IT- und Medienrecht

Umweltinformationen, Akteneinsicht, Überwachung der Zur-Ruhe-Bettungspflicht einer Abtreibungsklinik

Aktenzeichen  M 32 K 18.4632

Datum:
24.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 49646
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BestG Art. 6 Abs. 1
BayUIG Art. 2
BayUIG Art. 3
BayUIG Art. 4
BayDSG Art. 39
LHSt München § 1 IFS.

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Verpflichtungsklage auf Einsicht in die Akte zur Überwachung der Zur-Ruhe-Bettungspflicht der o.g. Klinik ist zulässig, aber unbegründet. Der ablehnende Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO. Dem Kläger steht der geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht zu.
1. Der Kläger hat keinen Auskunftsanspruch nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayUIG.
Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayUIG gewährt jeder Person nach Maßgabe des BayUIG einen Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle i.S.d. Art. 2 Abs. 1 BayUIG verfügt, ohne dafür ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen. Der Begriff der Umweltinformationen ist dabei in Art. 2 Abs. 2 BayUIG legaldefiniert. Umweltinformationen sind danach, unabhängig von der Art der Speicherung, u.a.
alle Daten über
1. den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Landschaft und natürliche Lebensräume einschließlich Feuchtgebiete, Küsten- und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich gentechnisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen,
2. Faktoren, wie Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung, Abfälle aller Art sowie Emissionen, Ableitungen und sonstige Freisetzungen von Stoffen in die Umwelt, die sich auf die Umweltbestandteile im Sinn der Nr. 1 auswirken oder wahrscheinlich auswirken,
3. Maßnahmen oder Tätigkeiten, die
a) sich auf die Umweltbestandteile im Sinn der Nr. 1 oder auf Faktoren im Sinn der Nr. 2 auswirken oder wahrscheinlich auswirken oder
b) den Schutz von Umweltbestandteilen im Sinn der Nr. 1 bezwecken;
zu den Maßnahmen gehören auch beschlossene politische Konzepte, Rechtsvorschriften, Abkommen, Umweltvereinbarungen, Pläne und Programme,
4. Berichte über die Umsetzung des Umweltrechts; …
Ob Daten, die sich mit der Freisetzung des im Rahmen einer Abtreibung verwendeten Wirkstoffes Mifepriston bzw. des Mittels Mifegyne befassen, Umweltinformationen i.S.d. Art. 2 Abs. 2 BayUIG darstellen, kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben, da es vorliegend bereits an der Voraussetzung des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayUIG, nämlich dass die informationspflichtige Stelle über diese Informationen auch verfügen muss, fehlt. Denn nach dem glaubhaften Vortrag der Beklagten, zuletzt schriftsätzlich mit Schreiben vom 13. Januar 2020 sowie in der mündlichen Verhandlung, prüft diese im Rahmen der Zur-Ruhe-Bettungspflichten der o.g. Klinik nach Art. 6 BestG keine umweltrechtlichen Voraussetzungen, weswegen auch die dazu geführten Akten zur Überwachung dieser Pflicht keinerlei Umweltdaten oder Umweltinformationen i.S.d. BayUIG beinhalten. Die wenige Seiten umfassende Verwaltungsakte zur Überwachung der Klinik enthält lediglich den Schriftwechsel zwischen der Beklagten und der Klinik mit entsprechenden Hinweisen auf die Bestattungspflicht sowie den Austausch mit der Klinik und weiteren Beteiligten zur Frage der Erforderlichkeit der histologischen Untersuchung der sterblichen Überreste der Embryonen bzw. Feten und dem anschließenden Verfahren nach dem hessischen Bestattungsgesetz. Diese abstrakt beschriebenen Inhalte stellen keine Umweltinformationen i.S.d. Art. 2 Abs. 2 BayUIG dar. Weitere Informationen, etwa zur chemischen Belastung der sterblichen Überreste der Leibesfrüchte bzw. zur Auswirkung auf Boden oder Trinkwasser enthält die Akte nach dem glaubhaften Vortrag der Beklagten hingegen nicht. Dies erscheint für das erkennende Gericht auch nachvollziehbar, da es bezüglich der abgetriebenen Embryonen und Feten bzw. der verwendeten Abtreibungsmittel keine entsprechend einzuhaltenden Grenzwerte hinsichtlich einer möglichen Umweltbelastung gibt, die von der Beklagten zu überwachen wären. Der Vortrag der Beklagten wurde von der Klagepartei darüber hinaus auch nicht substantiiert bestritten.
Daher braucht nicht entschieden zu werden, ob zusätzlich der Ablehnungsgrund der offensichtlich missbräuchlichen Antragstellung gem. Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 BayUIG gegeben ist.
2. Auch aus dem allgemeinen Auskunftsanspruch nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG lässt sich kein Anspruch für den Kläger herleiten.
Dieser Anspruch scheitert bereits daran, dass der Kläger für sein Informationsbegehren nicht das erforderliche berechtigte Interesse glaubhaft dargelegt hat. Das persönliche Engagement des Klägers gegen Abtreibungen im Allgemeinen und gegen die betroffene Klinik im Besonderen stellt kein rechtliches relevantes berechtigtes Interesse in diesem Sinne dar.
3. Ein Anspruch ergibt sich ebenso wenig auf Grundlage der Informationsfreiheitssatzung (IFS) der Beklagten. Zwar gewährt die IFS in § 1 Abs. 1 Satz 1 jeder natürlichen und juristischen Person freien Zugang zu den bei der Stadtverwaltung einschließlich der Eigenbetriebe vorhandenen amtlichen Informationen. Nach § 1 Abs. 2 IFS umfasst der Anspruch jedoch ausschließlich Informationen in Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises, Art. 83 Abs. 1 BV, Art. 7 GO. Die Überwachungspflicht der Beklagten hinsichtlich der Einhaltung der Zur-Ruhe-Bettungspflicht durch die o.g. Klinik stellt hingegen eine Angelegenheit des übertragenen Wirkungskreises dar, Art. 6 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 BestG, Art. 8 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 Satz 1 GO, so dass ein Anspruch bereits aus diesem Grund ausscheidet.
4. Schließlich hat der Kläger keinen Anspruch aus Art. 29 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, da er kein Beteiligter im Überwachungsverfahren ist.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO und mit dem Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO abzuweisen.


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