IT- und Medienrecht

Wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch gegen Werbeaussage “100% bruch- und kratzsicher” für einen Displayschutz (“Protect Pax”)

Aktenzeichen  13 HK O 43/17

Datum:
21.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 149343
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG § 5

 

Leitsatz

1. Eine geschäftliche Handlung endet nicht damit, dass eine zum Vertrieb eines Produkts erstellte Seite aus der Suchfunktion der eigenen Content Management Systems (CMS) herausgenommen wird. Ist die Seite noch – insbesondere über eine Suchmaschine – auffindbar, ist ein Nachlauf von wenigstens einigen Tagen (hier: 3) zu berücksichtigen. (Rn. 22)
2. Das normale Verständnis von “100%” ist das des Allquantors, d.h., dass die so eingeleitete Aussage in jedem Fall zutrifft. (Rn. 20)
3. Wird mit der Aussage “100 % bruch- und kratzsicher” für einen flüssigen Displayschutz geworben, muss das Produkt dem nach Murphys Gesetz zu erwartenden Fall des Geräts aus 2 m Höhe oder mit vergleichbarem Schwung mit der Displayseite nach unten auf einen spitzen Stein standhalten und gegen Kratzer mit einem Gegenstand der Mohs-Härte 10 gefeit sein. (Rn. 19)

Tenor

1. Der Verfügungsbeklagen wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der zukünftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds bis 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft untersagt, im geschäftlichen Verkehr für das Produkt „Protect Pax“ flüssiger Displayschutz wie folgt zu werben:
2100% bruch- und kratzsicher“,
sofern dies geschieht wie in Anlage A4 wiedergegeben.
2. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 3/4, die Beklagte 1/4 zu tragen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 30.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Der zulässige Antrag ist nur zum Teil aus §§ 5, 8, 12 UWG begründet.
Hinsichtlich der Werbeaussage „100% bruch- und kratzsicher“ besteht nach diesen Vorschriften ein Unterlassungsanspruch: es handelt sich um eine geschäftliche Handlung, die geeignet ist, ein wesentliches Merkmal (Vorteil der Ware) gegenüber einem relevanten Teil der angesprochenen Verbraucher unzutreffend darzustellen.
Einen 100%-igen Schutz gegen Bruch gibt es genausowenig wie einen 100%-igen Schutz gegen Kratzer.
Hinsichtlich der Kratzer sei darauf verwiesen, dass nach den unbestrittenen Angaben des Herstellers die Versiegelung durch das Produkt einen Mohs-Härtegrad von 9 erreicht, wonach ohne Weiteres zu folgern ist, dass ein mit einem Diamant besetzter Gegenstand, sei es Schmuckstück oder Werkzeug, geeignet ist, die geschütze Oberfläche zu verkratzen.
Ebenso ist evident und wird auch von Beklagtenseite eingeräumt, dass der Bruchschutz nicht gegen jede beliebige mechanische Einwirkung besteht. Dies wird auch von den von Verfügungsbeklagtenseite vorgelegten Tests nicht bewiesen, die allesamt eine Widerstandsfähigkeit nur gegen definierte Belastungen geprüft haben; ein spitzer Gegenstand von nur 50 Gramm aus 2 Metern Höhe entspricht nicht dem nach Murphy’s Gesetz zu erwartenden Fall des etwa dreimal so schweren Gerätes selbst aus vergleichbarer Höhe (oder aber mit Schwung) mit der Displayseite auf das ebenfalls spitze Eck eines Steins. Höhere Belastungen sind in den von Beklagtenseite vorgelegten Tests nicht mit spitzen Gegenständen, sondern nur mit Kugeln vorgenommen worden.
Dem gegenüber versteht der Verbraucher bei der Angabe „100% sicher“ nicht notwendigerweise eine werbliche Übertreibung, dies ist allenfalls bei einer Minderheit der Verbraucher der Fall, die jedwede Werbung von vorneherein als irreführend einstufen mögen. Das normale Verständnis von „100%“ ist das des Allquantors, d.h., dass die so eingeleitete Aussage in jedem Fall zutrifft. Ein abweichendes Verständnis eines relevanten Teils der Verbraucher ist dem Gericht nicht bekannt, das selbst zum durch die Werbung angesprochenen Personenkreis gehört.
Die Beklagte hat auch eine geschäftliche Handlung vorgenommen, sie hat mit der zitierten Angabe das Gerät im Internet zum Kauf angeboten und beworben, unstreitig bis zum 13.10.2017.
Die Verfügungsklägerin hat durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht, dass dem auch noch am 16.10. so gewesen ist, wobei nicht entgegensteht, dass die Verfügungsbeklagte selbst den Artikel aus der Suchfunktion ihres eigenen CMS genommen hat, es ist ohne Weiteres davon auszugehen, dass für den Nachlaufzeitraum von einigen Tagen eine Googlesuche – egal ob mit oder ohne den Zusatz N. – zum werbenden Auftritt der Beklagten geführt hat. Es kann dahinstehen, ob in einem solchen Fall die Verpflichtung besteht, die betroffene Seite nicht nur von den Link-Funktionen und der eigenen Suchfunktion zu trennen, sondern sie auch tatsächlich zu löschen; mit einem Nachlauf von einigen Tagen muss jeder rechnen, der wie die Verfügungsbeklagte eingeräumt hat, sein Webangebot für Google und andere Suchmaschinen als durchsuchbar kennzeichnet (bzw. als nicht gesperrt). Aus der gleichen Überlegung heraus ist auch glaubhaft, dass die Verfügungsklägerin erst am 16. Oktober Kenntnis genommen hat, was für die Annahme des Verfügungsgrunds von Bedeutung ist (siehe unten).
Die Klägerin ist auch aktivlegitimiert. Es kommt nicht nur auf die Mitglieder an, die dasselbe Produkt anbieten, sondern auf die Mitglieder, die vergleichbare Produkte (Schutzhüllen, -folien…) anbieten. Dies sind allgemein Standardprodukte im Handyzubehör, dass die von Klägerseite aufgelisteten Versandhändler und Filialisten diese anbieten, ist glaubhaft.
Die weiteren inkriminierten Äußerungen lösen aber keinen Unterlassungsanspruch aus, denn sie sind nicht irreführend:
„Gegen Bruchschäden und Kratzer“:
Dass insoweit ein Schutz besteht in dem Sinn, dass Bruchschäden und Kratzer nach Behandlung mit dem Produkt gegenüber einem unbehandelten Gerät einen (unter 100% liegenden, aber vorhandenen) Schutz bieten, hat die Verfügungsbeklagte durch Vorlage des vom Hersteller sowie von der „C.“ und „S.“ vorgenommenen Tests glaubhaft gemacht können. 100%-igen Schutz erwartet der Verbraucher ohne die explizite Angabe nicht.
Bildliche Darstellung mit dem Hammer:
Es handelt sich nicht um eine irreführende Aussage, sondern eine symbolische Darstellung der grundsätzlichen Funktionsweise. Dies folgt ohne Weiteres daraus, dass der Hammer im Zusammenhang mit einer senkrecht durch eine exakte Linie geteilten Displayfläche dargestellt wird (links glatt, rechts gesplittert) die ohne Weiteres erkennbar einen nicht realen Zustand eines Gerätedisplays abbildet. Dementsprechend geht auch das Verständnis des Verbrauchers nicht dahin, man könne beliebig mit dem Hammer auf ein behandelndes Gerät einschlagen (dass ein behandelndes Gerät durchaus leichte bis leichteste Schläge mit einem Hammer aushält, wird durch die von Verfügungsbeklagtenseite vorgelegten Tests allerdings durchaus belegt).
„Hält bis zu 12 Monate“:
Auch hier hatte die Verfügungsbeklagte durch Berufung auf den von Klägerseite selbst vorgelegten Test glaubhaft gemacht, dass diese Behauptung nicht ohne Grundlage aufgestellt wird. Es liegt auf der Hand, dass die Haltbarkeitsdauer einer Schutzlackierung auf einem Gegenstand des täglichen Gebrauchs in erster Linie davon abhängt, inwieweit der Gebrauch die schützende Beschichtung mechanisch abreibt, sodass es naheliegt, dies durch einen entsprechenden Wiederholungstest (hier: Reiben der Oberfläche mit einem stoffumwickelten Gewicht) zu simulieren. Den Aussagen der Anbieter in der von Antragstellerseite herangezogenen Fernsehsendung ist dem gegenüber nur zu entnehmen, dass zum Zeitpunkt der Fernsehsendung einer solcher Test noch nicht stattgefunden hatte, die Anbieter aber aufgrund ihrer (vom Hersteller der Schutzlackierung stammenden) abstrakten Kenntnis der Lackierung von einer Standzeit von 12 Monaten ausgingen.
Ein Verfügungsgrund liegt vor, die Klägerin hat die Vermutung des § 12 Abs. 2 UWG nicht durch zu späte Antragstellung widerlegt, der Antrag ist am 16. November 2017 unter Beifügung einer Ablichtung von Anlage A4 bei Gericht eingegangen. Zum Zeitpunkt der ersten Kenntnisnahme wird auf die Ausführungen oben zur geschäftlichen Handlung und zum Zeitpunkt der Abrufbarkeit der Werbung der Beklagten Bezug genommen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 3 ZPO.
Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist nicht erforderlich.


Ähnliche Artikel

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen

Was tun bei einer negativen Bewertung im Internet?

Kundenbewertungen bei Google sind wichtig für Unternehmen, da sich potenzielle Neukunden oft daran orientieren. Doch was, wenn man negative Bewertungen bekommt oder im schlimmsten Fall sogar falsche? Das kann schädlich für das Geschäft sein. Wir erklären Ihnen, was Sie zu dem Thema wissen sollten.
Mehr lesen

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen


Nach oben