IT- und Medienrecht

Unterlassungsanspruch wegen der Nutzung der Bezeichnungen “Poly”, “Mischfasern” und “Cotton” in Textilien

Aktenzeichen  29 U 2899/15

Datum:
18.2.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 135904
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG § 3a
Textilerzeugnis-Kennzeichnungs-VO Art. 5 Abs. 1, Art. 15, Art. 16 Abs. 3
UGP-RL Art. 7

 

Leitsatz

1. Art. 5 Abs. 1 Textilerzeugnis-Kennzeichnungs-VO, Art. 15 Textilerzeugnis-Kennzeichnungs-VO und Art. 16 Abs. 3 Textilerzeugnis-Kennzeichnungs-VO sind Marktverhaltensregelungen iSv § 3a UWG. (Rn. 16) (red. LS Dirk Büch)
2. Die Bezeichnungen “Poly”, “Mischfasern” und “Cotton” sind in der deutschsprachigen Version des Anhangs I zur Textilerzeugnis-Kennzeichnungs-VO  nicht aufgeführt und dürfen daher auf Etiketten von Textilerzeugnissen nicht verwendet werden. (Rn. 17 – 19) (red. LS Dirk Büch)
3. Eine Verletzung der nach europäischem Recht zum Schutz des Verbrauchers vorgeschriebenen Informationspflichten ist geeignet, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen. (Rn. 21) (red. LS Dirk Büch)

Verfahrensgang

4 HK O 22706/14 2015-04-20 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 20.04.2015 in Ziffer 2. aufgehoben soweit die Beklagte über die Zahlung von 919,14 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus seit dem 05.12.2014 an die Klägerin hinaus verurteilt worden ist.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
IV. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus Ziffer 1. des landgerichtlichen Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 10.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche und vorgerichtliche Abmahnkosten geltend.
Die Klägerin vertreibt Bekleidungsgegenstände, u.a. unter den Marken „B…“, „J…“ und „P… O…“.
Die Beklagte hat Bekleidungsstücke mit Etiketten mit den Faserkennzeichnungen „100 % Cotton“, „60 % Cotton, 40 % Polyester“, „65 % Poly, 35 % Cotton“ und „42 % Cotton, 56 % Mischfasern und 2 % Elastodien“ vertrieben (Anlagen SNP 1 bis SNP 11).
Die Klägerin mahnte die Beklagte wegen der Verwendung dieser Faserkennzeichnungen mit Schreiben vom 22.04.2014 ab.
Sie ist der Auffassung, die von der Beklagten verwendeten Kennzeichnungen „Cotton“, „Polyester“, „Poly“ „Mischfasern“ und „Elastodien“ seien in der Anlage 1 zur Textilkennzeichenverordnung nicht aufgeführt, weshalb ihr gemäß § 3, § 4 Nr. 11, § 8 UWG ein Unterlassungsanspruch zustehe.
Die Beklagte ist der Meinung, bei den Vorschriften der Textilkennzeichnungsverordnung handele es sich nicht um Marktverhaltensregeln im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Abgesehen davon dürfe die Bezeichnung „Mischfasern gemäß Nr. 48 des Anhangs 1 zur Textilkennzeichnungsverordnung verwendet werden, weil es sich insoweit um „Fasern aus verschiedenen Stoffen“ handele, „die vorstehend nicht aufgeführt sind“. Der Begriff „Cotton“ dürfe zur Kennzeichnung verwendet werden, weil es sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW-RR 1996, 230) um eine beschreibende Angabe für Baumwolle handele, die inzwischen der deutschen Umgangssprache angehöre.
Soweit überhaupt Verstöße vorlägen, hätten diese jedenfalls keine Relevanz im Sinne von § 3 UWG.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 20.04.2015, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, wie folgt erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder bei Meidung einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen am Geschäftsführer der Beklagten, gemäß §§ 890 ZPO zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Polo-Shirts, T-Shirts, Pullover, Hemden und Socken jeweils mit Etiketten, die keine deutsche Faserkennzeichnung enthalten, anzubieten und/oder in den Verkehr zu setzen, wenn dies wie nachfolgend wiedergegeben erfolgt und die Bezeichnungen „Cotton“, „Poly“ und/oder „Mischfasern“ enthält:
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger [sic!] 1.141,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.12.2014 zu bezahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 2/5, die Beklagte 3/5.
5. [vorläufige Vollstreckbarkeit]
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages mit ihrer Berufung.
Die Beklagte beantragt, wie folgt zu erkennen:
Urteil des Landgerichts München I vom 20. April 2015 wird abgeändert, soweit mit ihm zu Lasten der Beklagten erkannt wurde. Auch insoweit wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte beantragt
die Zurückweisung der Berufung.
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.02.2016 Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nur hinsichtlich eines geringen Teils der Abmahnkosten begründet.
1. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 3, § 4 Nr. 11, § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG a.F., § 3, § 3 a, § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG n.F. in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 1007/2011 vom 27.09.2011 (im Folgenden: TextilkennzVO) zu.
a) Die Parteien sind Mitbewerber im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG.
b) Bei Art. 5 Abs. 1, Art. 15, Art. 16 Abs. 3 TextilkennzVO handelt es sich um Vorschriften, die im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG a.F., § 3 a UWG n.F. dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Gemäß Art. 5 Abs. 1 TextilkennzVO dürfen für die Beschreibung der Faserzusammensetzungen auf Etiketten und Kennzeichnungen von Textilerzeugnissen nur die Textilfaserbezeichnungen nach Anhang I der Verordnung verwendet werden. Art. 15 TextilkennzVO regelt die Verpflichtung zur Etikettierung oder Kennzeichnung und gemäß Art. 16 Abs. 3 TextilkennzVO erfolgt die Etikettierung oder Kennzeichnung in der Amtssprache des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Textilerzeugnisse dem Verbraucher bereitgestellt werden. Die Angaben sollen, wie sich aus dem 20. Erwägungsgrund für die Vorschrift ergibt, den Verbrauchern ermöglichen, sich umfassend über den Ursprung der Erzeugnisse, die sie kaufen, zu informieren, damit sie vor betrügerischen, unzutreffenden oder irreführenden Ursprungsangaben geschützt sind. Art. 5 Abs. 1, Art. 15, Art. 16 Abs. 3 TextilkennzVO dienen daher, wie alle Vorschriften, die eine bestimmte Kennzeichnung von Produkten vorsehen, dem Schutz von Verbrauchern und stellen somit Marktverhaltensregeln dar (Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 4 Rn. 11.118 und 11.130).
c) Die Bezeichnung „Poly“ ist Anhang I der TextilkennzVO nicht aufgeführt und darf daher nach Art. 5 Abs. 1 TextilkennzVO nicht verwendet werden.
d) Auch die Bezeichnung „Mischfasern“ ist im Anhang I zur TextilkennzVO nicht aufgeführt. Gemäß Nummer 48 des Anhangs I der TextilkennzVO sind Fasern aus verschiedenen oder neuartigen Stoffen, die nicht aufgeführt sind, entsprechend dem Stoff zu bezeichnen, aus dem sich die Fasern zusammensetzen, z.B. Metall (metallisch, metallisiert), Asbest, Papier, mit oder ohne Zusatz „Faser“ oder „Garn“. Mischfasern sind somit nicht als „Mischfasern“ zu bezeichnen, sondern es sind die Stoffe aufzuführen, aus denen sich die Fasern zusammensetzen. Aus dem Umstand, dass in Nummer 48 des Anhangs I zur TextilkennzVO grammatikalisch nicht vollständig korrekt in der Spalte „Bezeichnung“ im Singular von „Stoff“ und in der Spalte „Beschreibung der Fasern“ im Plural von „Stoffen“ die Rede ist, ergibt sich nicht, dass bei Fasern aus verschiedenen Stoffen diese schlicht als „Mischfasern“ bezeichnet werden dürften, ohne dass deren Zusammensetzung angegeben wird.
e) Auch die Bezeichnung „Cotton“ ist in der deutschsprachigen Version des Anhangs I zur TextilkennzVO nicht aufgeführt. Dass der Begriff sich in der englischsprachigen Version der TextilKennzVO befindet, ist unerheblich, da gemäß Art. 16 Abs. 3 TextilkennzVO die Kennzeichnung in der Amtssprache des Mitgliedsstaats zu erfolgen hat, in dessen Hoheitsgebiet die Textilerzeugnisse dem Verbraucher bereitgestellt werden. Für in der Bundesrepublik Deutschland vertriebene Produkte ist somit die deutschsprachige Version des Anhangs I zur TextilkennzVO maßgeblich. Hieran ändert auch nichts, dass im Duden das Wort „Cotton“ als englische Bezeichnung für Baumwolle aufgeführt ist und der Bundesgerichtshof entschieden hat, dass das Wort „Cotton“ eine beschreibende Angabe für Baumwolle ist und der deutschen Umgangssprache angehört (BGH NJW-RR 1996, 230 – COTTON LINE). Auch wenn Anglizismen in die deutsche Umgangssprache eindringen, ist an der deutschen Sprache in allen Bereichen, in denen die Amtssprache zu verwenden ist, konsequent festzuhalten.
f) Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Klägerin auch substantiiert dargelegt, dass die Bekleidungsstücke mit den streitgegenständlichen Kennzeichnungen nach dem 08.05.2012 und somit seit Geltung der TextilkennzVO in den Verkehr gebracht wurden. Die Klägerin hat bereits erstinstanzlich, nämlich, mit Schriftsatz vom 09.03.2015 vorgetragen, die streitgegenständlichen Textilien seien ausweislich der Rechnung SNP 3 am 03.06.2014 in Deutschland in den Verkehr gesetzt worden (vgl. S. 7 des Schriftsatzes vom 09.03.2015).
g) Die Verstöße sind auch gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 2 UWG a.F., § 3 a HS. 2 UWG n.F. von geschäftlicher Relevanz. Dies schon deshalb, weil es sich bei der Kennzeichnungspflicht nach der TextilkennzVO um Informationspflichten im Sinne von Art. 7 der UGP-Richtlinie handelt. Eine Verletzung der nach europäischem Recht zum Schutz des Verbrauchers vorgeschriebenen Informationspflichten ist geeignet, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.
2. Hinsichtlich der geltend gemachten Abmahnkosten ist die Berufung teilweise erfolgreich. Die Klägerin kann gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG nur Abmahnkosten in Höhe von 919,14 € verlangen.
Richtet sich die Höhe der Abmahnkosten nach dem Gegenstandswert der Abmahnung, sind die Kosten einer nur teilweise berechtigten Abmahnung nur zu ersetzen, soweit die Abmahnung berechtigt war. Dabei ist die Höhe des Ersatzanspruchs nach dem Verhältnis des Gegenstandswerts des berechtigten Teils der Abmahnung zum Gegenstandswert der gesamten Abmahnung zu bestimmen (BGH GRUR 2010, 744, Tz. 52 – Sondernewsletter). Der Gegenstandswert der Abmahnung wurde seitens der Klägerin mit 50.000,00 € beziffert. Weiter hat die Klägerin in der Klageschrift ausgeführt, dass sie in der Abmahnung vom 22.07.2014 die im hiesigen Verfahren streitgegenständlichen Handlungen abgemahnt habe. Im Termin zur mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz am 20.04.2015 hat der Klägervertreter zu Protokoll erklärt, dass jede der angegriffenen Bezeichnungen mit 10.000,00 € bewertet werde. Damit orientiert sich auch hinsichtlich der außergerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche der Streitwert an den angegriffenen Bezeichnungen und nicht, wie die Klägerin nunmehr in der Berufungsinstanz ohne Begründung meint, an den verschiedenen Kleidungsstücken. Da die Abmahnung hinsichtlich 2 von 5 Bezeichnungen nicht berechtigt war, hat die Klägerin nur Anspruch auf 3/5 der Abmahnkosten von insgesamt 1.531,90 €.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286 Abs. 1 Satz 2, § 288 Abs. 1 BGB.
III.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz I Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.


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