IT- und Medienrecht

Zulässigkeit einer Nebenintervention im Beweisverfahren

Aktenzeichen  9 W 2077/16 Bau

Datum:
17.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 66 Abs. 1, § 67, § 68, § 71 Abs. 1, Abs. 2, § 74 Abs. 3, § 485 Abs. 2, § 567 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Im selbständigen Beweisverfahren kann § 66 Abs. 1 ZPO nur entsprechend angewandt werden, weil es ein „Obsiegen“ im engeren Sinn hier nicht gibt. Auf das Obsiegen der vom Nebenintervenienten unterstützten Partei in einem nachfolgenden Hauptsacheprozess abzustellen, verbietet sich, weil während des vorgeschalteten Beweisverfahrens noch nicht feststeht, ob sich überhaupt ein Hauptsacheprozess anschließt und auch die Parteirollen und Anträge eines solchen Verfahrens unbekannt sind. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

24 OH 11042/13 2016-11-15 Bes LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1) wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 15.11.2016, Az. 24 OH 11042/13, aufgehoben.
2. Der Beitritt der Streithelferin W. R. SE auf Seiten der Antragsteller wird als unzulässig zurückgewiesen.
3. Die Streithelferin W. R. SE ist im Rubrum des selbständigen Beweisverfahrens zukünftig wieder nur als Streithelferin der Antragsgegnerin zu 1) zu führen.
4. Die Kosten des Zwischenstreits einschließlich des Beschwerdeverfahrens trägt die Streithelferin W. R. SE.
5. Der Beschwerdewert wird auf 7.000 € festgesetzt.
6. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Antragsgegnerin zu 1) wendet sich im Wege der Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts München I vom 5.11.2016. Mit Schriftsatz vom 7.6.2013 (Bl. 28 d.A.) war der Fa. W. R. SE (im weiteren W.) von der Antragsgegnerin zu 1) der Streit verkündet worden, mit der Begründung, sie als Subunternehmerin sei von der Antragsgegnerin zu 1) mit dem Einbau einer Sonnenschutzanlage beauftragt worden. Sollte sich diese im anstehenden Rechtsstreit als mangelhaft erweisen, so wolle sie, die Antragsgegnerin Regress bei der Streitverkündeten nehmen. Die Streitverkündete W. trat zunächst auf der Seite der Antragsgegnerin zu 1) bei. Mit Schriftsatz vom 9.11.2016 wurde durch die Streithelferin das rechtliche Interesse begründet (Bl. 323). Die Antragsgegnerin zu 1) rügte den Beitritt der Streithelferin mit Schriftsatz vom 24.10.2016, Bl. 299 d.A. und beantragte die Zurückweisung der Nebenintervention als unzulässig. Mit Beschluss vom 15.11.2016 (Bl. 330 d.A.) erklärte das Landgericht den Wechsel der Streithelferin für zulässig. Auf den Beschluss Bl. 332 wird Bezug genommen. Ein rechtliches Interesse der Nebenintervenientin wurde durch das Landgericht für gegeben erachtet. Mit Schriftsatz vom 7.12.2016 legte die Antragsgegnerin zu 1) Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 15.11.2016 ein, auf die Beschwerdeschrift wird Bezug genommen. Mit Beschluss vom 12.12.2016 half das Landgericht der sofortigen Beschwerde nicht ab. Zur Beschwerde nahm die Streithelferin mit Schriftsatz vom 11.1.2017 Stellung, Bl. 357 d.A. Auch die Antragsgegnerin zu 1) nahm erneut Stellung mit Schriftsatz vom 12.1.2017.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Beitritt der Streithelferin W. auf Seiten der Antragstellerin war nicht zulässig, der Beschluss des Landgerichts München I vom 15.11.2016 ist aufzuheben.
1. Die Beschwerde der Streithelferin W. gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 7.11.2016 ist entsprechend § 71 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässig. Das Rechtsmittel ist auch statthaft, da sich die Beschwerdeführerin gegen die Entscheidung des Landgerichts München I wendet, den Wechsel des Beitritts der Streithelferin für unzulässig zu erklären. Gem. § 71 Abs. 2 ZPO ist gegen die Entscheidung über die Zulässigkeit des Beitritts die sofortige Beschwerde statthaft.
2. Die Beschwerde ist begründet, da die Voraussetzungen für einen Beitritt der Streithelferin W. auf Seiten der Antragsstellerin und damit auch die Voraussetzungen für einen Wechsel des ursprünglichen Beitritts nicht vorliegen. Auf Antrag der Antragsgegnerin zu 1) war durch Beschluss entsprechend § 71 Abs. 1 ZPO über die Zulässigkeit des Wechsels und damit des Beitritts der Streithelferin auf Antragstellerseite zu entscheiden.
2.1. Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung und ganz herrschender Meinung, dass eine Streitverkündung im selbständigen Beweisverfahren zulässig ist und eine entsprechende Anwendung der §§ 66 ff. ZPO rechtfertigt (OLG Köln, Beschluss vom 13.10.2009, 9 W 77/09 m.w.N. zur Rechtsprechung des BGH). Grundsätzlich ist es – höchstrichterlich entschieden (BGH NJW 1955, 1316) – auch möglich, dass ein Streithelfer zunächst auf der Seite des Streitverkünders beitritt und später dann als Streithelfer auf die Gegenseite wechselt. Eine Einwilligung der bisher unterstützten Partei ist dafür nicht notwendig. Bei Widerspruch des Streitverkünders muss aber für einen zulässigen Wechsel des Beitritt eines Streithelfers auf die Seite einer anderen Partei gem. §§ 66, 71 ZPO ein rechtliches Interesse des wechselwilligen Streithelfers an dem Obsiegen dieser Partei vorliegen (u.a.: Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 16. Teil, Rn. 43). Die Anforderungen des § 66 ZPO bezogen auf das selbständige Beweisverfahren müssen daher für den Wechsel zur Antragstellerseite festgestellt werden.
2.2. Die Streithelferin W. hat jedoch kein rechtliches Interesse entsprechend § 66 Abs. 1 ZPO an einem Beitritt auf Seiten der Antragstellerin, dieses rechtliche Interesse muss auf ein Obsiegen der Antragstellerin gerichtet sein. Dabei sind die Besonderheiten des selbständigen Beweisverfahrens zu beachten.
Der Begriff des rechtlichen Interesses in § 66 Abs. 1 ZPO ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH grundsätzlich weit auszulegen. Aus dem gesetzlichen Erfordernis eines rechtlichen Interesses folgt jedoch, dass ein rein wirtschaftliches oder tatsächliches Interesse für die Zulässigkeit der Nebenintervention nicht genügt (BGH NJW – RR 2011, 907). Es kommt darauf an, ob der Nebenintervenient zu der unterstützten Partei oder dem Gegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens in diesem Sinne in einem Rechtsverhältnis steht, auf welches das Ergebnis der in dem selbstständigen Beweisverfahren stattfindenden zulässigen Beweiserhebung unmittelbar oder mittelbar rechtlich einwirkt (Vgl. BGH Beschluss vom 18.11.2015 – VII ZB 2/15, NJW 2016, 1020)
Im selbständigen Beweisverfahren, das kein Rechtsstreit im eigentlichen Sinne ist, kann § 66 Abs. 1 ZPO nur entsprechend angewandt werden, weil es ein „Obsiegen“ im engeren Sinn hier nicht gibt. Auf das Obsiegen der vom Nebenintervenienten unterstützten Partei in einem nachfolgenden Hauptsacheprozess abzustellen, verbietet sich, weil während des vorgeschalteten Beweisverfahrens noch nicht feststeht, ob sich überhaupt ein Hauptsacheprozess anschließt und auch die Parteirollen und Anträge eines solchen Verfahrens unbekannt sind. Eine derartige hypothetische Prüfung wird daher vom BGH abgelehnt. Der BGH stellt stattdessen auf folgende Überlegung ab (NJW 2016, 1018, Rz. 15 f.; NJW 2016, 1020, Rz. 20 f.): „Ein Antragsteller „obsiegt“ in einem selbständigen Beweisverfahren vielmehr dann, wenn die von ihm behaupteten Mängel und deren Verursachung durch den Antragsgegner festgestellt werden, Insoweit besteht sein rechtliches Interesse i.S. von § 485 Abs. 2 ZPO gegenüber dem Antragsgegner an der Feststellung des Zustands einer Sache und der Ursache eines Sachmangels, für den eine Haftung des Antragsgegners ihm gegenüber in Betracht kommt.“
Nach diesen Maßstäben ist ein rechtliches Interesse der Streithelferin W. am Obsiegen der Antragsteller vorliegend nicht gegeben. Ein Rechtsverhältnis besteht nicht zur Antragstellerin, auf deren Seite die Streitehelferin den Beitritt wünscht. Im vorliegenden Fall fehlt zwischen den Antragstellern und der Streithelferin W. ein Vertragsverhältnis oder ein irgendwie anders gearteteten Rechtsverhältnis, welches ein rechtliches Interesse begründet. Auch ist nicht seitens der Streithelferin, die ihr rechtliches Interesse darlegen und glaubhaft machen muss, vorgetragen, dass eine gesamtschuldnerische Haftung der Streithelferin und der Antragsgegnerin zu 1) gegenüber den Antragstellern in Betracht käme. Eine Gesamtschuldnerschaft gegenüber der Antragsstellerin kommt allenfalls bei den Antragsgegnern, in Betracht. Diese können gegebenenfalls bei ihren Subunternehmern Regress nehmen. Dies stellt jedoch keinen Bezug der Streithelferin W. zu der Antragstellerin her. Insofern fehlt es an einem Rechtsverhältnis, welches ein rechtliches Interesse auslösen könnte.
2.3. Die Streithelferin W. hat bei genauer Betrachtung kein Interesse am Obsiegen der Antragsteller, sondern an deren Unterliegen in dem Sinne, dass die von den Antragstellern behaupteten Mängel nicht bestätigt werden. Nur im Falle eines Unterliegens der Antragssteller scheidet eine Haftung der Streithelferin W. definitiv aus.
Das Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens und ein „Obsiegen“ der Antragsteller wirken – entgegen den Ausführungen der Streithelferin auf S. 5 im Beschwerdeschriftsatz vom 9.11.2016 und erneut im Schriftsatz vom 11.1.2017 – nicht rechtlich auf ein Rechtsverhältnis der Streithelferin ein. Zwischen den Antragstellern und der Streithelferin gibt es kein Rechtsverhältnis, da nicht vorgetragen ist, dass die Streithelferin W. Vertragspartnerin der Antragsteller sei. Es steht ein Regressanspruch der Antragsgegnerin zu 1) gegen die Streithelferin im Raum, falls insoweit Feststellungen zu deren Haftung für Mängel getroffen werden würden. Auf dieses Rechtsverhältnis wirkt ein „Obsiegen“ der Antragsteller, also Feststellung der Mängel im selbständigen Beweisverfahren weder unmittelbar noch mittelbar rechtlich ein. Das Ergebnis des Beweisverfahrens hat nämlich für einen etwaigen Folgeprozess der (dann nicht mehr unterstützten) Antragsgegnerin zu 1) gegen die Streithelferin W. keine Bindungswirkungen. Ein für die Streithelferin günstiges Beweisergebnis würde keine rechtliche Bindungswirkung im Verhältnis zur Antragsgegnerin zu 1) entfalten, denn eine solche tritt nur im Verhältnis von Nebenintervenient bzw. Streitverkündungsempfänger zur unterstützten Partei ein (Thomas/Putzo – Hüßtege, § 68 ZPO, Rn. 3). Eine Streitverkündung war durch die Antragsgegnerin zu 1) gegenüber der Streithelferin W. auch erfolgt. Die Interventionswirkung wirkt immer nur zuungunsten des Nebenintervenienten, nicht zuungunsten der unterstützten Partei. Dies folgt für den Fall der vorausgegangenen Streitverkündung aus § 74 Abs. 3 ZPO (vgl. Zöller/Vollkommner, 31. Auflage, 2016, Kommentar zur ZPO, § 68 Rn. 6), gilt aber auch, falls eine Streitverkündung zuvor nicht erfolgte, da eine unterschiedliche Interventionswirkung dem Gesetzeszweck widerspräche (vgl. Zöller/Vollkommner, a.a.O.). Eine etwaige Haftung bzw. der Ausschluss einer solchen Haftung der W. im Innenverhältnis zur Antragsgegnerin zu 1) können nicht mit bindender Wirkung festgestellt werden. Auch zielt das selbständige Beweisverfahren nur eine Mängelfeststellung im Verhältnis der Antragsteller zu den Antragsgegnern ab, das eigentliche „Obsiegen“ ist dem Hauptsacheprozess vorbehalten. Das mithin allenfalls tatsächliche Interesse der Streithelferin W. am „Obsiegen“ der Antragsteller genügt mithin nicht.
2.4. Soweit die Streithelferin vorträgt, dass es ihr darauf ankomme, dass alleine die Antragsgegnerin zu 1) aufgrund eines Planungsfehlers für die geltend gemachten Mängel haften möge (Schriftsatz vom 9.11.2016 und vom 11.1.2017), kann dies ein rechtliches Interesse am „Obsiegen“ der Antragsteller nicht begründen, denn ein dahingehendes „Obsiegen“ ist schon nicht von den Anträgen der Antragsteller im selbständigen Beweisverfahren gedeckt. Die Antragsteller streben gegenüber ihrer Vertragspartnerin die Feststellung von Mängeln und deren Ursachen an. Entscheidend ist für die Antragsteller einzig und allein, ob sie die Antragsgegnerin zu 1) für etwaig festgestellte Mängel in die Haftung nehmen können. Ob die Antragsgegnerin zu 1) ihrerseits im Innenverhältnis zu ihren Subunternehmern bei diesen Regress nehmen kann bzw. ob auch eine Haftung der Subunternehmer gegenüber der Antragsgegnerin zu 1) in Betracht kommt, ist für die Antragsteller irrelevant.
2.5. Soweit die Streithelferin vorträgt, dass ihr seitens der bislang unterstützten Antragsgegnerin ergänzende Fragen im Hinblick auf einen etwaigen Widerspruch im Sinn von § 67 ZPO verwehrt werden, ist dies ein rein tatsächliches Problem. Für ein rechtliches Interesse an einem Beitritt auf der Gegenseite genügt dies offensichtlich nicht. Im Übrigen stellt sich dieses Thema im Ausgangsverfahren immer im Verhältnis der unterstützen Partei zu dem Streithelfer, beschneidet dessen Rechte jedoch nicht, da er seine Einwände zu einem späteren Zeitpunkt in einem etwaigen Folgeprozess gegenüber der unterstützten Partei ohne Weiteres geltend machen kann, vgl. § 68 ZPO.
2.6. Ein rechtliches Interesse gem. § 66 Abs. 1 ZPO an einem Beitritt auf Seiten der Antragsteller hat die Streithelferin hier auch nicht wegen einer etwaigen gesamtschuldnerischen Haftung mit der Antragsgegnerin. Grundsätzlich gilt zwar: „Wer zu einem Gläubiger in einem Rechtsverhältnis steht, auf Grund dessen er diesem möglicherweise als Gesamtschuldner mit einem weiteren Schuldner haftet, hat ein rechtliches Interesse daran, dass eine Klage des Gläubigers gegen den weiteren Schuldner Erfolg hat“ (BGH a.a.O., NJW 2016, 2020, Rz. 17). Im vorliegenden Fall besteht zwischen den Antragstellern und der Streithelferin W. aber kein Vertragsverhältnis und auch sonst ist nicht ersichtlich, geschweige denn seitens der Streithelferin, die ihr rechtliches Interesse darlegen und glaubhaft machen muss, vorgetragen, dass eine gesamtschuldnerische Haftung von ihr und der Antragsgegnerin zu 1) gegenüber den Antragstellern in Betracht käme.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wurde gemäß § 3 ZPO festgesetzt unter Schätzung des hier relevanten eigenen Interesses der Streithelferin W. (Zöller – Vollkommer, § 71 ZPO, Rn. 7 a).
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen gemäß § 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.


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