IT- und Medienrecht

Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags im nicht privaten Bereich

Aktenzeichen  W 3 K 18.1495

Datum:
14.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 32659
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RBStV § 5 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 3, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 2, Abs. 5, § 14 Abs. 4

 

Leitsatz

1. Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ist sowohl mit der Bayerischen Verfassung als auch mit dem Grundgesetz vereinbar und verstößt nicht gegen europäisches Recht. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Ausnahme von der Rundfunkbeitragspflicht im nicht privaten Bereich nach § 5 Abs. 5 Nr. 3 RBStV kann nicht in dem Fall angenommen werden, in dem sich eine Wohnung innerhalb einer Betriebsstätte befindet. (Rn. 59) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Streitgegenstand sind – allein – der Rundfunkbeitragsbescheid des Beklagten vom 2. September 2016 für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 30. Juni 2016, der Rundfunkbeitragsbescheid vom 1. Oktober 2016 für den Zeitraum vom 1. Juli 2016 bis 30. September 2016 sowie der Rundfunkbeitragsbescheid vom 1. Februar 2017 für den Zeitraum vom 1. Oktober 2016 bis 31. Dezember 2016 jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2018.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angegriffenen Bescheide erweisen sich als rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrags ist der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – RBStV – i.d.F. der Bekanntmachung vom 7. Juni 2011 (GVBl S. 258). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 RBStV ist im nicht privaten Bereich für jede Betriebsstätte von ihrem Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag nach Maßgabe der in Satz 2 genannten Staffelung zu entrichten. Die Höhe des zu leistenden Rundfunkbeitrags bemisst sich nach der Zahl der neben dem Inhaber Beschäftigten. Inhaber einer Betriebsstätte ist die natürliche oder juristische Person, die die Betriebsstätte im eigenen Namen nutzt oder in deren Namen die Betriebsstätte genutzt wird (§ 6 Abs. 2 Satz 1 RBStV).
Der Bescheid beruht auf einer wirksamen und verfassungsmäßigen Rechtsgrundlage. Das Verwaltungsgericht Würzburg geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag sowohl mit der Bayerischen Verfassung als auch mit dem Grundgesetz vereinbar ist und nicht gegen europäisches Recht verstößt. Beim Rundfunkbeitrag handelt es sich um eine nicht steuerliche und nicht unverhältnismäßige Abgabe, deren Erhebung von der Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Rundfunkrecht gedeckt ist.
Die vom Kläger vorgetragenen Bedenken gegen die Wirksamkeit des Zustimmungsgesetzes zum Rundfunkbeitragsstaatsvertrag mögen an dieser Einschätzung des Gerichts nichts zu ändern.
Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat mit Entscheidung vom 15. Mai 2014 (Az.: Vf. 8-VII-12 und Vf. 24-VII-12- juris) über erhobene Popularklagen entschieden und dabei folgende Leitsätze aufgestellt:
1. Die Vorschriften des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags über die Erhebung eines Rundfunkbeitrags im privaten Bereich für jede Wohnung (§ 2 Abs. 1 RBStV) und im nicht privaten Bereich für Betriebsstätten (§ 5 Abs. 1 RBStV) sowie für Kraftfahrzeuge (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RBStV) sind mit der Bayerischen Verfassung vereinbar.
2. Bei dem Rundfunkbeitrag handelt es sich um eine nichtsteuerliche Abgabe, die in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fällt. Sie ist sowohl im privaten wie auch im nicht privaten Bereich im Gegensatz zu einer Steuer nicht „voraussetzungslos“ geschuldet, sondern wird als Gegenleistung für das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erhoben.
3. Dem Charakter einer Vorzugslast steht nicht entgegen, dass auch die Inhaber von Raumeinheiten, in denen sich keine Rundfunkempfangsgeräte befinden, zahlungspflichtig sind. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zwingt den Gesetzgeber nicht dazu, eine Befreiungsmöglichkeit für Personen vorzusehen, die von der ihnen eröffneten Nutzungsmöglichkeit keinen Gebrauch machen wollen.
4. (…)
5. Mit den näher bestimmten Merkmalen Betriebsstätte (§ 6 Abs. 1 und 3 RBStV), Beschäftigte (§ 6 Abs. 4 RBStV) und Kraftfahrzeuge (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RBStV), welche die Beitragspflicht im nicht privaten Bereich dem Grunde und der Höhe nach steuern, hält der Gesetzgeber sich im Rahmen seines Gestaltungsspielraums. Diese Kriterien sind hinreichend realitätsgerecht und ausreichend differenziert, um den beitragsauslösenden Vorteil abzubilden und die Beitragslasten im Verhältnis der Abgabenpflichtigen untereinander angemessen zu verteilen.
Diese Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs ist für die Gerichte in Bayern bindend (vgl. Art. 29 Abs. 1 des Gesetzes über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof – VfGHG).
Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat insbesondere festgestellt, dass die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 101 BV nicht verletzt wird (Entscheidungsabdruck, juris, Rn. 66 bis 100) und dass die Beitragspflicht für Betriebsstätten nach § 5 Abs. 1 RBStV auch mit dem Gleichheitssatz nach Art. 118 BV in Einklang steht (Entscheidungsabdruck, juris, Rn. 101 bis 131). Diese Ausführungen sind – nachdem es an einem Eingriff in die Berufsfreiheit und das Eigentum fehlt – auf das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG und auf den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG übertragbar (so auch: VG Regensburg, U.v. 11.2.2015 -RO 3 K 15.60 – juris, Rn. 25, 35).
Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Vorschriften über die Erhebung eines Rundfunkbeitrags im nicht privaten Bereich für Betriebsstätten mit dem Grundgesetz vereinbar sind (vgl. U.v. 30.10.2015 – 7 BV 15.344). Er stellte im Urteil vom 30. Oktober 2015 folgende Leitsätze auf:
1. Die Erhebung des Rundfunkbeitrags im nicht privaten Bereich für Betriebsstätten und Kraftfahrzeuge ist – ebenso wie im privaten Bereich für Wohnungen (vgl. BayVGH, U.v. 19.6.2015 – 7 BV 14.1707 – juris) – mit dem Grundgesetz vereinbar (Rn.11).
2. Auch dem nicht privaten (im weiteren Sinn „unternehmerischen“) Bereich vermittelt das öffentlich-​rechtliche Rundfunkangebot spezifische Vorteile, welche nach der Wertung des Gesetzgebers durch den wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrag, der im privaten Bereich zu entrichten ist, nicht abgegolten sind (Rn.17).
3. Der Rundfunkbeitrag verstößt weder gegen das Übermaßverbot noch gegen das Kostendeckungsprinzip. Er ist auch nicht gleichheitswidrig (Rn.18).
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führt in den Entscheidungsgründen aus, dass die Erhebung des Rundfunkbeitrags im nicht privaten Bereich weder gegen die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) noch gegen das Rechtsstaatsprinzip verstößt. Der Rundfunkbeitrag, der dem der Gesetzgebungskompetenz der Länder unterliegenden Bereich des Rundfunks zuzuordnen ist, erfüllt die an die Erhebung einer Abgabe in Gestalt eines Beitrags zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen. Dem Charakter einer Vorzugslast steht nicht entgegen, dass der abgabenbegründende Vorteil typisierend allein an das Innehaben einer Raumeinheit (im privaten Bereich: Wohnung; im nicht privaten Bereich: Betriebsstätte und Kraftfahrzeug) anknüpft. Der Wechsel des Anknüpfungstatbestands vom bisherigen Bereithalten eines Rundfunkempfangsgeräts zum Empfang hin zum nunmehr geforderten Innehaben einer Raumeinheit ist dadurch veranlasst, dass mit der technischen Entwicklung neuartiger Rundfunkempfangsgeräte die Rundfunkprogramme z.B. über Angebote aus dem Internet wiedergegeben werden können. Der Rundfunkbeitrag im nicht privaten Bereich verstößt weder gegen das Übermaßverbot noch gegen das Kostendeckungsprinzip. Die Belastung für die betroffenen Beitragsschuldner hält sich im Rahmen des Zumutbaren. Für Betriebsstätten ist die Höhe des Rundfunkbeitrags nach der Zahl der neben dem Inhaber in der Betriebsstätte Beschäftigten degressiv gestaffelt. Die gestaffelten Beitragssätze beginnen mit einem Drittel des Rundfunkbeitrags für Betriebsstätten mit keinem oder bis zu acht Beschäftigten und reichen bis 180 Rundfunkbeiträge für Betriebsstätten mit 20.000 oder mehr Beschäftigten. Die Betriebsstätte bildet, ähnlich der Wohnung im privaten Bereich, den örtlichen Rahmen, in dem typischerweise die Möglichkeit zu einem dem Unternehmen dienenden Rundfunkempfang eröffnet ist. Mit zehn Stufen ist die gesetzliche Staffelung ausreichend differenziert und weist die erforderliche Typengerechtigkeit auf.
Das Verwaltungsgericht schließt sich diesen Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs an und macht sie sich zu Eigen.
Für die Vereinbarkeit mit der Verfassung wird auch auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Dezember 2016 – 6 C 49/15 – Bezug genommen, in dem folgende Leitsätze aufgestellt worden sind:
1. Der Rundfunkbeitrag im nicht privaten Bereich ist eine rundfunkspezifische nichtsteuerliche Abgabe, die in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder für das Rundfunkrecht fällt (Rn.24).
2. Der Rundfunkbeitrag für Inhaber von Betriebsstätten und betrieblich genutzten Kraftfahrzeugen stellt die Gegenleistung für die Rundfunkempfangsmöglichkeit in diesen Raumeinheiten dar. Der Vorteil ist unternehmensspezifisch bezogen auf die Raumeinheit für deren Inhaber zu bestimmen; er kann den Inhabern zugerechnet werden (Rn.27).
3. Betriebsstätten sind nicht nur mit herkömmlichen, sondern zunehmend auch mit neuartigen Empfangsgeräten ausgestattet, sodass die Annahme einer nahezu vollständigen Ausstattung mit Empfangsgeräten gerechtfertigt ist (Rn.37).
4. (…)
5. (…)
6. Das Gebot der Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) wird durch die Koppelung der Beitragshöhe für das Innehaben einer Betriebsstätte an die Zahl der Beschäftigten in Verbindung mit der degressiv verlaufenden Staffelung nicht verletzt. Die Ausgestaltung der Beitragshöhe trägt dem unternehmensspezifischen Vorteil der Rundfunkempfangsmöglichkeit für den Inhaber der Betriebsstätte hinreichend Rechnung (Rn.64).
Das Bundesverwaltungsgericht führt in den Entscheidungsgründen aus, dass die Landesgesetzgeber diejenige Beitragshöhe zugrunde legen durfte, die die Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) für den maßgeblichen Zeitraum empfohlen hat. Das Verfahren zur Festsetzung der Beitragshöhe ist dreistufig ausgestaltet, bestehend aus Bedarfsanmeldung der Rundfunkanstalten, Prüfung der Anmeldung und Bedarfsfeststellung durch die KEF sowie abschließender Festsetzung des Beitrags durch den Rundfunkgesetzgeber. Dieses Verfahren genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen, weil es den Rundfunkanstalten unter Wahrung ihrer Programmautonomie die zur Erfüllung des Rundfunkauftrags erforderlichen finanziellen Mittel sichert und Einflussnahmen des Staates auf die Programmgestaltung der Rundfunkanstalten wirksam ausschließt (vgl. BVerfG, U.v. 11.9.2007 – 1 BvR 2270/05, 809, 830/06 – BVerfGE 119, 181, 222 ff.).
Das Gericht schließt sich auch diesen Ausführungen an.
Das Bundesverfassungsgericht hat ebenfalls über die Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags im nicht privaten Bereich entschieden. Im Urteil vom 18. Juli 2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – hat das Bundesverfassungsgericht folgende Leitsätze aufgestellt:
1. Das Grundgesetz steht der Erhebung von Vorzugslasten in Form von Beiträgen nicht entgegen, die diejenigen an den Kosten einer öffentlichen Einrichtung beteiligen, die von ihr – potentiell – einen Nutzen haben (Rn.55).
Der mit der Erhebung des Rundfunkbeitrags ausgeglichene Vorteil liegt in der Möglichkeit, den öffentlich-​rechtlichen Rundfunk nutzen zu können (Rn.59).
2. Auch eine unbestimmte Vielzahl oder gar alle Bürgerinnen und Bürger können zu Beiträgen herangezogen werden, sofern ihnen jeweils ein Vorteil individuell-​konkret zugerechnet werden kann und soweit dessen Nutzung realistischerweise möglich erscheint (Rn.60).
3. (…)
Die Nutzungsmöglichkeit zu betrieblichen Zwecken rechtfertigt die gesonderte Inanspruchnahme von Inhabern von Betriebsstätten und von nicht ausschließlich zu privaten Zwecken genutzten Kraftfahrzeugen zusätzlich zur Rundfunkbeitragspflicht im privaten Bereich (Rn.113).
4. Ein Beitragsschuldner darf zur Abschöpfung desselben Vorteils nicht mehrfach herangezogen werden (Rn.70).
Inhaber mehrerer Wohnungen dürfen für die Möglichkeit privater Rundfunknutzung nicht mit insgesamt mehr als einem vollen Rundfunkbeitrag belastet werden (Rn.107).
Das Bundesverfassungsgericht führt in den Entscheidungsgründen aus, dass die Beitragspflicht für Betriebsstätten im privaten Bereich nicht gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit verstößt. Die Möglichkeit des Rundfunkempfangs vermittelt einen Vorteil, der den Inhabern von Betriebsstätten zurechenbar und gesetzlich belastungsgleich erfasst ist. Auch Inhabern von Betriebsstätten wird durch das Rundfunkangebot ein Vorteil zuteil, der ihre Inanspruchnahme mit Rundfunkbeiträgen rechtfertigt. Die Möglichkeit der Mediennutzung weist einen betrieblichen Bezug auf, der dem unternehmerischen Wirken zu Erwerbszwecken zugutekommt. Die Beitragsschuldner können sich aus dem Rundfunkangebot Informationen für den Betrieb beschaffen sowie das Rundfunkangebot zur Information oder Unterhaltung ihrer Beschäftigten und ihrer Kundschaft nutzen. Diese andere Vorteilslage rechtfertigt die gesonderte Inanspruchnahme von Betriebsstätteninhabern neben der Beitragspflicht im privaten Bereich. Ebenso wenig wie im privaten Bereich kommt es im nicht privaten Bereich auf das tatsächliche Vorhalten von Empfangsgeräten im Einzelfall an. Zwar kann im nicht privaten Bereich die tatsächliche Nutzung eingeschränkt sein, wenn Betriebsstätteninhaber ihren Beschäftigten den Rundfunkempfang nicht gestatten, technische Sperren einrichten oder die Betriebsabläufe keine Nutzung zulassen. Dies lässt den Zurechnungszusammenhang jedoch nicht entfallen. Die konkrete Ausgestaltung der Beitragspflicht für Betriebsstätten ist belastungsgleich. Auch im Übrigen ist die Rundfunkbeitragspflicht verfassungsgemäß.
Das Gericht schließt sich auch diesen Ausführungen an.
Auch der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 13. Dezember 2018 entschieden, dass der deutsche Rundfunkbeitrag mit dem Unionsrecht vereinbar ist (EuGH, U.v. 13.12.2018 – Südwestrundfunk, C 492/17 – BeckRS 218, 31908). Auch diese Ausführungen macht sich das Gericht zu Eigen.
Der Rundfunkstaatsvertrag ist im Ergebnis daher taugliche Rechtsgrundlage für die streitgegenständlichen Festsetzungsbescheide.
Auch die Bescheide selbst sind nicht zu beanstanden.
Der Bayerische Rundfunk ist nach § 10 Abs. 5 RBStV als Anstalt des öffentlichen Rechts berechtigt, rückständige Beiträge festzusetzen. In diesem Zusammenhang erlässt der Beklagte Verwaltungsakte (vgl. VGH BW, U.v. 4.11.2016 – 2 S 548/16 – juris Rn. 24 ff.). Zum Erlass entsprechender Verwaltungsakte bedient sich die Landesrundfunkanstalt des Beitragsservices als Verwaltungsgemeinschaft. Nach § 10 Abs. 7 Satz 1 RBStV nimmt jede Landesrundfunkanstalt die ihr nach diesem Staatsvertrag zugewiesenen Aufgaben und die damit verbundenen Rechte und Pflichten ganz oder teilweise durch die im Rahmen einer nicht rechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft betriebenen Stelle der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten selbst wahr. Hierauf basiert § 2 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge vom 5. Dezember 2012 (Staatsanzeiger Nr. 51 bis 52/2012). Bei dieser gemeinsamen Stelle handelt es sich um den ARD ZDF Deutschlandradio-Beitragsservice mit Sitz in Köln.
Entgegen der vom Kläger vorgetragenen Auffassung hat der Beklagte beim Erlass der angegriffenen Bescheide den Rechtsgedanken des Art. 37 Abs. 5 Satz 1 BayVwVfG ordnungsgemäß angewendet. Nach dieser Vorschrift kann bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, abweichend von Abs. 3 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen.
Damit erweisen sich die angegriffenen Bescheide als formell rechtmäßig.
Auch materiell sind die Bescheide nicht zu beanstanden. Der Kläger ist als Inhaber seiner Praxis in der … nach § 5 Abs. 1 RBStV rundfunkbeitragspflichtig. Betriebsstätte ist jede zu einem eigenständigen, nicht ausschließlich privaten Zweck bestimmte oder genutzte ortsfeste Raumeinheit oder Fläche innerhalb einer Raumeinheit (§ 6 Abs. 1 RBStV), mithin auch die Praxis des Klägers.
Der Kläger kann sich auch nicht auf eine in § 5 RBStV genannte gesetzliche Ausnahme von der allgemeinen Rundfunkbeitragspflicht im nicht privaten Bereich stützen. Nach § 5 Abs. 5 Nr. 3 RBStV ist ein Rundfunkbeitrag nicht zu entrichten für Betriebsstätten, die sich innerhalb einer beitragspflichtigen Wohnung befinden, für die bereits ein Rundfunkbeitrag entrichtet wird.
Der Kläger hat nichts dargelegt, dass sich seine Praxis innerhalb einer beitragspflichtigen Wohnung befindet. Wohnung ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RBStV jede ortsfeste, baulich abgeschlossene Raumeinheit, die zum Wohnen oder Schlafen geeignet ist oder genutzt wird und durch einen eigenen Eingang unmittelbar mit einem Treppenhaus, einem Vorraum oder von außen, nicht ausschließlich über eine andere Wohnung betreten werden kann. So ist für eine Maisonette-Wohnung, in der ein freiberuflich Tätiger wohnt und arbeitet, ein Wohnungsbeitrag nach § 2 Abs. 1 RBStV zu entrichten, ohne dass ein Betriebsstättenbeitrag für die Praxis nach § 5 Abs. 1 RBStV anfiele (vgl. BayVGH, U.v. 22.6.2016 – 7 BV 15.1956 – juris; VG München, U.v. 17.7.2015 – M 6 a K 15.409 – n.v.). Eine Ausnahme nach § 5 Abs. 5 Nr. 3 RBStV kann nicht im umgekehrten Fall angenommen werden, in dem sich eine Wohnung innerhalb einer Betriebsstätte befindet (vgl. VG Ansbach, U.v. 6.7.2017 – AN 6 K 16.02355 – juris).
Der Kläger hat nach Angaben seines Prozessbevollmächtigten eine Zweitwohnung unter der Anschrift … * … B** … Die Praxis und die Wohnung befinden sich nach seinen Angaben in denselben Räumlichkeiten. Die Praxis liege über zwei Ebenen; unten würden die Patienten behandelt, im oberen Stockwerk sei ein Wohnraum und ein allgemeiner Wohn- und Büroraum. Es handelt sich insofern bereits nach Angaben des Klägers begrifflich nicht um eine Betriebsstätte, die sich gemäß § 5 Abs. 5 Nr. 3 RBStV innerhalb einer Wohnung befindet.
Unabhängig davon, ob sich die Betriebsstätte innerhalb einer Wohnung befindet, handelt es sich nicht um eine beitragspflichtige Wohnung i.S. des § 5 Abs. 5 Nr. 3 RBStV, für die bereits ein Rundfunkbeitrag entrichtet wird. Der begünstigende Tatbestand kommt dem Beitragsschuldner nur zugute, wenn tatsächlich für die Wohnung der streitgegenständliche Rundfunkbeitrag im privaten Bereich entrichtet wird (BayVGH, U.v. 22.6.2016 – 7 BV 15.1956 – juris). Dies ist nicht dargelegt. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten auch nicht das Innehaben einer Wohnung nach § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 RBStV angezeigt. Insofern fehlt es an den Voraussetzungen des § 5 Abs. 5 Nr. 3 RBStV.
Der Kläger ist auch nicht von der Rundfunkbeitragspflicht befreit. Das Bundesverfassungsgericht hat im Urteil vom 18. Juli 2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – juris – tenoriert:
1. Die Zustimmungsgesetze und Zustimmungsbeschlüsse der Länder zu Artikel 1 des Fünfzehnten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 15. Dezember 2010 sind, soweit sie § 2 Absatz 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (abgedruckt in der Anlage zu Artikel 1 des Gesetzes zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung medienrechtlicher Vorschriften vom 18. Oktober 2011 ) in Landesrecht überführen, mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes insoweit unvereinbar, als Inhaber mehrerer Wohnungen über den Beitrag für eine Wohnung hinaus zur Leistung von Rundfunkbeiträgen herangezogen werden.
2. Das bisherige Recht ist bis zu einer Neuregelung mit der Maßgabe weiter anwendbar, dass ab dem Tag der Verkündung dieses Urteils bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung diejenigen Personen, die nachweislich als Inhaber einer Wohnung ihrer Rundfunkbeitragspflicht nach § 2 Absatz 1 und 3 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags nachkommen, auf Antrag von einer Beitragspflicht für weitere Wohnungen zu befreien sind. Ist über Rechtsbehelfe noch nicht abschließend entschieden, kann ein solcher Antrag rückwirkend für den Zeitraum gestellt werden, der Gegenstand des jeweils angegriffenen Festsetzungsbescheids ist.
3. Die Gesetzgeber sind verpflichtet, spätestens bis zum 30. Juni 2020 eine Neuregelung zu treffen.
Das Bundesverfassungsgericht führt in den Entscheidungsgründen hierzu aus, dass dieselbe Person für die Möglichkeit der privaten Rundfunknutzung nicht zu insgesamt mehr als einem vollen Beitrag herangezogen werden darf (Rn. 106). Personen, die nachweislich als Inhaber ihrer Erstwohnung ihrer Beitragspflicht nachkommen, sind auf Antrag von der Beitragspflicht für weitere Wohnungen zu befreien (Rn. 155). Diese Voraussetzungen treffen auf den Kläger nicht zu. Unabhängig von der Frage, ob es sich um eine Zweitwohnung handelt, liegt auf der Hand, dass der Kläger nicht für eine Zweitwohnung herangezogen wird, sondern für eine Betriebsstätte.
Die Beiträge sind auch in der festgesetzten Höhe geschuldet. Der Kläger hat nach den Übergangsbestimmungen des § 14 Abs. 4 Satz 1 2. HS einen Beitrag in Höhe eines Rundfunkbeitrags zu entrichten.
Jede natürliche Person, die – wie der Kläger als Inhaber eines nicht privat genutzten Kraftfahrzeugs – als nicht privater Rundfunkteilnehmer gemeldet war, war nach § 14 Abs. 2 RBStV ab dem 1. Januar 2012 auf Verlangen der zuständigen Landesrundfunkanstalt verpflichtet, ihr schriftlich die Tatsachen anzuzeigen, die Grund und Höhe der Beitragspflicht nach dem Staatsvertrag ab dem 1. Januar 2013 betreffen. Soweit der Beitragsschuldner dem nicht nachgekommen ist, wird nach § 14 Abs. 4 RBStV vermutet, dass sich die Höhe des ab 1. Januar 2013 zu entrichtenden Rundfunkbeitrags nach der Höhe der bis zum 31. Dezember 2012 zu entrichtenden Rundfunkgebühren bemisst, wobei mindestens ein Beitrag in Höhe eines Rundfunkbeitrags zu entrichten ist. Es ist mehreren Schreiben der Beklagten vom 5. Juli 2013, 2. August 2013, 4. Oktober 2013 und 21. Januar 2015 zu entnehmen, dass der Kläger der Aufforderung des Beklagten im Jahr 2012, aufgrund der bevorstehenden Änderung der Rundfunkfinanzierung die Anzahl der in der Betriebsstätte sozialversicherungspflichtig Beschäftigten anzugeben, nicht nachgekommen ist. Damit war ein Beitrag in Höhe eines Rundfunkbeitrags zu entrichten. Diese Vermutung hat der Kläger auch nicht nach § 14 Abs. 5 RBStV widerlegt.
Eine Meldung der Änderung der Zahl der neben dem Inhaber Beschäftigten ist bis zum Erlass der Bescheide nicht erfolgt. Eine Änderung der Anzahl der im Jahresdurchschnitt des vorangegangenen Kalenderjahres sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist nach § 8 Abs. 1 Satz 2 RBStV jeweils bis zum 31. März eines Jahres anzuzeigen und wirkt ab dem 1. April des jeweiligen Jahres. Der Bevollmächtigte des Klägers hat die Zahl der Beschäftigten mit Schriftsatz vom 15. Februar 2019, der dem Beklagten am 19. Februar 2019 zugeleitet wurde, mitgeteilt. Daher ist der monatliche Rundfunkbeitrag im streitgegenständlichen Zeitraum in der Höhe eines Rundfunkbeitrags geschuldet.
Die Rundfunkbeitragsforderungen waren auch rückständig und konnten durch Bescheide des Beklagten festgesetzt werden (§ 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV). Die Pflicht zur Entrichtung des Rundfunkbeitrags beginnt mit dem Ersten des Monats, in dem der Beitragsschuldner die Betriebsstätte inne hat (§ 7 Abs. 1 Satz 1 RBStV). Der Rundfunkbeitrag ist monatlich geschuldet und in der Mitte eines Drei-Monats-Zeitraums für jeweils drei Monate zu leisten (§ 7 Abs. 3 RBStV). Dies bedeutet, dass die Rundfunkbeitragspflicht kraft Gesetzes entsteht. Die vom Bayerischen Rundfunk erlassenen Rundfunkbeitragsbescheide haben lediglich den Zweck, eine Grundlage für eine möglicherweise notwendige Vollstreckung der Ansprüche zu schaffen.
Der Kläger hat die Beitragspflicht weder erfüllt noch war der Beklagte in Annahmeverzug. Der Rundfunkbeitrag ist nach § 10 Abs. 2 Satz 1 RBStV an die zuständige Landesrundfunkanstalt als Schickschuld zu entrichten. Schickschuld bedeutet, dass der Ort der Leistungserbringung und der Ort der Erfüllung der Schuld auseinanderfallen. Durch die Mitteilung des Bevollmächtigten des Klägers vom 2. November 2015 „Für die Zukunft ist mein Mandant grundsätzlich bereit, ab 01.11. den Betrag von Euro 5,99 pro Monat zu begleichen ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht.“ hat der Kläger die Leistung dem Beklagten nicht in der geschuldeten Höhe angeboten. Durch die – bei gleichzeitiger Ablehnung der Beitragspflicht – im Schreiben des Klägers vom 1. Dezember 2015 aufgeworfene Frage, wo er „in B** … den Beitrag bar einzahlen“ könne, hat der Kläger die geschuldete Leistung ebenfalls nicht angeboten. Dies ist auch nicht durch die im Schreiben des Bevollmächtigten des Klägers vom 17. Mai 2016 aufgeworfene Frage, wie die Bezahlung bei Schuldnern erfolge, „die kein Konto besitzen“, erfolgt. Der Beklagte hat die Zahlung der Rundfunkbeiträge im Übrigen auch nicht abgelehnt.
Auch die vom Beklagten festgesetzten Säumniszuschläge sind nicht zu beanstanden. In § 11 Abs. 1 Satz 1 der Rundfunkbeitragssatzung ist festgelegt, dass ein Säumniszuschlag in Höhe von 1% der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Betrag von 8,00 EUR fällig wird, wenn die geschuldeten Rundfunkbeiträge nicht innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 Rundfunkbeitragssatzung wird der Säumniszuschlag zusammen mit der Rundfunkbeitragsschuld durch Bescheid nach § 10 Abs. 5 RBStV festgesetzt. Auf die Fälligkeit des Rundfunkbeitrags ist der Kläger ordnungsgemäß hingewiesen worden. Somit sind die Säumniszuschläge zu Recht erhoben worden.
Damit erweist sich die Klage gegen die Bescheide vom 2. September 2016, 1. Oktober 2016 und 1. Februar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Oktober 2018 als unbegründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Damit war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und umfasst sämtliche außergerichtlichen Kosten, welche beiden Parteien entstanden sind, sowie die Gerichtskosten. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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