IT- und Medienrecht

Zulässiges Bonus-Punkteprogramm bei Abgabe von Importarzneimitteln

Aktenzeichen  7 O 3384/15

Datum:
10.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Traunstein
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG § 4 Nr. 11
AMG § 78
HWG § 7 Abs. 1
AMPreisV § 2 Abs. 1

 

Leitsatz

Ein Bonus-Punktesystem eines pharmazeutischen Unternehmens, das Heilmittel anderer Hersteller parallel zum Angebot dieser Original-Hersteller vertreibt und das Prämienpunkte rein nach der Anzahl der erworbenen Produkte und nicht bezogen auf den Preis des einzelnen erworbenen Produkts gewährt, verstößt weder gegen § 7 Abs. 1 HWG noch gegen § 78 AMG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 AMPreisV. (Rn. 50 – 72) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird entsprechend dem vom Kläger angegebenen Interesse auf 400.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage erwies sich als unbegründet.
Dem Kläger stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche im Hinblick auf das von der Beklagten betriebene … Partnerprogramm nicht zu.
A) Klageantrag I. 1.
Nach diesem Antrag soll es die Beklagte unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs Apotheken für jede von ihr abgegebene Packung eines bei der Beklagten direkt bezogenen, verschreibungspflichtigen Arzneimittels einen geldwerten Vorteil zu gewähren, der jeweils insgesamt über dem Großhandelszuschlag gemäß § 2 Abs. 1 Arzneimittelpreisverordnung von 3,15% des betreffenden Arzneimittel-Abgabepreises der Beklagten, höchstens jedoch 37,80 € liegt, wie in den Anlagen K 2 und K 4 geschehen.
Ein Unterlassungsanspruch des Klägers besteht insoweit weder nach § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 7 Abs. 1 HWG noch nach § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 78 AMG i.V.m. § 2 Abs. 1 Arzneimittelpreisverordnung.
I. Kein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 HWG
Die Kammer teilt die Auffassung der Beklagten, wonach das Heilmittelwerbegesetz und insbesondere § 7 HWG auf das … Partnerprogramm der Beklagten keine Anwendung finden.
Die Beantwortung der für die Anwendung des Heilmittelwerbegesetzes entscheidenden Frage, ob die zu beurteilende Werbung Absatz- oder Firmenwerbung ist, hängt, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, nach der Rechtsprechung des BGH maßgeblich davon ab, ob nach dem Gesamterscheinungsbild der Werbung die Darstellung des Unternehmens oder aber die Anpreisung bestimmter oder zumindest individualisierbarer Produkte im Vordergrund steht (vgl. etwa BGH GRUR 1992, 873). Die Bestimmung des § 7 HWG ist deshalb nur dann anwendbar, wenn gewährte Werbegaben sich aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs als Werbung für konkrete Heilmittel darstellen.
Der Kläger führt hier für die Anwendbarkeit des § 7 HWG auf das Partnerschaftsprogramm mit dem Bonuspunktesystem der Beklagten das Urteil des BGH vom 26.03.2009 – I ZR 99/07 – … ins Feld.
Der Leitsatz dieser Entscheidung lautet wie folgt:
„Das Ausloben und Gewähren von Prämien für den Bezug von Medizinprodukten stellt beim Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 HWG eine produktbezogene und daher nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 a, § 7 HWG verbotene Werbung dar, unabhängig davon, ob die für die Gewährung der Prämien erforderlichen Prämienpunkte allein für genau benannte Medizinprodukte, für eine nicht näher eingegrenzte Vielzahl von Medizinprodukten oder sogar für das gesamte, neben Medizinprodukten auch andere Produkte umfassende Sortiment angekündigt wird.“
Diese Entscheidung lässt sich aber nach Auffassung der Kammer nicht auf den hier zu entscheidenden Fall übertragen. In dem vom BGH entschiedenen Fall hat eine Firma, die Medizinprodukte herstellt, ihre Produkte mit einem Prämiensystem beworben. Die Prämien wurden in diesem Fall gewährt für das gesamte Produktsortiment des Herstellers dieser Medizinprodukte. Daraus lässt sich durchaus ein Produktbezug der Werbung im Hinblick auf jedes einzelne Produkt des Medizinherstellers herstellen.“
Beim Bonuspunktesystem der hiesigen Beklagten ist allerdings zu sehen, dass es sich bei der Beklagten um ein Parallel-Importunternehmen für Arzneimittel handelt, welches überhaupt keine eigenen Arzneimittel herstellt, sondern Heilmittel anderer Hersteller parallel zum Angebot dieser Original-Hersteller vertreibt. Zum Sortiment der Beklagten zählen, wie die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, auch wirkstoffgleiche Arzneimittel unterschiedlicher Hersteller. Der Apotheker, der sich aus dem Sortiment der Beklagten bedient, kann in solchen Fällen also zwischen Produkten verschiedener Originalhersteller mit gleichem Wirkstoff auswählen. Nachdem diese einzelnen Produkte mit gleichem Wirkstoff aus dem Sortiment der Beklagten sozusagen sogar zueinander in Konkurrenz stehen, lässt sich aus Sicht der Kammer im Hinblick auf das Gesamtsortiment der Beklagten der für die Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 HWG erforderliche Produktbezug des Bonuspunktesystems nicht herstellen. Der Zweck der Regelung des § 7 HWG besteht vor allem darin, durch eine weitgehende Eindämmung der Wertreklame im Bereich der Heilmittel der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung zu begegnen, die von einer Werbung mit unentgeltlichen Zuwendungen ausgehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 30.01.2003 – I ZR 142/00). Diese Gefahr der unsachlichen Beeinflussung von Apotheken kann aus Sicht der Kammer jedenfalls dort nicht bestehen, wo für die Apotheken immer noch die Auswahlmöglichkeiten zwischen Produkten verschiedener Hersteller mit dem gleichen Wirkstoffgehalt aus dem Sortiment der Beklagten bestehen. Eine Produktbezogenheit des Bonuspunktesystems der Beklagten ist deshalb aus Sicht der Kammer vor dem Hintergrund der Besonderheiten der Ausgestaltung der Beklagten als Parallel-Importunternehmen, welches Arzneimittel verschiedener Hersteller in seinem Sortiment hat, abzulehnen.
Dafür, dass beim Partnerprogramm der Beklagten die Firmenwerbung und nicht die produktbezogene Absatzwerbung im Vordergrund steht, spricht neben dem Umstand, dass die Anlagen K2 bis K5 keinen einzigen Verweis auf ein bestimmtes Arzneimittel enthalten, auch der weitere Umstand, dass die Beklagte in ihrem Partnerprogramm allgemein auch ihre Leistungsfähigkeit bewirbt und in den Vordergrund stellt. In der Anlage K3 wird mehrfach mit der „Ja, ist da!“ – Liefergarantie geworben („Für rund 1.000 Importarzneimittel aus dem … Sortiment garantieren wir Ihnen die Lieferfähigkeit“), wobei auf das aktuelle „Ja, ist da!“ – Sortiment zugegriffen werden kann und zusätzlich sozusagen als Eigensanktion der Beklagten für einen Verstoß gegen die Liefergarantie ein Bonuspunkt als Entschädigung ausgelobt wird. Auch die hervorgehobene Bewerbung der eigenen Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die Lieferbarkeit spricht aus Sicht der Kammer dafür, dass es sich bei dem Partnerprogramm um eine Image- und Unternehmenswerbung und nicht um eine produktbezogene Absatzwerbung handelt.
Das Bonus-Punktesystem der Beklagten verstößt mithin insgesamt nicht gegen § 7 Abs. 1 HWG.
II. Kein Verstoß gegen § 78 AMG i.V.m. § 2 Abs. 1 AMPreisV
Die Kammer vermag in den im Partnerprogramm der Beklagten den teilnehmenden Apotheken gewährten Vorteilen bei der Direktabgabe auch keinen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 AMPreisV zu erkennen. Ein pharmazeutisches Unternehmen wie die Beklagte ist bei der Direktabgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln an Apotheker nicht gezwungen, den in § 2 AMPreisV vorgesehenen variablen Zuschlag von 3,15% auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmens, höchstens jedoch 37,80 €, zu erheben. Im Rahmen des Direktbezugs darf die Beklagte daher die entsprechenden Zuwendungen gegenüber Apotheken gewähren, ohne damit gegen ihre Verpflichtung zur Gewährleistung eines einheitlichen Apothekenabgabepreises aus § 78 Abs. 2 S. 2 AMG zu verstoßen. Ob der zusätzlich in § 2 Abs. 1 AMPreisV angesprochene Festzuschlag von 70 Cent bei Abgabe durch den Großhandel rabattfähig ist, kann bei der Direktabgabe von der Beklagten an Apotheker aus Sicht der Kammer dahinstehen, da es der Beklagten, wenn sie die Produkte nicht über den Großhandel, sondern direkt vertreibt, nicht verwehrt sein kann, auf diesen Festzuschlag für den Großhandel zu verzichten.
Da beim Bonus-Punktesystem der Beklagten die Punkte rein nach der Anzahl der erworbenen Produkte und nicht bezogen auf den Preis des einzelnen erworbenen Produkts gewährt werden, kann ein Verstoß der gewährten Bonuspunkte gegen die AMPreisV auch nicht isoliert am Preis einzelner Produkte festgemacht werden.
Hier ist zum Einen zu sehen, dass für die ersten 159 Produkte, unabhängig von ihrem Händlerabgabepreis, noch keine Bonuspunkte gewährt werden. Weiterhin ist zu sehen, dass bezogen auf die einzelnen Produkte erst bei einem Herstellerabgabepreis von 36,50 € der 3,15%ige Großhandelszuschlag den im Direktbezug von der Beklagten gewährten maximalen Bonuspunktewert von 1,15 € erreicht, dass aber auf der anderen Seite auch bei Produkten mit einem höheren Händlerabgabepreis als 36,50 € der maximale Bonuspunktewert 1,15 € beträgt. Legt man die Lauer-Taxe, welche die Klagepartei als Anlage K 7 vorgelegt hat, zu Grunde, so lässt sich festhalten, dass sich der Händlerabgabepreis bei den dort auf den 12 Seiten aufgeführten 276 Produkten zum weit überwiegenden Teil auf mehr als 36,50 € beläuft. Aus dieser Lauer-Taxe lässt sich auch entnehmen, dass sich im Sortiment der Beklagten tatsächlich zum überwiegenden Teil hochpreisige Medikamente befinden, bei denen der rabattfähige Großhandelszuschlag von 3,15% weit über dem höchsten gewährten Bonuspunkte-Geldwert von 1,15 € liegt. Bei mehr als 100 Produkten der 276 sich aus dieser Lauer-Taxe ergebenden Produkten der Beklagten liegt der Händler-Abgabepreis sogar über 100,00 €. Bei diesen Produkten würde produktbezogen der rabattfähige Zuschlag mindestens 3,15 € betragen. Den Händlerabgabepreis von 1.200,00 €, welcher den rabattfähigen Höchstzuschlag von 37,80 € rechtfertigt, überschreiten immerhin 6 Produkte aus dem Sortiment der Beklagten gemäß Lauer-Taxe, Anlage K 7.
Auch für solche Produkte gewährt die Beklagte im Direktbezug ab 600 bezogenen Arzneimitteln maximal einen geldwerten Vorteil bei Eintausch in Ware von 1,15 €. Die Argumentation der Beklagten, wonach ihrem Berechnungssystem eine Mischkalkulation zu Grunde liegt und deshalb bei der Prüfung, ob die gewährten Bonuspunkte gegen § 2 Abs. 1 AMPreisV verstoßen, nicht auf die abgegebenen Einzelprodukte abgestellt werden kann, sondern insgesamt eine Wertbetrachung zu Grunde zu legen ist, überzeugt. Nachdem bei der Direktabgabe auch der Großhandels-Festzuschlag von 0,70 € aus Sicht der Kammer nicht zwingend sein kann und deshalb auch dieser Betrag zusätzlich rabattfähig ist, führt eine wertende Betrachtung dazu, dass die Beklagte im Rahmen der Mischkalkulation ihres Bonuspunkte-Programms nicht gegen die Vorgaben des § 2 Abs. 1 AMPreisV verstößt.
Die Service-Pakete, deren Inhalt in der Anlage K4 detailliert beschrieben ist (Pflasterboxen, Tüten, Patientenbroschüren, Taschentücher u.a.), stellen auch aus Sicht der Kammer sogenannte Werbe- und Verkaufshilfen dar, die den Apothekern unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden, um diesen die Werbung und den Verkauf ihres Produkts gegenüber dem Endverbraucher zu erleichtern. Solche bei Pharmaunternehmen allgemein übliche Werbe- und Verkaufshilfen stellen aber schon keine Zuwendungen im Sinne des HWG und der Arzneimittelpreisvorschriften dar, sodass die Werte der Service-Pakete bei der Bemessung der gewährten Vorteile des Partner-Programms an den Vorschriften des AMG und der AMPreisV aus Sicht der Kammer gar nicht zum Ansatz zu bringen sind.
Im übrigen würde sich an der rechtlichen Beurteilung der Kammer auch dann nichts ändern, wenn man die Werte der in der Anlage K4 dargestellten Service-Paktete, die der Apotheker nach Sammlung von mindestens 160 Bonuspunkten und Einlösung der Bonuspunkte zusätzlich kostenlos anfordern kann, den Bonuspunkt-Geldwerten hinzurechnen würde. Die Beklagte hat in der Klageerwiderung vorgetragen, die Werte der Servicepakete seien für das Paket „klein“ allerhöchstens mit 15,00 €, für das Paket „mittel“ mit 30,00 € und für das Paket „groß“ mit 45,00 € anzusetzen. Umgelegt auf die jeweils notwendige Mindestanzahl an Arzneimitteln (160, 300 und 600) bedeute das pro Arzneimittel einen Wert von 0,09 €, 0,1 € und 0,07 €. Damit ergebe sich, dass sich die Zuwendungen – umgerechnet auf die jeweilige Anzahl der bezogenen Arzneimittel – eindeutig im gesetzlich zulässigen Rahmen hielten. Die Klagepartei hat diese Werte, welche die Beklagte für die Service-Pakete angesetzt hat, in ihrer Replik bestritten. Insoweit hat die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger, der einen Verstoß gegen die AMPreisV geltend macht, hinsichtlich der Werte der Service-Pakete darlegungs- und beweisbelastet ist. Die Klagepartei hat die von ihr in der Klageschrift behaupteten höheren Werte der Service-Pakete aber nicht unter Beweis gestellt, sondern hat im Schriftsatz vom 11.5.2016 darauf verwiesen, sie sei mit ihren Schätzungen anhand von Google-Recherchen für einige der Produkte ihrer primären Darlegungs- und Beweislast nachgekommen. Es sei nach den Grundsätzen der sekundären Beweislast Sache der Beklagten gewesen, substantiell darzulegen und unter Beweis zu stellen, dass die angesetzten Werte zu hoch seien. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Beklagte hat zu Recht vorgetragen, dass hinsichtlich der Wertbestimmung einer Werbegabe nicht auf den Herstellungs- oder Beschaffungswert abzustellen ist, sondern auf den objektiven Verkehrswert abzustellen ist. Nachdem die Beklagte den Inhalt der Servicepakete in ihrem Partnerprogramm ja detailliert beschreibt (siehe Anlage K4) ist nicht nachvollziehbar, warum sie im Rahmen einer sekundären Beweislast gehalten sein sollte, darzulegen und unter Beweis zu stellen, dass die vom Kläger angesetzten Schätzwerte zu hoch seien. Die Kammer sieht deshalb keine Veranlassung, die nicht unter Beweis gestellten Schätzwerte der Klagepartei zu Grunde zu legen. Eines rechtlichen Hinweises der Kammer bedurfte es insoweit nicht, da die Klagepartei durch den zutreffenden Vortrag der Beklagten, dass die Klagepartei hinsichtlich des Wertes der Service-Pakete darlegungs- und beweisbelastet sei und dass hinsichtlich der Wertbestimmung derselben nicht auf den Herstellungs- oder Beschaffungswert, sondern auf den objektiven Verkehrswert abzustellen sei, zutreffend über die Rechtslage informiert war.
Legt man aber die von der Beklagten angesetzten Werte der Service-Pakete umgerechnet auf die jeweils notwendige Mindestanzahl von Medikamenten zu Grunde, so ergeben sich höchstens Werte von bis zu maximal 10 Cent pro Arzneimittel. Auch eine entsprechende Wertanrechung der Servicepakete führt deshalb aus Sicht der Kammer zu keiner anderen Beurteilung.
Insgesamt ist deshalb festzuhalten, dass das Bonussystem der Beklagten bei der direkten Abgabe von Produkten ihres Sortiments an die teilnehmenden Apotheken nicht gegen § 2 Abs. 1 AMPreisV verstößt.
Zu einem anderen Ergebnis gelangt die Kammer auch nicht unter Berücksichtigung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 16.12.2015, Az. 7 O 57/15, welches das Rabatt- und Skontosystem einer Firma … zum Gegenstand hatte. Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass sich das im Verfahren des Landgerichts Saarbrücken streitgegenständliche System der Firma … ganz erheblich vom Bonusprogramm der Beklagten unterscheidet. Das angegriffene System der Fa. … sah eine Kombination von Basisrabatt und Skonto für jede direkt bezogene Packung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels vor. Hier bezog sich eben die Kombination aus Rabatt und Skonto auf jedes einzelne Produkt und dessen jeweiligen Herstellerabgabepreis unabhängig vom Erreichen einer Mindestanzahl von Bonuspunkten, sodass zum Einen der Produktbezug im Sinne von § 7 Abs. 1 HWG hergestellt war und zum Anderen hinsichtlich dieser einzelnen Produkte bei der Kombination aus Rabatt und Skonto die zulässigen rabattfähigen Großhandelszuschläge gemäß § 2 Abs. 1 AMPreisV überschritten waren. Mit dem Bonusprogramm der Beklagten, bei dem der Wert der Bonuspunkte völlig unabhängig vom Händlerabgabepreis der einzelnen abgegebenen Produkte ist, sondern sich nach der Anzahl der abgegebenen Produkte bemisst, war dieses System der Fa. … mithin nicht vergleichbar, sodass sich die Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken auf die vorliegend zu entscheidende Fallgestaltung auch nicht übertragen lässt.
Der Antrag gemäß Ziffer I.1. der Klage war nach alledem insgesamt abzuweisen.
B) Klageantrag I. 2.
Nach diesem Antrag soll es die Beklagte unterlassen, für jede von ihr abgegebene Packung eines über den Großhandel bezogenen verschreibungspflichtigen Arzneimittels der Beklagten einen geldwerten Vorteil zu gewähren, wie in den Anlage K2 und K4 geschehen. Dieser Antrag bezieht sich also auf die im Rahmen des Partnerschaftsprogramms der Beklagten gewährten Vorteile bei Bezug von Arzneimitteln über den Großhandel.
Auch insoweit besteht ein Unterlassungsanspruch des Klägers nach § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 HWG bzw. § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 78 AMG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 AmPreisV nicht.
I. Kein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 HWG
Wie oben unter Ziffer A) I. ausgeführt, scheitert eine Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 HWG am fehlenden Produktbezug der gewährten Vorteile.
II. Verstoß gegen § 78 AMG i.V.m. § 2 Abs. 1 AmPreisV
Selbst wenn man zum Ergebnis gelangt, dass pharmazeutische Unternehmen nach Inkrafttreten der Neuregelung in § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG bei Belieferung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln über den Großhandel aufgrund von § 78 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 AMG sowie § 7 Abs. 1 HWG keinerlei geldwerte Vorteile gewähren dürfen, ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch in Ziffer I. 2. der Klageanträge aus Sicht der Kammer nicht gegeben.
Bei der Abgabe der Arzneimittel über den Großhandel sieht das Bonuspunkte-System der Beklagten deutlich niedrige Werte pro Bonuspunkt vor, als das für den Direktbezug der Fall ist. Der maximale Geldwert pro Bonuspunkt beträgt ab 600 Bonuspunkten bei Bezug vom Großhandel 0,70 € pro Punkt. Bei Einbringung der Bonuspunkte in Warenwert kann sich der Wert pro Bonuspunkt auf maximal 0,77 € erhöhen. Wie oben unter A Ziffer II ausgeführt, handelt es sich bei den Service-Paketen um vom Zuwendunsbegriff des § 7 HWG nicht umfasste Verkaufshilfen. Selbst wenn man den von der Beklagten in der Klageerwiderung angesetzten Maximalwert des Service-Pakete – umgerechnet auf die Anzahl der Arzneimittel – aber hinzurechnen würde, so ergäbe sich ein maximaler Wert von 0,87 € bei Eintausch in Warenwert ab 600 Bonuspunkten. Wie bereits unter Ziffer A) II. ausgeführt, hat der Kläger die von ihm in der Klageschrift behaupteten höheren Werte der Service-Pakete nicht unter Beweis gestellt.
Die Kammer legt mithin dem maximalen Wert der Werbegabe der Beklagten im Rahmen des Partnerschaftsprogramms bei Bezug über den Großhandel mit maximal 0,87 € pro Medikament zugrunde.
Bei einem solchen Maximalwert der Werbegabe pro abgegebenem Medikament liegt aber aus Sicht der Kammer im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH eine spürbare Beeinträchtigung von Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern, welche einen Unterlassungsanspruch rechtfertigen würde, noch nicht vor, da der Wert der für den Bezug eines Arzneimittels gewährten Werbegabe 1,00 € bei Bezug über den Großhandel nicht übersteigt.
In der Entscheidung „…“ hat der BGH dazu Stellung genommen, ab welcher Schwelle ein Verstoß gegen die Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes und die Arzneimittelpreisverordnung geeignet ist, die Interessen von Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Der Leitsatz dieser Entscheidung lautet wie folgt:
„Ein Verstoß gegen die Bestimmungen des § 78 Abs. 2 S. 2 und S. 3, Abs. 3 S. 1 AMG, § 1 Abs. 1 und 4, § 3 AmPreisV ist geeignet, die Interessen von Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen, wenn der Wert der für den Bezug eines Arzneimittels gewährten Werbegabe 1,00 € übersteigt“.
In diesem Urteil hat der BGH unter Ziffer 3 unter anderem folgendes wörtlich ausgeführt:
„Nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung (Anmerkung der Kammer: gemeint ist § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fall 2 HWG) fallen unter den Begriff der geringwertigen Kleinigkeiten allein Gegenstände von so geringem Wert, dass eine relevante unsachliche Beeinflussung der Werbeadressaten als ausgeschlossen erscheint. Als geringwertige Kleinigkeit sind daher nur kleinere Zugaben anzusehen, die sich als Ausdruck allgemeiner Kundenfreundlichkeit darstellen (BGH, GRUR 2010, 36 Rdnr. 25 – unser Dankeschön für Sie, NWM). Unter Berücksichtigung dessen, dass bei einer Publikumswerbung im Hinblick auf die leichtere Beeinflussbarkeit der Werbeadressaten von einer eher niedrigeren Wertgrenze auszugehen ist, überschreitet daher eine Werbegabe im Wert von 5,00 € ebenso die Wertgrenze (BGH a.a.O. NWM) wie eine Werbegabe im Wert von 2,50 € (vgl. BGH, Beschluss vom 09.09.2010 – I ZR 72/08, GRUR 2010, 1130 Rdnr. 2 und 6f – Sparen Sie beim Medikamenteneinkauf), nicht dagegen eine Werbegabe im Wert von 1,00 € (BGH, Urteil vom 09.09.2010 – I ZR 98/08, GRUR 2010, 1133 Rdnr. 22 = WRP 2010, 1471-Bonuspunkte, NWM).“
Die Beklagte hat zu Recht daraufhingewiesen, dass der BGH auch nach Inkrafttreten der Neuregelung in § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG mit dem Urteil vom 26.02.2014, Aktenzeichen I ZR 79/10, daran festgehalten hat, dass „ein Verstoß gegen die Bestimmungen des § 78 Abs. 2 S. 2 und S. 3, Abs. 3 S. 1 AMG, § 1 Abs. 1 und Abs. 4, § 3 AmPreisV geeignet ist, die Interessen von Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen, wenn der Wert der für den Bezug eines Arzneimittels gewährten Werbegabe 1,00 € übersteigt.“
Diese vom BGH angesetzte Spürbarkeitsschwelle von 1,00 € im Hinblick auf die Interessen von Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern gilt aus Sicht der Kammer nicht nur im Hinblick auf Werbegaben gegenüber dem Endverbraucher, sondern in gleicher Weise für Werbegaben pharmazeutsicher Unternehmen gegenüber Apotheken.“
Nachdem diese Spürbarkeitsschwelle im Partnerprogramm der Beklagten bei Abgabe über den Großhandel nicht überschritten wird, da der maximale Wertvorteil pro Medikament wie oben ausgeführt mit 0,87 € anzusetzen ist, steht dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes und der Arzneimittelpreisverordnung nicht zu, sodass die Klage auch insoweit abzuweisen war.
C) Klageantrag I. 3.
Nach diesem Antrag soll es die Beklagte unterlassen, für jede von ihr abgegebene Packung eines nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittels der Beklagten einen Vorteil im Marktwert von über 1,00 € zu gewähren, sofern dies nicht in der Gestalt eines Barrabatts geschieht, wie in den Anlagen K3 und K4 geschehen.
Dieser Unterlassungsanspruch besteht ebenfalls nicht. Bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gilt die Arzneimittelpreisverordnung nicht, sodass der Kläger diesen Unterlassungsanspruch ausschließlich auf einen Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Nr. 1 HWG stützen kann.
Wie oben unter A) I. ausgeführt, verstoßen die im Rahmen des Partnerprogramms gewährten Vorteile aber mangels Produktbezug der Werbeanpreisungen nicht gegen § 7 Abs. 1 HWG. Nachdem das Heilmittelwerbegesetz insoweit nicht zur Anwendung kommt, kann im Hinblick auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht bestehen.
D) Klageantrag I. 4.
Nach diesem Antrag soll es die Beklagte unterlassen, kostenlos Werbe- und Kundenbindungsmaterial im Rahmen eines vom Umsatz mit Arzneimitteln der Beklagten abhängigen Bonuspunkte-Programms zu überlassen, wie in den Anlagen K4 und K5 geschehen.
Der Kläger rügt, dass auch die im Rahmen des Partnerprogramms der Beklagten angebotenen …-Aktionen gegen § 7 Abs. 1 HWG verstoßen würden. Der Kläger ergänzt insoweit, dass es sich bei den …-Aktionen auch nicht um Auskünfte oder Ratschläge im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 4 HWG handele, da kein funktionaler Zusammenhang der Unterstützungsleistungen mit konkreten Arzneimitteln der Beklagten bestehe.
Damit räumt der Kläger ein, dass jedenfalls im Hinblick auf diese …-Aktionen kein Produktbezug im Sinne einer eindeutigen und erkennbaren Bezugnahme auf ein oder mehrere Arzneimittel aus dem Sortiment der Beklagten besteht. Dieser Produktbezug ist aber, wie unter A) I. ausgeführt, bei den in den Partnerprogramm der Beklagten ausgelobten Vorteilen insgesamt nicht gegeben, sodass sich der Kläger auch im Hinblick auf die …-Aktionen nicht mit Erfolg auf einen Verstoß gegen § 7 Abs. 1 HWG berufen kann. Überdies sieht die Kammer in der kostenlosen zur Verfügungstellung von „…“-Material zulässige Werbe- und Verkaufshilfen im Rahmen einer Unternehmens- und Imagewerbung.
Auch der unter Ziffer I. 4. geltend gemachte Unterlassungsanspruch besteht mithin nach Auffassung der Kammer nicht. Die Klage war mithin insgesamt abzuweisen.
E) Nebenentscheidungen
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 ZPO.


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