IT- und Medienrecht

Zulässige Löschung eines Nutzerbeitrags auf Internetplattform

Aktenzeichen  24 O 422/18

Datum:
31.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2019, 52320
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Coburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 241 Abs. 2, § 305, § 307 Abs. 1, § 311
GG Art. 5 Abs. 1
DSGVO Art. 82 Abs. 2

 

Leitsatz

Der Betreiber einer Internetplattform, nach deren Nutzungsbedingungen sogenannte Hassrede-Beiträge untersagt sind, ist berechtigt, die Äußerung “Täglich Mord, Vergewaltigung und Totschlag von Merkills Fachkräften…” zu löschen.  (Rn. 18 – 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist im Wesentlichen zulassig, aber insgesamt unbegründet.
I.
1. Das Landgericht Coburg ist als Wohnsitzgericht des Klägers international und örtlich zuständig. Nach der hier maßgeblichen Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) folgt die Zuständigkeit aus den Art. 7 Nr. 1 und 2 sowie Art. 17 Abs. 1 c) und Art. 18 Abs. 1. Die Beklagte hat ihren Sitz in … einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union. Eine Vertragspflicht der Beklagten nach Art. 7 Nr. 1 EuGVVO auf Bereitstellung des von der Beklagten angebotenen Dienstes wäre mangels abweichender Vereinbarung der Vertragsparteien kraft Natur der Sache am Wohnsitz des Klägers zu erfüllen Sollte die Sperrung bzw. Loschung des von Seiten des Klägers eingestellten Beitrags ein schädigendes Ereignis im Sinne des Art. 7 Abs. 2 EuGVVO sein, würde dieses primär am Wohnsitz des Klägers eintreten Dort käme es zur Kollision der widerstreitenden Interessen der Parteien, nämlich des Klägers auf Meinungsfreiheit und der Beklagten auf Wahrung ihrer Gemeinschaftsstandards. Ebenso folgt die Wohnsitzzuständigkeit für den Kläger als Verbraucher aus Art. 17 Abs. 1 c), 18 Abs. 1 EuGVVO.
2. Nicht zulassig ist die Klage in ihrem Antrag zu Ziffer 1.) (Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperrung) mangels eines Feststellungsinteresses gemäß § 256 ZPO. Soweit sich aus der möglichen Rechtswidrigkeit der Sperrung Rechtsfolgen für die Gegenwart ergeben, etwa der gleichfalls geltend gemachte Unterlassungsanspruch oder der Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, so ist der Kläger auf die vorrangige Leistungsklage zu verweisen, ohne dass es einer isolierten Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperrung an sich bedarf. Soweit der Kläger hingegen auf die Erzielung von Rechtssicherheit hinsichtlich etwaig zukünftiger Verstöße der Beklagten abstellt, liegt zum heutigen Zeitpunkt noch gar kein Rechtsverhältnis vor, dass zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemacht werden könnte. Soweit das OLG Hamm in seiner Entscheidung vom 17.06.2013, Az 5 U 46/13 (NJOZ 2013, 2115) ein Feststellungsinteresse für eine zivilrechtliche „Fortsetzungsfeststellungsklage“ für gegeben erachtet, lag dem ein anderer Sachverhalt zugrunde. Gegenstand dieser Entscheidung war ein Feststellungsbegehren hinsichtlich der ursprünglichen Rechtfertigung eines zwischenzeitlich erledigte Verfügungsanspruchs, über den eine einstweilige Verfügungsentscheidung ergangen war, die durch den damaligen Antragsgegner angegriffen wurde. Eine derartige Konstellation ist hier nicht gegeben.
II.
1. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf (Wieder-)Freischaltung des von der Beklagten am 11.06.2018 gelöschten Kommentars aus § 241 Abs. 2 BGB, § 311 BGB i.V.m. dem zwischen den Parteien geschlossenen Nutzungsvertrag zu Der gelöschte Beitrag hat gegen die wirksamen Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards in der ab 19.04.2018 gültigen Fassung verstoßen und wurde von der Beklagte zu Recht entfernt.
a) Vertragsgrundlage der klägerseits verfolgten Ansprüche ist der zwischen den Parteien geschlossene Nutzungsvertrag als Vertrag sui generis. Nach ihm ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die Nutzung der von ihr angebotenen Dienste zu ermöglichen, insbesondere Beiträge zu veröffentlichen und Beiträge anderer zu kommentieren. Der Kläger räumt der Beklagten im Gegenzug das Recht ein, die von ihm eingestellten Daten in gewissem Umfang kostenlos zu nutzen.
b) Durch die Löschung des streitgegenständlichen Beitrags hat die Beklagte keine von Vertragspflichten begangen.
Eine Pflichtverletzung läge vor, wenn die Beklagte den Kommentar des Klägers ohne hinreichenden Grund geloscht hätte Ein hinreichender Grund war hier allerdings infolge des Verstoßes des Klägers gegen die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards in der ab 19.04.2018 gültigen Fassung gegeben Der streitgegenständliche Beitrag des Klägers stellt eine sogenannte „Hassrede“ nach Ziffer 12 der Gemeinschaftsstandards dar, so dass die Beklagte nach Ziffern 1. und 3.2 der Nutzungsbedingungen (Anlage K1) berechtigt war, den Beitrag nicht nur vorübergehend zu entfernen und das Konto des Klägers vorübergehend zu sperren.
Die Klausel nach Ziffer 3.2 der Nutzungsbedingungen lautet auszugsweise wie folgt:
„… „2. Was du auf … teilen und tun kannst
Wir möchten, dass Menschen … nutzen, um sich auszudrücken und Inhalte zu teilen, die ihnen wichtig sind. Dies darf jedoch nicht auf Kosten der Sicherheit und des Wohlergehens anderer oder der Integrität unserer Gemeinschaft erfolgen. Du stimmst deshalb zu, dich nicht an den nachfolgend beschriebenen Verhaltensweisen zu beteiligen (oder andere zu fördern oder zu unterstützen):
1. Du darfst unsere Produkte nicht nutzen, um etwas zu tun oder zu teilen, auf das Folgendes zutrifft
– Es verstößt gegen diese Nutzungsbedingungen, unsere Gemeinschaftsstandards und sonstige Bedingungen und Richtlinien, die für deine Nutzung von Facebook gelten.
– Es ist rechtswidrig, irreführend, diskriminierend oder betrügerisch.
– Es verletzt bzw verstößt gegen die Rechte einer anderen Person.
2. (…)
Wir können Inhalte entfernen, die du unter Verstoß gegen diese Bestimmungen geteilt hast, sowie gegebenenfalls aus den nachfolgend beschriebenen Gründen Maßnahmen bezüglich deines Kontos ergreifen. (.)“
In Ziffer 1. der Nutzungsbedingungen ist ausgeführt, dass als Maßnahme bei Verstößen Inhalte entfernt werden können und der Zugriff auf bestimmte Features gesperrt werden kann.“
In ihren Gemeinschaftsstandards (Anlage K3) untersagt die Beklagte sogenannte „Hassrede“. Ziffer 12. des Abschnitts III der Gemeinschaftsstandards lautet auszugsweise:
„12. Hassrede …
Grundgedanke dieser Richtlinie
Wir lassen Hassrede auf Facebook grundsätzlich nicht zu. Hassrede schafft ein Umfeld der Einschüchterung, schließt Menschen aus und kann in gewissen Fällen Gewalt in der realen Welt fördern.
Wir definieren Hassrede als direkten Angriff auf Personen aufgrund geschützter Eigenschaften: ethnische Zugehörigkeit, nationale Herkunft, religiöse Zugehörigkeit, (…) Auch Einwanderstatus ist in gewissem Umfang eine geschützte Eigenschaft Wir definieren Angriff als gewalttätige oder entmenschlichende Sprache, Aussagen über Minderwertigkeit oder Aufrufe, Personen auszuschließen oder zu isolieren. Wir teilen Angriffe wie unten beschrieben in drei Schweregrade ein. (…)
Wir lassen Humor und Gesellschaftskritik in Verbindung mit diesen Themen zu.
(…)
Folgende Inhalte sind untersagt:
(…)
Angriffe mit Schweregrad 2 sind Angriffe die auf eine Person oder Personengruppe abzielen, auf die eine der oben aufgeführten Eigenschaften zutrifft. Ein Angriff wird hier wie folgt definiert:
– Aussagen über Minderwertigkeit oder Bilder, die implizieren, dass eine Person oder Gruppe körperliche, geistige oder moralische Defizite aufweist.
(…)
Angriffe mit Schweregrad 3 sind Angriffe, die zum Ausschluss oder der Isolation einer Person oder Personengruppe aufgrund der oben aufgeführten Eigenschaften aufrufen. Wir lassen Kritik an Einwanderungsgesetzen und Diskussionen über die Einschränkung dieser Gesetze zu.
Inhalte, die Personen verunglimpfend beschreiben oder sie mit Verunglimpfungen angreifen Verunglimpfungen werden als Ausdrücke bzw. Wörter definiert, die üblicherweise als beleidigende Bezeichnungen für die oben aufgeführten Eigenschaften verwendet werden.“
Unter Zugrundelegung dieser Regelungen stellt sich der streitgegenständliche Kommentar des Klägers als „Hassrede“ dar. Die Äußerung des Klägers bezieht sich, wie aus der verspottenden und keineswegs lobenden Bezeichnung „Merkills Fachkräfte“ deutlich ersichtlich wird, auf die Gesamtheit der in Deutschland lebenden Kriegsflüchtlinge und Asylbewerber. Dieser Personengruppe wird eine schwere moralische Minderwertigkeit zugewiesen, nachdem diese taglich schwere Gewaltverbrechen begehen würden. Auch durch die Verwendung des Begriffs „Merkill“ soll diese Verbindung eindeutig hervorgehoben und bestätigt werden. Entgegen der Ansicht des Klägers handelt es sich nicht lediglich um die bloße Wiedergabe von Fallzahlen aus dem unter Anlage K20 (dort Seite 21) vorgelegten BKA-Bereicht „Kriminalität im Kontext von Zuwanderung“ oder um Kritik an den Einwanderungsgesetzen an sich. Vielmehr nutzte der Kläger seinen Beitrag, um grundsätzlichen Hass gegen die in Bezug genommene Personengruppe zu verbreiten, Angst zu schüren und diese als minderwertig darzustellen. Dabei ist auch zu berücksichtigten, dass in der Kurzbeschreibung des kommentierten Artikels (Anlage B3) noch gar kein Hinweis auf die Herkunft oder Abstammung des Tatverdächtigen erkennbar ist. Auch daraus ist ersichtlich, dass es dem Kläger – losgelöst vom kommentierten Beitrag – rein auf die moralische Herabwürdigung von Zuwanderern ankam.
c) Der Kläger hatte auch seine Zustimmung zu den zum 19.04.2018 geänderten Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards erteilt und damit deren Einbeziehung in den bestehenden Nutzungsvertrag anerkannt. Er bestreitet die Ausführungen der Beklagten zur zwingenden Erklärung der Zustimmung vor einer weiteren, nach dem 19.04.2018 vorgenommen Nutzung per „Pop-Up-Fenster“ (Anlage B22 und B23) nicht Soweit der Kläger vorbringt, die Änderung der Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards sei auch unabhängig von seiner erteilten Zustimmung unwirksam gewesen, kann dem nicht gefolgt werden. Der Kläger hat die geänderten Bedingungen ausdrücklich akzeptiert. Für seine Entscheidung über die Zustimmung war ihm überdies eine angemessene Frist von 30 Tagen eingeräumt, so dass keine „Drucksituation“ bestand, die § 308 Nr. 5 BGB verhindern will. Der Kläger hätte die Zustimmung zur Änderung auch verweigern können und sodann ggf. gerichtlich gegen eine Nichtgestattung der weiteren Nutzung des Dienstes unter den „Altbedingungen“ vorgehen können.
d) Die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards, bei denen es sich um für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Vertragsbedingungen und damit um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB handelt, sind wirksamer Vertragsbestandteil geworden. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB oder das Verbot einer unangemessenen Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB liegt nicht vor.
aa) Nach dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ist der Verwender allgemeiner Geschäftsbedingungen nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen, wobei es auf die Erkenntnismöglichkeit eines durchschnittlichen Vertragspartners ankommt Dazu gehört auch, dass allgemeine Geschäftsbedingungen Nachteile und Belastungen für den Vertragspartner des Verwenders so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann Der Verwender muss die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn kein ungerechtfertigter Beurteilungsspielraum entsteht. Dabei sind allgemeine Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und nach ihrem typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden Daneben darf das Transparenzgebot den Verwender allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht überfordern Die Verpflichtung, den Inhalt der Klauseln klar und verständlich zu formulieren, besteht daher nur im Rahmen des Möglichen. Entsprechend brauchen die notwendig generalisierten Regelungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht einen solchen Grad an Konkretisierung annehmen, dass alle Eventualitäten erfasst sind und im Einzelfall keinerlei Zweifelsfragen auftreten können. Allgemeine Geschäftsbedingungen müssen ausreichend flexibel bleiben, um künftigen Entwicklungen und besonderen Fallgestaltungen Rechnung tragen zu können, ohne dass von ihnen ein unangemessener Benachteiligungskonflikt ausgeht. Die Anforderungen an die mögliche Konkretisierung dürfen deshalb nicht überspannt werden (vgl. BGH, Urteil vom 09.06.2011, Az. III ZR 157/10).
Nach diesen Maßstäben ist ein Verstoß gegen das Transparenzgebot nicht ersichtlich. Die hier streitgegenständlichen Regelungen in den Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards lassen eindeutig erkennen, welche Inhalte und Handlungsweisen die Beklagte in dem von ihr zur Verfügung gestellten Dienst zulässt und welche nicht. Dabei werden die verwendeten Begriffe eindeutig definiert und im weiteren mit Beispielen unterlegt (vgl. Anlage K3 – Gemeinschaftsstandards, Abschnitt III., Ziffer 12), so dass dem Nutzer des Dienstes deutlich erklärt wird, welche tatbestandlichen Voraussetzungen für das Eintreten bestimmter Folgen erforderlich sind Vor dem Hintergrund der potentiellen Vielseitigkeit der Lebenssachverhalte wäre es unmöglich, jeden Einzelfall des Inhaltes einer Äußerung eines Vertragspartners der Beklagten in deren allgemeinen Geschäftsbedingungen aufzuführen. Ein verständlicher und redlicher Vertragspartner kann unter Abwägung der Interessen der normalerweise an dem hiesigen Rechtsgeschäft beteiligter Kreise die Regelungen so verstehen, dass er erkennen kann, welche Äußerungen als vertragsgemäß angesehen werden und insbesondere welche nicht Hieraus entsteht für die Beklagte kein unzulässiger Beurteilungsspielraum Für den hier tangierten Bereich der „Hassrede“ wird für den Nutzer daher hinreichend deutlich, in welchem Rahmen er Beiträge posten kann und wann die Beklagte Inhalte sanktionieren kann.
bb) Auch sonst liegt keine unangemessene Benachteiligung des Nutzers in den Bestimmungen vor. Eine unangemessene Benachteiligung ist gemäß § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB gegeben, wenn der Verwender durch eine einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. BGH, NJW 2005, 1774).
Eine solche Benachteiligung ist hier nicht gegeben. Es werden keine wesentlichen Rechte und Plfichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben gefährdet, denn die Beklagte macht in ihren Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards deutlich, dass sie ihren Dienst unter der Prämisse zur Verfügung stellt, dass die Nutzer einen respektvollen Umgang miteinander wahren (vgl. Gemeinschaftsstandards Anlage K3 „Einleitung“). Dass sie dabei gewinnorientiert handelt, steht dem nicht entgegen. Durch die Regulierung der Kommunikation auf ihrer Plattform stellt sie letztlich ihren Geschäftszweck sicher und kann so schädliches Verhalten bekämpfen. Daher sind die nach den Gemeinschaftsstandards als „Hassrede“ bezeichnete Beiträge, die eben keinen respektvollen Umgang fördern, nicht erwünscht. In einer derart nachvollziehbaren Regulierung der zur Verfügung gestellten Kommunikationsplattform liegt eine unzulässige Einschränkung wesentlicher vertraglicher Rechte und Pflichten.
Auch unter Berücksichtigung des klägerseits in Bezug genommenen Grundrechts auf Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG ergibt sich keine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB Das Grundrecht der Meinungsfreiheit gilt nicht uneingeschränkt, sondern im Rahmen der geltenden Gesetze. Zudem ist zu beachten, dass Grundrechte unmittelbar nur das Verhältnis zwischen den Bürgern und der öffentlichen Gewalt betreffen, denn Grundrechte sind Abwehrrechte des Bürgers gegenüber staatlichen Eingriffen. Aber auch unter dem Aspekt der von den Gerichten zu beachtenden mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten ist ein Verstoß gegen das Verbot der unangemessenen Benachteiligung nicht gegeben Die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards der Beklagten berücksichtigen die Meinungsfreiheit der Nutzer in angemessener Weise. Bei dem Ausgleich der wechselseitigen Interessen der Parteien ist zu berücksichtigen, dass das Grundrecht der Meinungsfreiheit gegenüber den Grundrechten des Anbieters einer Internetplattform nicht schlechthin vorrangig ist. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, jede nach Art. 5 Abs. 1 GG zulässige Meinungsäußerung zu tolerieren, solange die grundsätzlichen Wertentscheidungen dieser Regelung beachtet werden Die Gemeinschaftsstandards zum Bereich „Hassrede“ richten sich nicht gegen eine bestimmte Meinung als solche, sondern beruhen ihrerseits auf einem sachlichen Grund. Es besteht nach den Regelungen der Beklagten gerade keine Gefahr einer willkürlichen Festsetzung von Sanktionen Die Löschung und Sperrung wird vielmehr an das Vorliegen mehrerer Voraussetzungen geknüpft, die insbesondere berücksichtigen, dass eine Äußerung, die grundsätzlich als Hassrede zu qualifizieren wäre, dennoch zulassig ist, wenn sie eine gesellschaftskritische oder humorvolle Bedeutung enthält Auch im Hinblick auf eine mögliche Haftung der Beklagten als „Störer“ sowie im Interesse eine störungsfreien Kommunikation auf ihrer Plattform muss sie diskriminierende Kommentare nicht dulden Zudem ist die Beklagte nicht verpflichtet, dem Kläger ein Medium zur Kommunikation über alle möglichen Inhalte ohne deren Kontrolle zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte hat mit ihren Regelungen in den Gemeinschaftsstandards objektive Anknüpfungspunkte an ihre Befugnis, Beiträge zu entfernen und einen Nutzer zu sperren, gesetzt. Dem Antragsteller wird eine Äußerung seiner Meinung durch die Beklagte hierdurch auch nicht generell verboten, sondern es bleibt ihm jederzeit möglich, selbige auf anderen Wegen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Auch hinsichtlich der konkreten Anwendung der Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards in vorliegendem Fall sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Beklagte die mittelbare Drittwirkung des Grundrechts der Meinungsfreiheit verkannt hat Die vorübergehende Sperrung des Kontos des Klägers betraf nur die „aktive“ Nutzung, die „passive“ Nutzung blieb ihm jederzeit möglich, sie stellt sich weder als unverhältnismäßig noch als willkürlich dar Die Beklagte hat wie dargestellt auch keineswegs den Aussagegehalt der Kommentierung des Klägers verkannt.
e) Nach alledem war die Löschung des streitgegenständlichen Beitrags des Klägers durch die Beklagte berechtigt.
2. Dem Kläger steht dementsprechend auch kein Anspruch auf Unterlassung einer erneuten Löschung des streitgegenständlichen Beitrags und einer erneuten Sperrung des Klägers, sollte dieser den Beitrag erneut einstellen, zu.
Die Entfernung des Beitrags und die vorübergehende Sperre des Klägers zur aktiven Nutzung des Dienstes war nach den zugrundezulegenden Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards der Beklagten berechtigt.
3. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Auskunftserteilung entsprechend seiner Klageanträge zu 4. und 5 zu.
Für die begehrten Auskunftserteilungen fehlt es dem Kläger bereits an einem Rechtsschutzbedürfnis Die geforderten Informationen sind weder für die Durchsetzung der klagerseits erhobenen Ansprüche erforderlich, noch liegt wie dargestellt ein Vertragsbruch der Beklagten vor, aus dem sich etwaig ein Anspruch auf Auskunft ergeben könnte.
4. Ein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz oder angemessene Entschädigung ist ebenfalls nicht gegeben. Es liegt bereits kein vertragswidriges Verhalten der Beklagten vor.
Selbst bei Annahme eines unrechtmäßigen Handelns durch die Beklagte stünde dem Kläger aber kein Schadensersatzanspruch zu.
a) Selbst bei unterstellter Persönlichkeitsrechtsverletzung wären die besonderen Voraussetzungen für die Gewährung einer Geldentschädigung nicht erfüllt. Es müsste sich dabei nämlich um eine schwerwiegende Verletzung handeln und die Beeinträchtigung dürfte nach der Art der Verletzung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden können (BGH NJW 2000, 2195; BGH NJW 2005, 2015, BGH NJW 2015, 2029). Vorliegend war der Kläger durch die nur teilweise und auch nur vorübergehende Funktionssperrung allein in der Sozialsphäre betroffen. Läge hier eine Beeinträchtigung vor, wäre das Persönlichkeitsrecht ausreichend durch einen möglichen Unterlassungsanspruch geschützt und es bedürfte keines monetären Ausgleichs (vgl. LG Traunstein, Urteil vom 13.12.2018, Az 8 O 2622/18 (2))
b) Darüber hinaus stünde dem Kläger auch kein Schadensersatzanspruch aus einer fiktiven Lizenzgebühr bzw. einer Lizenzanalogie zu. Unter Zugrundelegung der Differenzhypothese wäre dem Kläger bereits kein Schaden entstanden, denn auch ohne die Sperrung hätte er von der Beklagten für die Nutzung seiner Daten im Gegenzug für die Nutzung der Plattform keine Lizenzgebuhr erhalten. Einer fiktiven Schadensersatzberechnung kommt überdies nur Ausnahmecharakter zu (BGH NJW 2018, 1463). Wie die Beklagte hier zutreffend ausführt, wäre der Kläger im Umkehrschluss sicher nicht bereit gewesen, für die Nutzung des Dienstes eine tägliche Gebühr in Höhe der veranschlagten 50,00 € zu zahlen.
Lizenzanalogien werden ebenfalls nur in eng begrenzbaren Ausnahmefällen angenommen, die hier nicht vorliegen, wie etwa bei der Verletzung ausschließlicher Immaterialgüterrechte, deren Überlassung zur Benutzung durch Dritte gegen Entgelt rechtlich möglich und verkehrsüblich ist (BGH, GRUR 1990, 1008).
c) Auch nach Art. 82 Abs. 2 Satz 1 DSGVO stünde dem Kläger kein Schadensersatzanspruch zu Der Kläger argumentiert, dass die Einwilligung in die Datenverarbeitung auf Grundlage der Nutzungsbedingungen erteilt worden sei, somit unter der Bedingung, dass die Beklagte ihrerseits ihre vertraglichen Verpflichtungen erfülle Anders als der Kläger vorträgt, erbringt die Beklagte aber auch im Zeitraum der Sperrung Leistungen, denn die Versetzung in den „Read-Only-Modus“ kommt keiner gänzlichen Leistungseinstellung gleich. Der Kläger kann auch während einer Sperrung auf seinen Account zugreifen und seine Kontakte einsehen, sprich die Plattform nutzen und sich dort derart „bewegen“, dass eine Datenverarbeitung zur Bereitstellung der verbleibenden Funktionen erforderlich ist. Dass die Einwilligung nur im Falle einer gänzlichen Nutzungsmöglichkeit gelten soll, ist daher weder ersichtlich noch wäre sie praktikabel, denn eine reduzierte oder „eingeschränkte“ Datenverarbeitung für eine eingeschränkte Nutzung scheint nicht möglich zu sein.
5. Ein Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten bzw Ersatz der Kosten für die Einholung einer Deckungszusage steht dem Kläger mangels berechtigter Hauptforderung nicht zu.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.


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