IT- und Medienrecht

Verbotsirrtum im Rahmen eines erlaubnispflichtigen Bankgeschäfts

Aktenzeichen  2 O 3350/16

Datum:
7.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 43673
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 31, § 254, § 291, § 823 Abs. 2
KWG § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 32 Abs. 1 S. 1, § 54
ZPO § 91, § 709
StGB § 17 S. 1

 

Leitsatz

1. § 32 Abs. 1 S. 1 KWG ist ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Ankauf einer Lebensversicherung mit Kaufpreisstundung stellt ein erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG dar. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Führt ein unvermeidbarer Verbotsirrtum gemäß § 17 S. 1 StGB zur Schuldlosigkeit, so schließt dies auch eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB aus. Für das Vorliegen eines haftungsausschließenden Rechtsirrtums ist der Anspruchsgegner darlegungs- und beweispflichtig. (Rn. 30 – 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 28.648,24 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.02.2015 zu zahlen Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus dem Kaufvertrag mit der D1. W2. GmbH mit der Vertragsnummer …
II. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte im Hinblick auf den Antrag zu I. im Annahmeverzug befindet.
III. Es wird festgestellt, dass sich die Schadensersatzpflicht des Beklagten aus einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Handlung ergibt.
IV. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 691,33 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 09.09.2016 zu zahlen.
V. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Gründe

Die Klage ist begründet.
Der Kläger kann vom Beklagten den geltend gemachten Schadensersatz verlangen.
I.
Die Klage ist begründet.
1. Der Kläger kann vom Beklagten Schadensersatz nach §§ 823 Abs. 2 BGB, 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 32 Abs. 1, 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG, 14 Abs. 1 StGB verlangen.
a. § 32 Abs. 1 S. 1 KWG ist ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (BGH NJW 2017, 2463 Tz. 12).
b. Es liegt hier ein Einlagengeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG vor und damit ein nach § 32 Abs. 1 S. 1 KWG erlaubnisbedürftiges Bankgeschäft. Auch der Ankauf von Lebensversicherung mit Kaufpreisstundung stellt ein erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG dar (BGH VI ZR 263/17, Tz. 17 ff). Deshalb hat die BaFin mit Schreiben vom 05.03.2014 (Anlage K 4, S. 13 f) die D1. W2. GmbH hierauf hingewiesen und mit Schreiben vom 26.03.2014 (Anlage K 5) die Rückabwicklung der Verträge angeordnet.
c. Die D2. GmbH, deren Geschäftsführer der Beklagte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem Kläger war, hat damit gegen § 32 Abs. 1 S. 1 KWG verstoße.
d. Die Rechtswidrigkeit des Handelns wird durch die Erfüllung des objektiven Tatbestandes bzw. durch den Verstoß gegen das Schutzgesetz indiziert.
e. Den Beklagten trifft auch ein Verschulden. Ein den Vorsatz ausschließender Verbotsirrtum liegt nicht vor.
(1) Im Rahmen eines erlaubnispflichtigen Bankgeschäfts kann es für den Vorsatz bereits ausreichen, wenn dem Beklagten die jeweiligen Tatsachen des Geschäftsmodells bekannt sind. Hiervon ist bei einem allein vertretungsberechtigten Geschäftsführer in der Regel auszugehen. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte die Nachträge zu den Verträgen selbst unterschrieben. Im Übrigen kann sich der Beklagte schon deshalb nicht auf vollkommene Unkenntnis berufen, da er schon 2008 als freier Mitarbeiter bei einer anderen Gesellschaft der Beklagten tätig war und dort die Makler mit Informationen zu den Finanzprodukten der Gesellschaft versorgte.
(2) Den Beklagten trifft eine sekundäre Darlegungslast dahingehend, dass ihm kein Verschulden vorzuwerfen ist, wenn der objektive Verstoß gegen das Schutzgesetz feststeht (Palandt/Sprau, BGB, 77. A., § 823, Rz 81).
(3) Die vom Kläger bestrittene Behauptung des Beklagten, er sei lediglich als Strohmann und Scheingeschäftsführer der Schuldnerin tätig gewesen, ist vom Beklagten nicht bewiesen worden. Der Antrag auf Beiziehung der betreffenden Ermittlungsakten stellt keinen zulässigen Beweisantrag dar. Es handelt sich hier um einen unzulässigen Ausforschungsantrag.
(4) Der Beklagte haftet daher mit seinem Privatvermögen für die ohne Erlaubnis durchgeführten Bankgeschäfte (Münchner Kommentar, 7. A., § 823 Rz 161).
(5) Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum zu Gunsten des Beklagten ist hier nicht anzunehmen.
(5.1.) Führt ein unvermeidbarer Verbotsirrtum gemäß § 17 S. 1 StGB zur Schuldlosigkeit, so schließt dies auch eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB aus (BGH NJW 2463, Tz 17). Für das Vorliegen eines haftungsausschließenden Rechtsirrtums ist der Anspruchsgegner darlegungs- und beweispflichtig (BGH, a.a.O., Tz 18).
(5.2.) Die zutreffende rechtliche Beurteilung normativer Tatbestandsmerkmale gehört nicht zum Vorsatz. Insoweit genügt eine „Parallelwertung in der Laiensphäre“, die eine ausreichende Bedeutungskenntnis beinhaltet (BGH, a.a.O., Tz 21). Hält der Täter des § 54 KWG seine Geschäfte für rechtlich zulässig und nicht erlaubnispflichtig, so stellt dies aus strafrechtlicher Sicht einen Verbotsirrtum (§ 17 StGB) dar.
(5.3.) Ein Verbotsirrtum ist nach der Rechtsprechung des BGH unvermeidbar, wenn der Täter trotz der ihm nach den Umständen des Falles, seiner Persönlichkeit sowie seines Lebens- und Berufskreises zuzumutenden Anspannung des Gewissens die Einsicht in das Unrechtmäßige nicht zu gewinnen vermochte (BGH, a.a.O., Tz 28). Im Zweifel trifft ihn eine Erkundigungspflicht. Für jemanden, der im Geschäftsleben steht, ist kaum jemals ein Irrtum über das Bestehen eines Schutzgesetzes unvermeidbar, das für seinen Arbeitsbereich erlassen wurde, weil jeder im Rahmen seines Wirkungskreises verpflichtet ist, sich über das Bestehen von Schutzgesetzen zu unterrichten (BGH, a.a.O., Tz 28). Etwa aufkommende Zweifel sind erforderlichenfalls durch Einholung einer verlässlichen und sachkundigen Auskunft zu beseitigen (BGH, a.a.O., Tz 29). Dabei müssen sowohl die Auskunftsperson als auch die Auskunft aus der Sicht des Täters verlässlich sein; die Auskunft selbst muss zudem einen unrechtsverneinenden Inhalt haben (BGH, a.a.O.). Eine Auskunft ist in diesem Sinne nur dann verlässlich, wenn sie objektiv, sorgfältig, verantwortungsbewusst und insbesondere nach pflichtgemäßer Prüfung der Sach- und Rechtslage erteilt worden ist. Bei der Auskunftsperson ist dies der Fall, wenn sie die Gewähr für eine diesen Anforderungen entsprechende Auskunftserteilung bietet. Hinzu kommt, dass der Täter nicht vorschnell auf die Richtigkeit eines ihm günstigen Standpunkts vertrauen und seine Augen nicht vor gegenteiligen Ansichten und Entscheidungen verschließen darf. Maßgebend sind die jeweils konkreten Umstände, insbesondere seine Verhältnisse und Persönlichkeit; daher ist z. B. seine berufliche Stellung zu berücksichtigen. Das Vertrauen auf eingeholten rechtsanwaltlichen Rat vermag somit nicht in jedem Fall einen unvermeidbaren Verbotsirrtum zu begründen (BGH, a.a.O., Tz 30). Wendet sich dieser an einen auf dem betreffenden Rechtsgebiet versierten Anwalt, so hat er damit zwar vielfach das zunächst Gebotene getan. Jedoch ist weiter erforderlich, dass der Täter auf die Richtigkeit der Auskunft nach den für ihn erkennbaren Umständen vertrauen darf. Dies ist nicht der Fall, wenn die Unerlaubtheit des Tuns für ihn bei auch nur mäßiger Anspannung von Verstand und Gewissen leicht erkennbar ist oder nicht mehr als eine Hoffnung haben kann, dass ihm bekannte Strafgesetz greife hier noch nicht ein. Daher darf der Täter sich auf die Auffassung eines Rechtsanwalts etwa nicht allein deswegen verlassen, weil sie seinem Vorhaben günstig ist. Eher zur Absicherung als zur Klärung bestellte „Gefälligkeitsgutachten“ scheiden als Grundlage unvermeidbarer Verbotsirrtümer aus. Auskünfte, die erkennbar vordergründig und mangelhaft sind oder nach dem Willen des Anfragenden lediglich eine „Feigenblattfunktion“ erfüllen sollen, können den Täter ebenfalls nicht entlasten (BGH, a.a.O.). Insbesondere bei komplexen Sachverhalten und erkennbar schwierigen Rechtsfragen ist regelmäßig ein detailliertes, schriftliches Gutachten erforderlich, um einen unvermeidbaren Verbotsirrtum zu begründen (BGH, a.a.O.). Dagegen ist die Aussagekraft einer Auskunft beschränkt, wenn sie nur einzelne rechtliche Aspekte umfasst (BGH, a.a.O.).
(5.4.) Der Beklagte hat hier zwar vorgetragen, er habe anwaltlichen Rat eingeholt. Dieser Vortrag ist jedoch nicht ausreichend und genügt nicht den vom BGH aufgestellten Anforderungen. Das Gericht hat hierauf in der mündlichen Verhandlung vom 29.08.2018 hingewiesen. Ein weiterer Vortrag ist vom Kläger nicht mehr erfolgt.
(5.5.) Unstreitig ist, dass der Beklagte keine Auskunft über die Erlaubnispflicht bei der BaFin eingeholt hat.
(5.6.) Der Beklagte hat auch nicht unter Beweis gestellt, dass bei der Einholung einer entsprechenden Auskunft die BaFin ihm mitgeteilt hätte, dass es sich nicht um ein erlaubnispflichtiges Geschäft handelt. Das als Anlage B 3 vorgelegte Schreiben der BaFin vom 06.07.2018 enthält entgegen der Ansicht des Beklagten keine Aussage zur Erlaubnispflicht des streitgegenständlichen Anlagemodells. Diese Anfrage entlastet den Beklagten nicht. Die BaFin führt aus, dass sie aus Datenschutzgründen zu vergleichbaren Sachverhalten nichts ausführen könne. Der Beklagte habe keine Anfrage an sie gestellt. Entgegen der Ansicht des Beklagten bzw. dessen Vertreter sind dem Schreiben der BaFin keine Zweifel an einer Erlaubnispflichtigkeit zu entnehmen. Vielmehr führt die BaFin aus, sie könne etwaige Zweifel des Landgerichts München II nicht ausräumen. Sie weist darauf hin, dass sie mit bestandskräftiger Anordnung vom 26.03.2014 die Abwicklung des auf der Grundlage von sog. Policenkaufsowie Darlehensverträgen unerlaubt betriebene Einlagengeschäfte angenommen habe. Die Frage des Landgerichts nach einer zeitlichen „Vorverlagerung“ der in dem bestandskräftigen Bescheid vertretenen rechtlichen Bewertung impliziere Zweifel (die aus der Sicht der BaFin beim Landgericht München Ii vorhanden sseien), ob die BaFin bei einer früheren Beurteilung des Geldanlageangebots gleichfalls ein erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG festgestellt hätte. Diese Zweifel (des Landgerichts München Ii) könne es nicht in der gewünschten Weise ausräumen. Vielmehr könne es lediglich mitteilen, dass der Verantwortliche der D1. W2. GmbH vor der Aufnahme der entsprechenden Geschäftstätigkeit tatsächlich nicht um eine aufsichtsrechtliche Stellungnahme nachgesucht habe. Die BaFin gibt im Ergebnis keine Stellungnahme dazu ab, ob sie im Jahr 2010 das betreffende Einlagengeschäft als erlaubnispflichtig eingestuft hätte. Aus datenschutzrechtlichen Gründen äußert sie sich nicht zu vergleichbaren Fällen. Der Beklagte bleibt damit beweisfällig mit seiner Behauptung, die BaFin hätte im Jahr 2010 das streitgegenständliche Anlagengeschäft als nicht erlaubnispflichtig eingestuft.
(5.7.) Entgegen der Ansicht des Beklagten war die Erlaubnispflichtigkeit des vorliegenden Anlagegeschäfts nicht bis zur klärenden Entscheidung des BGH vom 10.02.2015 (VI ZR 569/15) umstritten. In der dortigen Entscheidung ging es maßgebend um die Haftung eines als Treuhänder tätigen Rechtsanwalts gegenüber den Anlegern. Der BGH hat in dieser Entscheidung ausgeführt, dass sich das betreffende Anlagemodell jedenfalls als Annahme anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Fall 2 KWG) darstellt (BGH Urt. v. 10.2.2015 – VI ZR 569/13, BeckRS 2015, 5011, beck-online).
(5.8.) Aus der vom Beklagten zitierten Entscheidung des BGH vom 10.07.2018 (Az.: VI ZR 263/17), lässt sich auch nicht entnehmen, dass die BaFin noch am 30.09.2010 die Genehmigungspflicht entsprechender Anlagegeschäfte verneint habe. Im dortigen Fall ging es um Kauf- und Abtretungsverträge, in denen ein qualifizierter Rangrücktritt vereinbart wurde. Ein qualifizierter Rangrücktritt ist hier nicht vereinbart. Somit liegt kein vergleichbarer Sachverhalt vor.
f. Ein Mitverschulden im Sinne des § 254 Abs. 1 BGB ist dem Kläger nicht anzulasten. Es liegt hier keine hochspekulative Anlage vor. Zudem trägt der Beklagte nicht vor, dass er den Kläger auf die fehlende Erlaubnis hingewiesen habe. Für den Kläger war die fehlende Erlaubnis auch nicht erkennbar. Zudem wäre im Rahmen einer Abwägung hier von einer absoluten Schutzwürdigkeit des Klägers auszugehen, die zu einer alleinigen Haftung des Beklagten führen würde.
2. Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs sind unstreitig.
3. Der Feststellungsantrag in Ziffer 3. des Klageantrags ist begründet aufgrund der vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Beklagten. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.
4. Im Rahmen der Schadensersatzpflicht hat der Beklagte dem Kläger auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit (§ 291 BGB) wie beantragt zu erstatten.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Verkündet am 07.12.2018


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