IT- und Medienrecht

Werbung, Unterlassungsanspruch, Rechtsanwaltskosten, Berechnung, Verletzung, Apotheke, Bewerbung, Dienstleistungen, Erstattungsanspruch, Abmahnung, Erstattung, Anlage, Quartal, Anspruch, konkrete Verletzungsform, Androhung eines Ordnungsgeldes, Waren oder Dienstleistungen

Aktenzeichen  33 O 10339/20

Datum:
31.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2021, 44669
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Beklagten wird unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann -, die Ordnungshaft zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Komplementärin, untersagt,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Zeitschrift „A… U…“ mit der Aussage
„Ein regelmäßiger Leser der A… U… bringt Ihrer Apotheke pro Monat 20,60 € mehr Umsatz“
zu bewerben oder bewerben zu lassen, wenn dies wie nachfolgend wiedergegeben geschieht:
II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 831,20 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.09.2020 zu bezahlen.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 40 % und die Beklagte 60 %.
V. Das Urteil ist in Ziffer I gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000 Euro und im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist in ihrem nach wirksamer Teilklagerücknahme verbleibenden Teil zulässig und begründet.
A.
Die mit Schriftsatz vom 11.12.2020 vorgenommene Präzisierung der Klageanträge ist zulässig.
In der von der Klägerin mit Schriftsatz vom 11.12.2020 vorgenommenen Anpassung der Klageanträge liegt keine Klageänderung und somit auch keine Teilklagerücknahme, sondern eine kostenneutrale Präzisierung des ursprünglichen Klageantrags. Denn insoweit ließ sich bereits der Begründung der ursprünglichen Klageanträge in der Klageschrift vom 06.08.2021 entnehmen, was angegriffen werden soll (vgl. Cepl/Voß/Schilling, Praxiskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl. 2018, § 269 Rn. 8).
B.
Die Klage ist zulässig.
I.
Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts folgt sachlich aus § 14 Abs. 1 UWG und örtlich aus § 14 Abs. 2 S. 1 UWG.
II.
Die zuletzt gestellten Anträge wahren auch den Grundsatz hinreichender Bestimmtheit.
Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf vor allem ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (st. Rspr.; vgl. BGH NJW 2011, 2657 – Double-opt-in-Verfahren).
Diesen Anforderungen genügt der von der Klägerin noch zur Entscheidung stehende Unterlassungsantrag. Die Klägerin begehrt damit das Verbot einer ganz konkreten Werbeaussage und nimmt zur Konkretisierung auf eine konkrete Verletzungsform Bezug. Umfang und Entscheidungsbefugnis des Gerichts sind damit erkennbar abgegrenzt.
C.
Die Klage ist auch überwiegend begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG zu. Der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist ebenfalls zum großen Teil gem. § 12 Abs. 1 S. 1 UWG a.F. begründet.
I.
Die Klägerin ist als Mitbewerberin der Beklagten gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktivlegitimiert. Die Mitbewerbereigenschaft folgt aus dem Umstand, dass beide Parteien Apothekenzeitschriften vertreiben und damit gleichartige Waren innerhalb desselben Endverbraucherkreises, nämlich Apotheker, abzusetzen suchen. Sie stehen folglich zueinander im Substitutionswettbewerb (vgl. BGH WRP 2014, 1307 – nickelfrer; BGH WRP 2018, 1322 Rn. 17 – Werbeblocker II).
II.
Die angegriffene Handlung, nämlich die streitgegenständliche Bewerbung der Zeitschrift „A… U…“ im Internet, ist eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
III.
Die von der Klägerin mit der Klage beanstandete Werbung erfüllt den Tatbestand der irreführenden geschäftlichen Handlung gem. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG.
1. Nach § 5 Abs. 1 S. 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung dann irreführend, wenn sie unwahre oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben enthält über die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Vorteile, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen. Dabei ist ausreichend, dass die in Frage stehenden Angaben zu Irreführung geeignet sind (§ 5 Abs. 1 S. 2 UWG). Bei der Werbung mit Testergebnissen gilt, dass die Werbung mit aktuellen Testergebnissen für Produkte, die den getesteten entsprechen und die auch nicht technisch überholt sind, grundsätzlich nicht irreführend ist, wenn die von einem Dritten vergebene Auszeichnung in einem seriösen Verfahren vergeben und nicht erschlichen worden ist (vgl. BGH, GRUR 2003, 800, 802 – Schachcomputerkatalog). Eine Werbung, mit der der Werbende das Testergebnis nicht in der wörtlich verliehenen Form nutzt, sondern mit eigenen Worten umschreibt, ist (nur) irreführend, wenn der Werbende die Aussage des Testergebnisses zu seinen Gunsten verändert (BGH GRUR 2019, 631 Rn. 69 – Das beste Netz).
Diese Grundsätze können auf die vorliegend zur Entscheidung stehende Konstellation der Werbung mit den Ergebnissen einer demoskopischen Umfrage übertragen werden, weil die Interessenlage vergleichbar ist, mithin die Werbung mit Umfrageergebnissen ein ähnliches Irreführungspotential aufweist wie die Werbung mit bestimmten Testergebnissen. In beiden Fallgestaltungen besteht insbesondere die Gefahr der Verfälschung des Ergebnisses durch eigene Werbeaussagen.
Erforderlich ist in allen Fällen, dass durch die jeweils in Streit stehende Äußerung eine Vorstellung erweckt wird, die mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht in Einklang steht (BGH GRUR 2016, 521 Rn. 10 – Durchgestrichener Preis II; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 5 Rn. 1.56). Maßgeblich ist insoweit das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise. Diese bestehen im Streitfall aus Fachkreisen, nämlich Apothekern, da zwischen den Parteien unstreitig ist, dass sich das Angebot der Beklagten ausschließlich an Apotheker richtet. Die Kammer kann dieses Verständnis vorliegend selbst feststellen, weil sie aufgrund ihrer ständigen Befassung mit Wettbewerbssachen hierzu in der Lage ist (BGH GRUR 2019, 196 Rn. 19 – Industrienähmaschinen; OLG München GRUR-RR 2016, 270 – Klosterseer).
2. Auf Grundlage der vorstehenden Erwägungen ist eine Irreführung gem. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG zu bejahen, weil die Beklagte in der angegriffenen Gestaltung den Eindruck erweckt, zwischen dem regelmäßigen Lesen der Zeitschrift „A… U…“ und dem Umsatzverhalten dieser Vergleichsgruppe bestehe ein kausaler Zusammenhang. Damit gibt die Beklagte aber die Ergebnisse der in Rede stehenden I…-Umfrage nicht zutreffend wieder, die lediglich eine Korrelation, nicht aber eine Kausalität zwischen beiden Ereignissen belegt. Auf die Frage, ob die Beklagte in der angegriffenen Gestaltung die Fundstelle für die aufgestellte Behauptung zutreffend wiedergegeben hat (vgl. hierzu BGH GRUR 1991, 679 – Fundstellenangabe; BGH GRUR 2010, 248 Rn. 30 f. – Kamerakauf im Internet), kommt es daher nicht an.
a. In tatsächlicher Hinsicht folgt aus der Bevölkerungsumfrage lediglich eine Korrelation zwischen regelmäßigem Leseverhalten und Umsatzverhalten von Lesern der von der Beklagten vertriebenen Zeitschrift. Der I…-Umfrage lässt sich indes nicht entnehmen, dass das Umsatzverhalten – nämlich die durchschnittlichen Ausgaben eines regelmäßigen Lesers der „A… U…“ in Höhe von 47,20 Euro – auf gerade dem regelmäßigen Lesen des Magazins beruht. Dies stellt auch die Beklagte im Grundsatz nicht in Abrede.
b. Die angesprochenen Verkehrskreise werden die streitgegenständliche Bewerbung der „A… U…“ allerdings dahingehend auffassen, dass die in Rede stehende I…-Umfrage die Kausalität zwischen regelmäßigem Lesen der von der Beklagten verlegten Zeitschrift und dem konkreten Umsatzverhalten dieser Leser belegt. Damit werden aber die Ergebnisse der I…-Befragung nicht zutreffend wiedergegeben. Hierfür spricht, dass die Beklagte sich in der streitgegenständlichen Bewerbung der Formulierung „Die A… U… als Umsatzbringer“ bedient. Damit impliziert sie nach allgemeinem Sprachgebrauch nicht nur eine Korrelation zweier Ereignisse, sondern einen ursächlichen Zusammenhang. Auch die Formulierung „Ein regelmäßiger Leser der A… bringt Ihrer Apotheke pro Monat 20,60** mehr Umsatz“ erweckt den Eindruck eines entsprechenden Kausalzusammenhangs. Der Eindruck entsteht dabei vor allem durch das Verb „bringen“, zumal bei der Beschreibung lediglich einer Koinzidenz zweier Ereignisse eine defensivere Formulierung nähergelegen hätte. Schließlich sprechen auch die Ausführungen im zweiten Absatz unter der Überschrift „VORTEILE“ für diese Betrachtungsweise. Denn dort wird ausgeführt: „(…) Die regelmäßigen Leser schätzen die Angebote und Leistungen der Apotheke und investieren aus diesem Grund mehr für ihre Gesundheit. (…)“. Aus der zitierten Befragung lässt sich dieses Ergebnis aber nicht entnehmen. Bei Lichte betrachtet handelt es sich daher lediglich um eine ungestützte Schlussfolgerung der Beklagten. Genauso gut könnte der Grund für das höhere Umsatzverhalten der regelmäßigen Leser darin liegen, dass diese im Vergleich zur Gruppe der Nichtleser – gegebenenfalls auch altersbedingt – häufiger erkranken oder den zusätzlichen Weg in einen Drogeriemarkt scheuen und allein aus diesem Grund häufiger eine Apotheke aufsuchen und mehr für die in der Apotheke angebotenen Produkte ausgeben.
In der Zusammenschau der vorangestellten Gesichtspunkte steht für die Kammer fest, dass die angesprochenen Fachkreise die Werbung dahingehend verstehen werden, zwischen dem regelmäßigen Lesen der „A… U…“ und den von diesen Lesern getätigten Umsätzen bestehe ein ursächlicher Zusammenhang, was aber durch die in Rede stehende I…-Studie gerade nicht belegt wird.
c. Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen liegt auch eine wettbewerblich relevante Irreführung vor, weil nämlich die beanstandete Werbung der Beklagten die angesprochenen Apotheker zu einer geschäftlichen Entscheidung – namentlich den Erwerb der „A… U…“ der Beklagten zur kostenlosen Weitergabe an ihre Kunden – veranlassen könnte, die sie anderenfalls nicht getroffen hätten.
d. Die Annahme einer Irreführung ist auch verhältnismäßig (vgl. hierzu Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 5 Rn. 1.200 ff.). Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, weshalb die Beklagte auf die streitgegenständliche Darstellung angewiesen sein sollte oder weshalb ein genauerer aufklärender Hinweis unzumutbar wäre.
e. Auf die Frage, ob die angegriffene Gestaltung gleichzeitig den Tatbestand der unzulässigen vergleichenden Werbung nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG erfüllt, kommt es daher schon nicht an.
IV.
Durch die erfolgte Verletzungshandlung ist die für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch notwendige Wiederholungsgefahr indiziert; eine strafbewehrte Unterlassungserklärung hat die Beklagte nicht abgegeben.
V.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Abmahnkostenersatz aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG a.F. zu, allerdings nur aus einem Gegenstandswert in Höhe von 60.000 Euro.
1. Die mit Anlage K 2 vorgelegte Abmahnung vom 29.07.2020 war berechtigt, denn sie war erforderlich, um dem Schuldner einen Weg zu weisen, den Gläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen (vgl. BGH GRUR 2010, 354 – Kräutertee).
2. Die Abmahnung war überwiegend begründet, zumal sie sich ausschließlich auf die mit Klageantrag Ziff. 1. a) geltend gemachte Verletzungshandlung beschränkte.
3. Die von der Klägerin angesetzte 0,65 Geschäftsgebühr ist nicht zu beanstanden. Allerdings ging die Klägerin von einem überhöhten Gegenstandswert in Höhe von 100.000 Euro aus. Die Kammer geht insoweit analog zum festgesetzten Streitwert des inhaltsgleichen und noch rechtshängigen Klageanspruchs Ziff. 1 a) von einem Gegenstandswert von 60.000 Euro aus. Unter Ansatz der von der Klägerin geltend gemachten 0,65 Geschäftsgebühr zzgl. 20,00 Euro Auslagenpauschale (7002 VV RVG) ergibt sich ein Betrag von insgesamt 831,20 Euro.
VI.
Der zuerkannte Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen ist gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 Abs. 1 BGB begründet.
VII.
Soweit der nachgereichte Schriftsatz der Beklagten vom 20.08.2021 und der Klägerin vom 23.08.2021 anderes als bloße Rechtsausführungen enthalten, waren sie gemäß § 296a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 32. Auflage, § 132 Rdnr. 4). Eine Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 ZPO hinsichtlich des neuen Vortrags war nicht geboten (vgl. auch BGH NJW 2000, 142 f. und Zöller/Greger, ZPO, 32. Auflage, § 156 Rdnr. 4 und 5).
D.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 3 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.


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