IT- und Medienrecht

Werbung, Gewinnspiel, Unterlassungsanspruch, Unterlassung, Medizinprodukte, Marktverhaltensregelung, Heilmittel, Zustimmung, Wiederholungsgefahr, Kostenpauschale, Imagewerbung, verfahren, Anspruch, Kostenentscheidung, unentgeltliche Zuwendung

Aktenzeichen  1 HK O 2585/19

Datum:
23.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2020, 55277
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu einer Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten, zu unterlassen, in sozialen Medien, in Werbebeilagen, Zeitungsanzeigen, im Internet und/oder auf sonstigen Werbeträgern zu Zwecken des Wettbewerbs mit der Teilnahme an einem Gewinnspiel zu werben oder werben zu lassen, bei dem Brillen mit Sehstärke als Preis ausgelobt werden, wenn dies wie aus der Anlage K1 ersichtlich geschieht.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 220,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.9.2019 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 20.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
1. Der Unterlassungsanspruch folgt aus § 8 Abs. 1, § 3, § 3a UWG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 a, § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG.
Danach ist es unlauter, bei einer an Endverbraucher gerichteten Werbung für Medizinprodukte Zuwendungen oder sonstige Werbeabgaben anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren, soweit keine Ausnahmetatbestände dies zulassen. Durch eine weitgehende Eindämmung der Wertreklame im Bereich der Heilmittel soll der abstrakten Gefahr begegnet werden, dass Verbraucher bei der. Entscheidung, ob und welche Heilmittel sie von wem in Anspruch nehmen, durch die Aussicht auf Werbeabgaben unsachlich beeinflusst werden (vgl. BGH WRP 2015, 565, Rn. 9).
a) Bei den vorliegend beworbenen Brillen handelt es sich um Medizinprodukte im Sinne des § 3 Nr. 1 MPG, so dass das HWG gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1a HWG anwendbar ist.
§ 7 HWG stellt auch eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG dar, weil das HWG den Schutz der Gesundheit des Einzelnen und der Allgemeinheit vor den Gefahren einer unsachgemäßen Selbstmedikation und einer unsachlichen Werbung bezweckt
b) Der Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes ist ebenfalls eröffnet.
(1) In den Geltungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes fällt nur die Produktwerbung, nicht aber eine allgemeine Firmenwerbung, für die ohne Bezugnahme auf bestimmte Produkte für Ansehen und Leistungsfähigkeit des Unternehmens allgemein geworben wird. Bei der Abgrenzung zwischen einer reinen Imagewerbung und einer Produktwerbung ist maßgebend, ob nach dem Gesamterscheinungsbild die Darstellung des Unternehmens oder die Anpreisung bestimmter Waren im Vordergrund steht. Eine produktbezogene Werbung liegt danach immer dann vor, wenn sie auf bestimmte Produkte oder eine Mehr- oder Vielzahl bestimmter Produkte bezogen ist (vgl. BGH WRP 2019, 187, 189).
Von Bedeutung sind insoweit – abgesehen von direkten Hinweisen auf namentlich genannte oder sonst unzweideutig kenntlich gemachte Arzneimittel – die Gestaltung der Werbung, der Zusammenhang, in dem sie steht, der Name des werbenden Unternehmens und inhaltliche Hinweise, wie etwa die Beschreibung eines Indikationsgebiets und der Sinn verwendeter Begriffe (vgl. OLG Hamm WRP 2019, 1371-1375).
Auch eine Werbung für das Gesamtsortiment fällt in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift, da es keinen überzeugenden Grund gibt, den vom Gesetzgeber im Bereich der Heilmittelwerbung als grundsätzlich unerwünscht angesehenen Anreiz einer Wertreklame gerade dann hinzunehmen, wenn diese Form der Reklame für eine besonders große Zahl von Heilmitteln eingesetzt wird (vgl. BGH WRP 2017, 694, 697, Rn. 31).
Bei einem Gewinnspiel ist der Produktbezug auch dann gegeben, wenn der ausgelobte Gewinn ein Medizinprodukt ist, welches aus dem Sortiment des Veranstalters stammt (vgl. KG WRP 2017, 1016, 1017, Rn. 6).
(2) Vorliegend hat die Beklagte eine Brille im Wert von 500,00 € ausgelobt. Darunter fallen auch Korrektionsbrillen, somit Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 a) MPG.
Der Werbetext nahm ausschließlich auf das Produkt Brille Bezug. Im Mittelpunkt steht der Gewinn zweier Brillen im Wert von bis zu 500,00 €. Dies wird durch die Formulierungen „Und die Rechnung geht auf uns!“, „Geht mit unserem Team auf große Brillen-Entdeckungstour.“, „Brillen geschenkt.“ sowie „Und jetzt kommt der Knaller – jede von Euch darf sich eine Brille oder Sonnenbrille inklusive Gläsern bis 500,00 € aussuchen!“ eindeutig ausgedrückt.
Das Unternehmen selbst wird außer zur Identifizierung nicht erwähnt, so dass keine Imagewerbung vorliegt. Die Beklagte wirbt daher für ihr gesamtes Sortiment, was für den erforderlichen Produktbezug ausreichend ist.
(3) Die Beklagte lobt vorliegend auch eine Werbeabgabe aus. Der Begriff der Werbeabgabe i.S.d. § 7 HWG. ist grundsätzlich weit auszulegen. Er erfasst jede aus der Sicht des Empfängers nicht berechnete geldwerte Vergünstigung, die zum Zwecke der Absatzförderung von Heilmitteln gewährt werden. Werbeabgabe ist ein Oberbegriff für Werbemittelarten im weiteren Sinne, also Werbemittel mit geldwerter Vergünstigung ohne Berechnung. Eine Werbeabgabe setzt demnach voraus, dass die Zuwendung aus der Sicht des Empfängers unentgeltlich gewährt wird, er muss diese also als ein Geschenk ansehen (vgl. BGH WRP 2015, 565, Rn. 14 m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen liegt schon in der bloßen Teilnahmemöglichkeit eine unentgeltliche Zuwendung. Die Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel löst einen Anreiz aus, der dem Schutzzweck des § 7 Abs. 1 HWG zuwider läuft (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 26.7.2018, Az.; 6 U 112/17, juris). Zudem stellt auch der ausgelobte Gewinn eine kostenlose Werbeabgabe dar (so auch KG, WRP 2017, 1016 ff.).
(4) Schließlich besteht auch die abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung. Gewinnspiele üben auf den Verbraucher einen ganz besonderen Reiz aus und haben eine hohe Anlockwirkung. Allein die Möglichkeit, ohne nennenswerte Gegenleistung einen attraktiven Gewinn zu erzielen, veranlasst viele dazu, an einem Gewinnspiel teilzunehmen. Die hohe Anlockwirkung eines Gewinnspiels hat zur Folge, dass hierdurch die Teilnehmer zu vorschnellen geschäftlichen Entscheidungen gebracht werden können. Es ist daher nicht auszuschließen, dass ein Verbraucher, der eine Korrektionsbrille erwerben möchte, sich für das Angebot der Beklagten nur aufgrund des Gewinnspiels entscheidet, ohne es mit dem der Wettbewerber zu vergleichen und festzustellen, ob andere Angebote den persönlichen Bedürfnissen eventuell besser entsprechen.
Dies gilt umso mehr für den Gewinner des Gewinnspiels. Das Zusammentreffen des Reizes der Teilnahme an einem Gewinnspiel mit der Freude über den entgegen aller Wahrscheinlichkeit eingetretenen Glücksfall, Gewinner zu sein, birgt die Gefahr unüberlegter Entscheidungen, deren Folgen für die Gesundheit vorab nicht durchdacht worden sind (vgl. auch KG, WRP 2017, 1016 ff.). Der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer macht sich vor der Entscheidung über die Teilnahme an einem Gewinnspiel regelmäßig keine Gedanken, wie er mit dem Gewinn vernünftigerweise verfahren sollte, allein weil die Chance des Gewinns zu gering ist. In der emotionalen Ausnahmesituation nach einem Gewinn steht zu befürchten, dass Auswahlkriterien, die bei der Wahl einer Brille und des dazu in Anspruch genommenen Optikers üblicherweise angewandt werden, nicht mehr beachtet werden.
2. Dem Abmahnenden steht nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG der in der Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannte Anspruch auf anteiligen Ersatz der Personal- und Sachkosten in Form einer Unkostenpauschale für seine Abmahnung zu.
Die Höhe der vom Kläger insgesamt geltend gemachten Kostenpauschale von 184,87 € zzgl. MwSt. entspricht nach dem glaubhaften und substanziierten Vortrag des Klägers mindestens den einem Verband im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG üblicherweise bei der Abmahnung eines Wettbewerbsverstoßes durchschnittlich entstehenden. Kosten, so dass das Gericht die beanspruchte Kostenpauschale gemäß § 287 ZPO für angemessen erachtet.
3. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1, S. 2 ZPO.


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