IT- und Medienrecht

Unzulässige Berichterstattung über den Gesundheitszustand eines prominenten Motorsportlers

Aktenzeichen  18 U 2856/15 Pre

Datum:
19.1.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
AfP – 2016, 274
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 823 Abs. 1, Abs. 2, § 1004 Abs. 1 S. 2
GG Art. 1 Abs. 2, Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Jedermann steht ein autonomer Bereich der eigenen Lebensgestaltung zu, in dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann. Dazu gehört in diesem Bereich auch das Recht, für sich zu sein, sich selber zu gehören und den Einblick durch andere auszuschließen. Der Schutz der Privatsphäre umfasst insbesondere Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsgehalts typischerweise als „privat“ eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst (ebenso BGH BeckRS 2011, 27103 Rn. 15). (redaktioneller Leitsatz)
2 In thematischer Hinsicht gehört zur Privatsphäre – auch einer Person öffentlichen Interesses – grundsätzlich die eigene Erkrankung und deren Heilungsverlauf, wobei Ausnahmen allenfalls bei einem besonderen Personenkreis wie wichtigen Politikern, Wirtschaftsführern oder Staatsoberhäuptern bestehen können (ebenso BGH BeckRS 2012, 21125 Rn. 17). (redaktioneller Leitsatz)
3 Wer sich in ärztliche Behandlung begibt, darf erwarten, dass alles, was der Arzt in Rahmen seiner Berufsausübung über seine gesundheitliche Verfassung erfährt, geheim bleibt und nicht zur Kenntnis Unberufener gelangt (ebenso BVerfGE 32, 373 = BeckRS 9998, 108115). (redaktioneller Leitsatz)
4 Bei den Äußerungen, dass ein prominenter Motorsportler nach einem erlittenen schweren Unfall wieder erste Worte artikulieren kann, überwiegend bei Bewusstsein ist, wieder bruchstückhaft sprechen und auf ihm gestellte Fragen mit Worten oder Gesten passende bejahende oder verneinende Antworten geben kann, handelt es sich um Tatsachenbehauptungen, die einen rechtswidrigen Eingriff in das als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) geschützte Recht des Betroffenen auf Achtung seiner Privatsphäre darstellen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

9 O 24565/14 2015-07-08 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I.
Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 08.07.2015 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es in Ziff. 1 lit. a des landgerichtlichen Urteils heißt:
„M. S. Seine ersten Worte geben Hoffnung“ zu behaupten, und dass insoweit die Äußerung auf Seite 1 der Zeitschrift „F. R. „, Nr. 40/2014 vom 24.09.2010, betroffen ist.
II.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung von seinen Gesundheitszustand betreffenden Äußerungen in Anspruch, welche im Heft Nr. 40/2014 der von der Beklagten verlegten Zeitschrift „F. R. „ vom 24.09.2014 veröffentlicht worden sind.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes, insbesondere der den Gegenstand des Rechtsstreits in erster Instanz bildenden Äußerungen, wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts München I vom 08.07.2015 verwiesen.
Das Landgericht hat der Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen und unter Ordnungsmittelandrohung der Beklagten untersagt bzw. die Beklagte verurteilt,
1. a. in Bezug auf den Kläger durch die Darstellung „M. S. – Seine ersten Worte geben Hoffnung“ den Eindruck zu erwecken, der Kläger habe nach seinem Unfall am 29.12.2013 mit dem Sprechen begonnen,
b. in Bezug auf den Gesundheitszustand des Klägers zu behaupten und/oder zu verbreiten, der Kläger solle „(…) mit Unterbrechungen bei Bewusstsein sein“,
c. in Bezug auf den Kläger zu behaupten/behaupten zu lassen und/oder zu verbreiten/verbreiten zu lassen,
aa) dieser könne „(…) offenbar schon bruchstückhaft sprechen.“,
bb) „Er antwortet mit einigen Worten oder durch Kopfschütteln mit ‘Ja’ oder ‘Nein’ auf Fragen, die man ihm stellt.“, so wie dies in der Zeitschrift „F. R. „ Nr. 40/2014 vom 20.09.2014 und dort auf Seite 1 und Seite 6/7 unter der Überschrift „M. S. – Wunderbare Nachrichten – Seine ersten Worte geben so viel Hoffnung“ geschehen ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 678,45 € und weitere 830,40 € jeweils nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.02.2015 zu bezahlen.
Soweit das Landgericht der Klage stattgegeben hat, führt es zur Begründung im Wesentlichen aus: Der Kläger habe gemäß § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, § 1004 Abs. 1 BGB analog, Art. 1 Abs. 2, Art. 2 Abs. 1 GG einen Anspruch auf Unterlassung der unter Ziff. 1 lit. b und c wiedergegebenen drei Äußerungen; denn dabei handele es sich um Tatsachenbehauptungen, die sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzten und unter Abwägung mit dem Berichtsinteresse der Öffentlichkeit nicht zulässig seien.
Diese Tatsachenbehauptungen zum Bewusstseinszustand des Klägers des Klägers und dessen Sprech- und Kommunikationsvermögen eröffneten einen Einblick in den Gesundheitszustand des Klägers. Dieser sei jedoch zutiefst privat und jedem Blick der Öffentlichkeit entzogen. Somit greife die Berichterstattung in die Privatsphäre des Klägers ein. Aus Sicht der Kammer überwiege im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Interessen das Schutzinteresse des Klägers das Berichtsinteresse der Beklagten. Da auch die Wiederholungsgefahr nicht ausgeräumt sei, habe der Kläger einen Anspruch auf Unterlassung.
Für das Berichtsinteresse der Beklagten streite die überlegene Bekanntheit des Klägers, der einer der bekanntesten deutschen Staatsbürger sein dürfte. Der Kläger habe herausragende Erfolge in Motorsport-Wettbewerben erzielt; Personen, die deutschsprachige Medien wahrnähmen, könnten „seiner Bekanntheit praktisch nicht ausweichen“. Dies habe sich auch nach dem Ausstieg des Klägers aus der Formel 1 fortgesetzt; infolge seines tragischen Unfalls habe die Bekanntheit des Klägers einen weiteren Höhepunkt erreicht. Das Berichtsinteresse werde unter anderem dadurch genährt, dass der Kläger beim Skifahren gestürzt sei, der Unfall sich daher in einer für viele Menschen nachvollziehbaren Weise ereignet habe. Nicht nur die allgemeine Anteilnahme, sondern auch die Anteilnahme Prominenter habe dazu geführt, dass das Sturzereignis, aber auch der Krankenhausaufenthalt bzw. der Heilungsprozess öffentlich thematisiert worden seien. Auch die Familie des Klägers und dessen Pressesprecherin hätten zu dem Berichtsinteresse durch einzelne Bulletins und die dadurch vermittelte Re-Aktualisierung des zunächst nur anfangs bekannten Zustands beigetragen. Trotzdem streite für das Berichtsinteresse wohl nur eine sehr zurückhaltend zu bewertende Orientierungsfunktion für den Leser; die Kammer sehe ein deutliches Überwiegen eines breiten Voyeurismus.
Dem stehe das Schutzinteresse des Klägers im Hinblick auf seine Privatsphäre gegenüber. Die Berichterstattung beschränke sich nicht auf „Allgemeinplätze“ zum Zustand eines hirnverletzten und lange neurochirurgisch behandelten Menschen, sondern teile konkrete Gesundheitsdaten mit. Sie vermittele Informationen, die nur durch eine Person in unmittelbarer Nähe des Klägers, wahrscheinlich sogar mit medizinischer Grundbildung, erlangt werden könnten. Hinzu komme, dass diese Informationen so grundlegende Fähigkeiten und Zustandsaspekte des Klägers berührten, dass sie dessen für die breite Öffentlichkeit gar nicht konkret vorstellbare Einschränkungen nach der schweren Verletzung plastisch erscheinen ließen. Sie machten das aufgrund der Mitteilungen der Familie und der Ärzte nur diffus bekannte Zustandsbild des Klägers („Momente des Erwachens“) in einer Weise für den Laien begreiflich, die über die allenfalls durch fiktive Fernsehserien vermittelte Vorstellung eines Erwachens aus dem Koma hinausgehe. Der Kläger sei auch räumlich in seiner Privatsphäre betroffen. Denn für ihn seien alle denkbaren Vorkehrungen getroffen worden, um ihn in seiner unfallbedingten Versehrtheit dem öffentlichen Blick zu entziehen.
Das Schutzinteresse des Klägers überwiege das Berichtsinteresse der Beklagten. Die Kammer verkenne nicht, dass der Kläger seine außerordentliche Prominenz durch seine Profi-Laufbahn als Motorsportler selbst gefördert habe. Der vorliegende Sachverhalt unterscheide sich somit deutlich vom Fall eines Patienten, der erst durch den Unfall berühmt geworden sei. Gleichwohl bleibe auch bei dem prominenten Kläger der Kernbereich seiner gesundheitlichen Befindlichkeit geschützt. Der Heilungsverlauf bei einem Sturzpatienten mit einer schwerwiegenden Hirnverletzung könne für die Leser, die mit einem derart schwerwiegenden Unfall in ihrem Umfeld nicht häufig konfrontiert würden, nur wenig Orientierungsfunktion leisten. Der alltägliche Umgang der Familie des Klägers mit dem Schicksalsschlag werde nicht beschrieben. Die Berichterstattung sei zwar ohne weiteres geeignet, voyeuristischer Begierde Nahrung zu geben, nicht jedoch eine ernsthafte Orientierung zum Heilungsverlauf von Schädel-Hirn-Verletzungen oder gar zum Umgang mit schweren Krankheiten im Allgemeinen zu leisten.
Hinzu komme ein weiterer Aspekt. Die berichtete gesundheitliche Entwicklung des Klägers sei zwar – sofern zutreffend berichtet worden sein sollte – erfreulich. Dennoch vermittele sie eine sehr bildliche Vorstellung eines hilflosen, auf allenfalls wenige Worte und Gesten beschränkten Patienten. Diese Vorstellung stehe in einem besonders auffälligen Kontrast zu dem Bild, das die Öffentlichkeit vor dem Unfall vom Kläger habe gewinnen können. Der Kläger werde in besonders hilf- und schutzloser, in seinen Fähigkeiten dramatisch eingeschränkter Mensch gezeichnet. Dadurch werde der Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht und die Verletzung seiner Würde umso mehr verstärkt. Der Kläger werde in besonders fasslicher Weise seiner Privatheit entrückt und zum Gegenstand spekulativer Hoffnung und voyeuristischer Betrachtung gemacht.
Eine andere Wertung ergebe sich auch nicht aufgrund der dem Kläger zurechenbaren Pressemitteilung seiner Pressesprecherin oder weiterer Verlautbarungen aus seinem Umfeld. Zwar könne sich niemand auf ein Recht auf Privatheit hinsichtlich solcher Tatsachen berufen, die er selbst der Öffentlichkeit preisgegeben habe. Die Familie habe es offenbar zunächst zugelassen, dass sich die Ärzte zum Zustand des Klägers geäußert hätten; in der Folgezeit hätte sie dann aber – gerichtsbekannt – um Wahrung einer gewissen Privatheit gebeten. Zugleich hätten die Familie und die Pressesprecherin immer wieder wohl abgewogene, eher allgemein abgefasste Statements – wie etwa der Kläger zeige „Momente des Bewusstseins und Erwachens“, er liege nicht mehr im Koma, er habe „in den vergangenen Wochen und Monaten der Schwere seiner Verletzungen entsprechende Fortschritte gemacht, es liege aber noch ein langer Weg vor ihm“ – veröffentlicht. Die mitgeteilten Informationen seien allerdings erkennbar so vage und abstrakt gehalten, dass sie gerade keinen konkreten Eindruck davon vermittelten, in welchem gesundheitlichen Zustand sich der Kläger befinde und wie sich dieser äußere. Dementsprechend werte die Kammer das Verhalten der Familie und der Pressesprecherin nicht als Selbstpreisgabe des Klägers. In Anbetracht des hier betroffenen Kerns der Privatsphäre seien die Voraussetzungen für die Annahme einer Selbstpreisgabe eng auszulegen. Die veröffentlichten Statements vermieden gerade Details, Symptome und konkrete Beschreibungen. Deshalb hätten die Familie des Klägers und dessen Pressesprecherin durch ihre Verlautbarungen die Privatsphäre des Klägers keineswegs bis zu dem Punkt aufgegeben, dass einzelne Details bzw. Symptome berichtet werden dürften. Die Kammer folge insoweit auch nicht der Auffassung der Beklagten, dass es zu den Aufgaben der Presse gehöre, solche allgemeinen und abstrakten Angaben zu präzisieren und anschaulich zu machen. Gerade die Verbildlichung durch die streitgegenständlichen Tatsachenbehauptungen eröffne erst den Blick auf den konkreten gesundheitlichen Zustand des Patienten, gewissermaßen auf das Krankenlager, der durch die abstrakte Mitteilung gerade nicht vermittelt worden sei und auch nicht habe vermittelt werden sollen.
Der Kläger habe ferner gemäß § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, § 1004 Abs. 1 BGB analog, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG einen Anspruch auf Unterlassung, dass durch die Darstellung, „M. S. – Seine ersten Worte geben Hoffnung“ der Eindruck erweckt werde, der Kläger habe nach seinem Unfall am 29.12.2013 mit dem Sprechen begonnen (Ziff. 1 lit. a des Urteils- tenors).
Ausgehend vom Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch lasse sich der Äußerung „M. S. – Seine ersten Worte geben Hoffnung“ zunächst und zwanglos die Tatsachenbehauptung entnehmen, dass der Kläger erste Worte artikuliert habe. Die Annahme, dass der Kläger seine ersten Worte geschrieben habe, sei nachgerade fernliegend. Über den Wortlaut hinaus werde dadurch aus Sicht eines unbefangenen, durchschnittlichen Lesers zwangsläufig der Eindruck erweckt, dass der Kläger begonnen habe zu sprechen. Aus dem Umstand, dass es sich um die ersten Worte des Klägers handele, lasse sich zwingend folgern, dass es sich um einen Beginn handele; das Artikulieren der Worte sei ein Sprechen. Die Argumentation der Beklagten, dass unter „Sprechen“ eine verschiedene Ebenen der Kommunikation umfassende Abfolge in einem Sinnzusammenhang zu verstehen sei, erscheine bereits vor dem Hintergrund fraglich, dass der durchschnittliche Zeitungsleser seinem Verständnis nicht den soziologischen oder kommunikationswissenschaftlichen Begriff von „Sprechen“, sondern den allgemeinen Sprachgebrauch zugrunde lege. Letztlich komme es darauf aber nicht an; denn selbst wenn man den von der Beklagten vorgetragenen engen Begriff des „Sprechens“ zugrunde legen wollte, wäre der Eindruck gleichwohl der, dass der Kläger damit erst begonnen habe, also am Anfang stehe und nicht bereits mehrschichtig bzw. auf mehreren Ebenen kommuniziere. Der Kläger vergleiche dies zutreffend mit der Sprachentwicklung eines kleinen Kindes. Aufgrund dessen erwecke die angegriffene Aussage zur Überzeugung der Kammer den unabweislichen Eindruck, dass der Kläger mit dem Sprechen begonnen habe.
Diese verdeckte Tatsachenaussage verletze – wie im Übrigen auch die offene Aussage, „seine ersten Worte“ gäben Hoffnung – das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers. Denn dadurch werde eine Aussage zum Sprach- und Kommunikationsvermögen des Klägers im Rahmen der Entwicklung von dessen Gesundheitszustand getroffen. Dies sei vom geschützten Bereich der Privatsphäre umfasst, die in der Abwägung mit dem Berichtsinteresse der Beklagten letzteres überwiege. Insoweit könne auf die Ausführungen zu den unter lit. b und c wiedergegebenen Äußerungen Bezug genommen werden.
Gegen das ihr am 17.07.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 10.08.2015, beim Oberlandesgericht München eingegangen am selben Tage, Berufung eingelegt, soweit der Klage stattgegeben worden war, und diese mit weiterem Schriftsatz vom 27.08.2015, eingegangen am selben Tage, begründet.
Zur Begründung ihres Rechtsmittels führt die Beklagte im Wesentlichen aus: Das Landgericht sei zu einem unzutreffenden Abwägungsergebnis gelangt, weil es diejenigen Äußerungen, bezüglich derer es die Klage als begründet angesehen habe, im Detail nicht zutreffend gewürdigt, das Schutzinteresse des Klägers widersprüchlich beurteilt und dessen mediale Selbstöffnung zu Unrecht verneint habe bzw. unberücksichtigt lasse.
Dies gelte insbesondere für die unter Ziff. 1 lit. b des Urteilstenors untersagte Äußerung, dass der Kläger „mit Unterbrechungen bei Bewusstsein“ sei. Diese Meldung entspreche inhaltlich exakt der Verlautbarung der Pressesprecherin des Klägers, dass dieser „Momente des Bewusstseins und Erwachens“ zeige. Wenn jemand „Momente des Bewusstseins“ zeige, dann sei er denknotwendig zum Teil, nämlich mit Unterbrechungen, bei Bewusstsein.
Der Klageausspruch zu Ziff. 1 lit. c könne ebenfalls keinen Bestand haben. Die Pressesprecherin das Klägers habe die Öffentlichkeit über den – sehnlichst erwarteten – Umstand informiert, dass der Kläger aus dem Koma aufgewacht sei; sie habe hierzu erklärt, dass der Kläger „Momente des Bewusstseins und Erwachens“ zeige. In einer weiteren Stellungnahme habe sie die Öffentlichkeit wissen lassen, dass der Kläger „in den vergangenen Wochen und Monaten der Schwere seiner Verletzung entsprechend Fortschritte gemacht“ habe. Die Beklagte habe diese Pressemitteilungen des Klägers aufgegriffen und unter Bezugnahme auf die stets gut informierte Schweizer Zeitschrift „L. „ berichtet, dass der Kläger mit Unterbrechungen bei Bewusstsein sei und offenbar schon bruchstückhaft sprechen könne, d. h., durch Körpergesten zu kommunizieren in der Lage sei. Streitgegenständlich sei insofern eine höchst positive Nachricht zum Gesundheitszustand des Klägers. Wenn das Landgericht darin eine Verletzung der Privatsphäre des Klägers erblicke, sei dies mit rechtlichen Argumenten nicht belegbar.
Das Landgericht verkenne, dass es schon angesichts der öffentlichen Kenntnis von der Schwere der Verletzungen des Klägers, dem ständigen Bestreben des Managements, über Fortschritte bei der Genesung zu informieren, und unter Berücksichtigung der zeitgeschichtlichen Dimension der Angelegenheit deplatziert sei, jegliche Verifizierung der Aussagen der Pressesprecherin als „Blick in das Krankenzimmer“ zu kriminalisieren. Tatsächlich fehle es bereits an einem Eingriff in die Privatsphäre; jedenfalls sei dieser nicht rechtswidrig, weil er von der durch die Pressesprecherin des Klägers initiierten Selbstöffnung umfasst sei. Die Pressesprecherin des Klägers rechne realistischerweise damit, dass ihre zur Unterrichtung der Öffentlichkeit getätigten Aussagen von Medizinern „übersetzt“ würden. Notwendigerweise versuchten die Medien mit Hilfe von Fachleuten die allgemein gehaltenen Aussagen der Pressesprecherin zu erläutern, d. h. den Zustand zu erklären, wenn jemand aus dem Koma erwache. Durch die medizinische „Übersetzung“ werde thematisch kein neues Feld eröffnet, sondern es werde lediglich die tatsächliche Bedeutung der von der Pressesprecherin beschriebenen Aufwachphase erläutert.
Das Management des Klägers und dessen Pressesprecherin hätten – um ein öffentliches Informationsbedürfnis zu befriedigen – der Weltpresse mitgeteilt, dass der Kläger aus dem Koma aufwache. Was es heiße, im Koma zu liegen, sei jedem Leser bekannt: Die Augen seien geschlossen, die Körperfunktionen beeinträchtigt und der Kreislauf instabil. Wenn die Öffentlichkeit wissen dürfe, dass der Kläger als Koma-Patient keine Kontrolle über seine Körperfunktionen besitze, sei kein Grund ersichtlich, warum nicht darüber berichtet werden dürfe, dass er seine Körperfunktionen wiedererlange, zumal in tatsächlicher Hinsicht unstreitig sei, dass die angegriffenen Äußerungen der Wahrheit entsprächen. Wenn jemand wieder zu Bewusstsein komme und aus dem Koma erwache, seien exakt diejenigen Erscheinungen feststellbar, welche die Schweizer Zeitschrift berichtet habe, nämlich dass der Betroffene nach und nach mit der Außenwelt wieder zu kommunizieren in der Lage sei.
Dem Kläger stehe schließlich auch kein Unterlassungsanspruch in dem unter Ziff. 1 lit. a tenorierten Umfang zu. Die Aussage „Seine ersten Worte geben Hoffnung“ erwecke nicht den Eindruck, dass der Kläger „mit dem Sprechen begonnen“ habe. Da der Kläger sich hier nicht auf das Vorliegen eine mehrdeutigen Äußerung berufe, sondern sich gegen die Entstehung eines vermeintlichen Eindrucks wende, müsste dieser Eindruck zwingend – in Form einer eigenen Sachaussage und unabweislichen Schlussfolgerung – also gewissermaßen „zwischen den Zeilen“ als eigenständige Sachaussage entstehen. Das sei nicht der Fall; insoweit verweise die Beklagte auf ihre Ausführungen in erster Instanz.
Unabhängig davon unterliege das Landgericht einem fatalen Irrtum. Es begründe das Verbot faktisch mit einer Verletzung der Privatsphäre. Der Kläger wende sich insofern – wie sein Bemühen um Richtigstellung belege – aber gar nicht gegen eine Verletzung seiner Privatsphäre, denn es komme ihm nur auf den vermeintlich unrichtigen Eindruck an. Ansonsten hätte er die Äußerung „Seine ersten Worte geben Hoffnung“ als solche angegriffen und nicht einen erst durch zusätzliche Sachaussage entstehenden Eindruck.
Unterstelle man, dass der streitgegenständliche Eindruck tatsächlich zwingend entstehe, die Beklagte also tatsächlich die Sachaussage getroffen habe, der Kläger habe mit dem Sprechen begonnen, so wäre die Klage aus den selben Gründen abzuweisen, die zu der – zutreffenden – Abweisung des ergänzend geltend gemachten Richtigstellungsanspruchs geführt hätten. Abgesehen davon, dass der Kläger jedenfalls zum heutigen Zeitpunkt in der Lage sein dürfte, zu sprechen bzw. mit dem Sprechen zu beginnen, und es somit an der Wiederholungsgefahr fehle, treffe den Kläger nämlich – da es sich nicht um eine ehrenrührige, sondern durchaus positive Äußerung handele – die Darlegungs- und Beweislast für die Unwahrheit des entstehenden Eindrucks. Da der Kläger nicht einmal vorgetragen habe, dass die Darstellung unwahr sei, stehe ihm nicht nur kein Richtigstellungs-, sondern auch kein Unterlassungsanspruch zu.
Die Beklagte beantragt:
Das am 08.07.2015 verkündete Urteil des Landgerichts München I (9 O 24565/14) wird abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Der Kläger beantragt zuletzt,
die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass der Ziffer 1.a des landgerichtlichen Urteils zugrunde liegende Klageantrag lautet, in Bezug auf den Kläger zu behaupten, „M. S. Seine ersten Worte geben Hoffnung“ und klargestellt wird, dass insoweit die Äußerung auf Seite 1 der streitgegenständlichen Zeitschrift betroffen ist.
Der Kläger lässt vorbringen, die streitgegenständliche Darstellung greife in seine thematisch und auch räumlich gefasste Privatsphäre ein und stelle eine Verletzung seines Selbstbestimmungsrechts dar. Die Darstellung, dass er angeblich sein Sprachvermögen wiedererlangt habe, zeichne ebenso wie die Beobachtung, dass er z. B. durch Kopfschütteln antworte, ein Bild der Gebrechlichkeit und beschreibe die bedauernswerte Hilflosigkeit, die der Kläger nach seinem Unfall derzeit zu erdulden habe.
Die Beklagte verkenne den Schutzbereich der Privatsphäre; sie übersehe, dass kranke Menschen gerade in einer Phase offenkundiger Hilflosigkeit darauf angewiesen seien, dass Entwicklungen ihres Gesundheitszustands den öffentlichen Blicken sowie Kommentierungen und Spekulationen entzogen seien. Der Kläger, der mit schwersten Verletzungen im Krankenhaus liege, habe einen Anspruch darauf, dass sein Gesundheitszustand und angeblicher Genesungsverlauf nicht wie regelmäßige Wasserstandsmeldungen permanent zum Gegenstand öffentlicher Erörterung gemacht würden.
Der Eingriff in den Schutzbereich der Privatsphäre sei rechtswidrig, die vom Landgericht vorgenommene Abwägung nicht zu beanstanden. Zutreffend habe das Landgericht berücksichtigt, dass einer Berichterstattung über den langsamen Genesungsverlauf eines Sturzpatienten mit schwersten Hirnverletzungen nur eine sehr zurückhaltend anzunehmende Orientierungsfunktion und ein damit einher gehendes geringes Berichtsinteresse zukomme; auf diesen Aspekt gehe die Berufungsbegründung nicht ein. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Beschreibung des angeblichen Genesungsverlaufs rein spekulativen Charakter habe und durch nichts verifiziert sei. Die Beklagte gestehe ein, dass sie über keine Kenntnisse aus eigener Recherche verfüge, sondern lediglich aus einer ausländischen Boulevardzeitung abgeschrieben habe.
Entgegen der Ansicht der Beklagten könne sich der Kläger auch auf den Schutz der Privatsphäre berufen. Hinsichtlich des ebenfalls betroffenen Schutzes der Privatsphäre in räumlicher Hinsicht behaupte nicht einmal die Beklagte eine Selbstbegebung des Klägers. Aber auch in thematischer Hinsicht habe es keine Selbstbegebung gegeben. Die Beklagte beziehe sich lediglich auf abstrakte und wenig aussagekräftige Allgemeinplätze aus Pressemitteilungen, die dem öffentlichen Druck geschuldet gewesen seien, die aber gerade keine detaillierten Inhalte zum Krankenstand des Klägers enthalten hätten. Die Einschätzung der Beklagten, sie gehe mit ihrer „Übersetzung“ dessen, was das Management des Klägers erklärt habe, nicht über den Inhalt der von ihr zitierten Presseerklärung hinaus, sei deshalb nicht überzeugend.
Der Mitteilung, dass der Kläger „Momente des Bewusstseins und Erwachens“ zeige, lasse sich nicht entnehmen, dass der Kläger mit Unterbrechungen bei Bewusstsein sei, worunter zu verstehen sei, dass sich der Kläger im Zustand geistiger und vitaler Klarheit befinde, was „Unfug“ sei. Der Hinweis der Pressesprecherin, dass der Kläger „Momente des Bewusstseins und Erwachens“ zeige, benenne den Umstand, dass es Zeichen gebe, die einen Aufwachprozess markieren könnten. Welche Zeichen das seien und ob der Kläger überhaupt jemals aus dem Koma erwachen werde, bleibe vollkommen offen. Das Management des Klägers habe sich hierzu bewusst nicht geäußert und darauf hingewiesen, „dass wir auf Details nicht eingehen, um M. Privatsphäre und die seiner Familie zu schützen und das Ärzteteam in Ruhe arbeiten zu lassen“. Entgegen der Darstellung der Beklagten dürfte nicht zutreffen, dass der Leser wisse, was es bedeute, wenn sich jemand monatelang im Koma befinde. Dessen ungeachtet sei die Annahme verfehlt, dass dann, wenn etwas bekannt sei, in der Medienöffentlichkeit hierüber in jedweder Detailtiefe berichtet werden dürfe. Der Hinweis auf das Koma berechtige die Beklagte nicht, Einzelheiten des sich hieraus ergebenden Zustandes der Hilflosigkeit bildhaft lustvoll auszubreiten.
Die Beklagte rügt die im Berufungstermin vom 19.01.2016 erfolgte Neufassung des Klageantrags als unzulässige Klageänderung. Bei der neuen Antragsfassung handele es sich nicht um eine bloße Klarstellung, sondern um einen neuen Streitgegenstand.
Hinsichtlich des Vorbringens der Beklagten in zweiter Instanz wird auf die Berufungsbegründung vom 27.08.2015 (Bl. 96/102 d. A.), die Schriftsätze vom 02.10.2015 (Bl. 117 d. A.), vom 12.10.2015 (Bl. 119/120 d. A.), vom 07.01.2016 (Bl. 123) und vom 15.01.2016 (Bl. 124 d. A.) und die Schriftsätze des Klägers vom 01.10.2015 (Bl. 107/116 d. A.) und 12.10.2015 (Bl. 118 d. A.) sowie das Protokoll vom 19.01.2016 (Bl. 125/129 d. A.) verwiesen.
II. Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 19.01.2016 den dem Urteilstenor zu Ziff. 1 lit. a zugrunde liegenden Klageantrag in zulässiger Weise im Wege der Klarstellung konkretisiert (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.2015 – V ZR 160/14, NJW 2016, 863 Rn. 9; BGH, Urteil vom 11.12.2012 – VI ZR 314/10, NJW 2013, 790 Rn. 32; BGH, Urteil vom 01.12.1999 – I ZR 49/97, NJW 2000, 2195; Zöller-Greger, ZPO, 31. Aufl.. § 253 Rn. 13 b). Insoweit liegt keine Klageänderung gemäß §§ 533, 263 ZPO vor. Das Rechtsschutzziel des Klägers hat sich durch die geänderte Fassung des Antrags nicht geändert.
In seiner ursprünglichen Fassung war der Antrag dahin formuliert, der Beklagten zu untersagen, durch die Darstellung „M. S. Seine ersten Worte geben Hoffnung“ „den Eindruck zu erwecken, der Kläger habe nach seinem Unfall am 29.12.2013 mit dem Sprechen begonnen“. Mit dem umformulierten Antrag soll der Beklagten die Äußerung untersagt werden „M. S. Seine ersten Worte geben Hoffnung“, wenn dies geschieht wie auf Seite 1 der Ausgabe Nr. 40/2014 der Zeitschrift „F. R. „ vom 24.09.2014. Der Kläger hat damit in seinen Sachantrag die beanstandete Äußerung wörtlich und entsprechend den Vorgaben des Bundesgerichtshofs auch „die Bezugnahme auf den Kontext“ aufgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 11.12.2012 – VI ZR 314/02 Rn. 32). Er hat – entsprechend seinen Ausführungen auf Seite 4 der Klageschrift, wo ausdrücklich die Seite 1 der „F. R. „ beanstandet wurde – klargestellt, dass nur die auf Seite 1 der streitgegenständlichen Ausgabe der „F. R. „ aufgeführte Äußerung untersagt werden soll und nicht etwa auch die ähnlich lautende Äußerung in der Unterüberschrift auf Seite 6 „Seine ersten Worten geben so viel Hoffnung!“. Soweit der Kläger die wörtliche Formulierung wählt, ist ferner klargestellt worden, dass er gegen die in der Äußerung enthaltene Tatsachenbehauptung im Wege der Unterlassung vorgehen will, er habe zu sprechen begonnen, worauf die Wertung gestützt wird, dass seine ersten Worte Hoffnung gäben.
In beiden Fassungen ist der Unterlassungsantrag auf das selbe Rechtsschutzziel gerichtet. Die beanstandete Äußerung enthält nach den maßgeblichen Interpretationsgrundsätzen die – offene – Behauptung, dass der Kläger erste Worte artikuliert und somit wieder zu sprechen begonnen habe.
Die Deutung einer Äußerung zielt auf die Ermittlung des objektiven Sinns (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.12.2007 – 1 BvR 967/05, Rn. 30, sämtl. Entscheidungen, soweit nicht anders angegeben, zitiert nach juris, NJW 2008, 1654). Denn maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden, noch das subjektive Verständnis des von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, denn die Äußerung nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat (BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91, Rn. 125, BVerfGE 93, 266 – 319). Fern liegende Deutungen sind auszuscheiden. Ist der Sinn einer Äußerung unter Zugrundelegung des vorstehend erläuterten Maßstabs eindeutig, ist er der weiteren Prüfung zugrunde zu legen. Zeigt sich dagegen, dass ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum die Äußerung als mehrdeutig wahrnimmt oder verstehen erhebliche Teile des Publikums den Inhalt jeweils unterschiedlich, ist bei der weiteren Prüfung von einem mehrdeutigen Inhalt auszugehen (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98, Rn. 31, BVerfGE 114, 339 – 356). Dabei ist jede Äußerung in dem Gesamtzusammenhang zu beurteilen, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH, Urteil vom 22.09.2009 – VI ZR 19/08, Rn. 11, NJW 2009, 3580).
Die Äußerung „M. S. Seine ersten Worte geben Hoffnung“ befindet sich auf der Titelseite der Zeitschrift in der linken Hälfte, unmittelbar unter dem Zeitschriftentitel. Sie ist mit einem Lichtbild hinterlegt, das etwa ein Drittel der linken Blatthälfte einnimmt und den lächelnden Kläger sowie – hinter dessen linker Schulter – dessen ebenfalls lächelnde Ehefrau als Halbfiguren zeigt. Rechts oberhalb der Äußerung finden sich auf zwei leicht schräg verlaufenden, farbig hinterlegten Balken die Worte „WUNDERBARE NACHRICHTEN“ und rechts unterhalb der Äußerung der Hinweis auf „S. 6/7“ des Heftes.
Wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, entnimmt der verständige und unvoreingenommene Leser bereits dem Wortlaut der Äußerung, dass der Kläger („Seine“) erste Worte artikuliert hat. Die Vorstellung, dass der Kläger, von dem allgemein bekannt ist, dass er nach einer schweren Hirnverletzung seit Monaten im Koma liegt, in der Lage gewesen sein sollte, „Seine ersten Worte“ schriftlich niederzulegen, hat das Landgericht zu Recht als fernliegend angesehen, ohne dass es in diesem Zusammenhang auf den semantischen Unterschied zwischen der verwendeten Pluralform „Worte“, die nach allgemeinem Sprachgebrauch eher für mündliche Äußerungen verwendet wird, und dem insoweit weniger vorgeprägten Verständnis der Pluralform „Wörter“ ankommt.
Das Artikulieren erster Worte stellt aber nichts anderes als den Beginn des Sprechens dar. Der gegenteiligen Ansicht der Beklagten, wonach der durchschnittliche Empfänger unter „sprechen“ das Aneinanderreihen einzelner Worte zu zusammenhängenden, flüssigen und sinnbildenden Sätzen verstehe, kann nicht gefolgt werden. Nach der Definition des Duden (http://www…de/..) hat das Wort „sprechen“ vielmehr unter anderem die Bedeutungen „Sprachlaute, Wörter hervorbringen, bilden“ und „der menschlichen Sprache ähnliche Laute hervorbringen“. Der maßgebliche Leser, dem der Zustand des Klägers als Komapatient bekannt ist, entnimmt deshalb – nicht zuletzt im Hinblick auf den Zusatz, dass es sich dabei um „WUNDERBARE NACHRICHTEN“ handele – dem Wortlaut der Äußerung selbst die Aussage, dass der Kläger zu sprechen begonnen habe. Entgegen der vom Landgericht vertretenen Ansicht handelt es sich bei dieser Interpretation nicht um eine – wenn auch ohne Hinzuziehung weiterer, außerhalb des Textes liegender Informationen gewonnene und unabweisliche – Schlussfolgerung, die über den Wortlaut der Äußerung hinausgeht, sondern um einen Teil von deren Inhalt.
2. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG auf Unterlassung der noch streitgegenständlichen vier Äußerungen zu:
Ziff. 1 lit. a: „M. S. Seine ersten Worte geben Hoffnung“,
Ziff. 1 lit. b: der Kläger solle „(…) mit Unterbrechungen bei Bewusstsein sein“,
Ziff. 1 lit. c aa: der Kläger könne „(…) offenbar schon bruchstückhaft sprechen.“
Ziff. 1 lit. c bb: „Er antwortet mit einigen Worten oder durch Kopfschütteln mit ‘Ja’ oder ‘Nein’ auf Fragen, die man ihm stellt.“,
Denn diese Äußerungen verletzen den Kläger in seinem Anspruch auf Achtung seiner als Teil seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts geschützten Privatsphäre. Die durch die Rechtsverletzung begründete Vermutung der Wiederholungsgefahr hat die Beklagte nicht durch Abgabe strafbewehrter Unterlassungserklärungen widerlegt.
a) Zutreffend hat das Landgericht die Äußerungen als dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptungen eingeordnet.
aa) Für die Beurteilung der Frage, ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung bzw. Werturteil einzustufen ist, bedarf es nach ständiger Rechtsprechung zunächst der Ermittlung des vollständigen Aussagegehalts. Nach den dargestellten Interpretationsgrundsätzen sind die Äußerungen wie folgt zu interpretieren:
(1) Hinsichtlich des Aussagegehalts der Äußerung „M. S. Seine ersten Worte geben Hoffnung“ (Unterlassungsgebot zu Ziff. 1 lit. a) wird auf die obigen Ausführungen unter Ziff. 1 lit. b verwiesen.
(2) Die Äußerung, welche Gegenstand des Unterlassungsgebots zu Ziff. 1 lit. b ist, lautet vollständig: „Wie die stets gut informierte Schweizer Zeitschrift L. berichtet, soll S. mit Unterbrechungen bei Bewusstsein sein.“ Der verständige und unvoreingenommene Leser versteht diese Äußerung im Kontext des Artikels dahin, dass der Kläger zwar nicht ständig, aber doch überwiegend bei Bewusstsein ist. Häufigkeit und Dauer der „Unterbrechungen“ bleiben zwar im Ungewissen; dass die Phasen der Bewusstlosigkeit aber als „Unterbrechungen“ bezeichnet werden, kennzeichnet die Phasen, in denen sich der Kläger bei Bewusstsein befindet, als den regelmäßig vorliegenden Zustand.
Die Verwendung des Potentialis („soll … sein“) kleidet die Äußerung formal in das Gewand einer Vermutung. Dem Kontext des Artikels entnimmt der maßgebliche Leser aber, dass der beschriebene Zustand des Klägers den Tatsachen entspricht. Die Informationsquelle, die Schweizer Zeitschrift „L. „ wird als „stets gut informiert“ bezeichnet. Dies versteht der Leser dahin, dass die Mitarbeiter dieser Zeitschrift durchgängig („stets“) über zutreffende Sachinformationen verfügen, was deren Berichterstattung glaubhaft erscheinen lässt. Im Folgenden wird „L. „ mit der Aussage zitiert: „Er antwortet mit einigen Worten oder durch Kopfschütteln mit ‘Ja’ oder ‘Nein’ auf Fragen, die man ihm stellt.“ Die zitierte Aussage, die in keiner Weise als Vermutung oder Schlussfolgerung gekennzeichnet ist, macht sich die Beklagte aus Sicht des maßgeblichen Lesers mit dem Kommentar zu eigen: „Eine Nachricht, die so viel Hoffnung macht.“
(3) Die Äußerung, welche Gegenstand des Unterlassungsgebots zu Ziff. 1 lit. c aa ist, findet sich im unmittelbaren Anschluss an die der Beklagten durch Ziff. 1 lit. b des Urteilstenors untersagte Äußerung und lautet vollständig: „Und kann offenbar schon bruchstückhaft sprechen.“ Der verständige und unvoreingenommene Leser interpretiert dies dahin, dass der Kläger wieder in der Lage ist, zumindest einzelne Worte zu artikulieren. Das relativierende Wort „offenbar“ führt aus den unter Ziff. (2) dargestellten Gründen nicht dazu, dass der Leser die getroffene Aussage als ungesicherte Vermutung versteht.
(4) Bei der Äußerung, welche den Gegenstand des Unterlassungsgebots zu Ziff. 1 lit. c bb bildet, handelt es sich um das bereits erwähnte Zitat aus der Schweizer Zeitschrift „L. „: „Er antwortet mit einigen Worten oder durch Kopfschütteln mit ‘Ja’ oder ‘Nein’ auf Fragen, die man ihm stellt.“ Diese Äußerung versteht der maßgebliche Leser dahin, dass der Kläger nunmehr wieder in der Lage ist, Fragen, die man an ihn richtet, akustisch wahrzunehmen, deren Sinn zu verstehen und mit Worten – nicht mit ganzen Sätzen – oder Kopfbewegungen eindeutige bejahende bzw. verneinende Antworten zu geben. Auch insoweit macht sich die Beklagte, die an die Berichterstattung in „L. „ eigene Wertungen anknüpft, diese zu eigen; es handelt sich nicht lediglich um die Verbreitung eines Zitats aus einer anderen Zeitschrift.
bb) Mit ihrem durch Interpretation festgestellten Inhalt handelt es sich bei den Äußerungen jeweils um Tatsachenbehauptungen.
Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist demnach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist (BGH, Urteil vom 16.12.2014 – VI ZR 39/14, Rn. 8, AfP 2015, 41).
Ob der Kläger nach dem erlittenen schweren Unfall wieder erste Worte artikulieren kann, überwiegend bei Bewusstsein ist, wieder bruchstückhaft sprechen und auf ihm gestellte Fragen mit Worten oder Gesten passende bejahende oder verneinende Antworten kann, ist dem Wahrheitsbeweis zugänglich. Die geschilderten äußeren Vorgänge können von Zeugen wahrgenommen werden. Ob der Kläger überwiegend bei Bewusstsein ist, kann jedenfalls von einem medizinisch Sachkundigen eindeutig beurteilt werden.
b) Die noch streitgegenständlichen vier Äußerungen beeinträchtigen das als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) geschützte Recht des Klägers auf Achtung seiner Privatsphäre.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs steht jedermann ein autonomer Bereich der eigenen Lebensgestaltung zu, in dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann. Dazu gehört in diesem Bereich auch das Recht, für sich zu sein, sich selber zu gehören und den Einblick durch andere auszuschließen. Der Schutz der Privatsphäre ist thematisch und räumlich bestimmt. Er umfasst insbesondere Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsgehalts typischerweise als „privat“ eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst (BGH, Urteil vom 25.10.2011 – VI ZR 332/09, Rn. 15 m. w. N., NJW 2012, 767).
In thematischer Hinsicht gehört zur Privatsphäre – auch einer Person öffentlichen Interesses – grundsätzlich die eigene Erkrankung und deren Heilungsverlauf, wobei Ausnahmen allenfalls bei einem besonderen Personenkreis wie wichtigen Politikern, Wirtschaftsführern oder Staatsoberhäuptern bestehen können (vgl. BGH, Urteil vom 18.09.2012 – VI ZR 291/10, Rn. 17 m. w. N., AfP 2012, 551). Wer sich in ärztliche Behandlung begibt, darf erwarten, dass alles, was der Arzt in Rahmen seiner Berufsausübung über seine gesundheitliche Verfassung erfährt, geheim bleibt und nicht zur Kenntnis Unberufener gelangt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.03.1972 – 2 BvR 28/71, Rn. 24, BVerfGE 32, 373 – 387).
Es kann daher offen bleiben, ob die streitgegenständlichen Äußerungen – wie das Landgericht annimmt – die Privatsphäre des Klägers auch in räumlicher Hinsicht beeinträchtigen.
c) Den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers hat das Landgericht zutreffend als rechtswidrig angesehen. Auch unter Berücksichtigung der hohen Prominenz des Klägers hat im vorliegenden Fall das Grundrecht der Beklagten auf Meinungsfreiheit hinter das Interesse des Klägers am Schutz seiner Privatsphäre zurückzutreten.
Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 13.01.2015 – VI ZR 386/13, Rn. 13, NJW 2015, 776).
Die gebotene Abwägung der Schutzinteressen des Klägers aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG mit dem in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit fällt im Streitfall zugunsten des Klägers aus.
aa) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind verschiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwägungsvorgang vorgeben. Entscheidende Bedeutung kommt insbesondere dem Wahrheitsgehalt der Äußerung zu. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen grundsätzlich hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht. Allerdings kann auch eine wahre Darstellung das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, insbesondere wenn die Privatsphäre betroffen ist (vgl. BGH, Urteil vom 18.09.2012 – VI ZR 291/10, Rn. 17 m. w. N., AfP 2012, 551). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sind bei der Abwägung insbesondere der Gesichtspunkt, ob die Äußerung einen Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem öffentlichen Interesse leistet, die Bekanntheit der von der Äußerung betroffenen Person und der Gegenstand der Berichterstattung, das frühere Verhalten der betroffenen Person, die Art der Erlangung von Informationen sowie der Inhalt, die Form und die Auswirkungen der Veröffentlichung zu berücksichtigen (vgl. BGH a. a. O., Rn. 18 m. w. N.).
bb) Das Landgericht hat nicht verkannt, dass sowohl im Hinblick auf die außerordentliche Prominenz des Klägers als auch aufgrund des Umstands, dass sich das tragische Sturzereignis beim Skifahren, also in einer für viele Menschen nachvollziehbaren Weise, ereignet hat, grundsätzlich ein erhebliches Interesse der Beklagten anzuerkennen ist, über Genesungsfortschritte des Klägers zu berichten. Zu Recht hat das Landgericht der streitgegenständlichen Berichterstattung über den konkreten Heilungsverlauf des Klägers nach seiner schweren Schädel-Hirn-Verletzung aber nur eine sehr beschränkte Orientierungsfunktion zugebilligt, weil nur wenige Leser in ihrem Bekanntenkreis mit den Folgen derart schwerer Verletzungen konfrontiert werden. Der alltägliche Umgang der Familie mit dem Schicksalsschlag, der den Kläger getroffen hat, wird im dem Artikel nicht beschrieben.
cc) Der Kläger muss die streitgegenständliche Berichterstattung bereits deshalb nicht hinnehmen, weil es sich um erhebliche, aus prozessualen Gründen unwahre Tatsachenbehauptungen handelt. Entgegen der Darstellung in der Berufungsbegründung ist keineswegs unstreitig, dass die angegriffenen Äußerungen der Wahrheit entsprechen. Der Kläger lässt vielmehr vortragen, es sei „Unfug“, dass er mit Unterbrechungen bei Bewusstsein – im Sinne eines Zustands geistiger und vitaler Klarheit – sei; der Hinweis darauf, dass er „Momente des Bewusstseins und Erwachens“ zeige, beziehe sich auf Zeichen, die den Beginn des Aufwachprozesses markieren könnten.
Werden aufgrund einer unwahren Tatsachenbehauptung zivilrechtliche Ansprüche geltend gemacht, liegt die Beweislast für die Unwahrheit nach allgemeinen Regeln grundsätzlich beim Kläger (BGH, Urteil vom 22.04.2008 – VI ZR 83/07, Rn. 21, BGHZ 176, 175 – 191). Eine Beweislastumkehr findet nur im Anwendungsbereich der über § 823 Abs. 2 BGB in das Zivilrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB statt (BGH, Urteil vom 17.12.2013 – VI ZR 211/12, Rn. 24, AfP 2014, 135). Unabhängig von der Beweislast kann den sich Äußernden allerdings im Einzelfall eine erweiterte (sekundäre) Darlegungslast treffen, die ihn anhält, Belegtatsachen für die von ihm aufgestellten Behauptungen anzugeben. Mangels Angabe solcher Belegtatsachen kann es dem Betroffenen unzumutbar sein, Umstände aus seinem persönlichen Bereich zu offenbaren, um den ihm obliegenden Nachweis der Unwahrheit führen zu können (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22.04.2008 – VI ZR 83/07, Rn. 22, BGHZ 176, 175 – 191).
Die Beklagte zitiert als Quelle für ihre Behauptungen über den Gesundheitszustand des Klägers ausschließlich einen Bericht der Schweizer Zeitschrift „L…“. Belegtatsachen, etwa Auskünfte der den Kläger behandelnden Ärzte oder Mitteilungen aus dessen persönlichem Umfeld, werden nicht angeführt. Zu Recht weist der Kläger darauf hin, dass ihm nicht zugemutet werden kann, den tatsächlichen Umfang seiner fortbestehenden gesundheitlichen Einschränkungen zu offenbaren, um eine in seine Privatsphäre eingreifende Berichterstattung zu unterbinden, die auf einer derart unzureichenden, sich im Wesentlichen in Spekulationen erschöpfenden Tatsachengrundlage aufbaut.
dd) Hinzu kommt, dass sich die Berichterstattung – wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat – nicht auf die allgemeine Schilderung des Heilungsverlaufs eines hirnverletzten Patienten, der langsam aus dem Koma erwacht, beschränkt, sondern konkrete medizinische Einzelheiten mitteilt (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BGH, Urteil vom 18.09.2012 – VI ZR 291/10, Rn. 22 m. w. N., AfP 2012, 551).
Insbesondere die Äußerungen, der Kläger sei mit Unterbrechungen bei Bewusstsein (Ziff. 1 lit. b), könne offenbar schon bruchstückhaft sprechen (Ziff. 1 lit. c aa) und „Er antwortet mit einigen Worten oder durch Kopfschütteln mit ‘Ja’ oder ‘Nein’ auf Fragen, die man ihm stellt.“ (Ziff. 1 lit. c bb) eröffnen dem Leser gleichsam einen Blick in das Krankenzimmer des Klägers und machen dadurch die für die breite Öffentlichkeit gar nicht konkret vorstellbaren gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers nach seiner schweren Verletzung anschaulich. Anlass der Berichterstattung sind zwar gewisse Fortschritte im Genesungsprozess des Klägers. Der verständige und unvoreingenommene Leser entnimmt den eingangs wiedergegebenen Äußerungen aber vor allem die Information, dass der Kläger nach wie vor zumindest zeitweise nicht bei Bewusstsein ist und auch in Phasen des Bewusstseins seinem Willen allenfalls durch Kopfbewegungen oder einige bruchstückhafte Worte Ausdruck verleihen kann. Durch die Schilderung fortbestehender gravierender Einschränkungen wird der Kläger einer breiten Öffentlichkeit als weitgehend hilfloser Patient vor Augen geführt. Der Schutz der Privatsphäre umfasst insbesondere Sachverhalte, deren öffentliche Erörterung und Zurschaustellung als unschicklich gilt oder deren Bekanntwerden als peinlich empfunden wird. Diese Voraussetzungen sind in der Regel erfüllt, wenn – wie im vorliegenden Fall – die krankheitsbedingte Hilflosigkeit eines Menschen in ihrem ganzen Ausmaß zur Schau gestellt wird (vgl. hierzu OLG Hamburg, Urteil vom 06.07.2010 – 7 U 6/10, Rn. 18 f.).
ee) Eine andere Beurteilung ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht deshalb geboten, weil die Pressesprecherin des Klägers in Pressemitteilungen erklärt hat, dass der Kläger „Momente des Bewusstseins und des Erwachens“ zeige und „in den vergangenen Wochen und Monaten der Schwere seiner Verletzung entsprechend Fortschritte gemacht“ habe. Die mediale Selbstöffnung des Klägers reicht jedenfalls nicht so weit, dass dessen fortbestehende gravierende gesundheitliche Einschränkungen im Detail veranschaulicht werden dürfen.
Der Schutz der Privatsphäre entfällt allerdings, wenn und soweit der Grundrechtsträger seine Privatsphäre nach außen öffnet und bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten der Öffentlichkeit preisgibt. Er kann sich dann nicht gleichzeitig auf den öffentlichkeitsabgewandten Schutz seiner Privatsphäre berufen (BGH, Urteil vom 25.10.2011 – VI ZR 332/09, Rn. 16 m. w. N., NJW 2012, 767).
Der Kläger hat sich zu seinem Unfall und dessen Folgen nicht geäußert. Seine – von ihm selbst ernannte – Pressesprecherin, die im Rahmen dieser Funktion seine Interessen wahrnimmt, und die gerichtlich zur Betreuerin bestellte Ehefrau des Klägers haben jedoch unstreitig die allgemein gehaltenen Stellungnahmen zum Gesundheitszustand des Klägers abgegeben, welche die Beklagte in dem streitgegenständlichen Artikel zitiert hat.
Der Beklagten kann grundsätzlich nicht verwehrt werden, diese Pressemitteilungen zu interpretieren und ihren Lesern zu erläutern, was bei einem Komapatienten unter „Momenten des Bewusstseins und des Erwachens“ oder – soweit dies im Hinblick auf den geringen Aussagegehalt dieser Mitteilung überhaupt möglich ist – „der Schwere der Verletzung entsprechend(en) Fortschritte(n)“ zu verstehen ist. Entgegen ihrer Darstellung hat sich die Beklagte hierauf aber nicht beschränkt.
Es trifft bereits nicht zu, dass die Äußerung, dass der Kläger „mit Unterbrechungen bei Bewusstsein“ ist, inhaltlich nichts anderes darstelle als eine Wiedergabe der Äußerung der Pressesprecherin, dass der Kläger „Momente des Bewusstseins und Erwachens“ zeige. Die Äußerung der Beklagten verkehrt vielmehr das der Pressemitteilung zugrunde liegende Verhältnis von fortbestehender Bewusstlosigkeit als Regelzustand und „Momenten des Bewusstseins und Erwachens“ als Ausnahme in das Gegenteil.
Zweifelhaft erscheint auch, ob – wie die Beklagte meint – jedem Leser bekannt ist, was es heißt, im Koma zu liegen. Aber selbst wenn einem erheblichen Teil der Leser bewusst sein sollte, dass ein Komapatient keine Kontrolle über seine Körperfunktionen besitzt, erfährt dieses abstrakte Wissen durch die streitgegenständlichen Äußerungen eine veranschaulichende Konkretisierung in Bezug auf die Person des Klägers, dessen fortbestehende Hilflosigkeit in Gestalt phasenweiser Bewusstlosigkeit und einem allenfalls rudimentären Artikulationsvermögen dem Leser detailliert vor Augen geführt wird.
Diese Art der Darstellung kann nicht mehr als „Übersetzung“ der Pressemitteilung aufgefasst werden. Die Beklagte ignoriert, dass die zurückhaltend formulierte und ins Positive gewendete Mitteilung, dass der Kläger „Momente des Bewusstseins und des Erwachens“ zeige, keine konkreten Tatsachen über den Genesungsverlauf des Klägers enthüllt, wie sie die Beklagte mit ihrer Berichterstattung dem Licht der Öffentlichkeit preisgegeben hat.
III. 1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in § 708 Nr. 10 Satz 1, § 711 ZPO.
3. Die Revision wird nicht zugelassen, weil der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zukommt, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die der Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsfragen haben durch die zitierte verfassungsgerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung bereits eine hinreichende Klärung erfahren.


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