Aktenzeichen M 3 K 20.3408
Leitsatz
Tenor
I. Das Gericht schlägt den Beteiligten gemäß § 106 Satz 2 VwGO den Abschluss folgenden Vergleichs vor:
1. Die Beklagte zu 1) hebt Nr. 1 Satz 2 des Bescheids vom 4. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2016 (endgültiges Nichtbestehen der Bachelorprüfung) auf.
Der Beklagte zu 2) hebt Nr. 2 des Bescheids vom 4. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2016 (Exmatrikulation) auf.
2. Die Beklagte zu 1) lässt die Klägerin zu einem weiteren Prüfungsversuch im Fach Personal und Organisation (schriftliche Prüfung) im Wintersemester 2020/21 (Prüfungstermin: 20. Januar 2021) zu.
Über diesen Prüfungsversuch hinaus erhält die Klägerin keinen weiteren Prüfungsversuch, selbst wenn aufgrund einer künftigen pandemiebedingten Regelung im Wintersemester 2020/21 nicht bestandene endnotenbildende Modulprüfungen oder -teilprüfungen als nicht abgelegt gelten sollten.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Dieser Vergleich wird wirksam, wenn er von beiden Parteien durch eine schriftliche Erklärung angenommen wird, die bis spätestens Donnerstag, 17. Dezember 2020, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, …, eingehen muss.
II.
Der Streitwert wird auf 17.500 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Vergleichsvorschlag beruht auf folgenden Erwägungen:
Was den Anspruch auf Aufhebung des angegriffenen Bescheids vom 13. Januar 2016 und des Widerspruchsbescheids vom 22. März 2016, soweit darin der Zweitversuch des Fachs „Personal und Organisation (schriftliche Prüfung)“ als abgelegt und nicht bestanden bewertet wurde, und den Anspruch auf Fristverlängerung für die Ablegung des Zweitversuchs anbelangt, nimmt das Gericht zunächst Bezug auf die Ausführungen im Beschluss vom 19. November 2020 zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Wie dort ausgeführt, erscheint ein Anspruch der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Hinblick auf die abgelaufene Wiederholungsfrist und den Antrag der Klägerin auf Verlängerung der Wiederholungsfrist möglich. Für die Frage des Verschuldens nach Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG kommt es maßgeblich auf das von der Klägerin vorgetragene Beratungsgespräch an der THI im März 2015 an.
Ungewissheit (vgl. § 779 Abs. 1 Satz 1 BGB) in Bezug auf den Sachverhalt besteht hier in Bezug auf das von der Klägerin vorgetragene Beratungsgespräch im März 2015 und dessen konkreten Inhalt; hierzu liegt die über ein Jahr nach dem vorgetragenen Gespräch abgegebene eidesstattliche Versicherung von Frau P … vor, Unterlagen seitens der Hochschule liegen nicht vor. Da es sich hierbei um die den Anspruch der Klägerin begründenden Umständen handelt, liegt die materielle Beweislast bei der Klägerin (vgl. zur Amtshaftung BGH, U.v. 30.6.1977 – III ZR 51/75 – juris Rn. 21). Ungewissheit in rechtlicher Hinsicht besteht in Bezug auf die konkrete Reichweite der Obliegenheiten der Klägerin einerseits und der Auskunftspflichten der Hochschule andererseits. Im Hinblick auf die Obliegenheit der Studierenden geht die Rechtsprechung davon aus, dass es grundsätzlich Sache des Prüflings ist, sich rechtzeitig über die für das Prüfungsrechtsverhältnis geltenden Vorschriften zu informieren, andererseits der Prüfungsbehörde aufgrund ihrer Fürsorgepflicht aus dem Prüfungsrechtsverhältnis Informations- und Hinweispflichten obliegen (BayVGH, B.v. 30.1.2004 – 7 ZB 03.3153 – juris Rn. 10). Auskünfte der Hochschulverwaltung müssen wie jede andere behördliche Auskunft richtig, vollständig und unmissverständlich sein (vgl. allgemein zu behördlichen Auskünften BGH, U.v. 30.6.1977 – III ZR 51/75 – juris Rn. 19). Vorliegend wäre insbesondere zu entscheiden, ob im Fall einer Nachfrage der Klägerin und einer konkreten, ggf. unvollständigen Auskunft der Hochschule überhaupt noch Raum für eine Obliegenheitsverletzung der Klägerin ist.
In Bezug auf die Prüfungsentscheidung über den Drittversuch (Nr. 1 Satz 1 des Bescheids vom 4. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2016) verweist die Hochschule zur Frage der Zweitkorrektur nunmehr auf die mit Schriftsätzen vom 7. Dezember und 10. Dezember 2020 vorgelegten bzw. angekündigten Stellungnahmen der Zweitprüfer. Unsicherheit in rechtlicher Hinsicht besteht dahingehend, ob damit im gerichtlichen Verfahren – ohne erneute Verbescheidung – eine Heilung mit Blick auf die ursprünglich fehlende Zweitkorrektur eingetreten ist (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 5.9.2019 – 2 LA 108/18 – juris Rn. 10). Was die von der Klägerin erhobenen Bewertungsrügen anbelangt, bestehen Zweifel, ob und in wieweit sich aus den bislang erhobenen Rügen ein Anspruch auf Neubewertung durch die (bisherigen) Prüfer ergeben mag. Zu einem erneuten Prüfungsversuch führen die Bewertungsrügen jedenfalls nicht.
Vor diesem Hintergrund erscheint dem Gericht die vorgeschlagene Regelung in der Sache und hinsichtlich der Kosten sachgerecht.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.1.1, Nr. 18.1 (Exmatrikulation), Nr. 36.1 (Drittversuch), Nr. 36.4 (Zweitversuch).