IT- und Medienrecht

Zulässige Gutscheinaktionen im Zusammenhang mit Kraftfahrzeughauptuntersuchungen

Aktenzeichen  1 HK O 936/19

Datum:
24.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2020, 403
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG § 3, § 3a, § 5 Abs. 1 S. 1 u. 2 Nr. 2, § 8 Abs. 2
StVZO Nr. 6.2 der Anlage VIII Buchst. b

 

Leitsatz

1. Nr. 6.2 der Anlage VIII Buchst. b zur StVZO ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Frage, ob das verbindlich festgelegte Entgelt für Fahrzeuguntersuchungen entrichtet wird, kommt es nicht darauf an, ob die Fahrzeughalter das Entgelt ausschließlich aus eigenen Mitteln bezahlen oder dafür von gegenüber dem Prüfinstitut unabhängigen Dritten Zuwendungen erhalten, die weder unmittelbar noch mittelbar aus dem Vermögen des Prüfinstituts stammen. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 25.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gem. § 8, 3, 3a, 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 UWG i.V.m. Nr. 6.2 der Anlage VIII b zur StVZO nicht zu, weil die streitgegenständlichen Handlungen nicht unlauter sind.
A.
Die Klage ist zulässig.
Die Klägerin ist ein eingetragener Verein zur Förderung gewerblicher Interessen und gerichtsbekannt aktiv legitimiert i.S.d. § 8 Abs. III Nr. 2 UWG (Köhler / Bornkamm, UWG, 35. Aufl. 2017, Einl. Rd. Nr. 2.45 / § 8, Rd. Nr. 3.30ff). Die Beklagte führt ein Gewerbe und betreibt ein Ingenieurbüro und bietet die Durchführung von Hauptuntersuchung, Änderungsabnahmen und weitere hoheitliche Überwachungs- und Prüfungsdienstleistungen in Bezug auf Fahrzeuge und Fahrzeugteilen an. Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch und einen Aufwandserstattungsanspruch nach § 12 Abs. I S. 2 UWG geltend. Somit ist die sachliche und funktionelle Zuständigkeit der Handelskammer des Landgerichts Würzburg nach § 13 Abs. I UWG i.V.m. § 95 Abs. I Nr. 5 GVG begründet. Die Beklagte unterhält ihren Geschäftssitz im Gerichtsbezirk des Landgerichts Würzburg, womit nach § 14 Abs. I S. 1 UWG die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Würzburg gegeben ist.
B. Die Klage ist unbegründet
1. Die Beklagte hat nach § 8 Abs. 2 UWG für die streitgegenständliche Werbung einzustehen.
a) Nach § 8 Abs. 1 UWG kann Beseitigung und Unterlassung von dem verlangt werden, der eine nach § 3 UWG oder § 7 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt. Wer die streitgegenständliche Werbung vorgenommen und zu verantworten hat, ist zwischen den Parteien streitig. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat die wettbewerbsrechtliche Störerhaftung aufgegeben (vgl. BGH GRUR 2011, 152 – Kinderhochstühle im Internet I, Rn 48).
b) Auf der gegebenen Tatsachengrundlage haftet die Antragsgegnerin nach § 8 Abs. 2 UWG (vgl. OLG München WRP 2012, 579; Köhler/Feddersen in: Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., § 8, Rn 2.45). Der Beklagten werden als Inhaberin des Unternehmens Zuwiderhandlungen ihrer Beauftragten zugerechnet, weil die arbeitsteilige Organisation ihres Unternehmens die Verantwortung für die Handlungen ihrer Angestellten oder Beauftragten, die ihr zugute kommen, nicht beseitigen soll (BGH GRUR 1995, 605 – Franchise-Nehmer; BGH GRUR 2009, 597 – Halzband, Rn 15; Köhler/Feddersen in: Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., § 8, Rn 2.47). § 8 Abs. 2 UWG begründet eine Erfolgshaftung des Betriebsinhabers ohne Entlastungsmöglichkeit, denn er haftet auch für die ohne sein Wissen und gegen seinen Willen von einem Beauftragten begangenen Wettbewerbsverstöße. Der innere Grund dafür, ihm Wettbewerbshandlungen Dritter, soweit es sich um den Unterlassungsanspruch handelt, wie eigene Handlungen zuzurechnen, ist vor allem in einer dem Betriebsinhaber zugute kommenden Erweiterung seines Geschäftsbereichs und einer gewissen Beherrschung des Risikobereichs zu sehen. Dementsprechend setzt die Haftung des Betriebsinhabers voraus, dass die Handlung, deren Unterlassung verlangt wird, innerhalb des Betriebsorganismus des Betriebsinhabers begangen worden ist, zu dem namentlich die Vertriebsorganisation gehört. Weiter ist erforderlich, dass der Handelnde kraft eines Rechtsverhältnisses in diesen Organismus, zumal in die Vertriebsorganisation, dergestalt eingegliedert ist, dass einerseits der Erfolg seiner Handlung zumindest auch dem Betriebsinhaber zugute kommt und andererseits dem Betriebsinhaber ein bestimmender Einfluss jedenfalls auf diejenige Tätigkeit eingeräumt ist, in deren Bereich das beanstandete Verhalten fällt (KG BeckRS 2017, 141704). Dabei kommt es nicht darauf an, welchen Einfluss sich der Betriebsinhaber gesichert hat, sondern welchen Einfluss er sich sichern konnte und musste. (BGH GRUR 1995, 605 – Franchise-Nehmer; BGH GRUR 2008, 186 – Telefonaktion, Rn 23; Köhler/Feddersen in: Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., § 8, Rn 2.47)
c) Unabhängig von der personellen Verflechtung der Beklagten mit der …GmbH ist davon auszugehen, dass die Beklagte die …GmbH in ihre Werbekampagne im Rahmen der Gutscheinaktion eingegliedert hat, um im konkreten Fall Vorteile aus der Werbeaktion ziehen zu können, weil die Gutscheinaktion gerade auf die Beklagte bezogen war. Daher ist die Darstellung der Klägerin überzeugend, und das bloße Bestreiten der Beklagten nicht ausreichend, nämlich dass sich die Beklagte einen bestimmenden Einfluss auf die Werbung gehabt haben muss.
2. Die streitgegenständliche Werbung ist nicht nach §§ 3, 3a, 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 UWG i.V.m. Nr. 6.2 der Anlage VIII b zur StVZO unlauter.
a) Nr. 6.2 der Anlage VIII b zur StVZO ist eine Marktverhaltensregelung i.S.v. § 3a UWG. Unlauter handelt danach, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Nach der Schutzrichtung der Nr. 6.2 der Anlage VIII b zur StVZO geht es um die Sicherstellung einer sicheren Verkehrsteilnahme durch Sicherung der Leistungsqualität der die Hauptuntersuchung abnehmenden Stellen. Denn diese führen Kraft öffentlicher Beleihung eine hoheitliche Aufgabe aus, die nicht einem auch nur potentiellen Preis- oder Leistungswettbewerb ausgesetzt sein darf, der sich letztlich auf die Qualität der Hauptuntersuchung auswirken könnte. Nach dem Wortlaut der Norm sollen die „von den Fahrzeughaltern zu entrichtenden Entgelte“ einheitlich festgelegt werden.
b) Entgegen der Ansicht der Klägerin wollte der Gesetzgeber damit aber nicht festlegen, dass die Entgelte auch vom Fahrzeughalter aufzubringen sind. So ist allgemein bekannt, dass das Vorführen des Fahrzeugs zur Hauptuntersuchung bei den abnehmenden Stellen und auch die Bezahlung gerade nicht nur durch den Halter des Fahrzeuges erfolgen kann. Wer die jeweiligen Rechnungen bezahlt, wird vor Ort vielmehr gar nicht geprüft. Entscheidend ist nur, dass bezahlt wird.
Der Gesetzgeber hätte nicht anders formulieren müssen, etwa durch Verwendung des Begriffs „Einnahme“ oder „Erhebung“ der Entgelte. Es ist offensichtlich, dass mit „von den Fahrzeughaltern zu entrichtenden Entgelte“ nicht das Ziel verfolgt wurde, nur solche als Zahlungsschuldner zuzulassen, sondern nur sicherzustellen, dass eine der Höhe nach bestimmte Einnahme des Prüfinstituts zu erfolgen hat. Mit den streitgegenständlichen Gutscheinen wird die Einnahme auf Seiten des Prüfinstituts sichergestellt. Es muss auf Seiten des Fahrzeughalters nicht spiegelbildlich das verbindlich festgelegte Entgelt auch abfließen.
c) Das Prüfinstitut der Beklagten unterschreitet mit seiner Beteiligung an der beanstandeten Gutscheinaktionen nicht das verbindlich festgelegte Entgelt für die Fahrzeuguntersuchungen (Nr. 6.3 der Anlage VIII b zur StVZO). Es kommt nicht darauf an, ob die Fahrzeughalter das Entgelt ausschließlich aus eigenen Mitteln bezahlen oder dafür von gegenüber dem Prüfinstitut unabhängigen Dritten Zuwendungen erhalten, die weder unmittelbar noch mittelbar aus dem Vermögen des Prüfintituts stammen (ebenso für Taxiunternehmer OLG Stuttgart, MMR 2016, 457 = WRP 2016, 240).
Das Entgelt ist die Gegenleistung, die das Prüfinstitut für die Hauptuntersuchung des Fahrzeuges erhält. Da es sich dabei um einen verbindlichen Festpreis handelt, darf das Prüfinstitut keinen Nachlass auf das Entgelt gewähren. Wird die Forderung des Prüfinstituts dagegen vollständig erfüllt, ist ein Verstoß gegen das verbindlich festgelegte Entgelt für die Fahrzeuguntersuchungen ausgeschlossen. Im Einklang mit den vom BGH zur Buchpreisbindung entwickelten Grundsätzen (vgl. BGH, GRUR 2016, 298 = WRP 2016, 323 Rn. 19, 22 und 30 – Gutscheinaktion beim Buchankauf; BGH, NJW 2017, 823 = GRUR 2017, 199 = WRP 2017, 169 Rn. 17 – Förderverein) ist Maßstab für die Prüfung eines Verstoßes, ob das Vermögen des Prüfinstituts nach der Hauptuntersuchung des Fahrzeuges in Höhe des verbindlich festgelegte Entgelts vermehrt wird. Fließt dem Prüfinstitut das verbindlich festgelegte Entgelt in voller Höhe zu, ist grundsätzlich ohne Bedeutung, wie der Fahrzeughalter dieses Entgelt finanziert und ob er insbesondere die Kosten ganz oder teilweise von einem gegenüber dem Prüfinstitut unabhängigen Dritten erstattet bekommt. Entgegen der Ansicht der Klägerin muss der Vermehrung des Vermögens des Prüfinstituts keine entsprechende Vermögensminderung beim Fahrzeughalter gegenüberstehen (BGH NJW 2018, 2484).
Bei den Aktionen der …GmbH erhält die Beklagte das tarifliche Entgelt in voller Höhe.
d) Durch das hier praktizierte „Gutscheinmodell“ wird die Funktionsfähigkeit der Sicherung der Leistungsqualität der die Hauptuntersuchung abnehmenden Stellen als Schutzzweck der verbindlich festgelegten Höhe der Entgelte durch die beanstandete Werbeaktionen der Beklagten nicht beeinträchtigt. Der Streitfall ist damit anders gelagert als der vom BGH entschiedene Fall Bonuspunkte (BGH, GRUR 2010, 1133 = NJOZ 2010, 2500 = WRP 2010, 1471). Dort wurde angenommen, die Preisbindung für Arzneimittel sei auch verletzt, wenn für das preisgebundene Produkt zwar der korrekte Preis angesetzt werde, dem Kunden aber damit gekoppelt Vorteile gewährt würden, die den Erwerb für ihn günstiger erscheinen ließen (BGH, GRUR 2010, 1133 = NJOZ 2010, 2500 Rn. 15). Im Fall Bonuspunkte wurde der in Rede stehende Vorteil aus dem Vermögen des Apothekers gewährt, der das preisgebundene Arzneimittel verkaufte und dafür den gebundenen Preis vereinnahmen musste. Es war daher nicht mehr gewährleistet, dass dem Apotheker der gebundene Preis wirtschaftlich vollständig zufloss. Dies ist hier aber nicht der Fall.
3. Die Werbung mit der Gutscheinaktion war auch nicht irreführend.
Nach § 5 Abs. 1 S. 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt. Die streitgegenständliche Werbung war irreführend. Gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UWG ist eine geschäftliche Handlung dann irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über den Anlass des Verkaufs wie das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils, den Preis oder die Art und Weise, in der er berechnet wird, oder die Bedingungen, unter denen die Ware geliefert oder die Dienstleistung erbracht wird. Für die Frage der Irreführung ist auf die Auffassung der Verkehrskreise, an die sich die Werbung richtet, abzustellen. Die Werbung richtet sich an ein breites Publikum, nämlich alle Autofahrer, bei deren Fahrzeug eine Hauptuntersuchung ansteht.
Der mit der Werbung angesprochene Verbraucher versteht die Werbeaussage nicht so, dass das Entgelt für die HU (für den Gutscheineinlösenden) niedriger als bei anderen Anbietern ausfällt, wenn er sich entschließt, die HU durch die Beklagte durchführen zu lassen. Es wird ihm gegenüber nicht der Eindruck erweckt, dass die Beklagte auf einen Teil des Entgelts verzichtet, was tatsächlich nicht der Fall ist. Vielmehr geht ein durchschnittlicher Fahrzeughalter davon aus, dass der Gutschein in der ausgestellten Höhe einen entsprechenden geldwerten Vorteil darstellt, den die Beklagte wiederum einlösen kann. Offensichtlich wird einem Kunden ohne Vorlage eines Gutscheins kein solch reduzierter Zahlbetrag offeriert, weil eben klar ist, dass die Beklagte den Gutschein gegenüber dem Gutscheingeber abrechnet. Eine Irreführung der Fahrzeughalter ist somit nicht gegeben.
Daher war die Klage insgesamt abzuweisen.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S.1 ZPO.
Gemäß § 51 Abs. 2 GKG ist in Verfahren über Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Antragstellers für ihn ergebenden Bedeutung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Im Hinblick auf den geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch ist das wirtschaftliche Interesse der Klägerin für die Bemessung des Streitwerts maßgeblich (BGH GRUR 1990, 1052, 1053 – Streitwertbemessung). Der Umfang dieses Interesses hängt insbesondere von der Gefährlichkeit der zu verbietenden Handlung („Angriffsfaktor“) ab, welche anhand des drohenden Schadens (Umsatzeinbußen, Marktverwirrungs- und Rufschaden) zu bestimmen ist und von den weiteren Umständen abhängt. Vorliegend sind 25.000 € angemessen.


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