IT- und Medienrecht

Vollstreckung einer bestandskräftigen Nutzungsuntersagung

Aktenzeichen  M 8 K 17.4827

Datum:
17.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 26501
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG Art. 19 Abs. 2, Art. 38 Abs. 1 S. 3, Abs. 3
BayBO Art. 54 Abs. 2 S. 3 Hs. 2

 

Leitsatz

1. Die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes ist keine Voraussetzung seiner Vollstreckung (ebenso BayVGH BeckRS 2002, 26472 Rn. 12) und bei dessen Unanfechtbarkeit auch nicht als Vorfrage einer Fälligkeitsmitteilung zu prüfen (ebenso BayVGH BeckRS 2014, 57805 Rn. 4). (Rn. 19 und 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine bestandskräftige Nutzungsuntersagung gilt auch gegenüber dem Besitzrechtsnachfolger. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine rückwirkend abgegebene Betriebsabmeldung ist – zumal bei einer eheblichen zeitlichen Differenz zwischen angeblicher Betriebsaufgabe und Gewerbeabmeldung – keine nachprüfbare Tatsache für den Zeitpunkt der Befolgung einer Nutzungsuntersagung. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zugunsten der Klägerin als Anfechtungsklage gegen die Zwangsgeldandrohung und als Feststellungsklage hinsichtlich der Fälligkeitsmittelung auszulegende Klage (§ 88 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) hat keinen Erfolg, da sie unbegründet ist. Der streitgegenständliche Bescheid vom 5. September 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Die Zwangsgeldandrohung ist rechtmäßig.
1.1 Gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 3 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) kann – soweit die Androhung nicht mit dem zugrundeliegenden Verwaltungsakt verbunden und dieser unanfechtbar geworden ist – die Androhung der Zwangsmittel nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird.
Der Betroffene müsste in diesem Fall geltend machen, dass die Androhung selbst nicht zulässig ist, weil z.B. der Verwaltungsakt nicht Grundlage eines Verwaltungszwangs sei, weil er dem in dem Verwaltungsakt enthaltenen Ge- oder Verbot nachgekommen ist oder auch weil der Vollzugszweck bereits weggefallen ist (Troidl, in: Engelhardt/App/Schlatman, VwVG VwZG, 10. Aufl. 2014, § 15 VwVG Rn. 8). Die Rechtmäßigkeit des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes ist hingegen keine Voraussetzung der vorliegenden Vollstreckung, Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG (vgl. BayVGH, B.v. 29.7.2002 – 20 ZB 02.1265 – juris Rn. 12 m.w.N.) und daher im vorliegenden Verfahren auch nicht zu prüfen. Der Einwand des Bevollmächtigten der Klägerin, ein Wettbüro sei baurechtlich zulässig, muss damit unberücksichtigt bleiben.
1.2 Eine solche Rechtsverletzung ist nicht ersichtlich.
Die Verfügung gegenüber dem Rechtsvorgänger der Klägerin vom 18. Juli 2012 wurde bestandskräftig, nachdem die dagegen erhobene Klage zurückgenommen und das verwaltungsgerichtliche Verfahren (M 8 K 12.3746) mit Beschluss vom 27. Mai 2013 eingestellt wurde.
Die bestandskräftige Nutzungsuntersagung vom 18. Juli 2012 gilt auch gegenüber der Klägerin als Rechtsnachfolgerin im Sinn von Art. 54 Abs. 2 Satz 3 Hs. 2 Bayerische Bauordnung (BayBO). Zur Vermeidung von Wiederholung wird auf die diesbezüglichen Ausführungen im Beschluss vom 1. März 2018 (M 8 S 18.183) Bezug genommen.
Eine selbständige Rechtsverletzung durch die Zwangsgeldandrohung ist weder erkennbar noch vorgetragen. Ein Vollstreckungshindernis dergestalt, dass es der Vollstreckungsschuldnerin nicht möglich gewesen wäre, ihre Verpflichtung rechtzeitig zu erfüllen, Art. 19 Abs. 2 VwZVG, besteht nicht. Insbesondere war die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides am 5. September 2017 noch Betreiberin des Wettbüros. Dies ergibt sich bereits aus dem eigenen Vortrag der Klägerin, dass die Nutzung erst am 31. August 2017 aufgegeben worden sei. Zudem ist das Gericht angesichts der zahlreichen und ausführlichen Ortsbesichtigungen durch die Beklagte, insbesondere durch die Ortsbesichtigung am 21. August 2017, überzeugt, dass eine Nutzung der streitgegenständlichen Räumlichkeiten als Wettbüro im Zeitpunkt des streitgegenständlichen Bescheiderlasses noch erfolgt ist. Daran ändert nach Überzeugung des Gerichts auch die rückwirkend erklärte Betriebsabmeldung nichts, denn hierbei handelt es sich um eine weder für die Beklagte noch für das Gericht nachprüfbare Tatsache. Rückwirkend ist es nicht möglich festzustellen, ob wirklich der Betrieb an dem angegebenen Datum eingestellt wurde. Insbesondere die erhebliche zeitliche Differenz zwischen der angeblichen Betriebsaufgabe am 31. August 2017 und der Gewerbeanmeldung am 18. September 2017 spricht dagegen. Die Klägerin hat darüber hinaus diesbezüglich nicht substantiiert vorgetragen.
Das im Bescheid vom 5. September 2017 angedrohte Zwangsgeld ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Nach Art. 31 Abs. 1 Satz 2 VwZVG soll das Zwangsgeld das wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, erreichen. Nach Art. 31 Abs. 2 Satz 4 VwZVG ist das wirtschaftliche Interesse nach pflichtgemäßem Ermessen zu schätzen. Gemessen an diesen Vorgaben ist das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 20.000,- € nicht zu beanstanden. Insbesondere liegt die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes deutlich in der unteren Hälfte des gesetzlich vorgesehenen Rahmens des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG und stellt eine moderate Erhöhung gegenüber den zuvor erfolglos angedrohten Zwangsgelder (10.000 € und 15.000 €) dar. Schließlich ist auch die gesetzte Frist von 14 Tagen nach Zustellung des Bescheids für die Erfüllung der Verpflichtung zur Unterlassung der Nutzung des streitgegenständlichen Grundstücks als Wettbüro oder ähnliches ausreichend und zumutbar (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG). Hierbei ist neben dem Umstand, dass die Aufgabe der Nutzung als Wettbüro mit vergleichsweise geringfügigem Aufwand möglich sein dürfte, auch zu berücksichtigen, dass die bestandskräftige Nutzungsuntersagung, die der streitgegenständlichen Zwangsgeldandrohung zugrunde liegt, bereits vom 18. Juli 2012 datiert und die Klägerin zwei weiteren Aufforderungen nicht nachgekommen ist.
Ein etwaiger Zustellungsmangel (vgl. Art. 36 Abs. 7 Satz 1 VwZVG) ist jedenfalls durch Erhalt des Bescheides durch den Bevollmächtigten der Klägerin am 7. September 2017 geheilt worden (vgl. Art. 9 VwZVG).
2. Auch die Fälligkeitsmitteilung erfolgte zu Recht.
Art. 38 Abs. 3 VwZVG bestimmt, dass förmliche Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde bei der Anwendung eines Zwangsmittels insoweit zulässig sind, als geltend gemacht werden kann, dass die Maßnahmen eine selbstständige Rechtsverletzung darstellen. Die Fälligkeitsmitteilung gehört zur Anwendung des Zwangsmittels Zwangsgeld (Art. 31 Abs. 3 Satz 3, Art. 37 Abs. 1 Satz 1 VwZVG). Als selbstständige Rechtsverletzung im Sinne des Art. 38 Abs. 3 VwZVG kommen vorliegend Umstände im Zusammenhang mit dem Bedingungseintritt nach Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG in Betracht. Von Bedeutung ist namentlich die Frage, ob der Betroffene die Unterlassungspflicht rechtzeitig und vollständig oder genügend erfüllt hat. Einwendungen zur materiellen Rechtslage als Vorfrage der Fälligkeitsmitteilung sind demgegenüber wegen der Unanfechtbarkeit der Unterlassungsanordnung ausgeschlossen (vgl. BayVGH, B.v. 16.10.2014 – 2 ZB 13.2466 – juris Rn. 3 f.).
Nachdem das Verwaltungsgericht die Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 6. März 2017 als rechtmäßig beurteilt hat (VG München, U.v. 17.9.2018 – M 8 K 17.1482) und die Nutzung – dies bestreitet die Klägerin nicht – nicht binnen der 14-tägigen Frist aufgegeben wurde, bestehen keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Fälligkeitsmitteilung. Substantiierte Einwendungen gegen die Fälligkeit sind dem Vortrag der Klägerin zudem nicht zu entnehmen.
3. Daher war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).


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