Aktenzeichen M 28 M 18.32378
VwGO § 151, § 165
Leitsatz
Die Berücksichtigung der Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG setzt voraus, dass tatsächlich Kosten für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen entstanden sind, die bezüglich des konkreten Gerichtsverfahrens über allgemeine Geschäftskosten des Behördenbetriebs hinausgehen (Anschluss an VG München BeckRS 2018, 31575 Rn. 9 f.). (Rn. 15 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. März 2018 (M 28 E 17.32875) wird in Ziffer I. dahingehend geändert, dass die den Antragstellern im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht München entstandenen notwendigen Aufwendungen auf insgesamt 201,70 ? festgesetzt werden und die Kostenfestsetzungsanträge der Beteiligten im Übrigen abgelehnt werden und in Ziffer II. dahingehend geändert, dass diese Kosten der Antragsteller nach dem Beschluss vom 5. September 2017 die Antragsgegnerin zu ½ = 100,85 ? zu tragen hat.
Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
II. Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Kostenfestsetzung in einem asylrechtlichen Eilverfahren.
Am 13. Februar 2017 beantragten die Antragsteller in ihrem gerichtlichen Asylverfahren u.a. den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Nach einer Entscheidung des Gerichts in der betreffenden Hauptsache (M 28 K 16.35827) erklärten die Antragsteller am 5. September 2017 den Rechtsstreit für erledigt. Mit Beschluss vom 5. September 2017 (M 28 E 17.32875) wurde das Verfahren eingestellt (Ziffer I.), wurden die Kosten des Verfahrens den Antragstellern und der Antragsgegnerin je zur Hälfte auferlegt (Ziffer II.) und wurde der Gegenstandswert auf 1.500,00 ? festgesetzt (Ziffer III.).
Mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2017 beantragten die Antragsteller die Festsetzung der anwaltlichen Gebühren, berechnet aus einem Gegenstandswert von 2.000,00 ? in Höhe von gesamt 255,85 ?.
Der Kostenfestsetzungsantrag wurde der Antragsgegnerin am 16. Januar 2018 mit Hinweisen des Kostenbeamten zur Kenntnis gegeben. Eine Äußerung wurde dem Kostenbeamten zunächst nicht bekannt.
Am 20. März 2018, der Antragsgegnerin zugestellt am 22. März 2018, erging ein Kostenfestsetzungsbeschluss (M 28 E 17.32875). Darin wurden die den Antragstellern im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht München entstandenen notwendigen Aufwendungen antragsgemäß auf insgesamt 255,85 ? festgesetzt (Ziffer I.) und festgestellt, dass diese Kosten nach dem Beschluss vom 5. September 2017 die Antragsgegnerin zu ½ = 127,93 ? zu tragen hat (Ziffer II.). Der Kostenfestsetzungsbeschluss erging gebührenfrei (Ziffer III.). In der Begründung wurde aufgeführt, wegen fehlender Rückantwort sei ohne Rücksicht auf die Kosten der Antragsgegnerin zu entscheiden gewesen.
Mit Schriftsatz vom 23. März 2018, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, beantragte die Antragsgegnerin gegen den Beschluss vom 20. März 2018,
die Entscheidung des Gerichts und die vorläufige Aussetzung der Vollziehung bis zur Entscheidung über das Rechtsmittel. Die Antragsgegnerin habe, was im Einzelnen begründet wurde, einen Anspruch auf Festsetzung der mit Schriftsatz vom 25. Januar 2018 in Höhe von 20,00 ? fristgerecht geltend gemachten Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen.
Am 8. Juni 2018 entschied der Kostenbeamte des Gerichts, dass dem Antrag der Antragsgegnerin nicht abgeholfen werde und legte dem Vorgang dem Einzelrichter vor. Der Gerichtsakte des Verfahrens M 28 E 17.32875 sei weder ein Schreiben der Antragsgegnerin, noch ein Hinweis auf Post- und Telekommunikationsdienstleistungen zu entnehmen. Auch sei im Eilverfahren keine Übersendung der Behördenakte auf elektronischem Weg vorgenommen worden. Es sei deshalb davon auszugehen, dass der Antragsgegnerin Post- und Telekommunikationsdienstleistungen in diesem Verfahren nicht entstanden seien. Unter Verweis auf Beschlüsse des Verwaltungsgerichts München (vom 9.1.2018 – M 17 M 17.47881; vom 5.1.18 – M 24 M 17.46144; vom 2.1.2018 – M 19 M 17.49875) werde deshalb die Festsetzung der Pauschale abgelehnt.
Mit der Zuleitung der Erinnerung an die Beteiligten durch den Einzelrichter wurde die Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass ihre Auffassung aus der Erinnerung, dass “unstreitig” Kosten für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen entstanden seien, seitens des Gerichts nicht nachvollzogen werden könne. Die angesprochenen Empfangsbekenntnisse “vom 04.09.2017, 19.10.2017 und 27.12.2017” fänden sich nicht im Vorgang M 28 E 17.32875. Möglicherweise seien diese in den Parallelverfahren M 28 K 16.35827 und/oder M 28 S 16.35850 versandt worden. Dies würde aber den Ansatz der Pauschale im Verfahren M 28 E 17.32875 nicht rechtfertigen. Die Beklagte wurde deshalb aufgefordert, innerhalb der Stellungnahmefrist entweder den Versand von Empfangsbekenntnissen im Verfahren M 28 E 17.32875 nachzuweisen oder die Erinnerung zurückzunehmen. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass das Gericht im Übrigen der Auffassung des Kostenbeamten im Vorlageschreiben vom 8. Juni 2018 folge.
Hierauf äußerte sich die Antragsgegnerin im Erinnerungsverfahren mit weiterem Schriftsatz vom 16. Juli 2018. Zum einen wurde ein Empfangsbekenntnis vorgelegt, mit dem im Verfahren M 28 E 17.32875 am 22. März 2018 der Empfang des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 20. März 2018 bestätigt wurde. Im Übrigen sei es nicht Voraussetzung der Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, dass überhaupt nachweisbare Kosten i.S.v. Nr. 7001 VV RVG angefallen seien, was weiter – auch unter Verweis auf den Beschluss des VG München vom 6.3.2018 – M 25 M 17.45954 – begründet wurde. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass im Kostenfestsetzungsbeschluss ein falscher Gegenstandswert zu Grunde gelegt worden sei. Es werde um korrekte Berechnung gebeten.
Die Antragsteller äußerten sich im Erinnerungsverfahren nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten des Ausgangsverfahrens (M 28 E 17.32875) sowie des Erinnerungsverfahrens (M 28 M 18.32378) verwiesen.
II.
Die zulässige, insbesondere fristgemäße, Erinnerung ist nur hinsichtlich der bislang unzutreffenden Berechnung der notwendigen Aufwendungen der Antragsteller begründet (nachfolgend 1.), nicht jedoch hinsichtlich der von der Antragsgegnerin geltend gemachten Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (nachfolgend 2.).
1. Im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. März 2018 wurden die den Antragstellern im Verfahren M 28 E 17.32875 entstandenen notwendigen Aufwendungen zu hoch (antragsgemäß) auf insgesamt 255,85 ? festgesetzt, da die nach § 30 Abs. 2 RVG abweichende Festsetzung des Gegenstandswerts im Einstellungsbeschluss vom 5. September 2017 bei der Kostenfestsetzung wohl übersehen wurde. Der Einzelrichter hat seinerzeit die Erhöhung für mehrere Antragsteller nach § 30 Abs. 1 Satz 2 RVG bereits bei der abweichenden Festsetzung des Gegenstandswerts nach § 30 Abs. 2 RVG berücksichtigt (Regel-Gegenstandswert in asylrechtlichen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bei zwei Antragstellern von 2.500 ? + 500 ? = 3.000 ?, davon wegen der Besonderheiten des Verfahrens [gleichzeitige und gesonderte Erhebung von Anträgen nach § 123 und § 80 Abs. 5 VwGO] als angemessene Festsetzung im Einzelfall die Hälfte = 1.500 ?). Neben einer individuellen gerichtlichen Festsetzung nach § 30 Abs. 2 RVG bleibt für eine Erhöhung nach § 30 Abs. 1 Satz 2 RVG kein Raum mehr.
Die notwendigen Aufwendungen errechnen sich deshalb mit 201,70 ?, davon hat die Antragsgegnerin ½ zu tragen, d.h. 100,85 ?.
2. Erfolglos bleibt die Erinnerung der Antragsgegnerin hingegen, soweit sie die Berücksichtigung der Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG zu ihren Gunsten erreichen möchte. Der Kostenbeamte hat diese zu Recht im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. März 2018 nicht in Ansatz gebracht.
Im vorliegenden Einzelfall ist nicht erkennbar, dass dem BAMF tatsächlich Kosten für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen entstanden sind, die bezüglich des konkreten Gerichtsverfahrens über allgemeine Geschäftskosten des Behördenbetriebs der Antragsgegnerin hinausgingen. Seitens der Antragsgegnerin wurde keine Behördenakte vorgelegt (dies erfolgte nur im Klageverfahren), wurde kein Schriftsatz an das Gericht gerichtet und auch kein Empfangsbekenntnis ausgestellt und übermittelt, das i.S.v. § 162 Abs. 1 VwGO als “zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig” angesehen werden könnte. Soweit sich die Antragsgegnerin im Erinnerungsverfahren – allein – auf ein übermitteltes Empfangsbekenntnis für die Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses beruft, genügt dieses nicht, denn die im Nebenverfahren anfallenden Aufwendungen sind keine Aufwendungen im vorgenannten Sinn (vgl. VG München, B.v. 5.1.2018 – M 24 M 17.46144 – BA S. 7).
Bei dieser Sachlage folgt der Einzelrichter der Rechtsauffassung in den seitens des Kostenbeamten im Vorlageschreiben zitierten und der Antragsgegnerin bekannten Beschlüssen (VG München, B.v. vom 9.1.2018 – M 17 M 17.47881; vom 5.1.18 – M 24 M 17.46144; vom 2.1.2018 – M 19 M 17.49875). Einer Auseinandersetzung mit der möglicherweise abweichenden Auffassung im von der Antragsgegnerin zitierten Beschluss (VG München, B.v. 6.3.2018 – M 25 M 17.45954) bedarf es nicht, da diesem Beschluss ein anderer Sachverhalt – nämlich zumindest die elektronische Übermittlung der Behördenakte im betreffenden Verfahren – zu Grunde liegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.