IT- und Medienrecht

Topf-Secret: Informationsgewährung über Kontrollbericht der Lebensmittelüberwachung

Aktenzeichen  W 8 K 19.1375

Datum:
14.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 25105
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VIG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e, § 4, § 5, § 6
GG Art. 12 Abs. 1
LFGB § 40 Abs. 1a
VIG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 4
VO (EG) Nr. 178/2002 Art. 10

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.
Der streitgegenständliche Bescheid des Landratsamtes A. vom 25. September 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit sind nicht ersichtlich. Die Formalien des § 5 Abs. 1 VIG wurden eingehalten.
Der Bescheid ist auch materiell-rechtlich rechtmäßig.
Rechtsgrundlage des Bescheides des Beklagten vom 25. September 2019, in dem den Antrag des Beigeladenen auf Informationsgewährung – hier betreffend konkret einen Kontrollbericht der Lebensmittelüberwachung vom 13. Januar 2015 – stattgegeben wurde, ist § 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG. Danach hat jeder nach Maßgabe des Verbraucherinformationsgesetzes Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten über von den nach Bundes- oder Landesrecht zuständigen Stellen festgestellte nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen a) des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches und des Produktsicherheitsgesetzes, b) der aufgrund dieser Gesetze erlassenen Rechtsverordnungen und c) unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich der genannten Gesetze sowie Maßnahmen und Entscheidungen, die im Zusammenhang mit den in den Buchstaben a) bis c) genannten Abweichungen getroffen worden sind.
Die Rechtslage ist mittlerweile durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 29.8.2019 – 7 C 29/17 – BVerwGE 166, 233 – im Folgenden zitiert nach juris) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in zahlreichen Entscheidungen (vgl. zuletzt etwa BayVGH, B.v. 7.8.2020 – 5 CS 20.1302 – juris), die im Nachfolgenden im Einzelnen zitiert werden und denen das Gericht folgt, geklärt. Darüber hinaus bejahen die Rechtmäßigkeit der Gewährung von Informationszugang im Zusammenhang auch konkret mit den Portal „T. S.“ verschiedene andere Obergerichte (konkret OVG Bremen, B.v. 14.7.2020 – 1 B 338/19 – NJW 2020, 2821; OVG NRW, B.v. 16.1.2020 – 15 B 814/19 – LMuR 2020, 92; NdsOVG, B.v. 16.1.2020 – 2 ME 707/19 – GewArch 2020, 157; VGH BW, Be.v. 13.12.2019 – 10 S 1891/19, 10 S 2077/19, 10 S 2078/19, 10 S 2614/19, 10 S 2647/19, 10 S 2685/19 und 10 S 2687/19 – alle juris). Offen gelassen haben die Rechtmäßigkeit das OVG RhPf, B.v. 15.1.2020 – 10 B 11643/19 – LMuR 2020, 90 und das OVG Hamburg, B.v. 14.10.2019 – 5 Bs 149/19 – ZLR 2019, 866.
Anspruchsgrundlage ist § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG (vgl. nur BayVGH, B. v. 30.4.2020 – 5 CS 19.1511 – juris Rn. 12). Der Beigeladene ist als natürliche Person gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 VIG anspruchsberechtigt. Ein besonderes Interesse oder eine besondere Betroffenheit für den Anspruch auf Informationszugang ist nicht erforderlich, ebenso ist grundsätzlich das Motiv des Auskunftsersuchens unbeachtlich. Nach dem Willen des Gesetzgebers hat eine weite Auslegung zu erfolgen. Mit dem Verbraucherinformationsgesetz bezweckt der Gesetzgeber einen weiten Informationszugang, um einzelne Personen zum Sachverwalter des Allgemeininteresses zu machen. Ihnen sollen entsprechend dem gesetzgeberischen Leitbild des mündigen Verbrauchers die bei den Behörden vorhandenen Informationen grundsätzlich ungefiltert zugänglich gemacht werden. Die Beweggründe des VIG-Antragstellers sind für die Antragsberechtigung im Grunde unerheblich, auch die Antragstellung über die Internetplattform „T. S.“ ist unschädlich. Ebenso ist ohne Belang, ob im Hintergrund eine Informationskampagne von „T. S.“ steht (BayVGH, B.v. 7.8.2020 – 5 CS 20.1302 – juris Rn. 18 ff.; B.v. 13.5.2020 – 5 CS 19.2150 – Rn. 17; B. v. 30.4.2020 – 5 CS 19.1511 – juris Rn. 13; B.v. 27.04.2020 – 5 CS 19.2415 – juris Rn. 18; BVerwG, U.v. 29.8.2019 – 7 C 29/17 – juris Rn. 14 f.; siehe auch Schemmer, jurisPR-BVerwG 4/2020, Anm. 2 Buchstabe C., s. auch zuletzt etwa noch VG Augsburg, B.v. 7.7.2020 – Au 9 S 20.590 – juris; jeweils m.w.N.).
Der streitgegenständliche Kontrollbericht zur lebensmittelrechtlichen Betriebsprüfung enthält Daten über festgestellte nicht zulässige Abweichungen. Der Kontrollbericht ist tauglicher Gegenstand des Informationszugangsanspruchs.
Ein Produktbezug ist nicht erforderlich. Der Informationsanspruch nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG erfasst nicht nur – worauf vordergründig § 1 VIG hindeuten könnte – konkrete Erzeugnisse oder Verbraucherprodukte, von denen möglicherweise Gesundheitsgefahren ausgehen, sondern auch Vorgänge wie die Herstellung, Erzeugung, Lagerung und Lieferung von Produkten (BayVGH, B.v. 13.5.2020 – 5 CS 19.2150 – Rn. 14 und Rn. 19 im Anschluss an BVerwG, U.v. 29.8.2019 – 7 C 29/17 – juris Rn. 24 bis 26).
Nicht zulässige Abweichungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG können auch marginale Verstöße sein (BayVGH, B.v. 13.5.2020 – 5 CS 19.2150 – Rn. 28).
Im Interesse einer zeitnahen Information muss die „nicht zulässige Abweichung“ (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG) nicht durch Verwaltungsakt festgestellt worden sein; ausreichend, aber auch erforderlich ist es, dass die zuständige Behörde die Abweichung unter Würdigung des Sachverhalts und der einschlägigen Rechtsvorschriften abschließend aktenkundig festgestellt hat (BayVGH, B.v. 13.5.2020 – 5 CS 19.2150 – Rn. 20; B.v. 7.8.2020 – 5 CS 20.1302 – juris Rn. 15; im Anschluss an BVerwG, U.v. 29.8.2019 – 7 C 29/17 – juris Rn. 30, 32).
Weiter ist rechtlich nicht notwendig, dass die Informationen an den VIG-Antragsteller über festgestellte nicht zulässige Abweichungen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG die konkreten Rechtsgrundlagen enthalten, von denen abgewichen wurde; es reicht aus, dass diese Rechtsgrundlagen an anderer Stelle aktenkundig gemacht worden sind (vgl. dazu auch BayVGH, B.v. 27.04.2020 – 5 CS 19.2415- juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 13.5.2020 – 5 CS 19.2150 – Rn. 21).
Im gerichtlichen Verfahren ist jedenfalls sowohl eine Ergänzung fehlender wie auch ein Austausch unzutreffender Rechtsgrundlagen möglich. In der Benennung einer Rechtsgrundlage liegt eine Subsumtion; einer Begründung der Subsumtion nach Art. 39 BayVwVfG bedarf es nicht, da der Kontrollbericht keinen Verwaltungsakt darstellt (BayVGH, B.v. 13.5.2020 – 5 CS 19.2150 – Rn. 21 und 22; B.v. 27.04.2020 – 5 CS 19.2415 – juris Rn. 16).
Ob ein konkreter Kontrollbericht tauglicher Gegenstand des Informationszugangsanspruchs ist, lässt sich anhand des Beteiligtenvorbringens und des sonstigen Akteninhalts im Einzelfall auch ohne Kenntnis von dessen Inhalt feststellen; auf die Frage, welche konkrete Normabweichung festgestellt worden ist, kommt es für das Bestehen des Auskunftsanspruchs nicht an (BayVGH, B.v. 13.5.2020 – 5 CS 19.2150 – Rn. 23).
Vorliegend hat die Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich klargestellt, dass die von der Lebensmittelüberwachung beanstandeten Verstöße von ihr rechtlich überprüft worden sein. Der Klägerin sei der Bericht auch übersandt worden. Im ursprünglichen Bericht seien zwar die Verstöße benannt, aber keine konkreten Rechtsvorschriften genannt worden. Diese seien erst später ergänzt worden. Dieses Prozedere ist nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs rechtlich nicht zu beanstanden. Rechtlich unerheblich ist schließlich für die Informationsgewährung, dass die Kontrolle mittlerweile schon über fünf Jahre zurückliegt und dass die Beanstandungen nach unbestrittener Angabe der Klägerin schon zeitnah beseitigt wurden. Denn ein Andauern des Verstoßes ist nicht erforderlich (vgl. VG Augsburg, B.v. 7.7.2020 – Au 9 S 20.590 – juris Rn. 48).
Der Anspruch auf Informationsherausgabe würde nach § 3 Satz 1 Buchst. e VIG nur dann nicht bestehen, wenn Informationen – anders als hier – vor mehr als fünf Jahren vor der Antragstellung entstanden wären (vgl. VG Augsburg, B.v. 7.7.2020 – Au 9 S 20.590 – juris Rn 28). Der Beklagte hat indes dazu zutreffend angemerkt, dass bei der Antragstellung noch keine fünf Jahre vergangen gewesen seien. Nur durch Klageerhebung und Eilverfahren seien mittlerweile die für Jahre überschritten worden.
Auch sonst stehen dem Informationsbegehren Ausschluss- und Beschränkungsgründe nach § 2 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 3 VIG nicht entgegen. Denn nach der gesetzlichen Wertung des § 3 Abs. 5 Nr. 1 VIG sind festgestellte nicht zulässige Abweichungen von vornherein nicht als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse einzustufen, an denen ein schutzwürdiges Interesse der Unternehmen bestehen könnte. Vielmehr hat der Gesetzgeber in § 3 Satz 5 Nr. 1 VIG die konfligierenden Interessen selbst abgewogen und dem öffentlichen Interesse an der Information den Vorrang eingeräumt. Genauso wenig kann der Schutz personenbezogener Daten nach § 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a VIG dem Auskunftsbegehren entgegengehalten werden, insbesondere liegt kein Verstoß gegen die DSGVO vor. Ein möglicher Eingriff wäre jedenfalls gerechtfertigt. Soweit die Klägerin datenschutzrechtliche Verstöße des Beigeladenen oder der Plattform „T. S.“ bei einer späteren Weiterverwendung der Information befürchtet, wäre ein solcher Verstoß dem Beklagten nicht zuzurechnen (BayVGH, B.v. 7.8.2020 – 5 CS 20.1302 – juris Rn. 21 ff.; B.v. 13.5.2020 – 5 CS 19.2150 – Rn. 24 ff.; BVerwG, U.v. 29.8.2019 – 7 C 29/17 – juris Rn. 33).
Des Weiteren ist das Begehren des Beigeladenen nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 4 Abs. 4 VIG. Der Versagungsgrund des Rechtsmissbrauchs nach § 4 Abs. 4 VIG, der insbesondere bei überflüssigen Anfragen oder querulatorischen Begehren zum Tragen kommt, ist bei einer Information im Rahmen einer Kampagne Dritter nicht einschlägig. Offenbleiben kann, ob der einem Informationszugangsbegehren entgegenzuhaltende Versagungsgrund des Rechtsmissbrauchs (§ 4 Abs. 4 VIG) für das Lebensmittelunternehmen drittschützende Wirkung hat oder ob er nur dem Allgemeininteresse an einer funktionierenden Verwaltung dient (BayVGH, B.v. 13.5.2020 – 5 CS 19.2150 – Rn. 18). Denn eine kampagnenartige Weiterverwendung der an einen VIG-Antragsteller herausgegebenen Information durch diesen ist nicht rechtsmissbräuchlich. Sie ist im VIG gerade angelegt und entspricht dessen Zielsetzung, wonach anfragende Einzelpersonen nicht nur eine informierte Konsumentscheidung treffen sollen, sondern zugleich als Sachwalter des Allgemeininteresses fungieren können. Ein Verfassungsverstoß ist – wie noch ausgeführt wird – darin nicht zu sehen. Ebenso bedarf es keiner Suche nach der wahren Motivlage, die dem Auskunftsbegehren zugrunde liegen mag (BayVGH, B.v. 7.8.2020 – 5 CS 20.1302 – juris Rn. 20; B.v. 13.5.2020 – 5 CS 19.2150 – Rn. 17, 18; B.v. 27.04.2020 – 5 CS 19.2415 – juris Rn. 19; BVerwG, U.v. 29.8.2019 – 7 C 29/17 – juris Rn. 22; siehe auch Halder/Metzl, jurisPR-ITR 5/2020, Anm. 5 Buchstabe C., wonach laut BVerwG auch kein Rechtmissbrauch vorliegt, wenn absehbar ist, dass Veröffentlichung auf Internetplattform „T. S.“ erfolgen wird).
Im Übrigen ist anzumerken, dass der Gesetzgeber mit der Hinweispflicht nach § 6 Abs. 3 Satz 2 VIG, der Richtigstellungspflicht nach § 6 Abs. 4 VIG sowie der verfahrensrechtlichen Beteiligung der betroffenen Dritten nach § 5 Satz 1 VIG ausreichende Schutzvorkehrungen zur Vermeidung unzumutbarer Konsequenzen getroffen hat. Die gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 VIG die Behörde treffende Pflicht zur Richtigstellung unrichtiger bzw. falscher Informationen kann nicht nur gegenüber dem VIG-Antragsteller bestehen (vgl. § 6 Abs. 4 Satz 2 VIG), sondern darüberhinausgehend auch Richtigstellungen gegenüber den VIG-Plattformen beinhalten (BayVGH, B.v. 7.8.2020 – 5 CS 20.1302 – juris Rn. 29; B.v. 13.5.2020 – 5 CS 19.2150 – Rn. 31; B.v. 27.04.2020 – 5 CS 19.2415 – juris Rn.24).
Des Weiteren ist in der Rechtsprechung geklärt, dass auch keine Parallele zu § 40 Abs. 1a LFGB zu ziehen ist, weil zur vorliegenden Fallgestaltung grundsätzlich Unterschiede bestehen. Zwischen der gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 VIG von einem Antrag abhängigen Informationsgewährung an einen VIG-Antragsteller einerseits und der aktiven staatlichen Informationstätigkeit nach § 40 Abs. 1a LFGB zur Gefahrenabwehr andererseits bestehen große Unterschiede, die es ausschließen, die zu letztgenannter Vorschrift ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum aktiven staatlichen Informationsverhalten, insbesondere die dort angemahnte zeitliche Begrenzung der Informationsverbreitung (vgl. BVerfG, B.v. 21.03.2018 – 1 BvF 1/13 – BVerfGE 148, 40 – juris Rn. 48, 56-61), ohne Weiteres auf die antragsgebundene Informationsgewährung nach VIG zu übertragen. Denn das aktive staatliche Informationsverhalten verschafft den übermittelten Informationen breite Beachtung und gesteigerte Wirkkraft auf das wettbewerbsrechtliche Verhalten der Marktteilnehmer. Die Auswirkung einer antragsgebundenen Informationsgewährung bleibt dahinter qualitativ und quantitativ weit zurück. Die behördliche Information der Öffentlichkeit von Amts wegen nach § 40 Abs. 1 a LFGB bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen, die als Warnung der Verbraucher der Gefahrenabwehr dient und in der Regel von den Medien – auch Onlinemedien – sofort aufgegriffen wird, ist gegenüber dem individuell geltend zu machenden Informationsanspruch nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG ein Aliud. Das VIG normiert als Voraussetzung für die Informationsgewährung nicht etwaige Gefahren für den Verbraucher, sondern lediglich behördliche Feststellungen nicht zulässiger Abweichungen von den dort genannten Normen. Wie schon erwähnt, ist auch gerade eine kampagnenartige Weiterverwendung der Information im Verbraucherinformationsgesetz gerade angelegt und entspricht dessen Zielsetzung. Der Umstand, dass eine Veröffentlichung auf einer Internetplattform erfolgt, hier konkret auf der Plattform „T. S.“, ändert nichts an der Konstellation, dass es sich vorliegend um eine antragsgebundene Informationsgewährung an eine Einzelperson handelt (BayVGH, B.v. 7.8.2020 – 5 CS 20.1302 – juris Rn. 25 ff., B.v. 13.5.2020 – 5 CS 19.2150 – Rn. 28; B.v. 27.04.2020 – 5 CS 19.2415 – juris Rn. 20 ff.; im Anschluss an BVerwG, U.v. 29.8.2019 – 7 C 29/17 – juris Rn. 47; siehe auch Halder/Metzl, jurisPR-ITR 5/2020, Anm. 5 Buchstabe C.).
Wie der Beigeladene VIG-Antragsteller mit den erhaltenen Informationen umgeht, bleibt grundsätzlich ihm überlassen und liegt damit grundsätzlich außerhalb des behördlichen Verantwortungs- und Einflussbereichs. Dies gilt auch für ein zu erwartendes Einstellen von Kontrollberichten auf die von privater Seite betriebene Plattform „TopfSecret“, weil eine solche Publikation erkennbar keine staatliche Autorität in Anspruch nehmen kann (BayVGH, B.v. 7.8.2020 – 5 CS 20.1302 – juris Rn. 27 ff.; B.v. 13.5.2020 – 5 CS 19.2150 – Rn. 29).
Eine lediglich abstrakte Möglichkeit einer rechtswidrigen privaten Weiterverwendung der Information reicht ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht aus, um darin bereits ein dem Beklagten zuzurechnenden Eingriffsäquivalent zu sehen, dass einer gesonderten Rechtfertigung bedürfte. Soweit es der Klägerin im Verhältnis zum Beigeladenen um etwaige (künftige) Ergänzungen oder zeitliche Begrenzungen bei der Verwendung der Information geht, insbesondere, dass auch im Geschäftsverkehr bestehende „Recht auf Vergessen“, muss er die entsprechenden Ansprüche auf den Zivilrechtsweg verfolgen (BayVGH, B.v. 13.5.2020 – 5 CS 19.2150 – Rn. 30; B.v. 27.04.2020 – 5 CS 19.2415 – juris Rn. 23).
Die auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 VIG fußende Informationsgewährung, hier in Form der Übersendung des Kontrollberichts an den Beigeladenen, verstößt nicht gegen Grundrechte. Insbesondere verstößt die antragsgebundene Informationserteilung nicht gegen die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Zwar ist der Informationszugang nach dem Verbraucherinformationsgesetz an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, weil er direkt auf die Marktbedingungen individualisierter Unternehmen zielt, das Konsumverhalten beeinflussen und auf diese Weise mittelbar-faktisch die Markt- und Wettbewerbssituation zum wirtschaftlichen Nachteil der Betroffenen verändern kann. Insoweit gilt für die antragsabhängige Informationsgewährung nach dem VIG nichts anderes als für die aktive staatliche Informationstätigkeit nach § 40 Abs. 1a LFBG, die in ihrer Zielgerichtetheit und Wirkung einem Eingriff in die Berufsfreiheit gleich kommt. Wie schon ausgeführt, bestehen zwischen den beiden Arten der Information aber große Unterschiede, die es ausschließen, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum aktiven staatlichen Informationsverhalten, insbesondere die dort angemahnte zeitliche Begrenzung der Informationsverbreitung, ohne Weiteres auf die antragsgebundene Informationsgewährung zu übertragen. Die aktive staatliche Information nach dem LFGB ist im Vergleich zur Informationsherausgabe nach dem VIG ein Aliud. Das Bundesverwaltungsgericht hat den mit der Informationsgewährung nach dem VIG verbundenen Eingriff als gerechtfertigt angesehen. Im VIG ist gerade auch eine kampagnenartige Weiterverwendung angelegt und entspricht dessen Zielsetzung. Allein der Umstand, dass der streitbefangene Kontrollbericht auf der Internetplattform „T. S.“ veröffentlicht werden könnte, ändert nichts daran, dass es sich auch in dieser Fallkonstellation um eine antragsgebundene Informationsgewährung an eine Einzelperson handelt. Wie der Beigeladene mit der erhaltenen betriebs- und personenbezogenen Information umgeht, bleibt grundsätzlich ihm überlassen und liegt damit außerhalb des behördlichen Verantwortungs- und Einflussbereichs. Dies gilt auch für das hier mögliche bzw. zu erwartende Einstellen des Kontrollberichts auf die von privater Seite betriebene Plattform „T. S.“, weil eine solche Publikation erkennbar keine staatliche Autorität in Anspruch nehmen kann. Die Plattform veröffentlicht lediglich durch private Dritte zur Verfügung gestellte von der öffentlichen Verwaltung ausgestellte Dokumente; dadurch wird sie nicht selbst zu einer staatlichen Veröffentlichungsplattform. Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist gerechtfertigt. Soweit die Veröffentlichung für den Betroffenen negative Folgen entfaltet, ist der potentiell gewichtige Grundrechtseingriff zudem dadurch relativiert, dass die betroffenen Unternehmen negative Öffentlichkeitsinformationen durch eigenes rechtswidriges Verhalten selbst veranlasst haben. Die einschlägigen Rechtsvorschriften sind nicht unverhältnismäßig. Der Gesetzgeber hat eine verfassungsrechtlich vertretbare Bewertung und Abwägung der gegenläufigen Interessen vorgenommen. Die angesprochenen Regelungen verfolgen wichtige Ziele des Verbraucherschutzes. Im Grundsatz ist es angemessen, die Interessen der Unternehmen im Fall eines im Raum stehenden Rechtsverstoßes hinter die Schutz- und Informationsinteressen der Verbraucherinnen und Verbraucher zurücktreten zu lassen. Dass die Rechtsverstöße nicht notwendig mit einer Gesundheitsgefährdung verbunden sind, steht dem nicht entgegen, weil auch der Schutz vor Täuschung und Nichteinhaltung hygienischer Anforderungen und die Ermöglichung eigenverantwortlicher Konsumentscheidungen legitime Zwecke des Verbraucherschutzes sind. Diese legitimen Zwecke rechtfertigen es auch, dass der Zugang zu Informationen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG nicht unter Berufung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse abgelehnt werden kann (siehe ausführlich BVerwG, U.v. 29.8.2019 – 7 C 29/17 – juris Rn. 41 ff. sowie BayVGH, B.v. 7.8.2020 – 5 CS 20.1302 – juris Rn. 24 ff. B.v. 13.5.2020 – 5 CS 19.2150 – Rn. 28; B.v. 22.4.2020 – 5 CS 19.2304 – juris Rn. 13 ff.; B.v. 15.4.2020 – 5 CS 19.2087 – juris Rn. 27; jeweils m.w.N.).
Mit der Hinweispflicht nach § 6 Abs. 3 Satz 2 VIG, der Richtigstellungspflicht nach § 6 Abs. 4 VIG sowie der verfahrensrechtlichen Beteiligung der betroffenen Dritten nach § 5 Satz 1 VIG hat der Gesetzgeber – wie schon dargelegt – auch mit Blick auf die Grundrechtsrelevanz der Informationsgewährung ausreichende Schutzvorkehrungen zur Vermeidung unzumutbarer Konsequenzen getroffen (BayVGH, B.v. 7.8.2020 – 5 CS 20.1302 – juris Rn. 29, B.v. 13.5.2020 – 5 CS 19.2150 – Rn. 31; B.v. 22.4.2020 – 5 CS 19.2304 – juris Rn. 18; BVerwG, U.v. 29.8.2019 – 7 C 29/17 – juris Rn. 52).
Die vorstehenden Erwägungen geltend auch in Bezug auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG. Auch eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG liegt nicht vor, weil die Frage nach dem Schutz von Marktteilnehmern im Wettbewerb von der sachlich spezielleren Norm des § 12 Abs. 1 GG erfasst wird (BVerwG, U.v. 29.8.2019 – 7 C 29/17 – juris Rn. 53).
Weiter ist ein Verstoß gegen das Recht der Europäischen Union zu verneinen. Die einschränkenden Vorgaben, die Art. 8 Abs. 5 VO 2017/625 (sogenannte „Kontrollverordnung“) für Veröffentlichungen vorsieht, gelten nur für Fälle, in denen Behörden trotz ihrer Verschwiegenheitspflicht tätig werden dürfen; Fälle, in denen eine Verbreitung erfolgen muss, bleiben von diesen einschränkenden Vorgaben unberührt. Da in Anwendung der ein subjektives Recht begründenden Anspruchsnorm des § 2 VIG eine Herausgabe – ohne behördliches Ermessen – erfolgen muss, kommen deshalb dort die einschränkenden unionsrechtlichen Vorgaben nicht zum Tragen (BayVGH, B.v. 13.5.2020 – 5 CS 19.2150 – Rn. 34 f; B.v. 15.4.2020 – 5 CS 19.2087 – BayVBl 2020, 454 – juris Rn. 31 f.; auch schon VG Würzburg, B.v. 28.1.2020 – W 8 E 19.1669 – LMuR 2020, 279 – juris Rn. 48; siehe auch BVerwG, U.v. 29.8.2019 – 7 C 29/17 – juris Rn. 54 f.).
Auch sonst liegt kein Verstoß gegen EU-Recht vor. Insbesondere verlangt Europarecht nicht, dass nur Informationen über Gesundheitsgefahren zugänglich gemacht werden dürfen. Das Bundesverwaltungsgericht hat ausgeführt, dass in der Kontrollverordnung bzw. in der Vorgängerverordnung kein einengendes Normverständnis des Verbraucherinformationsgesetzes im unionsrechtlichen Kontext geboten ist. Die inhaltlichen Vorgaben der europäischen Kontrollverordnung lassen das Informationszugangsrecht nach dem Verbraucherinformationsgesetz unberührt. Insbesondere schränken sie auch nicht den Zugang auf allgemeine Informationen über die Kontrolltätigkeit der zuständigen Behörde ein (BayVGH, B.v. 13.5.2020 – 5 CS 19.2150 – Rn. 15 u. 36; B.v. 15.4.2020 – 5 CS 19.2087 – BayVBl 2020, 454 – juris Rn. 15 u. 30 ff.; BVerwG, U.v. 29.8.2019 – 7 C 29/17 – juris Rn. 26 u. 55; kritisch Becker, LMuR 2020, 57).
Schließlich hat das Gericht auch keine Bedenken gegen die Art und Weise der Veröffentlichung. Insbesondere ist auch eine Übermittlung in Form der wie hier vorgesehenen Übersendung der begehrten Informationen – konkret des ausgedruckten Kontrollberichts vom 13. Januar 2015 – auf dem Postweg zulässig. Von Rechts wegen hat die Klägerin angesichts der Formulierung in § 6 Abs. 1 VIG keinen Anspruch, dass der Beigeladene nur einen mündlichen oder telefonischen Informationszugang oder nur Einsicht in das Dokument in den Räumen der Behörde erhält. Im Gegenteil hat der Beigeladene einen gesetzlichen Anspruch darauf, dass er den Kontrollbericht zumindest in Schriftform überlassen bekommt (BayVGH, B.v. 7.8.2020 – 5 CS 20.1302 – juris Rn. 30; B.v. 13.5.2020 – Az. 5 CS 19.2150 – Rn. 32; B.v. 27.04.2020 – 5 CS 19.2415 – juris Rn. 25).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Beigeladene hat seine außergerichtlichen Kosten mangels Antragsstellung und Beteiligung am Prozesskostenrisiko gemäß § 154 Abs. 3 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO selbst zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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