IT- und Medienrecht

Widerruf und Unterlassung von Äußerungen eines Oberbürgermeisters

Aktenzeichen  W 2 E 19.35

Datum:
18.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 441
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayGO Art. 18a Abs. 15
VwGO § 123 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Ebenso wie der Bürger zunächst die Kommune mit seinem Begehren befassen muss, bevor er um gerichtlichen Rechtsschutz nachsucht, muss die Kommune zunächst den Bürger auffordern, die begehrten Erklärungen freiwillig abzugeben. Wird dies unterlassen, fehlt es für den gerichtlichen Antrag am allgemeinen Rechtschutzbedürfnis. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2 Verfestigt sich der Eindruck, mit wechselseitigen, auf Abgabe von Widerrufs- und Unterlassungserklärungen gerichteten Eilanträgen von Kommune einerseits und Unterstützern eines Bürgerbegehrens, sollte kurz vor der Abstimmung über Bürgerbegehren bzw. Ratsbegehren über den Umweg des Gerichts dem jeweiligen Standpunkt größtmögliche mediale Aufmerksamkeit verschafft werden, kann sich dies im Einzelfall als Rechtsmissbrauch darstellen.    (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt (im Rahmen der Antragserwiderung im Parallelverfahren W 2 E 19.28) von den Antragsgegnerinnen, den Vertreterinnen des Bürgerbegehrens, über das mit Bürgerentscheid am 20. Januar 2019 abgestimmt wird, die Abgabe von Erklärungen, ergänzenden Erklärungen im Hinblick auf „unrichtige Aussagen“ der Antragsgegnerinnen in der Öffentlichkeit, gegenüber den Medien und dem Verwaltungsgericht (Eilantrag vom 14. Januar 2019 – W 2 E 19.28), die sich auf behauptete „unwahre Aussagen“ und „Wählertäuschung“ durch den Oberbürgermeister und die Stadtverwaltung der Antragstellerin beziehen.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
1. Die Antragsgegnerinnen werden verurteilt, folgende Erklärung bis spätestens 18.01.2019,14:00 Uhr durch schriftliche Medieninformation gegenüber dem S. Tagblatt, dem S. Anzeiger, dem … Rundfunk, TV … und Radio … sowie etwaigen weiteren Adressaten der Medieninformation der Antragsgegnerinnen vom 15.01.2019 abzugeben:
Wir, Frau … S … und Frau … M …, haben den Oberbürgermeister der Stadt S. sowie die Stadtverwaltung im Zusammenhang mit den am 20.01.2019 stattfindenden Bürgerentscheiden am 15.01.2019 öffentlich bezichtigt, die Unwahrheit gesagt zu haben und Wählertäuschung versucht zu haben.
Diese Behauptung von uns, … S … und … M …, ist falsch. Wir widerrufen diese Erklärung deshalb und werden sie nicht wiederholen.
2. Die Antragsgegnerinnen werden verurteilt, in der unter Ziffer 1 genannten Medieninformation folgende ergänzende Erklärung abzugeben:
a) Richtig ist vielmehr, dass die folgenden Aussagen des Oberbürgermeisters und der Stadtverwaltung nicht zu beanstanden sind:
– Der Wald würde entsprechend der Zielrichtung des Bürgerbegehrens ausschließlich auf dem Gelände der ehemaligen L.-Kaserne angelegt.
– Die Größe des in Bürgerentscheid 2 beantragten Stadtwaldes würde durch den Bürgerentscheid nicht festgelegt.
– Eine theoretische Größe eines Waldes von rund 10 ha wäre nur dann zu erreichen, wenn die in der L.-Kaserne verlaufende Fernwärmeleitung kostspielig verlegt würde.
– Der neu angelegte Wald wird ein Betreten durch Menschen viele Jahre nicht ermöglichen.
– In und unmittelbar um S. existiert bereits ein Stadtwald. Die Fläche des Waldes im Stadtgebiet beträgt rund 500 ha. In unmittelbarer Nähe zum Stadtgebiet befinden sich weitere ca. 850 ha Wald im Eigentum der Stadt (750 ha) oder der Hospitalstiftung (100 ha).
b) Wir, Frau … S … und Frau … M …, haben öffentlich behauptet, dass die Kosten für die Erstellung des mit dem Bürgerentscheid 2 verfolgten Waldes 0,4 Mio. Euro kosten würden. Diese Behauptung Ist falsch. Richtig ist vielmehr, dass die Anlage des Waldes auf der L.-Kaserne mindestens rund 2,4 Mio. Euro kosten würde, selbst wenn die Fernwärmeleitung im Boden verbleiben könnte.
c) Wir, Frau … S … und Frau … M …, haben öffentlich behauptet, dass bei einer Mehrheit für den Bürgerentscheid 2 ein parkähnIicher Wald entstehen würde. Richtig ist vielmehr, dass bei einer Mehrheit für den Bürgerentscheid 2 ein möglichst dicht besetzter Wald entstehen wird, um eine größtmögliche klimaschützende Wirkung zu haben.
3. Die Antragsgegnerinnen werden weiter verurteilt, folgende Richtigstellung im Lokalteil des Sch. Tagblatts der Ausgabe für Samstag, 19.01.2019 in gut wahrnehmbarer Druckposition bekannt zu geben:
Wir, Frau … S … und Frau … M …, haben den Oberbürgermeister der Stadt S. sowie die Stadtverwaltung im Zusammenhang milden am 20.01.2019 stattfindenden Bürgerentscheiden am 15.01.2019 öffentlich bezichtigt, die Unwahrheit gesagt zu haben und Wählertäuschung versucht zu haben.
Diese Behauptung von uns, … S … und … M …, ist falsch. Wir widerrufen diese Erklärung deshalb und werden sie nicht wiederholen. Richtig Ist vielmehr, dass die folgenden Aussagen des Oberbürgermeisters und der Stadtverwaltung nicht zu beanstanden sind:
– Der Wald würde entsprechend der Zielrichtung des Bürgerbegehrens ausschließlich auf dem Gelände der ehemaligen L.-Kaserne angelegt.
– Die Größe des in Bürgerentscheid 2 beantragten Stadtwaldes würde durch den Bürgerentscheid nicht festgelegt.
– Eine theoretische Größe eines Waldes von rund 10 ha wäre nur dann zu erreichen, wenn die in der L.-Kaserne verlaufende Fernwärmeleitung kostspielig verlegt würde.
– Der neu angelegte Wald wird ein Betreten durch Menschen viele Jahre nicht ermöglichen.
– In und unmittelbar um S. existiert bereits ein Stadtwald. Die Fläche des Waldes im Stadtgebiet beträgt rund 500 haIn unmittelbarer Nähe zum Stadtgebiet befinden sich weitere ca. 850 ha Wald Im Eigentum der Stadt (750 ha) oder der Hospitalstiftung (100 ha).
Die weiteren Anträge 2 und 3 werden nur hilfsweise für den Fall gestellt, dass das Gericht dem hiesigen Einwand gegen die unzulässige Vorwegnähme der Entscheidung in der Hauptsache nicht folgen sollte.
Auf die Antragsbegründung wird verwiesen.
Die Einholung einer Stellungnahme der Antragsgegnerinnen war im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit nicht möglich.
Auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte des Verfahrens W 2 E 18.28 sowie der Behördenakte wird verwiesen.
II.
Der Antrag ist bereits unzulässig, aber auch unbegründet.
1. Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor oder mit Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung für eine einstweilige Anordnung ist demnach, das Vorliegen eines Rechts, dessen Sicherung die Anordnung dient (Anordnungsanspruch) sowie die drohende Vereitelung oder Erschwerung dieses Anspruchs (Anordnungsgrund). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind von der Antragstellerin glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
1.1 Dem Antrag fehlt bereits ersichtlich das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis.
Die Antragstellerin hat nicht vorgetragen, dass sie vor der Stellung des gerichtlichen Eilantrages die Antragsgegnerinnen aufgefordert hätte, die begehrten Erklärungen freiwillig abzugeben. Es gilt nichts anderes als bei der umgekehrten Situation, wenn ein Bürger etwas von einer Behörde begehrt. In diesem Fall verlangt die überwiegende Meinung (vgl. zum Meinungsstand Happ in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2018, § 123 Rn. 34), dass zunächst die zuständige Behörde befasst werden muss. Der vorliegende Fall zeigt überdeutlich, dass diese herrschende Auffassung vorzugswürdig ist, weil die Beteiligten zuerst direkt miteinander kommunizieren sollen, auch wenn das ihnen wegen verhärteter Fronten schwer fallen mag und deshalb der Umweg über das Gericht gewählt wird. Auch kann sich die Kammer des Eindrucks nicht erwehren, dass die vorliegenden Anträge als „Retourkutsche“ auf den Eilantrag der Antragsgegnerinnen (im Parallelverfahren) gedacht sind. Beiden Eilanträgen ist gemein, dass mit ihnen (wohl) kurz vor der Abstimmung über den Umweg des Gerichts möglichst große mediale Aufmerksamkeit erreicht werden soll. Das grenzt an Rechtsmissbrauch.
1.2 Im Übrigen gilt auch hier, was bereits im Parallelverfahren ausgeführt wurde. Die erstrebte Regelungsanordnung scheitert jedenfalls auch am Verbot, die Hauptsache im vorläufigen Rechtsschutzverfahren in unzulässiger Weise vorwegzunehmen.
Der einstweilige Rechtsschutz darf grundsätzlich nicht das gewähren, was nur im Hauptsacheverfahren erreicht werden kann. Würde die Antragstellerin mit ihren Anträgen durchdringen, also die Antragsgegnerinnen verpflichtet, die geforderten Erklärungen abzugeben, würde sie so gestellt, wie nach einem Obsiegen im Hauptsacheverfahren, ein solches wäre folglich entbehrlich. Eine Vorwegnahme der grundsätzlich dem Hauptsacheverfahren vorbehaltenen Entscheidung könnte nur dann ausnahmsweise ergehen, wenn ein wirksamer Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht zu erreichen wäre, der Antragstellerin ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung schlechthin schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile drohten und die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach obsiegen würde (vgl. Happ in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2018, § 123 Rn. 66a unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 18.4.2013 – 10 C 9/12 – BVerwGE 146, 189).
Einer solchen Entscheidung bedarf es hier aber schon deshalb nicht, weil sich die Kammer zur Rechtslage bereits im Parallelverfahren und damit zu den auch hier maßgeblichen Fragen geäußert hat. Es drohen der Antragstellerin in diesem Verfahren deshalb keine schweren und unzumutbaren Nachteile, denn sie hat im Parallelverfahren obsiegt. Im Übrigen hätte die Antragstellerin das alles vermeiden können, wenn sie die ersichtlich zu unbestimmte Fragestellung des Bürgerbegehrens nicht zum Bürgerentscheid zugelassen hätte.
Der Antrag ist deshalb (ebenfalls) abzulehnen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 63 Abs. 2 GKG.


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