IT- und Medienrecht

Vorausleistung für einen Erschließungsbeitrag

Aktenzeichen  AN 3 K 18.01340, AN 3 K 20.01839

Datum:
21.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 26556
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 11, § 129 Abs. 1 S. 1, § 133 Abs. 3 S. 1
KAG Art. 5a Abs. 9, Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. b
AO § 226 Abs. 3

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Beklagte kann gegen Sicherheitsleistung
oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten vollstrecken.

Gründe

Die Klagen haben den Vorausleistungsbescheid der Beklagten (Ziffer 1 des Klageantrags) sowie einen Zahlungsanspruch der Kläger gegen die Beklagte (Ziffer 2 des Klageantrags) zum Gegenstand.
Weder die Anfechtungs- noch die allgemeine Leistungsklage haben Aussicht auf Erfolg. Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet (A.). Die allgemeine Leistungsklage, die mit dem unter Ziffer 2 formulierten Klageantrag verfolgt wird, ist bereits unzulässig (B.).
A.
Die Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten ist unbegründet, da dieser rechtmäßig ist und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Vorausleistungsbescheid ist weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden.
1. Der Vorausleistungsbescheid findet seine Rechtsgrundlage in Art. 5a KAG, §§ 127 ff. BauGB i.V.m. der Satzung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen in der Stadt … vom 15. Dezember 1999 i.d.F. der 9. Änderungssatzung vom 9. August 2017 (im Folgenden: EBS).
Bedenken bezüglich der Rechtmäßigkeit der Erschließungsbeitragssatzung sind weder klägerseits vorgetragen noch sonst ersichtlich, sodass von ihrer Gültigkeit auszugehen ist (st. Rspr., z.B. BayVGH, B.v. 4.6.1997 – 6 ZS 97.1305 – juris).
2. Die Beklagte kann gemäß § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB, Art. 5a Abs. 9 KAG i.V.m. § 16 EBS Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag bis zur Höhe des voraussichtlichen Erschließungsbeitrags für die Anlage … erheben.
a) Nach § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB können Vorausleistungen verlangt werden, wenn die Beitragspflicht für die erstmalig herzustellende, noch nicht endgültig festgestellte Erschließungsanlage zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung nicht bereits entstanden ist. Darüber hinaus setzt die Erhebung einer Vorausleistung wegen ihres Charakters als eine Zahlung, die vor Entstehung der endgültigen sachlichen Beitragspflicht und zur Verrechnung mit der endgültigen Beitragsschuld (§ 133 Abs. 3 Satz 2 BauGB) nach der Rechtsprechung des BayVGH (grundlegend: U.v. 01.06.2011 – 6 BV 10.2467 – juris) voraus, dass eine wirksame Beitragssatzung vorhanden ist und die Gemeinde alle weiteren ihr obliegenden rechtlich relevanten Entscheidungen getroffen hat, die für die Bestimmbarkeit der Höhe der zukünftigen (endgültigen) Beitragsforderung erforderlich sind.
b) Diese Voraussetzungen liegen vor und rechtfertigen die streitgegenständliche Vorausleistung dem Grunde und der Höhe nach. Die Erschließungsanlage …, die nach dem … an der Einmündung … beginnt und in Nord-Süd-Richtung bis zur … verläuft, wird durch die vorausleistungspflichtigen Baumaßnahmen erstmalig hergestellt. Es handelt sich um eine Anbau straße i.S.d. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB. Die Beitragspflicht war zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung auch noch nicht entstanden, da eine endgültige Herstellung der inmitten stehenden Erschließungsanlage noch nicht vorlag.
3. Das Klägervorbringen, wonach der Erschließungsaufwand wegen von der … … … GmbH erbrachter Leistungen teilweise anderweitig gedeckt sei i.S.d. § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB, geht fehl.
Die Beklagte vereinbarte zwar in § 3 des städtebaulichen Vertrages vom 21. November 1997 im Zusammenhang mit der geplanten Erschließung des … eine teilweise Kostenübernahme durch die … … … GmbH. Diese bezog sich jedoch sämtlich nicht auf Kosten, die im Wege des Erschließungsbeitrags umlagefähig wären (§§ 127 Abs. 1, 128 BauGB), sondern ausschließlich auf die in § 3 des städtebaulichen Vertrages genannten Baumaßnahmen und Anlagen (Kinderspielplatz, Wertstoffsammelstelle und vier provisorische Ausweichstellen) sowie den eigentlich von der Beklagten zu tragenden Gemeindeanteil am beitragsfähigen Erschließungsaufwand in Höhe von 10% (§ 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB).
Dafür, dass die Beklagte voraussichtliche Kosten für die Kanalverlängerung von etwa 75 Metern in die Berechnung der Vorausleistung einbezogen hat, obwohl diese gemäß § 9 des städtebaulichen Vertrages die … … … GmbH auf eigene Kosten herzustellen hat, bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte. In der mündlichen Verhandlung am 21. September 2020 wurde seitens der Beklagten klargestellt, dass sie die Herstellungskosten für den 75 Meter langen Kanal in die hier streitgegenständliche Berechnung nicht mit einbezogen habe. Es bestehe allenfalls die Möglichkeit, dass Kosten für Rohre im fraglichen Kanalabschnitt in die Berechnung mit eingeflossen seien. Ausweislich des Abnahmeprotokolls des Tiefbauamtes habe die … … … GmbH jedoch statt 75 Metern nur 60 Meter des Kanalabschnitts hergestellt.
Selbst wenn also zu Unrecht Kosten für Rohre in 75 Metern Länge mit eingeflossen sind, so hat die Beklagte zugleich im Rahmen des Vorausleistungsverfahrens die Kosten für den 15 Meter langen Kanalabschnitt nicht umgelegt, den sie schließlich selbst herstellen musste. Die von den Klägern geforderte Vorausleistung ist daher im Ergebnis der Höhe nach nicht zu beanstanden und führt nicht zu einer Rechtsverletzung der Kläger (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es ist einem Vorausleistungsbescheid zudem immanent, dass er sich nur auf voraussichtliche Kosten stützen kann, die nicht exakt berechnet werden können und müssen.
4. Die von der Klägervertreterin für den Fall der Rechtmäßigkeit des Vorausleistungsbescheides hilfsweise erklärte Aufrechnung ist unbehelflich. Da die Beklagte die Gegenforderung bestreitet, steht dem bereits Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG i.V.m. § 226 Abs. 3 AO entgegen, wonach eine Aufrechnung vorliegend nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen zulässig ist. Darüber hinaus würde eine Erfüllung durch Aufrechnung nicht zur Rechtswidrigkeit der Beitragsfestsetzung führen, sondern wäre allenfalls für die im Bescheid zu sehende Zahlungsaufforderung rechtlich relevant (vgl. BVerwG, U.v. 3.6.1983 – 8 C 43.81 – juris).
B.
Die allgemeine Leistungsklage (Ziffer 2 des Klageantrags) ist bereits unzulässig (1), jedenfalls aber unbegründet (2) und daher vollumfänglich abzuweisen.
1. Die Klage ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses der Kläger unzulässig.
Vorliegend forderten die Kläger die Beklagte vor Klageerhebung nicht auf, die behauptete Forderung in Höhe von 6.186,91 EUR zu begleichen. Auch wenn grundsätzlich kein Erfordernis einer förmlichen Antragstellung bei der Behörde als besondere Sachurteilsvoraussetzung der allgemeinen Leistungsklage besteht, fehlt es den Klägern in Fällen wie dem vorliegenden, in dem die Behörde vor Klageerhebung nie mit dem Begehren befasst war, am Rechtsschutzbedürfnis (BVerwG, U.v. 28.06.2001 – 2 C 48/00 – NVwZ 2002, 97). Die Klägervertreterin begründete dies zwar damit, dass im Rahmen eines Akteneinsichtstermins bei der Behörde deren ablehnende Haltung zutage getreten sei. Jedoch fand dieser Termin bereits nach Klageerhebung statt. Selbst eine klar geäußerte Weigerung der Beklagten, den behaupteten Anspruch zu erfüllen, hätte der bereits anhängigen Klage nicht mehr zur Zulässigkeit verhelfen können. Umstände, die vor dem maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung eine vorherige Zahlungsaufforderung an die Behörde hätten entfallen lassen können, wurden weder dargelegt noch sind sie sonst ersichtlich.
2. Darüber hinaus ist die Klage unbegründet, weil den Klägern der geltend gemachte öffentlich-rechtliche Kondiktionsanspruch gegen die Beklagte entsprechend §§ 812 ff. BGB nicht zusteht.
Die Kläger leisteten die Zahlung von 12.100,00 DM in Erfüllung ihres Vertrages mit der … … … GmbH im abgekürzten Zahlungsweg (vgl. § 362 Abs. 2 BGB). Selbst wenn die Beklagte in dem von den Klägern in der mündlichen Verhandlung erwähnten Schreiben die Erteilung der Baugenehmigung von der Zahlung dieses Betrages abhängig gemacht haben sollte, so wurde hierdurch kein Rechtsgrund zwischen den Beteiligten geschaffen, sondern gerade nur auf den bereits bestehenden Rechtsgrund, nämlich den Vertrag zwischen den Klägern und dem Bauträger, Bezug genommen. Die Kläger können folglich nur innerhalb dieser Leistungsbeziehung kondizieren. Dass die … … … GmbH zwischenzeitlich liquidiert wurde, ein Kondiktionsanspruch gegen sie – sollte er bestehen – mithin nicht mehr durchsetzbar ist, hat nicht zur Folge, dass ein Durchgriff auf die Beklagte rechtlich möglich wird. Die Kläger haben auch in Ansehung dieses Umstandes dem Grundsatz des Vorrangs der Leistungskondiktion vor der Nichtleistungskondiktion entsprechend innerhalb der Leistungsbeziehung rückabzuwickeln und können nicht aus Nichtleistungskondiktion gegen die Beklagte vorgehen.
Auch das weitere Vorbringen, die Kläger seien in den städtebaulichen Vertrag zwischen der Beklagten und dem Bauträger eingetreten, verfängt nicht. Eine solche vertragliche Beziehung, die einen Zahlungsanspruch der Kläger gegen die Beklagte aus diesem Vertrag oder einen Anspruch aus Leistungskondiktion begründen könnte, besteht zwischen den Beteiligten nicht. Eine Vertragsübernahme durch die Kläger hätte der Zustimmung aller Beteiligter bedurft (st. Rspr., z.B. BGH, U.v. 20.04.2005 – XII ZR 29/02 – juris). Die Beklagte hat diese jedoch nicht erteilt. Auch eine Schuldübernahme durch die Kläger konnte nach § 11 BauGB, Art. 62 Satz 2 BayVwVfG i.V.m. § 415 BGB ohne die Mitwirkung der Beklagten nicht wirksam vorgenommen werden.
Folglich ist die Wirksamkeit des zwischen der Beklagten und der … … … GmbH geschlossenen städtebaulichen Vertrages insofern nicht entscheidungserheblich und bedarf keiner näheren Prüfung.
C.
Nach alledem waren die Klagen mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Kostentenors ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 ZPO.


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