IT- und Medienrecht

Untersagung der Fernsehwerbung für öffentliches Glücksspiel

Aktenzeichen  7 CS 20.356

Datum:
20.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24810
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwZVG Art. 31, Art. 36, Art. 38
GlüStV § 5 Abs. 3 S. 1
RStV § 7, § 8

 

Leitsatz

Ungeachtet der rundfunkrechtlichen Zulässigkeit von Sponsoring liegt im Einzelfall eine nach § 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV verbotene Werbung für öffentliches Glücksspiel dann vor, wenn der Sponsorhinweis zum Wetten auffordert oder anreizt und somit dem glücksspielrechtlichen Werbebegriff unterfällt. (Rn. 13 – 17)

Verfahrensgang

M 17 S 19.5092 2020-01-27 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin, die als privater Rundfunkanbieter bundesweit das Fernsehprogramm „Sport1“ verbreitet, wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Androhung eines Zwangsgelds für den Fall, dass sie in ihrem Programm weiterhin und erneut das Angebot https:/ … bewirbt.
Mit Bescheid vom 17. Juli 2018 stellte die Antragsgegnerin in Nr. 1 fest und missbilligte, dass die Antragstellerin durch die Ausstrahlung von Werbung für https:/ … in mindestens 17 Fällen, zuletzt am 16. Mai 2018, gegen das Verbot verstoßen habe, im Fernsehen für öffentliches Glücksspiel zu werben. In Nr. 2 wurde der Antragstellerin die Ausstrahlung dieser Werbung in ihrem Programm untersagt. In Nr. 3 wurde die sofortige Vollziehung der Verfügungen unter Nr. 1 und 2 angeordnet. Der Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer gegen den Bescheid erhobenen Klage, über die noch nicht entschieden ist, wurde durch das Verwaltungsgericht abgelehnt, die daraufhin erhobene Beschwerde hat der Senat zurückgewiesen. Mit Bescheid vom 4. Oktober 2019 drohte die Antragsgegnerin der Antragstellerin für den Fall, dass sie ab drei Tage nach Zustellung des Bescheids weiterhin oder erneut Werbung für das Angebot https:/ … in ihrem Programm verbreite, ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro an. Die Androhung eines Zwangsgelds sei zur Durchsetzung der Untersagungsverfügung geboten, da die Antragstellerin weiterhin Werbung für das Angebot https:/ … verbreite. Das Verwaltungsgericht lehnte mit Beschluss vom 27. Januar 2020 den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 9. Oktober 2019 ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, entgegen der Auffassung der Antragstellerin beinhalte der streitgegenständliche Sponsorhinweis auch unzulässige Werbung für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV. Denn der über die Nennung des Namens des Sponsors gesendete Hinweis auf die „Rekordlotterie aus den USA Powerball, spielbar bei …“ gehe über einen Sponsorhinweis nach § 8 RStV hinaus; er sei objektiv geeignet, bei einem noch nicht motivierten Zuschauer einen Anreiz zur Teilnahme am Glücksspiel zu schaffen und unterfalle damit dem Werbebegriff, der § 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV zugrunde liege. Seine Ausstrahlung sei daher als von der sofort vollziehbaren Anordnung der Antragsgegnerin erfasste Handlung untersagt.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Sie trägt vor, die Antragsgegnerin habe mit der Untersagungsverfügung vom 17. Juli 2018 „nur“ Fernsehwerbung gemäß § 7 RStV untersagt und gerade kein Sponsoring im Sinne des § 8 RStV. Das Verwaltungsgericht habe das Verhältnis von § 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV und § 7 und § 8 RStV verkannt; da der Gesetzgeber den Verweis auf § 8 RStV aus § 5 Abs. 3 GlüStV gestrichen habe, sei klar, dass der Glückspielstaatsvertrag nur noch Werbung, aber nicht mehr Sponsoring im Sinne des § 8 RStV untersagen wolle. Zulässiges Sponsoring beinhalte aber nicht bloß den Hinweis auf den Namen des Sponsors, sondern zusätzlich auch eine Bezugnahme auf seine Produkte und Dienstleistungen. Für das Vorliegen von Werbung dagegen müsse in besonderer bzw. deutlicher Art und Weise zum Glücksspiel aufgefordert oder angereizt werden, was hier gerade nicht gegeben sei. Zudem seien spätestens seit dem 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag sog. imageprägende Slogans zulässig, obwohl von diesen notwendigerweise eine Anreizwirkung ausgehe. Auch der hier verwendete Slogan „Die Rekordlotterie aus den USA“ sei ein zulässiger Slogan, den der Sponsor für seine Imagepflege verwende und mit dem er bereits mehrfach in Erscheinung getreten sei. Darüber hinaus werde darauf hingewiesen, dass die Bezeichnung „Rekordlotterie“ deutlich hinter der regelmäßigen „Jackpot-Werbung“ zurückbleibe, die wegen des umfassenden Werbeverbots des § 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV ebenfalls nicht zulässig sein dürfte. Auch die Ziehung der Lottozahlen, die mit einer Bekanntgabe der Gewinne verbunden sei, sei geeignet, zum Glücksspiel anzureizen.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 27. Januar 2020 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 4. Oktober 2019 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in beiden Instanzen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu Recht abgelehnt. Die dargelegten Beschwerdegründe, auf die sich die Prüfung im Beschwerdeverfahren beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine andere Entscheidung. Vielmehr ist nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage davon auszugehen, dass die Klage auf Aufhebung der Zwangsgeldandrohung voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Deshalb muss die die Interessenabwägung im Eilverfahren zum Nachteil der Antragstellerin ausfallen.
1. Dahinstehen kann jedoch, ob sich – wie das Verwaltungsgericht ausführt – wegen der noch nicht entschiedenen Anfechtungsklage gegen den Grundverwaltungsakt vom 17. Juli 2018 im Umkehrschluss aus Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG ableiten lässt, dass der vorliegend streitgegenständlichen Androhung des Zwangsgelds auch solche Argumente entgegengehalten werden können, die sich gegen den Grundverwaltungsakt richten. Denn die Antragstellerin hat in ihrer Beschwerdeschrift keine Gründe gegen die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsakts dargelegt, sondern ausgeführt, dass es vorliegend nicht streitentscheidend auf dessen Rechtmäßigkeit ankomme. Endscheidend sei vielmehr, dass in Nr. 2 des Bescheids vom 17. Juli 2018 „nur“ Fernsehwerbung und nicht Sponsoring untersagt worden sei und daher die Antragstellerin nicht gegen die Untersagungsverfügung verstoßen habe. Alleine aus diesem Grund sei die streitgegenständliche Androhung des Zwangsgelds rechtswidrig, ungeachtet der Rechtmäßigkeit der zugrundeliegenden Untersagungsverfügung.
2. Das Beschwerdevorbringen vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen und diese zum Gegenstand dieser Entscheidung gemacht (§ 122 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der von der Antragstellerin verwendete Hinweis auf die „Rekordlotterie aus den USA Powerball, spielbar bei …“ von dem in Nr. 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 17. Juli 2018 enthaltenen Verbot erfasst ist.
Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Nr. 9 RStV umfasst Sponsoring jeden Beitrag einer natürlichen oder juristischen Person oder Personenvereinigung, die an Rundfunktätigkeiten oder an der Produktion audiovisueller Werke nicht beteiligt ist, zur direkten oder indirekten Finanzierung einer Sendung, um den Namen, die Marke, das Erscheinungsbild der Person oder Personenvereinigung, ihre Tätigkeit oder ihre Leistung zu fördern. Das Sponsoring von Sendungen ist somit die zum Zwecke der Eigendarstellung bzw. Förderung des eigenen Images geleistete Unterstützung von Rundfunksendungen. Der nach § 8 Abs. 1 RStV vorgeschriebene Hinweis auf die Finanzierung durch den Sponsor dient zugleich der Selbstdarstellung des Sponsors und der Transparenz der in die Produktion bzw. Sendung einfließenden Unterstützungsleistungen (vgl. Brinkmann in Binder/Vesting, Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Aufl. 2018, § 8 Rn. 12, 16). Die gesetzliche Regelung in § 8 Abs. 1 RStV nimmt zwar werbliche Wirkungen des Sponsorhinweises in Kauf und erhebt das Ziel der Förderung eigener geschäftlicher Belange des Sponsors zum Gesetzeszweck; Sponsoring hat jedoch der Selbstdarstellung durch Programmförderung zu dienen und auf konkrete Transaktions- und Konsumanreize zu verzichten (vgl. § 8 Abs. 3 RStV; Brinkmann in Binder/Vesting, a.a.O. Rn. 23). Die Grenzlinie zwischen der Selbstdarstellung und Konsumanreizen ist durch die gesetzliche Zulassung einer Produktdarstellung in bewegten Bildern weniger trennscharf ausgestaltet worden, zumal sog. imageprägende Slogans seit dem 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag rundfunkrechtlich nicht mehr grundsätzlich ausgeschlossen sind, da der Hinweispflicht auch mit der Einblendung eines entsprechenden unterscheidungskräftigen Zeichens genügt werden kann (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 2 RStV).
Auch wenn Sponsoring nicht mehr vom Werbebegriff des § 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV umfasst ist, da – anders als noch im Glückspielstaatsvertrag 2008 – die Vorschrift nicht länger auf § 8 RStV (Sponsoring), sondern nur noch auf § 7 RStV (Werbung) verweist, folgt daraus für den in § 5 Abs. 3 GlüStV normierten Werbebegriff aber kein grundsätzlich geändertes Begriffsverständnis (vgl. BayVGH, B.v. 29.11.2012 – 7 CS 12.1642 – juris Rn. 14; B.v. 8.7.2013 – 7 CS 13.929 – ZUM-RD 2013, 629 Rn. 11). Vielmehr ist davon auszugehen, dass weiterhin aufgrund der ordnungsrechtlichen Zielsetzung des Staatsvertrags das Glücksspielrecht einen eigenen Werbebegriff verwendet, der weiter zu bemessen ist als der in dem von der Rundfunkfreiheit geprägten Rundfunkrecht, das Werbung als (Haupt-)Bestandteil der Finanzierungsgrundlagen des privaten Rundfunks reguliert (vgl. Bornemann, K & R 2012, 653 ff.; a.A. Mayer in Bräutigam/Rücker, E-Commerce, 1. Aufl. 2017, 9. Teil. C. Rn. 11 wegen des Verweises auf § 7 RStV in § 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV). Dies erschließt sich auch daraus, dass § 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV nicht auf die rundfunkrechtliche Legaldefinition von Werbung in § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV verweist, zu der beispielsweise auch nicht die nach § 7 Abs. 7 Satz 1 RStV verbotene Schleichwerbung (§ 2 Abs. 2 Nr. 8 RStV), das Teleshopping (§ 2 Abs. 2 Nr. 10 RStV) und die in § 2 Abs. 2 Nr. 11 definierte Produktplatzierung gehört, auch wenn all diese Erscheinungsformen in § 7 RStV genannt werden (vgl. Bornemann, a.a.O., S. 656).
Zwar unterfallen seit der Neuregelung des § 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV Sponsorhinweise im Sinne des § 8 RStV somit nicht mehr „per se“ dem Werbeverbot für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen, im Internet sowie über Telekommunikationsanlagen, aber weiterhin immer dann, wenn sie – wie andere Werbeformen – zum Wetten auffordern oder anreizen (vgl. BayVGH, B.v. 29.11.2012 – 7 CS 12.1642 – juris Rn. 19). Nach alledem ist mithin trotz der geänderten Rechtslage unabhängig von der Frage der rundfunkrechtlichen Zulässigkeit eines Sponsorhinweises anhand des glücksspielrechtlichen Werbebegriffs im Einzelfall zu prüfen, ob dieser wegen seiner konkreten Ausgestaltung unzulässige Werbung im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV darstellt. Dies ist vorliegend zu bejahen. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend anhand des in § 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV geltenden Werbebegriffs (vgl. UA S. 7 f.) festgestellt, dass der über die Nennung des Namens des Sponsors hinausgehende Hinweis auf die „Rekordlotterie aus den USA Powerball, spielbar bei …“ geeignet ist, eine Anreizwirkung zu entfalten und damit als unzulässige Werbung zu qualifizieren ist. Dass der Sponsor möglicherweise rundfunkrechtlich zulässig den Begriff zur Imagepflege einsetzt, ändert nichts an der Qualifizierung dieses Hinweises als Werbung im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV. Ebenso zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Bezugnahme der Antragstellerin auf die regelmäßige „Jackpot-Werbung“ als Beleg dafür, dass die von ihr verwendete Bezeichnung „Rekordlotterie“ hinter dieser deutlich zurückbleibe, insofern nicht durchgreifend sei, da es sich beim staatlichen Lotto um legales Glücksspiel handele, das vom umfassenden Werbeverbot des § 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV von vornherein nicht umfasst sei.
Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.
Streitwert: § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 1.7.1 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


Ähnliche Artikel

Kostenloses Streaming – Wann mache ich mich strafbar?

Sicher schauen Sie auch gerne Filme im Internet an. Dort ist die Auswahl mittlerweile so groß, dass das übliche TV-Programm für manch einen fast überflüssig wird. Unseriöse Anbieter sollte man aber lieber meiden. Warum, erfahren Sie in diesem Artikel.
Mehr lesen

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen

Was tun bei einer negativen Bewertung im Internet?

Kundenbewertungen bei Google sind wichtig für Unternehmen, da sich potenzielle Neukunden oft daran orientieren. Doch was, wenn man negative Bewertungen bekommt oder im schlimmsten Fall sogar falsche? Das kann schädlich für das Geschäft sein. Wir erklären Ihnen, was Sie zu dem Thema wissen sollten.
Mehr lesen


Nach oben