IT- und Medienrecht

Unterlassung von herabsetzenden Aussagen über einen Rechtsanwalt

Aktenzeichen  39 O 4466/19

Datum:
13.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2020, 12950
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG § 4 Nrn. 1 u. 4

 

Leitsatz

Die Bezeichnung eines Rechtsanwalts gegenüber (potentiellen) Mandanten als „Verbrecher“,  „Parteiverräter“ und „Nichtskönner“ verstößt gegen § 4 Nrn. 1 u. 4 UWG. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts München I vom 03.04.2019, 37 O 4466/19, wird bestätigt.
II. Der Antragsgegner trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Gründe

A)
Auf den Widerspruch des Antragsgegners hin war gemäß § 925 Abs. 1 ZPO zu überprüfen, ob die einstweilige Verfügung vom 03.04.2019 zu Recht ergangen ist. Die Überprüfung aufgrund der mündlichen Verhandlung führt zu dem Ergebnis, dass der Verfügungsantrag sowohl zulässig als auch begründet ist:
I) Der Verfügungsantrag ist zulässig, es besteht Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Der Antragsteller stützt die geltend gemachten Unterlassungsansprüche auf UWG, nach § 12 Abs. 2 UWG wird die Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Verfügung vermutet.
Nachdem das in Rede stehende Gespräch zwischen der Zeugin und der anwaltlichen Vertreterin des Antragstellers am 13.03.2019 stattfand, kann von dem Verletzungssachverhalt der Antragsteller ebenfalls erst am 13.03.2019 Kenntnis erlangt haben. Der Antrag vom 29.03.2019 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ging am 02.04.2019 bei Gericht ein und damit innerhalb der nach Münchner Rechtsprechung erforderlichen Frist von nicht mehr als einem Monat ab Kenntniserlangung vom Verletzungssachverhalt.
II) Die geltend gemachten Unterlassungsansprüche sind begründet nach §§ Abs. 1; 4 Nr.1, Nr. 4 UWG: 1) Der Antragsteller ist als Mitbewerber zur Geltendmachung der Unterlassungsansprüche aktiv legitimiert nach § 8 Abs. 3 Nummer 1 UWG:
Mitbewerber ist jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht, § 2 Abs. 1 Nummer 3 UWG. Hinsichtlich des Begriffes des Unternehmers und des Wettbewerbsverhältnis ist aus Gründen des Lauterkeitsschutzes eine weite Auslegung geboten. Erforderlich und ausreichend für das Bejahen des Unternehmerbegriffs ist eine auf Dauer angelegte, selbstständige wirtschaftliche Betätigung, die auf den Vertrieb von Waren oder Dienstleistungen gegen Geld gerichtet ist. Hiervon sind auch Freiberufler erfasst.
Die Parteien sind beide unstreitig im Bereich der Rechtsberatung/Rechtsdienstleistungen tätig. Hieran ändert es auch nichts, dass zum Zeitpunkt der behaupteten Äußerungen des Antragsgegners ein etwaiges Mandat zwischen Frau und dem Antragsteller nicht mehr bestanden haben solle. Denn jedenfalls wären durch derartige Äußerungen auch die Interessen des Antragstellers in seiner Rolle als Rechtsanwalt betroffen. Durch jede der streitgegenständlichen Äußerungen könnten Mandanten davon abgehalten werden, Verträge mit dem Antragsteller zu schließen oder fortzusetzen.
2) Aufgrund der durchgeführten mündlichen Verhandlung ist für die Kammer hinreichend glaubhaft gemacht im Sinne von § 294 ZPO, dass die vom Antragsteller vorgetragenen Äußerungen durch den Antragsgegner tatsächlich getätigt wurden.
a) Denn nach Auffassung der Kammer besteht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dahingehend, dass die an Eides Statt versicherten Angaben der Zeugin, zusammengefasst in deren Versicherung vom 15.03.2019 zutreffen.
Die Angaben in der eidesstattlichen Versicherung von Frau stützen sich auf ihre eigenen Wahrnehmungen, diese sind hinreichend präzise und Widersprüche hierin vermag die Kammer nicht zu erkennen.
Eidesstattliche Versicherungen erfordern eine eigene Sachverhaltsdarstellung (BGH, NJW 1996, 1682; NJW 1988,2045 f). Die Wahrnehmung des Betroffenen muss selbst dargestellt und deren Richtigkeit an Eides statt versichert werden.
Zwar wurde der von Frau geschilderte Sachverhalt von der anwaltlichen Vertreterin des Antragstellers selbst zusammengefasst, gibt also wohl nicht den von Frau unmittelbar gewählten Wortlaut wieder. Dennoch sprechen im vorliegenden Falle die Umstände nicht dafür, dass es sich dabei um eine von der Prozessvertreterin des Antragstellers inhaltlich vorgefertigte Versicherung handeln würde, was deren Wert zur Glaubhaftmachung erheblich einschränken würde. Es wurde von der anwaltlichen Vertreterin des Antragstellers nur dasjenige zusammengefasst, was die Zeugin aus eigener Wahrnehmung selbst geschildert hatte, dies stellte somit lediglich eine Hilfestellung für die Zeugin dar und ersetzte nicht die Wahrnehmung und Darstellung der Zeugin durch eine eigene eines Dritten.
Anhaltspunkte dafür, dass die Zeugin nicht glaubwürdig wäre, haben sich für die Kammer nicht ergeben. Gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin und die Glaubhaftigkeit von deren Erklärungen spricht insbesondere nicht der Zeitablauf zwischen dem Zeitpunkt, zu dem der Antragsgegner gegenüber der Zeugin die Aussagen tätigte, und dem Zeitpunkt, zu dem diese davon der anwaltlichen Vertreterin des Antragstellers erzählte, weil allgemein bekannt ist, dass Zeugen bezüglich einschneidender Erlebnisse sich auch längere Zeit konkret erinnern können und erinnern. Irgendwelche Umstände dafür, dass den gesamten Sachverhalt die Zeugin frei erfunden hätte, sind nicht ersichtlich.
b) Die Angaben der Zeugin in deren eidesstattliche Versicherung werden auch nicht durch die vom Antragsgegner als Anlage AG 1 vorgelegte Versicherung des Herrn widerlegt:
Die Versicherung des Herrn ist zur Widerlegung des durch die eidesstattliche Versicherung der Zeugin glaubhaft gemachten Sachverhaltes untauglich:
Dass eine Versicherung nicht ausdrücklich das Bewusstsein des Erklärenden betreffend die Strafbarkeit einer etwaigen falschen Versicherung an Eides statt herausstellt, kann deren Untauglichkeit zur Glaubhaftmachung begründen: Obwohl das entsprechende Bewusstsein wegen der Regel des § 17 StGB nicht zwingend erforderlich ist, vermag eine solche Versicherung nur dann Glaubhaftmachungswert zu begründen, wenn der Erklärende um die Strafbarkeit weiß. Vorliegend kann davon ausgegangen werden, dass Herrn als Volljurist eine etwaige Strafbarkeit einer falschen Versicherung an Eides statt bewusst ist.
Ungeeignet sind dagegen eidesstattliche Versicherungen, deren Darstellungen sich der Wahrnehmung des Erklärenden entziehen (vergleiche BGH, NJW 2004,3 1491 (1492)). So liegt der Fall hier: Die Versicherung des Herrn bezieht sich schon nicht auf die streitgegenständlichen Äußerungen aus dem vom Antragsteller glaubhaft gemachten Gespräch zwischen Frau und dem Antragsgegner Ende März/Anfang April 2017, sondern vielmehr auf andere, überhaupt nicht streitgegenständliche Situationen in den Kanzleiräumen des Herrn . Die Versicherung von Herrn ist daher schon untauglich, den von Frau versicherten Sachverhalt zu widerlegen oder deren Glaubwürdigkeit zu erschüttern. Die Versicherung mag sich auf eigene tatsächliche Wahrnehmung des Herrn stützen. Mit dem durch die Zeugin glaubhaft gemachten streitgegenständlichen Sachverhalt und den entsprechenden Äußerungen hat diese Versicherung des Herrn in concreto jedoch nichts zu tun.
Weil die Kammer der Versicherung des Herrn aus diesen Gründen schon keinen Glaubhaftmachungswert betreffend den hier zugrunde liegenden Sachverhalt beimessen kann, kann auch offenbleiben, ob durch die Abgabe dieser Erklärung gegen § 203 Abs. 1 Nummer 3 StGB verstoßen und dadurch ein Verwertungsverbot begründet wurde.
c) Auch die vom Antragsgegner selbst abgegebene eidesstattliche Versicherung ist nicht dazu geeignet, den Inhalt der eidesstattlichen Versicherung der Zeugin zu widerlegen:
Der Antragsgegner versichert, er habe die „in der Antragsschrift vom 29.03.2019 genannte Aussagen (Antrag zu 1, zu 2, zu 3) nicht in dieser Form gesagt“, nicht jedoch, dass er diesbezüglich gar nichts zu Frau gesagt habe. Insofern liegt bereits ein Widerspruch mit der Widerspruchsbegründung vom 09.07.2019 vor, denn dort trägt der Antragsgegner vor, überhaupt keine der streitgegenständlichen Äußerungen getätigt zu haben, nicht aber, dass dies nur nicht in der behaupteten Form geäußert worden seien. Weiterhin erscheint fragwürdig, wie ohne ein Zusammentreffen mit Frau irgendwelche Äußerungen (Versicherung des Antragsgegners: „nicht in dieser Form“) getätigt werden hätten können. Insofern besteht nach Auffassung der Kammer auch ein Widerspruch innerhalb der eidesstattlichen Versicherung des Antragsgegners selbst.
Die völlig pauschal gehaltene eidesstattliche Versicherung des Antragsgegners kann daher die glaubwürdigen und glaubhaften Bekundungen der Zeugin nicht widerlegen.
Aus diesen Gründen ist für die Kammer hinreichend glaubhaft gemacht im Sinne von § 294 ZPO, dass die im Beschlusstenor aufgeführten Äußerungen durch den Antragsgegner in Bezug auf den Antragsteller tatsächlich geäußert wurden.
3) Die in Rede stehenden Äußerungen des Antragsgegners in Bezug auf den Antragsteller stellen sich als Herabsetzung/Verunglimpfung sowie gezielte Behinderung des Antragstellers dar:
Eine Herabsetzung ist die sachlich nicht gerechtfertigte Verringerung der Wertschätzung eines Mitbewerbers durch ein abträgliches Werturteil oder eine abträgliche wahre oder unwahre Tatsachenbehauptung. Verunglimpfung ist eine gesteigerte Form der Herabsetzung durch Verächtlichmachung des Mitbewerbers ohne sachliche Grundlage (vergleiche Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl. 2020, Rn. 1.12 zu § 4).
Die Bezeichnung eines Rechtsanwalts gegenüber (potentiellen) Mandanten als „Verbrecher“, und/oder „Parteiverräter“ und/oder „Nichtskönner“ trifft diesen empfindlich in seinem Ansehen am Markt, setzt dessen Ansehen herab und ist insbesondere dazu geeignet, die Entschließungsfreiheit des Empfängers zu beeinflussen. Besonders im vertrauensgeprägten Bereich der beratenden Berufe, wo der (potentielle) Mandant vor allem Wert auf ein integres Verhältnis mit seinem Berater legt, sind derartige Äußerungen von massiven negativem Gewicht für den betroffenen Mitbewerber. Die seitens des Antragsgegners getätigten Äußerungen erfüllen somit den Tatbestand von § 4 Nummer 1 UWG.
Durch die Herabsetzung eines Mitbewerbers mit dem Hintergrund von dessen Schwächung in seiner Marktstellung ist zudem der Tatbestand der gezielten Behinderung erfüllt (vergleiche Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Auflage 2020, Rn. 4.1 5,4.9 zu § 4).
4) Die vom Antragsteller geltend gemachten Unterlassungsansprüche sind auch nicht verjährt:
Zur Überzeugung der Kammer konnte der Antragsteller frühestens am 13.03.2019 Kenntnis von den glaubhaft gemachten, auf ihn bezogenen Äußerungen des Antragsgegners erlangen. Denn erst an diesem Tag hat das Gespräch zwischen seiner Lebensgefährtin und Frau stattgefunden. Selbst wenn mit dem Antragsgegner davon ausgegangen würde, dass dies nicht der Fall gewesen sein solle, liegt die auf den 15.03.2019 datierte eidesstattliche Versicherung von Frau vor, welche den Antragsteller in Kenntnis über deren Inhalt setzen konnte und damit über die in Rede stehenden Verletzungshandlungen. Dass der Antragsteller bereits früher von den Äußerungen des Antragsgegners Kenntnis gehabt haben sollte, ist seitens des Antragsgegners, der hinsichtlich Verjährungseintritts darlegungs – und beweispflichtig ist, weder konkret vorgetragen, noch glaubhaft gemacht.
Damit ist Verjährung der geltend gemachten Unterlassungsansprüche nicht eingetreten:
Die 6-monatige Verjährungsfrist (§ 11 Absatz 1UWG) der kenntnisabhängigen (§ 11 Abs. 2 Nrn. 1, Nummer 2 BGB) Verjährung wurde durch Einreichung der Antragsschrift am 02.04.2019 nach § 204 Abs. 1 Nummer 9 BGB gehemmt.
Damit greift die seitens des Antragsgegners erhobene Einrede der Verjährung nicht durch.
4) Die durchgeführte mündliche Verhandlung hat somit ergeben, dass die einstweilige Verfügung zu Recht erlassen wurde, sodass diese gemäß § 925 Abs. 2 ZPO zu bestätigen war.
B)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Absatz ein Satz 1 ZPO.
C)
Eines Anspruches hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht, da Urteile, durch die eine einstweilige Verfügung erlassen bzw. bestätigt wird, auch ohne ausdrücklichen Ausspruch grundsätzlich vorläufig vollstreckbar sind (vergleiche Thomas/Putzo, ZPO, 40. Aufl. 2019, Rn. 7 zu § 708).


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