IT- und Medienrecht

Verletzung des Persönlichkeitsrechtes durch unrichtige Aussagen von Hoheitsträgern – Wiederholungsgefahr

Aktenzeichen  4 CE 19.1977

Datum:
18.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
DÖV – 2020, 492
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 1004 Abs. 1 S. 2
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
VwGO § 123, § 158 Abs. 2

 

Leitsatz

Die Vermutung einer Wiederholungsgefahr in den Fällen, in denen durch unrichtige amtliche Äußerungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzt wird, kann widerlegt sein, wenn die betreffende Äußerung ersichtlich auf einem Tatsachenirrtum beruht und der zuständige Hoheitsträger unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass er daran nicht festhält. (Rn. 23 und 24)

Verfahrensgang

Au 7 E 19.978 2019-09-13 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt im Rahmen einer einstweiligen Verfügung, den Antragsgegner zur Unterlassung und zum Widerruf von Äußerungen zu verpflichten, die in einem gemeindlichen Mitteilungsblatt veröffentlicht wurden.
Die Antragstellerin betreibt eine Einzelfirma, zu deren Geschäftsfeldern die Organisation von Konzertveranstaltungen gehört. Im Zusammenhang mit einem geplanten zweitägigen Musikfestival kam es zu Streitigkeiten zwischen der Antragstellerin bzw. dem für sie tätigen Projektmanager G. und Vertretern des Antragsgegners. In einer Gemeinderatssitzung am 11. April 2019 informierte der erste Bürgermeister des Antragsgegners über die Konzertanfrage. Laut Sitzungsniederschrift erklärte er dazu, die vom Veranstalter geforderten Referenzen seien nie vorgelegt worden. Der anfragende Herr sei, wie sich aus einer Veröffentlichung im Internet ergebe, mittlerweile in Insolvenz gegangen. In I* … habe er sich ebenfalls beworben; laut einem Bericht des A* …er Anzeigenblatts habe sich auch die Stadt I* … dem Konzept nicht genähert.
In dem vom Antragsgegner herausgegebenen Mitteilungsblatt Nr. 9 vom 24. April 2019 erschien unter der Rubrik „Rathaus. Aus der Marktgemeinderatssitzung vom 11. April 2019“ ein Bericht zu der genannten Anfrage, in dem es am Ende hieß: „Auch beschied die Stadtverwaltung I* … eine Anfrage des Konzertveranstalters für eine Großveranstaltung abschlägig. Mittlerweile ist der Antragsteller in die Insolvenz gegangen.“
Mit Schreiben vom 30. April 2019 wandte sich der Bevollmächtigte der Antragstellerin an den Antragsgegner und erklärte, der Artikel im Mitteilungsblatt enthalte wahrheitswidrige Behauptungen über die eindeutig identifizierbare Antragstellerin. Die Stadt I* … habe deren Anfrage nicht abschlägig beschieden; vielmehr sei der Mietvertrag einvernehmlich aufgehoben worden. Auch sei die Antragstellerin nicht in Insolvenz gegangen. Der Antragsgegner werde aufgefordert, die Behauptungen in Zukunft zu unterlassen und dazu eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben.
Der frühere Bevollmächtigte des Antragsgegners erklärte daraufhin mit Schreiben vom 7. Mai 2019, der Antragsgegner sei ungeachtet der Frage einer Identifizierbarkeit der Antragstellerin und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bereit, im Mitteilungsblatt richtigzustellen, dass die Information über eine Insolvenz der Antragstellerin unzutreffend gewesen sei; diese Richtigstellung erfolge im übernächsten Mitteilungsblatt. Hintergrund der irrigen Information sei ein Missverständnis gewesen; das Insolvenzverfahren sei über das Vermögen des G. eröffnet worden, der in der Vergangenheit als Geschäftsführer der Einzelfirma der Antragstellerin aufgetreten sei. Der entsprechende Eintrag im Internet sei entfernt worden; falls die Antragstellerin eine dauerhafte Richtigstellung auch online wünsche, werde um Mitteilung gebeten.
Am 29. Mai 2019 ließ die Antragstellerin beim Landgericht eine einstweilige Verfügung beantragen mit dem Ziel, den Antragsgegner zur Unterlassung und zum Widerruf der strittigen Äußerungen sowie zur Mitteilung der Druckauflage des Mitteilungsblatts vom 26. April 2019 zu verpflichten.
Im Mitteilungsblatt Nr. 13 vom 21. Juni 2019 wurde unter der Überschrift „Berichtigung“ ausgeführt, die Aussagen im Mitteilungsblatt Ausgabe 9/2019 auf Seite 4 würden inhaltlich in zwei Punkten berichtigt. Die Stadtverwaltung I* … habe eine Anfrage des Konzertveranstalters für eine Großveranstaltung nicht abschlägig beschieden; es sei wegen nicht zeitgerecht erfüllter Bestimmungen von einem Vertrag Abstand genommen worden. Eine Insolvenz des anfragenden Konzertveranstalters bestehe nicht und habe nicht bestanden; die vorangegangene anderslautende Mitteilung habe auf einer Verwechslung mit einem anderen laufenden Insolvenzverfahren beruht.
Das Landgericht verwies den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht.
Hinsichtlich des Antrags auf Auskunftserteilung wurde das Eilverfahren von den Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt.
Mit Beschluss vom 13. September 2019 stellte das Verwaltungsgericht den für erledigt erklärten Teil des Verfahrens ein und lehnte den Antrag im Übrigen ab; die Kosten des Verfahrens wurden dabei zu fünf Sechsteln der Antragstellerin und zu einem Sechstel dem Antragsgegner auferlegt. Für die noch anhängigen Anträge auf Unterlassung und Widerruf bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis mehr; der verlangte Widerruf sei inzwischen tatsächlich erfolgt, und zwar mittels derselben Art der Veröffentlichung wie die ursprüngliche Behauptung. Der Antrag führe jedenfalls in der Sache nicht zum Erfolg, weil ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht sei. Der Unterlassungsanspruch bestehe nicht (mehr), da zumindest im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine Wiederholungsgefahr gegeben sei. Wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem vergleichbaren Fall ausgeführt habe, dürfe hinsichtlich der Wiederholungsgefahr nicht allein auf die Vermutungswirkung der rechtswidrigen Erstbegehung abgestellt werden; es sei zu berücksichtigen, ob trotz dieser Vermutung aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls eine Wiederholung der Verletzungshandlung entfalle, so dass es keiner strafbewehrten Unterlassungserklärung bedürfe. Hier habe der Antragsgegner durch die sofortige Entfernung der streitgegenständlichen Äußerungen von seiner Homepage und durch Veröffentlichung im Mitteilungsblatt Nr. 13 hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er die Behauptungen nicht mehr aufrechterhalte und dass er die Äußerungen zur Insolvenz der Antragstellerin nicht gemacht hätte, wenn er sich nicht in der Funktion ihres Mitarbeiters getäuscht hätte. Dass die ursprüngliche Fassung des Mitteilungsblatts über die direkte Eingabe einer nahezu zwei Zeilen langen URL noch aufgerufen werden könne, begründe keine Wiederholungsgefahr. Zwar könne der Antragsgegner diese Seite ebenfalls entfernen bzw. durch die spätere Fassung des Mitteilungsblatts Nr. 9 ersetzen. Es sei aber nicht erkennbar, wie unbeteiligte Dritte Kenntnis von der URL erhalten könnten; über die Homepage des Antragsgegners könne die Seite nicht aufgerufen werden. Werde das Mitteilungsblatt über eine Suchmaschine angesteuert, erscheine ebenfalls die berichtigte Fassung. Mangels Namensnennung könne die Seite auch nicht angesteuert werden, wenn nach der Antragstellerin oder ihrer Firma gesucht werde. Auch der Widerrufsanspruch bestehe nicht. Soweit dieser überhaupt im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes geltend gemacht werden könne, obwohl damit die Hauptsache vorweggenommen würde, sei er jedenfalls durch die Veröffentlichung der Berichtigung im Mitteilungsblatt Nr. 13 erfüllt worden. Eine noch in der Gegenwart fortdauernde Beeinträchtigung liege hier nicht vor. Bei der Kostenentscheidung seien hinsichtlich des erledigten Teils wegen der offenen Erfolgsaussichten des Antrags die Kosten beiden Parteien zu gleichen Teilen auferlegt worden. Dazu sei zu bemerken, dass der Auskunftsanspruch vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens beim Antragsgegner nicht geltend gemacht worden sei.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Sie beantragt sinngemäß,
in Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 13. September 2019
1. den Antragsgegner bei Meidung eines für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu verpflichten, es zu unterlassen, zukünftig gegenüber Dritten zu behaupten, dass über das Vermögen der Antragstellerin ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei und dass sie einen abschlägigen Bescheid der Stadtverwaltung I* … betreffend eine geplante Großveranstaltung erhalten habe, sowie
2. ihn zu verpflichten, die im Mitteilungsblatt Nr. 9 vom 26. April 2019, Seite 4, veröffentlichte Äußerung zu widerrufen, dass ein Konzertveranstalter aus O* …, der dem Antragsgegner eine Großveranstaltung im Jahr 2018 angeboten habe, mittlerweile in die Insolvenz gegangen sei und betreffend einer geplanten Großveranstaltung einen abschlägigen Bescheid seitens der Stadtverwaltung I* … erhalten habe.
Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 13. September 2019, die der Senat anhand der fristgerecht dargelegten Gründe überprüft (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel einer Verpflichtung zur Unterlassung und zum Widerruf der im gemeindlichen Mitteilungsblatt veröffentlichten Äußerungen zu Recht abgelehnt.
Zur Begründung ihrer Beschwerde trägt die Antragstellerin vor, der Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung enthalte zum Teil nicht entscheidungsrelevante sowie unrichtige bzw. in sich widersprüchliche Ausführungen. Die Annahme, wegen der erfolgten Richtigstellung bestehe kein Unterlassungsanspruch mehr, sei unzutreffend. Die Richtigstellung sei formell fehlerhaft, weil sie an einer anderen Stelle im Mitteilungsblatt veröffentlicht worden sei als die ursprüngliche Mitteilung, nämlich nicht unter der Rubrik „Rathaus. Aus der Gemeinderatssitzung vom …“, sondern an einer unauffälligen Stelle zwischen einer Werbeanzeige. Ein Zusammenhang zu einer Gemeinderatssitzung sei nicht mehr vorhanden, so dass die Bedeutung der Richtigstellung entwertet werde; es werde nicht einmal erwähnt, dass darüber in einer solchen Sitzung entschieden worden sei. Entgegen der Ankündigung sei die Richtigstellung nicht im übernächsten, sondern erst im vierten nachfolgenden Mitteilungsblatt erfolgt; der Antragsgegner habe zunächst abgewartet und sei erst nach Zustellung des gerichtlichen Eilantrags tätig geworden. Aufgrund dieses Verhaltens reiche die Richtigstellung nicht aus, um eine Wiederholungsgefahr auszuschließen. Diese bestehe auch deshalb noch, weil die wahrheitswidrige Mitteilung über eine bestimmte Webadresse weiterhin abrufbar sei. Die bloße Entfernung der Verlinkung auf der Homepage reiche insoweit nicht aus. Allein durch die Möglichkeit, die zweizeilige URL mit „copy & paste“ zu veröffentlichen und z. B. E-Mails an eine unbegrenzte Zahl von Empfängern weiterzuleiten, bestehe das Risiko, dass Dritte von der ursprünglich wahrheitswidrigen Mitteilung Kenntnis erhielten. Dass der noch abrufbare Link aus sämtlichen elektronischen und nicht elektronischen Dateien des Antragsgegners entfernt worden sei, habe der Antragsgegner nicht vorgetragen. Wegen der Weigerung, die betreffende URL vollständig zu löschen, fehle es an der Ernsthaftigkeit der Absicht, die Äußerungen künftig nicht mehr zu verbreiten. Dass das ursprünglich beanstandete Mitteilungsblatt lediglich auf der Homepage zeitnah geändert und ausgetauscht worden sei, ändere daran nichts. Die Vermutung, dass bei einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts eine Wiederholungsgefahr bestehe, gelte – wenn auch etwas abgeschwächt – ebenso im außerwettbewerblichen Bereich. Aus den genannten Gründen bestehe auch ein Anspruch auf Widerruf der aufgestellten Behauptungen. Darin liege keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache, da die Interessen der Antragstellerin überwögen. Wegen der im Hauptsacheverfahren geltend zu machenden Schadensersatzansprüche bestehe ein Anspruch auf Auskunft darüber, mit welcher Auflage das streitige Mitteilungsblatt gedruckt worden sei; die Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts sei auch im Hinblick auf die diesen Anspruch betreffende Kostenteilung fehlerhaft.
Dieses Vorbringen kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.
a) Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, wie auch in der Beschwerdeschrift vom 2. Oktober 2019 (Seite 2) zum Ausdruck kommt, der erstinstanzliche Beschluss nur insoweit, als darin der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt wurde. Der in derselben Entscheidung infolge übereinstimmender Erledigungserklärungen ergangene Einstellungsbeschluss ist unanfechtbar nicht nur hinsichtlich der deklaratorischen Erledigungsfeststellung (§ 92 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog), sondern gemäß § 158 Abs. 2 VwGO auch bezüglich der zugehörigen Kostenentscheidung (vgl. BVerwG, B.v. 7.8.1998 – 4 B 75.98 – NVwZ-RR 1999, 407). Soweit diese Entscheidung, derzufolge beide Parteien die Verfahrenskosten des für erledigt erklärten Auskunftsantrags zu gleichen Teilen zu tragen haben, in der Beschwerdebegründung in Frage gestellt wird, gehen daher die Ausführungen von vornherein ins Leere.
b) Ebenfalls nicht geeignet, eine von der Vorinstanz abweichende Entscheidung zu begründen, ist der Einwand der Antragstellerin, der angegriffene Beschluss enthalte im Tatbestand nicht entscheidungsrelevante und in sich widersprüchliche Feststellungen. Selbst wenn dies der Fall wäre, ergäbe sich daraus noch nicht die rechtliche Konsequenz, dass ein Anspruch auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung besteht.
c) Ein solcher Anspruch der Antragstellerin ist hier – zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im Beschwerdeverfahren (vgl. dazu Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 123 Rn. 165 m.w.N.) – nicht (mehr) gegeben. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass eine das Unterlassungsbegehren entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB rechtfertigende Wiederholungsgefahr unter den hiesigen Umständen nicht angenommen werden kann (aa). Von den streitigen Äußerungen gehen infolge der vom Antragsgegner nachträglich getroffenen Maßnahmen auch keine anhaltenden Rechtsbeeinträchtigungen mehr aus, aufgrund derer ein (nochmaliger) Widerruf in geänderter Form verlangt werden könnte (bb).
aa) Wie in dem angegriffenen Beschluss unter Bezugnahme auf Entscheidungen des erkennenden Gerichts (BayVGH, B.v. 25.5.2010 – 7 ZB 09.2655 – juris Rn. 22 ff.), des Bundesgerichtshofs (U.v. 8.2.1994 – VI ZR 286/93 – NJW 1994, 1281/1283) und des Bundesverfassungsgerichts (B.v. 9.3.2010 – 1 BvR 1891/05 – NJW-RR 2010, 1195/1198) zutreffend ausgeführt wird, ist bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) durch unzutreffende amtliche Äußerungen zwar grundsätzlich von einer Wiederholungsgefahr auszugehen; diese Vermutung kann jedoch auch bei einer Weigerung des Verletzers, sich in strafbewehrter Form zur Unterlassung zu verpflichten, aufgrund besonderer Umstände widerlegt werden. Ein solcher Ausnahmefall war hier gegeben. Nach dem Gesamtverhalten des Antragsgegners bestand in Bezug auf die streitigen Tatsachenbehauptungen von Anfang an keine Wiederholungsgefahr, so dass es der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nicht bedurfte.
Aus der offenkundigen Diskrepanz zwischen der beglaubigten Niederschrift der Gemeinderatssitzung vom 11. April 2019 einerseits und der Wiedergabe des Sitzungsverlaufs im Mitteilungsblatt Nr. 9 vom 24. April 2019 andererseits ergab sich zweifelsfrei, dass die unrichtigen oder jedenfalls missverständlichen Ausführungen in der letztgenannten Publikation lediglich auf einer ungenauen Wiedergabe der Aussagen des ersten Bürgermeisters des Antragsgegners beruhten. Denn dieser hatte sich gegenüber den übrigen Gemeinderatsmitgliedern nicht über die wirtschaftliche Lage der Antragstellerin oder ihrer Firma geäußert, sondern lediglich von der Insolvenz des „anfragenden Herrn“ berichtet und damit wahrheitsgemäß auf das im Internet bekanntgemachte Insolvenzverfahren des für die Antragstellerin tätigen Projektmanagers hingewiesen. Die im Sitzungsprotokoll darüber hinaus erwähnte Kurzfassung des im A* …er Anzeigenblatt veröffentlichten Berichts über das parallele Vorhaben in I* … entsprach ebenfalls den Tatsachen. Dass die beiden Erklärungen des ersten Bürgermeisters in dem einige Tage später erschienenen Bericht über die Marktgemeinderatssitzung vom 11. April 2019 nicht wörtlich zitiert, sondern frei formuliert in einer Weise wiedergegeben wurden, dass sie auf die Antragstellerin persönlich bezogen werden konnten und an eine förmliche Antragsablehnung durch die Stadt I* … denken ließen, entsprach ersichtlich zu keinem Zeitpunkt den Intentionen der zuständigen Gemeindeorgane. Auch im Schreiben des früheren Bevollmächtigten des Antragsgegners vom 7. Mai 2019 kam unmissverständlich zum Ausdruck, dass die auf die Antragstellerin beziehbaren Aussagen in dieser Form zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt waren, sondern auf einem Irrtum über die Person des Firmeninhabers beruhten und umgehend gelöscht bzw. richtiggestellt werden sollten.
Die Ernsthaftigkeit der Bekundung, dass es sich bei der dem Sitzungsprotokoll widersprechenden Darstellung im Mitteilungsblatt Nr. 9 um ein gemeindeinternes Missverständnis handle, an dem der Antragsgegner nicht festhalten wolle, wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Widerruf der streitigen Äußerungen entgegen der Ankündigung nicht in der übernächsten Ausgabe (Nr. 11), sondern erst im Mitteilungsblatt Nr. 13 vom 21. Juni 2019 erfolgt ist. Diese Verzögerung beruhte, wie der frühere Bevollmächtigte des Antragsgegners mit Schriftsatz vom 16. Juli 2019 erklärt hat, u.a. auf urlaubsbedingten Abwesenheiten. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner während dieses mehrwöchigen Zeitraums oder gar noch bis zum jetzigen Zeitpunkt erwogen haben könnte, an den im Mitteilungsblatt Nr. 9 getätigten unzutreffenden Äußerungen festzuhalten, sind nicht ersichtlich. Dagegen spricht insbesondere der Umstand, dass der entsprechende Eintrag im Internet sogleich auf das Mahnschreiben des Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 30. April 2019 hin freiwillig entfernt wurde.
bb) Mit der im Mitteilungsblatt Nr. 13 veröffentlichten inhaltlichen Berichtigung der beiden in der Ausgabe Nr. 9 enthaltenen Aussagen hat der Antragsgegner auch gegenüber der Öffentlichkeit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er seine frühere Darstellung als fehlerhaft ansieht und die beanstandeten Tatsachenbehauptungen nicht aufrechterhält. Er ist damit seiner aus der Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Antragstellerin folgenden Verpflichtung zum Widerruf in ausreichender Weise nachgekommen, so dass das Eilrechtsschutzbegehren auch insoweit – ungeachtet der Frage, ob die darin liegende Vorwegnahme der Hauptsache ausnahmsweise zulässig wäre – jedenfalls in der Sache keinen Erfolg haben kann.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen war die im selben Publikationsorgan wie die ursprünglichen Aussagen erfolgte Richtigstellung nicht deshalb formell fehlerhaft und daher unwirksam, weil sie nicht unter der regelmäßig erscheinenden Rubrik „Rathaus. Aus der Gemeinderatssitzung vom…“ veröffentlicht wurde, sondern als eigenständiger Beitrag unter der Überschrift „Berichtigung“. Durch diese Platzierung wurde die Wahrnehmbarkeit und inhaltliche Zuordnung des Beitrags nicht in Frage gestellt. Dass eine amtliche Verlautbarung vorlag, ergab sich schon bei einem flüchtigen Blick ohne weiteres aus der Kopfzeile der betreffenden Seite („Rathaus. www…info) sowie aus der drucktechnischen Gestaltung der Überschrift, die einheitlich für alle die Gemeindeverwaltung betreffenden Informationen verwendet wurde. Da es sich bei der Richtigstellung nur um die rechtlich gebotene Korrektur des in Nr. 9 des Mitteilungsblatts enthaltenen fehlerhaften Berichts über die Gemeinderatssitzung vom 11. April 2019 handelte, musste nur auf diesen Zusammenhang hingewiesen werden und nicht auch auf den weiteren Umstand, dass das Unterlassungs- und Widerrufsbegehren der Antragstellerin seinerseits Thema einer späteren Gemeinderatssitzung war.
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, bestanden die von der Antragstellerin verfolgten Ansprüche auf Unterlassung und Widerruf auch nicht deshalb (teilweise) fort, weil trotz Löschung der betreffenden Passage im Internetauftritt des Antragsgegners die ursprüngliche Version des Mitteilungsblatts Nr. 9 bei direkter Eingabe der früheren Internetadresse (URL) in einen Webbrowser noch hätte aufgerufen werden können. Anders als in den jüngst höchstrichterlich entschiedenen Fällen, in denen gegenüber Informationsanbietern oder Suchmaschinenbetreibern ein „Recht auf Vergessen“ geltend gemacht wird (vgl. BVerfG, B.v. 6.11.2019 – 1 BvR 16/13; 1 BvR 276/17 – juris), konnten hier die personenbeziehbaren Informationen weder durch Einblicknahme in das Archiv der Online-Publikation noch durch die Eingabe des Namens der Antragstellerin oder ihrer Firma in eine Suchmaschine unmittelbar aufgerufen werden. Dass die während nur weniger Tage sichtbare Internetadresse der Ausgabe Nr. 9 vom 24. April 2019 von einem Dritten notiert oder gespeichert worden sein könnte, obwohl sämtliche Ausgaben der letzten fünf Jahre auf der Homepage des Antragsgegners ständig bereitgehalten werden, musste auch in Anbetracht des geringen Verbreitungsgrads des gemeindlichen Mitteilungsblatts als so unwahrscheinlich gelten, dass sich daraus jedenfalls keine im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes verfolgbaren Ansprüche der Antragstellerin ergeben konnten. Selbst wenn man insoweit gegenteiliger Auffassung wäre, könnte dies aber der Beschwerde aus heutiger Sicht nicht zum Erfolg verhelfen. Denn der Antragsgegner hat mittlerweile, wie sich aus seiner Beschwerdeerwiderung ergibt, nachweislich dafür gesorgt, dass auch durch Eingabe der damaligen Internetadresse die Ursprungsfassung der Ausgabe Nr. 9 nicht mehr aufgerufen werden kann.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Entscheidung zum Streitwert beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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