IT- und Medienrecht

Widerruf des Lehrauftrags mangels pädagogischer Eignung

Aktenzeichen  M 3 K 16.2663

Datum:
19.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 29862
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 49
BayHSchPG Art. 7 Abs. 1, Art. 31, Art. 32

 

Leitsatz

1. Die Erteilung des Lehrauftrages, also die Verleihung des Rechts, Lehrveranstaltungen durchzuführen, stellt für den Lehrbeauftragten einen Verwaltungsakt dar. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die pädagogische Eignung i.S.d. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Nr.  2 BayHSchPG umfasst auch die Eignung zum akademischen Lehrer, wozu gehört, dass man bei der Wahl der Worte auch in privaten Meinungsäußerungen die Zurückhaltung walten lässt, die dem wissenschaftlichen Diskurs im freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat angemessen ist. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die als Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) fortgeführte Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Das Klageverfahren hat sich zwischenzeitlich bereits durch Ablauf des Semesters, für das der Lehrauftrag erteilt war, erledigt. Wenngleich die Befürchtung des Klägers, in keinem Bereich des öffentlichen Dienstes mehr eine Anstellung zu bekommen, wenn die Maßnahme weiter im Raum steht, eher abstrakt ist, da ein öffentliches Register, in dem derartige Maßnahmen eingetragen werden, nicht existiert, ist dem Kläger ein rechtlich geschütztes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Entscheidung (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) in Form eines Rehabilitationsinteresses zuzugestehen.
Diese zulässigerweise als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführte Klage führt jedoch nicht zum Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 9. Juni 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Wie das Gericht bereits im Beschluss vom 8. Juli 2016 (M 3 S 16.2664) ausführte, stellt die Erteilung des Lehrauftrages, also die Verleihung des Rechts, Lehrveranstaltungen durchzuführen, für den Lehrbeauftragten einen Verwaltungsakt dar, denn das Lehrauftragsverhältnis wird nicht durch Vertragsabschluss, sondern aufgrund öffentlich-rechtlicher Rechtsnorm durch einseitige hoheitliche Maßnahme begründet. Mit der Erteilung des Lehrauftrags wird zugleich die Vergütung pro Lehrveranstaltungsstunde durch einseitigen Ausspruch nach Grund und Höhe festgesetzt.
Entsprechend seiner Begründung durch Verwaltungsakt richtet sich auch die Beendigung des Lehrauftragsverhältnisses nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften, und zwar mangels besonderer Regelungen nach den gesetzlichen Bestimmungen des allgemeinen Verwaltungsrechts, hier also nach Art. 48, 49 BayVwVfG.
Gemäß Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Aufgrund der Äußerung des Klägers in Facebook „Das mohammedanische Bulemiefressen soll jetzt von allen eingehalten werden. Was für niedrige Kreaturen…“ sind nachträglich Tatsachen eingetreten, aufgrund derer die Beklagte berechtigt wäre, den Lehrauftrag nicht zu erteilen. Zudem würde ohne den Widerruf des Lehrauftrags des Klägers das öffentliche Interesse gefährdet.
Gemäß Art. 8 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Hochschule für Politik M. vom 24. November 2014 (HfPG) können zur Ergänzung des Lehrangebots Lehrbeauftragte bestellt werden. Diese stehen in einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis zur Hochschule für Politik; für sie gelten Art. 31 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1, Sätze 4 und 5 Abs. 3 Halbsatz 1 und Art. 32 BayHSchPG sinngemäß. Gemäß Art. 31 Abs. 1 Satz 4 BayHSchPG sollen Lehrbeauftragte mindestens die Voraussetzungen nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BayHSchPG erfüllen und eine mindestens dreijährige berufliche Praxis nachweisen. Somit sind Einstellungsvoraussetzungen auch für Lehrbeauftragte neben den allgemeinen dienstrechtlichen Voraussetzungen mindestens ein abgeschlossenes Hochschulstudium sowie pädagogische Eignung (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BayHSchPG).
Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte diese pädagogische Eignung dahingehend auslegt, dass diese auch die Eignung zum akademischen Lehrer umfasst, wozu gehört, dass man bei der Wahl der Worte auch in privaten Meinungsäußerungen die Zurückhaltung walten lässt, die dem wissenschaftlichen Diskurs im freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat angemessen ist, zumal es sich bei den in Art. 31 Abs. 1 Satz 4 BayHSchPG genannten Voraussetzungen nur um die Mindestanforderungen zur Bestellung von Lehrbeauftragten handelt.
Dagegen hat der Kläger mit seiner Äußerung in Facebook verstoßen, indem er eine der Hauptpflichten der Angehörigen einer anderen Religion (das Fasten) als Krankheitserscheinung („Bulemiefressen“) und die diese Pflichten erfüllenden Personen als unter dem Menschen stehende niedrige Geschöpfe bezeichnet hat.
Diese Äußerung ist auch nicht aus dem Zusammenhang gerissen, da außer dem zitierten Text auch in Facebook kein weiterer Kontext vorlag. Auch wenn sich die Äußerung des Klägers auf den Bericht über ein Feuer in einer Flüchtlingsunterkunft in Düsseldorf bezogen hat, deren Bewohner sich offensichtlich zuvor über die Beachtung des Fastenmonats Ramadan stritten, ergibt sich aus der völlig allgemeinen Äußerung des Klägers in keiner Weise, dass sich diese nur auf den Intensivtäter bezogen haben könnte, der die Unterkunft in Brand gesteckt hatte, wie es der Kläger in der mündlichen Verhandlung versuchte, darzustellen. Vielmehr bezieht sich die Aussage bei objektiver Betrachtungsweise allgemein auf das Fasten im Ramadan und die daran teilnehmenden Personen.
Darüber hinaus hat der Kläger auch gegen § 15 Abs. 1 der Grundordnung der Hochschule für Politik M. an der Technischen Universität M. vom 18. Dezember 2014 verstoßen, wonach alle Mitglieder der Hochschule für Politik sich unbeschadet weitergehender Verpflichtungen so zu verhalten haben, dass die Hochschule für Politik ihre Aufgaben erfüllen kann und niemand an der Wahrnehmung seiner Rechte und Pflichten gehindert wird. Die Aufgabe der Beklagten besteht aber gerade darin, mit der Pflege der Politikwissenschaft der freiheitlichen Staats- und Gesellschaftsordnung zu dienen (Art. 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HfPG). Mit dieser Aufgabe korrespondiert, worauf die Beklagte hingewiesen hat, ein Recht der Studierenden auf eine politisch ausgewogene und wissenschaftlich einwandfreie akademische Lehre. Diese Aufgabe ist mit einer öffentlichen Meinungsäußerung eines Lehrbeauftragten der Beklagten in der dargestellten Art zumindest beeinträchtigt.
Vor allem von einem für das Völkerrecht zuständigen Lehrbeauftragten ist die notwendige Sensibilität bezüglich der Achtung anderer Religionen und deren Angehöriger einschließlich derer Sitten und religiösen Pflichten zu erwarten. Gerade dagegen verstößt der Kläger durch seine Äußerung in besonderem Maße.
Mit der Veröffentlichung seiner Meinung in einem sozialen Netzwerk hat der Kläger diese einer unbegrenzten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Es ist somit nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Eignung des Klägers für die Erfüllung seines Lehrauftrags aufgrund einer derartigen das islamische Fasten herabwürdigenden Äußerung nicht mehr für gegeben ansieht und aus diesem Grund den Lehrauftrag widerrufen hat.
Auch läge eine Gefährdung des öffentlichen Interesses ohne den Widerruf des Lehrauftrags vor, da die Beklagte bei den Teilen der Öffentlichkeit, der die Tatsache, dass der Kläger bei der Beklagten lehrt, bekannt ist, mit diesen Meinungsäußerungen in Verbindung gebracht werden könnte und dadurch negative Auswirkungen für die Hochschule entstehen. Da die Beklagte glaubhaft dargestellt hat, dass bei ihr viele Hinweise auf den Kommentar des Klägers eingegangen sind und auch Studierende sich dahingehend äußerten, dass ihr Vertrauen in den Dozenten massiv erschüttert sei, hatte sich diese Gefahr bei Bescheidserlass auch bereits manifestiert.
Der streitgegenständliche Widerruf des Lehrauftrags erweist sich daher auch bei seiner Überprüfung im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig.
Aus den dargestellten Gründen war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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