IT- und Medienrecht

Werbung mit Studienergebnissen für ein Nahrungsergänzungsmittel zur Hautstraffung

Aktenzeichen  29 U 536/20

Datum:
20.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MD – 2021, 777
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG § 3, § 3a, § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2
LFGB § 11 Abs. 1 Nr. 1
VO(EU)1169/2011 Lebensmittel-Informations-VO (LMIV) Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 4 Buchst. a, Art. 38 Abs. 1
ZPO § 253 Abs. 2

 

Leitsatz

Die für ein Nahrungsergänzungsmittel zur Hautstraffung verwendete Aussage: „Kollagen gibt der mittleren Hautschicht (Dermis) Struktur… Ceramide halten die Haut feucht, die Kollagenfasern dadurch elastisch und reduzieren nachweislich die Faltenbildung, so das Ergebnis einer neuen Studie“ wird vom angesprochenen Verkehr so verstanden, dass die in dem Produkt enthaltene Wirkstoffkombination durch einschlägige Studien wissenschaftlich belegt ist. Wenn dafür keine Anhaltspunkte vorgetragen worden sind, kann die Aussage wegen der dadurch hervorgerufenen Irreführungsgefahr untersagt werden.  (Rn. 40 – 43) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

3 HK O 18893/18 2019-12-04 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

A. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 04.12.2019, Az.: 3 HK O 18893/18, berichtigt mit Beschluss vom 04.03.2020, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Urteil wie folgt abgeändert und neu gefasst wird:
I. Aufgrund ihres Anerkenntnisses wird die Beklagte verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an der Geschäftsführerin der K.-GmbH, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Produkt „A4 I.“ wie folgt zu werben:
1. „Über die Inhaltsstoffe von „A4 I.:
Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen stärkt die Kombination aus Kollagen* und Ceramiden** die Elastizität der tieferen Hautschichten“;
4. „Die Ceramide sind der Booster, …, die unseren Schönheitstrunk …, wirkungsstärker und im Ansatz holistischer machen. Wir erreichen in der Kombination einfach mehr von der Haut – nicht nur die Dermis, sondern auch die Epidermis“.
sofern dies geschieht wie in Anlage K 3 wiedergegeben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an der Geschäftsführerin der K.-GmbH, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Produkt „A4 I.“ wie folgt zu werben:
5. „Kollagen gibt der mittleren Hautschicht (Dermis) Struktur, Ceramide sind ein wichtiger Bestandteil der Oberhaut (Epidermis), die sich in jungen Jahren wie ein straffes Segel über die Dermis spannt. Ceramide halten die Haut feucht, die Kollagenfasern dadurch elastisch und reduzieren nachweislich die Faltenbildung, so das Ergebnis einer neuen Studie*“, sofern dies geschieht wie in Anlage K 3 wiedergegeben.
III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
B. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Dieses Urteil und das landgerichtliche Urteil in obiger Fassung sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des landgerichtlichen Urteils in Ziffer II. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 10.000,00 abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagte kann die Vollstreckung dieses Urteils und des landgerichtlichen Urteils jeweils im Kostenpunkt bezogen auf ein Drittel der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
ANLAGE K 3

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Zulässigkeit von Werbeaussagen der Beklagten über das von ihr als „Beauty Drink“ vertriebene Produkt „A4 I. Der Kläger ist der Verband S.W. e.V., der unstreitig nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt und in Bezug auf die streitgegenständlichen Ansprüche aktivlegitimiert ist.
Die Beklagte vertreibt das Produkt „A4 I. als Nahrungsergänzungsmittel in Packungen mit 28 trinkfertigen Ampullen zu je 25 ml. Es enthält die Zutaten Kollagen-Peptide (Verisol), Fructooligosaccharide, Vitamin C, Weizenceramide (Cermosides), Vitamin B3, Zink, Vitamin E, Vitamin B2, Kupfer und Biotin. Mit dem Verzehr einer Ampulle werden 2,5 g Kollagenpeptide und 30 mg Weizenceramide zugeführt. Für genau dieses Produkt mit den so kombinierten Wirkstoffen gibt es keine Wirksamkeitsstudie oder wissenschaftliche Untersuchung.
Die Beklagte bewarb das Produkt in Werbeanzeigen in der Zeitschrift „Freundin“, Heft 23/2018 auf Seiten …, und in der Zeitschrift „Harper´s Bazaar“, Heft Oktober 2018, (beide Werbeanzeigen nacheinander im Anlagenkonvolut K 3 abgebildet) ua mit den in den Klageanträgen wiedergegebenen Aussagen zur Hautglättung, zur Steigerung der Elastizität und der Feuchtigkeit der Haut sowie zur Faltenreduzierung. Die Werbeaussagen gemäß der Klageanträge zu 1. bis 4. sind in der Werbeanzeige der Zeitschrift „Freundin“ und die Werbeaussagen gemäß der Klageanträge zu 5. und 6. in der Werbeanzeige in der Zeitschrift „Harper´s Bazaar“ enthalten.
Der Kläger ist der Auffassung, ihm stehe ein Anspruch auf Unterlassung der Werbeaussagen gem. §§ 3, 3a, 5, 8 UWG iVm Art. 7 LMIV, Art. 5, 6, 10 HCVO zu. Mit ihren Werbeaussagen treffe die Beklagte Wirkungsaussagen bezogen auf die Funktion des Körperorgans Haut und werbe gesundheitsbezogen. Es handele sich um Angaben iSv Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO. Die von der Beklagten vorgelegten Studien von P./Sch. et al. (Anlagen B4/B5), P./Se. et al. (Anlagen B6/B7) und B.et. al. (Anlagen B8/B9) seien mangelhaft und deckten die verallgemeinernden Werbeaussagen der Beklagten nicht. Die Werbeaussagen seien auch irreführend gem. Art. 7 LMIV, da wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse zur Wirkung des Produkts, wie werblich beansprucht, nicht vorlägen.
Der Kläger hat beantragt,
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an die [sic] Geschäftsführerin, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Produkt „A4 I.“ wie folgt zu werben:
1.„über die Inhaltsstoffe von „A4 .“:
1.Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen stärkt die Kombination aus Kollagen* und Ce-ramiden** die Elastizität der tieferen Hautschichten“
2.„Ein schneller und leichter Schönheitsbooster, der in der tieferen Hautschicht wirkt, ist der „CeraPeptid-Beauty-Komplex“ in den Trinkampullen von A4 I.“,
3.„Der Clou: Ceramide halten die Haut feucht, die Kollagenfasern dadurch elastisch und reduzieren nachweislich die Faltenbildung. Und das … im Gesicht“,
4.„Die Ceramide sind der Booster, …, die unseren Schönheitstrunk …, wirkungsstärker und im Ansatz holistischer machen. Wir erreichen in der Kombination einfach mehr von der Haut – nicht nur der Dermis, sondern auch die Epidermis“,
5.„Kollagen gibt der mittleren Hautschicht (Dermis) Struktur, Ceramide sind ein wichtiger Bestandteil der Oberhaut (Epidermis), die sich in jungen Jahren wie ein straffes Segel über die Dermis spannt. Ceramide halten die Haut feucht, die Kollagenfasern dadurch elastisch und reduzieren nachweislich die Faltenbildung, so das Ergebnis einer neuen Studie*“,
6.„Der vom Münchner Derma-Experten A4 entwickelte [A4 Cera Peptid Beauty Komplex] aus Ceramiden und Kollagenpeptiden ist einzigartig und gibt von innen heraus den Impuls für ein nachhaltig verbessertes Hautbild – im Gesicht und am ganzen Körper“;
sofern dies geschieht wie in Anlage K 3 wiedergegeben.
Die Beklagte hat beantragt,
Klageabweisung
Die Beklagte trägt vor, sie sei der einzige Anbieter eines als Nahrungsergänzungsmittel vertriebenen „Beauty Drinks“, der auf die Wirkbestandteile Kollagen-Peptid (Verisol) und Glucosylceramide (Ceramosides Powder Neutra) setze. Mit dem Produkt könne der altersbedingte Verlust an Spannkraft, Feuchtigkeit und Elastizität der Haut, bei welchen es sich um optische Veränderungen handele, verbessert werden und die Faltentiefe reduziert werden. Die hautstraffende und faltenreduzierende Wirkung der enthaltenen Kollagen-Peptide sei durch eine 2014 veröffentlichte Studie von P./S. et al. (Anlagen B4/B5) und ihre Wirkung einer verbesserten Hautelastizität durch eine weitere 2013 veröffentlichte Studie von P./S. et al. nachgewiesen (Anlagen B6/B7). Die faltenreduzierende Wirkung der im Produkt enthaltenen Glukosylceramide sei mit einer 2017 veröffentlichten Studie von B. et al. (Anlagen B8/B9) belegt worden. Eine gegenseitige Wirkbeeinflussung der Wirkstoffe des Produkts dahin, dass sie sich im Rahmen der Resorption und/oder Verstoffwechselung neutralisierten, sei ausgeschlossen bzw. gebe es hierauf aktuell keine Hinweise.
Die Beklagte ist der Ansicht, die Anträge seien unbestimmt und es fehle an der Begehungs- bzw. Wiederholungsgefahr, weil die Anträge einheitlich auf die in Anlage K 3 enthaltenen Zeitschriftenauszüge als konkrete Verletzungsform Bezug nähmen. Die dort wiedergegebenen Werbeanzeigen seien aber nie im Zusammenhang, sondern völlig losgelöst voneinander in unterschiedlichen Zeitschriften erschienen. Die angegriffenen Werbeaussagen seien zudem mangels Gesundheitsbezugs nicht am Maßstab der HCVO zu messen. Denn die Werbeaussagen stellten nur auf ein optisch ansprechender und schöner empfundenes, glatteres Aussehen der Haut ab, ohne dass sich an der eigentlichen Funktion der Haut, die darunterliegenden Körperpartien zu stützen und zu schützen, etwas ändere. Die Aussagen beträfen daher nur das äußere Erscheinungsbild der Haut und seien nur schönheitsbezogen. Die Wirkbehauptungen seien folglich nur an § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB iVm Art. 7 Abs. 1, 4 LMIV zu messen, dem allgemeinen Irreführungsverbot für die Bewerbung von Lebensmitteln. Für eine solche Irreführung fehle bereits Vortrag über Fehlvorstellungen und sei die Klage unschlüssig. Schließlich würden insoweit auch keine allgemein anerkannten wissenschaftlichen Nachweise für die in Werbeaussagen behaupteten Wirkungen verlangt.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 04.12.2019, berichtigt durch Beschluss vom 04.03.2020, auf dessen Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, entschieden:
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an der Geschäftsführerin, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Produkt „A4 I.“ wie folgt zu werben:
1.„Über die Inhaltsstoffe von „A4 I.:
1.Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen stärkt die Kombination aus Kollagen und Ceramiden die Elastizität der tieferen Hautschichten“,
2.„Ein schneller und leichter Schönheitsbooster, der in der tieferen Hautschicht wirkt, ist der „Cera-Peptid-Beauty-Komplex“ in den Trinkampullen von A4 I.“,
3.„Der Clou: Ceramide halten die Haut feucht, die Kollagenfasern dadurch elastisch und reduzieren nachweislich die Faltenbildung. Und das … im Gesicht“,
4.„Die Ceramide sind der Booster, …, die unseren Schönheitstrunk …, wirkungsstärker und im Ansatz holistischer machen. Wir erreichen in der Kombination einfach mehr von der Haut – nicht nur die Dermis, sondern auch die Epidermis“,
5.„Kollagen gibt der mittleren Hautschicht (Dermis) Struktur, Ceramide sind ein wichtiger Bestandteil der Oberhaut (Epidermis), die sich in jungen Jahren wie ein straffes Segel über die Dermis spannt. Ceramide halten die Haut feucht, die Kollagenfasern dadurch elastisch und reduzieren nachweislich die Faltenbildung, so das Ergebnis einer neuen Studie“,
6.„Der vom M. Derma-Experten A4 entwickelte [A4 Cera Peptid Beauty Komplex] aus Ceramiden und Kollagenpeptiden ist einzigartig und gibt von innen heraus den Impuls für ein nachhaltig verbessertes Hautbild – im Gesicht und am ganzen Körper“;
sofern dies geschieht wie in Anlage K 3 wiedergegeben.
II. [Kosten]
III. [vorläufige Vollstreckbarkeit]
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
Die Beklagte hat in der mündlichen Berufungsverhandlung die Klageanträge I.1. und I.4. anerkannt. Sie beantragt im Übrigen:
Das Urteil des Landgerichts München I vom 04.12.2019, Az.: 3 HK O 18893/18, wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte gemäß dem Anerkenntnis zu verurteilen und die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass die Anlage K 3 in den Tenor einzublenden ist, sowie hilfsweise, für den Fall, dass der Senat vom Anerkenntnis die gesamte Anlage K 3 als erfasst ansieht, dies ohne Differenzierung zwischen den beiden von dieser erfassten Anzeigen:
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Zusatz im Tenor „sofern dies geschieht wie …“ gefasst wird: „sofern dies geschieht wie aus der Anlage K 3 Blatt 1 bis 3 und/oder Blatt 4 und 5 ersichtlich“.
Die Beklagte erhebt hinsichtlich des Hilfsantrags die Einrede der Verjährung.
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.04.2021 Bezug genommen.
II. Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche zu.
1. Die Klage ist zulässig.
a) Die Prozessführungsbefugnis des Klägers nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG stellt die Beklagte zu Recht nicht in Frage.
b) Die Klageanträge sind – entgegen der Auffassung der Beklagten – hinreichend bestimmt iSd § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
aa) Nach dieser Vorschrift darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 I ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe (stRspr; vgl. BGH, GRUR 2017, 537 Rn. 12 – Konsumgetreide; GRUR 2018, 1161, Rn. 16 – Hohlfasermembranspinnanlage II). Eine hinreichende Bestimmtheit ist für gewöhnlich gegeben, wenn eine Bezugnahme auf die konkrete Verletzungshandlung oder die konkret angegriffene Verletzungsform antragsgegenständlich ist (vgl. nur BGH, GRUR 2018, 1161, Rn. 16 mzN – Hohlfasermembranspinnanlage II) und der Klageantrag zumindest unter Heranziehung des Klagevortrags unzweideutig erkennen lässt, worin die Grundlage und der Anknüpfungspunkt des Wettbewerbsverstoßes und damit des Unterlassungsgebots liegen sollen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 16 mzN).
bb) Hieran gemessen sind die Unterlassungsanträge hinreichend bestimmt gefasst.
(1) Sie nehmen durch die Formulierung „jeweils sofern dies geschieht wie (…)“ Bezug auf die im Anlagenkonvolut K 3 abgelichteten und nacheinander gereihten unterschiedlichen Werbeanzeigen in den Zeitschriften „Freundin“, Heft 23/2018, sowie „Harper´s Bazaar“, Heft Oktober 2018 als konkrete Verletzungshandlungen und stellen dem voran sechs ohne ein Verbindungswort aneinandergereihte Werbeaussagen, von denen die 1. bis 4. in der Werbeanzeige „Freundin“ und die 5. bis 6. in der Werbeanzeige „Harper´s Bazaar“ enthalten sind. Im Anschluss an die Rüge der Unbestimmtheit des Antrags hat der Klägervertreter noch in der ersten Instanz im nachgelassenen Schriftsatz vom 05.08.2019 (S. 1/2, Bl. 99/100 dA unter 1.) ausgeführt, die geltend gemachten Unterlassungsansprüche seien schon deshalb nicht unbestimmt, weil sie sich durch die Bezugnahme auf die konkreten Verletzungshandlungen beschränkten. Die in den Antrag aufgenommenen Angaben charakterisierten insoweit die Verletzungsformen, die den Verletzungshandlungen die Wettbewerbswidrigkeit vermittelten. „Die Wettbewerbswidrigkeit jeder einzelnen Anzeige wird durch bereits eine der in dieser enthaltenen Verletzungsformen begründet“ (Hervorhebung hinzugefügt). Im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 24.09.2019 (S. 1/2, Bl. 115/116 dA unter 1.) wird wiederholt, dass sich das vom Kläger verfolgte Begehr auf die Unterlassung der konkreten Verletzungshandlung(en) beschränke. In der Berufungserwiderung führt die Klageseite auf Seite 2/3 (Bl. 186/187 dA) aus, „dass die in den Antrag aufgenommenen Angaben aus den jeweiligen Anzeigen lediglich die Verletzungsformen kennzeichnen, die den vom Kläger zur Unterlassung begehrten Verletzungshandlungen (die einzelnen Anzeigen), die Wettbewerbswidrigkeit vermitteln. Der Kläger begehrt insoweit die Unterlassung künftiger Werbungen mit den aus der Anlage K 3 ersichtlichen Anzeigen. Dies aufgrund der jeweils in diesen enthaltenen Angaben, wie sie im Antrag dargestellt würden. Nicht mehr und nicht weniger. Erweist sich nur eine der im Antrag wiedergegebenen Angaben je Anzeige als wettbewerbswidrig, erweist sich das Untersagungsbegehr als begründet“ (Hervorhebung hinzugefügt). Und auf Seite 13 der Berufungserwiderung (Bl. 197 dA) stellt die Klageseite klar: „Die Anbindung und Beschränkung auf die konkrete Verletzungshandlung durch die Formulierung „jeweils sofern dies geschieht wie …“ verdeutlicht, dass keine isolierte Untersagung der Angaben, sondern eine Untersagung begehrt wird, sofern eine Veröffentlichung wie mit der konkreten Verletzungshandlung wiedergegeben erfolgt.“
(2) Die Antragsformulierung lässt sich damit in Verbindung mit dem Vorbringen der Klageseite zum Verständnis ihrer Anträge nur dahin verstehen, dass beide Werbeanzeigen jeweils insgesamt angegriffen werden unter mehreren Gesichtspunkten und es bei einem Erfolg der Klage (bezogen jeweils auf eine Werbeanzeige, hierzu unten (3)) dem Gericht überlassen bleibt zu bestimmen, auf welchen Aspekt das Unterlassungsgebot gestützt wird (vgl. BGH, GRUR 2013, 401 Rn. 24 – Biomineralwasser). Die Klageseite hat damit – in beiden Instanzen – unmissverständlich deutlich gemacht, dass sie die gesonderten Aspekte ihres Angriffs gegen die Werbeanzeigen, dh hier die einzelnen Werbeaussagen I.1. bis I.6., nicht im Wege der kumulativen Klagehäufung zu jeweils getrennten Klagezielen macht (vgl. BGH, GRUR 2013, 401 Rn. 25 – Biomineralwasser).
Die Klageseite hat sich auch nicht mit der Verteidigung des landgerichtlichen Urteils in der Berufungsinstanz ein etwaiges anderes Verständnis ihrer Anträge zu eigen gemacht. Das Landgericht hat alle sechs angegriffenen Werbeaussagen geprüft und für wettbewerbswidrig befunden und antragsgemäß verurteilt. Unabhängig davon, ob damit zum Ausdruck käme, dass das Landgericht von einer kumulativen Klagehäufung ausgegangen ist, hat die Klageseite, wie ausgeführt, bereits in der Berufungserwiderung (S. 2/3 u. 13, Bl. 186/187 u. 197 dA) an ihrem bisherigem Antragsverständnis festgehalten und wiederholt, dass das Untersagungsbegehr (je Werbeanzeige) begründet sei, wenn sich eine der im Antrag wiedergegebenen Angaben je Anzeige als wettbewerbswidrig erweise.
(3) Zur Unbestimmtheit führen – entgegen der Auffassung der Beklagtenseite – auch nicht die Umstände, dass die im Anlagenkonvolut wiedergegebenen Werbeanzeigen – offensichtlich – unterschiedlich sind, dass – wie ebenfalls ohne weiteres ersichtlich – nicht in jeder Anzeige alle beanstandeten Werbeaussagen enthalten sind und dass die Anzeigen – offensichtlich – nicht als eine Einheit erschienen sind, sondern unabhängig voneinander in unterschiedlichen Zeitschriften. Denn es erschließt sich aus der Antragsformulierung und dem Anlagenkonvolut im Zusammenhang mit dem Klagevorbringen, welches zur Auslegung der Anträge heranzuziehen ist, ohne weiteres, dass sich die Beanstandung nicht gegen die Werbeanzeigen des Anlagenkonvoluts K 3 als eine Einheit richtet. Wie das Landgericht zutreffend unterstrichen hat, ist bei der Auslegung von Prozesshandlungen einschließlich der Anträge stets der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage der Partei entspricht (vgl. BGH, GRUR 2016, 1301 Rn. 27 – Kinderstube mwN). Eine jeder Lebenserfahrung widersprechende Einheit der beiden Werbeanzeigen des Anlagenkonvoluts K 3 kann daher – entgegen der Auffassung der Beklagtenseite – nicht als Antragsinhalt angenommen werden. Hierbei handelt es sich auch weder um eine überraschende Auslegung noch steht sie im eindeutigen Widerspruch zum verkehrsüblichen Sinn des Wortlauts (vgl. zu diesen Auslegungsgrenzen BGH, GRUR-RS 2020, 12286 Rn. 28).
Schließlich hat sich die Klageseite mit ihren in der mündlichen Berufungsverhandlung hilfsweise für den Fall gestellten Anträgen, dass der Senat von dem Anerkenntnis die gesamte Anlage K 3 ohne Differenzierung zwischen den beiden von dieser erfassten Anzeigen sehen würde, auch nicht ein anderes Verständnis ihrer Anträge zu eigen gemacht. Vielmehr hat sie damit prozessual auf das Anerkenntnis der Klageseite vorsorglich für den Fall reagiert, dass das Gericht dem Antragsverständnis der Beklagtenseite folgen sollte, ohne damit für die bisher gestellten Anträge von ihrem Verständnis abzurücken.
2. Die Verurteilung nach dem Klageantrag zu I. in Bezug auf die Werbeanzeige in der Zeitschrift „Freundin“ beruht auf dem Anerkenntnis der Klageanträge I.1. und I.4. durch die Beklagtenseite in der mündlichen Berufungsverhandlung. Wie soeben dargelegt, ist die Antragstellung der Klageseite dahin erfolgt, dass die beiden Werbeanzeigen jeweils insgesamt angegriffen sind, wobei die Wettbewerbswidrigkeit sich auf die einzelnen beanstandeten Aussagen stützt, wovon aber die Wettbewerbswidrigkeit einer genügen sollte, um die Anzeige zu untersagen. Indem die Beklagtenseite den Klageantrag zu I. in Bezug auf die Aussagen I.1. und I.4. anerkannt hat, führt dies zum Erfolg des Klageantrags zu I. bezogen auf die Werbeanzeige in der Zeitschrift „Freundin“ insgesamt. Unerheblich ist insofern, dass die Beklagtenseite meint, die Unterlassungsanträge seien jeweils einzeln zu prüfen, weil es sich um eine objektive Klagehäufung handeln würde, und dass durch das Anerkenntnis hinsichtlich der Werbeaussagen I.1. und I.4. für diese Aussagen die Wiederholungsgefahr entfallen sei und diese Aussagen deshalb auch bei der Prüfung des Verkehrsverständnisses der Werbeaussagen I.2. und I.3. aus dem Gesamtkontext hinwegzudenken wären. Denn bereits die Prämisse einer objektiven Klagehäufung trifft, wie oben bb) (1) und (2) ausführlich dargelegt, nicht zu.
3. Der Klageantrag zu I. hat auch in Bezug auf die Werbeanzeige in der Zeitschrift „Harper´s Bazaar“ Erfolg.
Dem Kläger steht hiergegen ein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3, § 3a UWG iVm § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB i.V.m. Art. 7 Abs. 1 lit. b), Abs. 4 lit. a) VO(EU)1169/2011 [Lebensmittel-Informations-VO; im Folgenden: LMIV] zu.
Hierfür genügt es nach dem maßgeblichen Verständnis der gestellten Anträge (s. oben 1. b) bb) (1) und (2)), dass die Werbeaussage nach Klageantrag zu I.5. gegen § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB verstößt.
aa) Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB ist es verboten, als nach Art. 8 Abs. 1 LMIV verantwortlicher Lebensmittelunternehmer Lebensmittel mit Informationen über Lebensmittel, die den Anforderungen des Art. 7 Abs. 1, auch iVm Abs. 4 LMIV, nicht entsprechen, in den Verkehr zu bringen oder allgemein oder im Einzelfall dafür zu werben. Nach Art. 7 Abs. 1 lit. b) LMIV dürfen Informationen über Lebensmittel nicht irreführend sein, insbesondere indem dem Lebensmittel Wirkungen oder Eigenschaften zugeschrieben werden, die es nicht besitzt. Gem. Art. 7 Abs. 4 lit. a) LMIV gilt Art. 7 Abs. 1 LMIV auch für Werbung.
bb) § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB ist eine Marktverhaltensregelung iSv § 3a UWG, deren Verletzung geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen (vgl. zur Vorgängervorschrift des § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 LFGB iVm § 4 Nr. 1 UWG aF: BGH, GRUR 2008, 1118 Rn. 15 – MobilPlus-Kapseln; BGH, GRUR 2016, 738 Rn. 18 – Himbeer-Vanille-Abenteuer II).
cc) Die Beklagte hat mit den beanstandeten Werbeaussagen in den Werbeanzeigen der Anlage K 3 gegen § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB in der seit dem 13.12.2014 geltenden Fassung iVm Art. 7 Abs. 1 lit. b), Abs. 4 lit. a) LMIV verstoßen.
(1) Bei dem Produkt „A4 I. handelt es sich um ein Lebensmittel im Sinne dieser Vorschriften. Nach Art. 2 Abs. 1 lit. a) LMIV iVm Art. 2 VO(EG)178/2002 sind Lebensmittel alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand vom Menschen aufgenommen werden. Das trifft auf das in Streit stehende Produkt, welches in Trinkform aufgenommen wird, zu.
(2) Irreführende Werbung über Wirkungen eines Lebensmittels iSd § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFBG i. V.m. Art. 7 Abs. 1 LMIV kann mit Blick auf Art. 38 Abs. 1 LMIV nur angenommen werden, wenn das betreffende Mittel die behaupteten Eigenschaften oder Wirkungen tatsächlich nicht besitzt. Die Verantwortung für die Richtigkeit trifft im Anwendungsbereich der LMIV den Lebensmittelunternehmer (vgl. Art. 8 Abs. 2 LMIV). Zwar trägt grundsätzlich der Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast für die tatbestandlichen Voraussetzungen eines behaupteten Wettbewerbsverstoßes (vgl. BGH, GRUR 2016, 418, Rn. 16 – Feuchtigkeitsspendendes Gel- Reservoir zu Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-VO). Ihm kommen jedoch Darlegungs- und Beweiserleichterungen zugute, wenn es um die Aufklärung von Tatsachen geht, die in den Verantwortungsbereich des Anspruchsgegners fallen. Gerade bei Werbebehauptungen treffen diesen prozessuale Erklärungspflichten, wenn er – im Gegensatz zum Anspruchsteller – über die Kenntnisse der entscheidenden Tatumstände verfügt und die notwendige Aufklärung ohne weiteres leisten kann (vgl. BGH, GRUR 2014, 578, Rn. 14 – Umweltengel für Tragetasche; Bornkamm/Feddersen in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 5 Rn. 1.245).
Versteht der von der Werbung angesprochene Durchschnittsverbraucher diese dahingehend, dass die Wirksamkeit des Mittels wissenschaftlich abgesichert sei, muss der Werbende diese wissenschaftliche Absicherung belegen, wobei sich eine solche im Anwendungsbereich der LMIV schon aus einer einzelnen Arbeit ergeben kann, sofern diese auf überzeugenden Methoden und Feststellungen beruht (vgl. BGH, GRUR 2016, 418 – Feuchtigkeitsspendendes Gel -Reservoir, Rn. 17, 20 mwN zur Kosmetik-VO; BGH, GRUR 2010, 359 Rn. 18 – Vorbeugen mit Coffein! zu § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 2. Alternative LFBG; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2016, 40 – Hängewangen, Rn. 47). Das wiederum setzt voraus, dass die vorgelegten Unterlagen das beworbene Präparat selbst betreffen. Untersuchungen, die nur einzelne Inhaltsstoffe des Präparates zum Gegenstand haben, sind nur dann ein adäquater Ersatz, wenn auch das beworbene Erzeugnis nur diesen einen Inhaltsstoff besitzt und die ihm zugeschriebene Wirkung deshalb nur hierauf zurückgehen kann. Enthält das beworbene Erzeugnis – wie hier – mehrere verschiedene Inhaltsstoffe, muss sich auch die Untersuchung bzw. müssen sich die als Beleg vorgelegten Unterlagen auf eben diese Wirkstoffkombination beziehen (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2016, 40 – Hängewangen, Rn. 47 f.; OLG München, Urteil vom 28.02.2019, Az. 6 U 3539/18 bezogen auf einen „Kollagen-Drink“). Das ist grundsätzlich auch deshalb erforderlich, weil die in dem Präparat enthaltenen und miteinander kombinierten Wirkstoffe sich gegenseitig in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigen können und dies auszuschließen ist (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2016, 40 – Hängewangen, Rn. 47 f.).
Bei der Prüfung des wettbewerbsrechtlichen Irreführungstatbestandes ist auf die Auffassung der Verkehrskreise abzustellen, an die sich die Werbung richtet (st. Rspr., z. B. BGH GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft; Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 5 Rn. 1.64 ff.). Die beanstandete Werbung gemäß Anlage K 3 richtet sich an durchschnittlich informierte und verständige, situationsangemessen aufmerksame Verbraucher (vgl. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 5 Rn. 1.76 mwN), zu denen auch die Mitglieder des Senats zählen. Zudem ist der Senat ständig mit Wettbewerbssachen befasst.
Für die Beurteilung des Irreführungsgehalts einer Werbeaussage ist entscheidend, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Aussage aufgrund ihres Gesamteindrucks versteht. Einzelne Äußerungen einer in sich geschlossenen Darstellung dürfen daher nicht aus ihrem Zusammenhang gerissen und einer isolierten Betrachtungsweise zugeführt, sondern müssen im Kontext gesehen werden (st. Rspr., vgl. BGH, GRUR 2003, 800, 803 – Schachcomputerkatalog; BGH GRUR 2003, 361, 362 – Sparvorwahl; Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 5 Rn. 1.81). Nur wenn eine Einzelangabe vom flüchtigen Verkehr ohne Zusammenhang mit dem übrigen Werbetext wahrgenommen und verwendet wird, ist eine isolierte Beurteilung geboten (z. B. bei der Blickfangwerbung, vgl. Bornkamm/Feddersen a.a.O.).
(3) Hieran gemessen erweist sich die Werbeaussage I.5. im Gesamtkontext der im Anlagenkonvolut K 3 enthaltenen Werbeanzeige in der Zeitschrift „Harper´s Bazaar“ bereits deshalb als irreführend, weil das Präparat „A4 I.“ mit einem Nachweis beworben wird, den es nicht gibt.
Die Werbeaussage lautet:
„Kollagen gibt der mittleren Hautschicht (Dermis) Struktur, Ceramide sind ein wichtiger Bestandteil der Oberhaut (Epidermis), die sich in jungen Jahren wie ein straffes Segel über die Dermis spannt. Ceramide halten die Haut feucht, die Kollagenfasern dadurch elastisch und reduzieren nachweislich die Faltenbildung, so das Ergebnis einer neuen Studie.“
Die behaupteten Wirkungen seien also nach dem Ergebnis einer neuen Studie bestätigt. Unter Studie versteht der Verbraucher einen wissenschaftlichen Nachweis. Zudem bezieht sich der am Satzende angefügte Nebensatz „so das Ergebnis einer neuen Studie“ nach dem Verständnis des Durchschnittsverbrauchers auf alle vorangehenden Satzteile, also auf die Wirkung der Kombination von Ceramiden und Kollagen. Denn dort wird die Wirkung beider Wirkstoffe angepriesen und gerade deren Zusammenspiel ist auch in Fettdruck hervorgehobener Gegenstand des unmittelbar vorausgehenden Eingangssatzes im Werbefließtext: „Kollagen und Ceramide sind unverzichtbar für eine geschmeidigglatte Haut. Im Team sind sie unschlagbar:“.
Die von der Beklagten vorgelegten Unterlagen erlauben die Verifizierung dieser Werbebehauptung aber nicht, da es keine neue Studie über die Wirkung der Kombination der beiden Wirkstoffe gibt. Der Durchschnittsverbraucher erwartet, dass die Studie nicht – wie die von der Beklagten auf Nachfrage angeführten Studien – nur jeweils einen der beiden beworbenen Wirkstoffe untersucht, sondern gerade die Kombination. Eine solche Studie hat die Beklagte aber nicht benennen können.
Die Beklagte kann mit ihrem Einwand nicht durchdringen, es müsse ihr gestattet sein, auch für ein Kombinationspräparat mit Wirkaussagen auf der Grundlage von wissenschaftlichen Studien zu werben, die jeweils nur die Wirkung eines Wirkstoffes belegten, wenn nach wissenschaftlich gefestigtem Lehrbuchwissen ausgeschlossen sei, dass sich die beiden Wirkstoffe – wegen unterschiedlicher Verstoffwechselung und Wirkung in unterschiedlichen Hautschichten – in ihrer Wirkung negativ beeinflussen könnten. Denn nach dem hier maßgeblichen Verständnis der Durchschnittsverbraucher wird gerade damit geworben, dass es eine neue Studie über die Wirkung der Kombination und nicht nur über die Wirkung der einzelnen Wirkstoffe gibt.
dd) Die durch den Verstoß indizierte Wiederholungsgefahr hat die Beklagte nicht durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt. Der Argumentation der Beklagten, Wiederholungsgefahr setze voraus, dass zwischen den beiden Werbeanzeigen des Anlagenkonvoluts K 3 eine Einheit bestehe, woran es fehle, teilt der Senat nicht (siehe bereits oben 1. b) bb)).
ee) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot nach Art. 7 LMIV auch vom Streitgegenstand erfasst, sodass die Grenzen des § 308 ZPO eingehalten sind. Dies folgt zum einen aus dem Antrag, der sich gegen die konkreten Werbeanzeigen des Anlagenkonvoluts K 3 richtet. Dieser Antrag enthält keine Einschränkung hinsichtlich der zu prüfenden lauterkeitsrechtlichen Verstöße. Zum anderen hat der Kläger bereits auf Seite 11, erster Satz, der Klageschrift noch vor der Erörterung von Verstößen gegen die HCVO den Verstoß der Werbung gegen die Vorschriften der LMIV vorgebracht und auf Seite 19 der Klageschrift auch zur Irreführung nach § 11 LFGB / Art. 7 LMIV ausgeführt. Die Werbeaussagen seien irreführend gem. Art. 7 LMIV, da wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse zur Wirkung des Produkts, wie werblich beansprucht, nicht vorlägen. Beanstandet wird in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass den von der Beklagten außergerichtlich genannten Untersuchungen keine Aussage zur Wirksamkeit des beworbenen Präparates entnommen werden könne. „Rückschlüsse auf die Wirkung (…) sind mangels Verwendung dieses Stoffgemisches nicht möglich.“ Es ist damit auch zur Fehlvorstellung des Durchschnittsverbrauchers hinreichend schlüssig vorgetragen.
b) Ob auch ein Verstoß gegen die HCVO vorliegt, bedarf daher keiner Prüfung.
III. 1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 1 und Nr. 10, § 711 ZPO.
3. Die Revision ist nicht zuzulassen Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.


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