IT- und Medienrecht

Widerspruch, Versicherer, Schadensersatzforderung, Beurteilung, Anwendbarkeit, Schadensabwicklung, Schuldanerkenntnis, Aufenthalt, Fahrzeug, Vertretung, Land, Zeitpunkt, Vertreter, Deutschland, deklaratorisches Schuldanerkenntnis

Aktenzeichen  10 U 3808/21

Datum:
16.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 49251
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Um eine sachgerechte Prozessführung durch die Parteien zu gewährleisten, ergehen ergänzend nach § 139 I 2, II ZPO folgende Hinweise: a. Beurteilung der Erklärung der C. G. GmbH vom 06.07.2020 nach nationalem Recht Der Beklagten ist zunächst zuzugeben, dass die Beklagte ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland hat, so dass insoweit Art. 4 Abs. 2 Rom I VO keine Anwendbarkeit deutschen Rechts begründet. Zutreffend ist auch, dass der Senat auf den Sitz der C. G. GmbH, die als Ansprechpartnerin für die Schadensabwicklung mit der Klägerin auftrat, abgestellt hat und insoweit von der Anwendbarkeit nationalen Rechts nach Art. 4 Abs. 2 Rom I VO ausgegangen ist.
Folgt man den Ausführungen der Beklagten, wonach die Rom II VO eine Aufspaltung des Rechts am Unfallort für Erklärungen des Versicherers oder des Schadensregulierungsbeauftragten nicht vorsieht, würde dies dazu führen, dass sämtliche relevanten Erklärungen eines nationalen Schadensregulierungsbeauftragten stets nach dem Rechtsstatut der beauftragenden Versicherungsgesellschaft zu beurteilen wären, soweit dieses zur Anwendung gelangt.
Aus Sicht des Senats steht dies aber im Widerspruch zu der Aufgabe eines Schadensregulierungsbeauftragten, der in dem Staat, für den er benannt ist, ansässig (bei natürlichen Personen) bzw. niedergelassen sein (bei juristischen Personen) muss, § 163 Abs. 3 Satz 1 VAG (vgl. Langheid/Wandt, 2. Teil. Systematische Darstellungen 1. Kapitel. Grundlagen des Versicherungsrechts 100. Versicherungsaufsichtsrecht Rn. 292, beckonline).
Die Aufgabe eines Schadensregulierungsbeauftragten ist zunächst die Sammlung aller zur Regulierung erforderlichen Ansprüche, § 163 Abs. 4 Satz 1 VAG. Ferner hat er die Befugnis, die zur außergerichtlichen Regulierung erforderlichen Maßnahmen zu treffen, namentlich Entschädigungszahlungen zu leisten, den Geschädigten gegenüber Behörden zu vertreten sowie Drittansprüche aus übergegangenem Recht – beispielsweise von Sozialversicherungsträgern – zu regulieren (vgl. (Langheid/Wandt, a.a.O.). „Mit der Wahrnehmung dieser Funktion ist er allerdings nicht bloßer Vertreter des Versicherers, worauf Art. 4 (Art. 4 der 4. KH-RL) zunächst hindeutet, sondern mit eigenen Befugnissen auszustatten, wie sich aus Abs. 5 ergibt. Im Verhältnis zum Geschädigten darf seine Regulierungsbefugnis nicht eingeschränkt werden“ (Bachmeier, Regulierung von Auslandsunfällen, Unfallschadensregulierung bei Auslandsbeteiligung Rn. 473, beckonline). Bei der Wahrnehmung dieser weitreichenden Befugnisse darf der Schadensregulierungsbeauftragte aber nicht an den Regelungen eines anderen Rechtsstatuts gemessen werden. Erklärungen des im Inland agierenden Schadensregulierungsbeauftragten sind daher nach Auffassung des Senats an nationalen Kriterien zu beurteilen.
Diese Überlegungen stehen auch im Einklang mit einer Entscheidung des 7. Senats des OLG München vom 22.01.1997 (7 U 4121/96), wonach ein (deklaratorisches) Schuldanerkenntnis in der Regel nach dem Recht des Landes zu bemessen ist, in dem die Erklärung erfolgt, sofern – wie auch im streitgegenständlichen Fall – alle handelnden Personen diesem Land angehören, vgl. Art. 28 EGBGB. (LSK 1997, 280328, beckonline).
Selbst im Falle der Abgabe einer entsprechenden Erklärung direkt am Unfallort wäre die Frage der Bindungswirkung im Rahmen der Beweiswürdigung nach deutschem Recht zu vollziehen (vgl. für die Frage der Bindungswirkung eines Unfallberichts in Belgien („constat amiable“), LG Saarbrücken, NZV 2015, 488, 490).
Selbst wenn man dieser Ansicht nicht folgen würde, gilt es zu bedenken, dass die Befugnis des Schadensregulierungsbeauftragten als inländischer Vertreter des ausländischen Haftpflichtversicherers nach Art. 152 Abs. 1 Solvabilitäts-Richtlinie II den ausländischen Versicherer vor Gerichten und Behörden in Bezug auf Schadensersatzsprüche zu vertreten dazu führen muss, dass der Vertreter wie eine Niederlassung iVm Art. 10 iVm Art. 7 Nr. 5 Brüssel Ia-VO zu behandeln ist, weil die Befugnis zur prozessualen Vertretung sonst mangels internationaler Zuständigkeit leerliefe (MüKoZPO/Gottwald, 6. Aufl. 2022, Brüssel Ia-VO Art. 13 Rn. 5). Insoweit erscheint es nicht verfehlt, im Hinblick auf die Frage, ob die Erklärung in der E-Mail vom 06.07.2020 (vgl. Anlage K 6) als (deklaratorisches) Schuldanerkenntnis zu werten ist, auf Art. 4 II ROM I VO abzustellen.
Zu der Frage der Bindungswirkung des nach deutschem Recht zu beurteilenden deklaratorischen Schuldanerkenntnis in der E-Mail vom 06.07.2020 wurde bereits im Hinweisbeschluss vom 18.10.2020 (dort Seite 6// = Bl. 24/25 d. OLG-A.) Stellung genommen. Die Beklagte ist an das Anerkenntnis schon deswegen gebunden, da die Regulierungsbeauftragte im Außenverhältnis als uneingeschränkt bevollmächtigt anzusehen war. Das Missbrauchsrisiko einer Überschreitung der Vertretungsmacht im Innenverhältnis trägt die Beklagte (vgl. Palandt/Ellenberger, 80. Aufl. 2021, § 164 BGB Rn. 13 m.w.N.). Zwar ist zutreffend, dass ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis nur dann einen Ausschluss sämtlicher Einwendungen rechtlicher und tatsächlicher Natur und der Geltendmachung sämtlicher Einreden zur Folge hat, wenn diese dem Verantwortlichen bei Abgabe seiner Erklärung bekannt waren oder mit denen er zumindest rechnete (vgl. BAG, NZA 2016, 1409 Rn. 28, beckonline mit Verweis auf BAG, NZA 2011, 743 = NJW 2011, 630 Rn. 20; NZA 1999, 417 = NJW 1999, 2059 [zu I 4 c]; BGH, Urt. v. 11.12.2015 – V ZR 26/15, BeckRS 2016, 05218 Rn. 13; NJW 2008, 3122 Rn. 12).
Die Beklagte trägt aber nicht vor, inwieweit ihr ein Bestreiten der dem deklaratorischen Schuldanerkenntnis zugrundeliegenden Schadensersatzforderung dem Grunde nach nicht schon im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung möglich gewesen sein soll.
Soweit die Beklagte darüber hinaus einwendet, dass es nicht nachvollziehbar sei, „warum es entgegen Rspr. und Wortlaut des 781 BGB nicht der Schriftform bedarf, wobei Textform nicht genügt (HK-BGB/Ansgar Staudinger, 11. Aufl. 2021, BGB § 781 Rn. 3)“ (vgl. Seite 3 des Schriftsatzes vom 09.12.2021 = Bl. 32 d. OLG-A.), ist der Beklagten entgegenzusetzen, dass es sich streitgegenständlich gerade nicht um ein konstitutives Schuldanerkenntnis handelt, dass den Formvorschriften des § 781 BGB genügen muss. Vielmehr ist von einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis auszugehen, dass nur eine ursprüngliche bestehende Forderung (BGH NJW-RR 1988, 963) bestätigt. Anders als beim formbedürftigen konstitutiven Schuldanerkenntnis des § 781, kann das deklaratorische Schuldanerkenntnis formfrei geschlossen werden (vgl. BeckOGK/Wolber, 15.8.2021, BGB § 397 Rn. 106 m.w.N.; Geigel Haftpflichtprozess, Kap. 37 Schuldanerkenntnis vor dem Prozess Rn. 9, Jahnke/Burmann, Personenschadensrecht, 6. Kapitel. Abwicklung Rn. 472, beckonline; BGH, NJW-RR 2009, 382, beckonline).
b. Eigentumsvermutung des § 1006 BGB
Der Beklagten ist auch insoweit zunächst zuzustimmen, dass Art. 22 II ROM VO zwar grundsätzlich materiellrechtliche und zwar im Recht des außervertraglichen Schuldverhältnisses verortete Vermutungsvorschriften erfasst (vgl. BeckOGK/Varga, 15.2.2016, Rom II-VO Art. 22 Rn. 37), nicht aber gesetzliche Vermutungen des materiellen Rechts außerhalb des Rechts der außervertraglichen Schuldverhältnisse, zu der auch die dingliche Rechtsvermutung nach § 1006 BGB zählt (vgl. BeckOGK/Varga, a.a.O., Art. 22 Rn. 39).
Gleichwohl ist im Rahmen der Aktivlegitimation dennoch auf die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB abzustellen, die vorliegend durch die Beklagte nicht widerlegt wurde. Denn nach Art. 43 Abs. 1 EGBGB ist insoweit ausschließlich deutsches Recht anzuwenden (vgl. AG Geldern, NJW 2011, 686). Art. 43 Abs. 1 EGBGB bestimmt, dass Rechte an einer Sache dem Recht des Staates unterliegen, in dem sich die Sache befindet. Dies bedeutet, dass „alle sachenrechtlichen Fragen nach dem Recht zu beurteilen [sind], das am physischen Lageort der betroffenen Sache zur Zeit des Eintritts der dinglichen Rechtsfolge gilt (BGHZ 100, 321 (324) = NJW 1987, 3077 (3079); BGH NJW 2009, 2824 (2825); 1995, 58 (59); OLG Frankfurt a. M. NJW-RR 2018, 803 (zum Zeitpunkt); OLG Hamburg BeckRS 2014, 20525 Rn. 8 ff.; v. Bar IPR II Rn. 754; Erman/Hohloch Rn. 9; Junker RIW 2000, 241 (251); Palandt/Thorn Rn. 1)“ (BeckOK BGB/Spickhoff, 60. Ed. 1.8.2021, EGBGB Art. 43 Rn. 6).
Vorliegend befindet sich das streitgegenständliche Fahrzeug in Deutschland. Auch der gewöhnliche Belegenheitsort ist im Inland, was an dem amtlichen deutschen Kraftfahrzeugkennzeichen und dem Sitz der Klägerin in Traunstein ersichtlich ist.
2. Die Parteien erhalten Gelegenheit, auf diesen Hinweis binnen einer Frist von drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.


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