rückgängig gemacht werden könnte.
Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:
Die Beschwerdebegründung setzt sich ausschließlich mit der Frage auseinander, ob die nach Ansicht der Antragstellerin vollständig automatisiert erlassenen Festsetzungsbescheide formell rechtmäßig sind. Für diese Verfahrensweise gebe es keine gesetzliche Grundlage. Mit diesem Vorbringen kann die Antragstellerin nicht durchdringen.
Der Antragsgegner ist gemäß § 10 Abs. 5 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) berechtigt, rückständige Rundfunkbeiträge festzusetzen. Entgegen der Annahme der Antragstellerin sind die ergangenen Festsetzungsbescheide nicht deshalb in formeller Hinsicht fehlerhaft bzw. nichtig, weil sie in einem automatisierten Verfahren erstellt und nicht unterschrieben wurden. Ungeachtet des Umstands, dass das Bayerische Verwaltungsverfahrensgesetz eine § 35a VwVfG entsprechende Regelung derzeit nicht vorsieht, ist jedenfalls nicht davon auszugehen, dass der Antragsgegner die angegriffenen Festsetzungsbescheide vollständig automatisiert erlassen hat. Ein solcher vollständig automatisierter Erlass liegt nur vor, wenn technische Einrichtungen nach vorher festgelegten Parametern autonom, also ohne weiteres menschliches Zutun, funktionieren. Entscheidend ist dabei das Fehlen einer personellen Bearbeitung in allen Verfahrensschritten innerhalb der Verwaltung (Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 35a Rn. 16).
Dass das Verfahren zur Erstellung der Bescheide zur Festsetzung des Rundfunkbeitrags vollständig automatisiert, d.h. in allen Verfahrensschritten (Sammlung, Auswertung und Verifizierung der Sachverhaltsdaten, Subsumtion, Bescheidformulierung) vollständig autonom abläuft, zeigt die Antragstellerin nicht auf.
Selbst wenn aber ein vollautomatisiertes Verwaltungsverfahren durchgeführt worden wäre, wären die erlassenen Verwaltungsakte nicht nichtig nach Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG (Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35a Rn. 55 f.).
Nach Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG sind die Regelungen des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes grundsätzlich für den Antragsgegner ebenfalls nicht anwendbar. Dies ist insbesondere durch die inhaltliche Tätigkeit des Antragsgegners als Rundfunkanstalt gerechtfertigt. Gleichwohl sind, wenn wie vorliegend hoheitliches Tätigwerden zu Grunde liegt, die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsverfahrensrechts zur Gewährung rechtsstaatlicher Verwaltungsverfahren heranzuziehen (OVG Saari, B.v. 21.11.2016 – 1 D 291/16 – juris Rn. 6, 8).
Die schriftlich ergangenen Festsetzungsbescheide des Antragsgegners sind nicht nach Art. 44 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG nichtig, denn der Antragsgegner ist klar als erlassende Behörde erkennbar (Art. 37 Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG, § 10 RBStV, § 2 Satz 1 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge). Fehlen Unterschrift und Namensangabe auf dem Bescheid, so ist dieser – dies folgt aus dem Umkehrschluss von Art. 44 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG – nicht nichtig. Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass Art. 37 Abs. 5 Satz 1 BayVwVfG zur Abwicklung von Massenverfahren den Erlass von Verwaltungsakten im automatisierten Verfahren ohne Unterschrift und Namenswiedergabe ermöglicht (Tiedmann in Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, Stand 1.1.2020, § 37 Rn. 49). Dieser Rechtsgedanke, der den besonderen Anforderungen von Massenverfahren unter größtmöglicher Steigerung der Verwaltungseffizienz Rechnung tragen soll, ist auf das Verfahren zur Erhebung von Rundfunkbeiträgen entsprechend anwendbar. Von dieser Möglichkeit hat der Antragsgegner in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht. Dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit, insbesondere der Sicherheit, dass tatsächlich ein Bescheid und nicht lediglich ein Entwurf vorliegt, trägt der in der Praxis des Antragsgegners übliche und auch hier vorliegende Hinweis Rechnung, der Bescheid sei maschinell erstellt und ohne Unterschrift gültig (BVerwG, U.v. 22.1.1993 – 8 C 57.91 -juris Rn. 14; OVG Saari, B.v. 21.11.2016-1 D 291/16-juris Rn. 8). Daher lässt sich ein vollautomatisierter Bescheiderlass auch nicht aus dem hier erfolgten Hinweis, der Bescheid sei maschinell erstellt und ohne Unterschrift gültig, ableiten. Denn unstreitig ergehen die Festsetzungsbescheide des Antragsgegners jedenfalls „mit Hilfe automatischer Einrichtungen“ (Art. 37 Abs. 5 Satz 1 BayVwVfG analog). Nur darauf nimmt der Hinweis auf den Festsetzungsbescheiden Bezug.
Da das Bayerische Verwaltungsverfahrensgesetz – wie ausgeführt – keine dem § 35a VwVfG entsprechende Regelung enthält, kommt es vorliegend nicht darauf an, dass § 10a RBStV (neue Fassung) erst zum 1. Juni 2020 in Kraft getreten ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nrn. 1 und 2, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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