IT- und Medienrecht

Zum Schadensersatzanspruch wegen sittenwidriger Schädigung gegen den Hersteller eines Fahrzeugs, in das eine Manipulationssoftware eingebaut wurde

Aktenzeichen  021 O 4310/16

Datum:
14.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
EWiR – 2019, 145
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 826

 

Leitsatz

Im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs nach § 826 BGB gegen den Hersteller eines Fahrzeugs wegen Einbaus einer Manipulationssoftware in Dieselmotoren ist der Kunde nicht zum Nutzungsersatz verpflichtet, da dies dem Gedanken des Schadensersatzes nach sittenwidriger Schädigung widerspräche. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger 29.907,66 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.01.2017 zu bezahlen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw VW Golf Plus Trendline 1,6 TDI, FIN: …
II. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Der Kläger hat die notwendigen Auslagen der Beklagten zu 1) zu tragen. Die Beklagte zu 2) hat ihre eigenen notwendigen Auslagen zu tragen sowie die notwendigen Auslagen des Klägers zu 1/2 und 1/2 der Verfahrenskosten. Der Kläger hat seine eigenen notwendigen Auslagen zu 1/2 zu tragen, sowie 1/2 der Verfahrenskosten.
IV. Das Urteil ist sowohl für den Kläger als auch für die Beklagten zu 1) und 2) jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht Augsburg auch gegenüber der Beklagten zu 2) örtlich zuständig. Gegenüber der Beklagten zu 2) werden Ansprüche aus unerlaubter Handlung geltend gemacht. Nach § 32 ZPO ist für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Diese Tatortzuständigkeit erfasst auch den Erfolgsort. Dies ist bei deliktischen oder sittenwidrigen Handlungen der Wohnort des Geschädigten.
II.
Die Klage ist nur gegenüber der Beklagten zu 2) begründet.
1. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten zu 2) einen Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB. Gegenüber der Beklagten zu 2) liegt keine unzulässige Änderung der Ausübung eines Gestaltungsrechts vor, denn die ursprünglich gegen die Beklagte zu 2) gerichteten Anträge und die zuletzt gestellten Anträge sind beide auf Schadensersatzansprüche wegen deliktischen Handelns gerichtet. Der Beklagten zu 2) ist auch ein sittenwidriges Verhalten vorzuwerfen. Es ist inzwischen allgemein bekannt und unstreitig, dass die Beklagte zu 2) in Dieselmotoren des Typs EA 189 eine Manipulationssoftware eingebaut hat, die zur Manipulation von Abgasgrenzwerten führte. Dieses Verfahren zielte darauf ab, Umsatzzahlen und im Ergebnis eigenen Gewinn der Beklagten zu 2) durch Täuschung der Kunden zu erzielen. Dieses Vorgehen der Beklagten zu 2) wurde massenhaft angewendet. Dies stellt ein sittenwidriges Verhalten im Sinne von § 826 BGB dar. Gegenüber der Beklagten zu 2) ist der Kläger auch nicht zum Nutzungsersatz verpflichtet (vgl. EuGH in NJW 08, 1433), denn dies widerspräche dem Gedanken des Schadensersatzes nach sittenwidriger Schädigung.
Der Antrag auf Feststellung, dass sich die Beklagte zu 2) mit der Rücknahme des im Klageantrag genannten Pkw im Annahmeverzug befindet, war zurückzuweisen, denn gegenüber der Beklagten zu 2) hat der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug nicht in einer Annahmeverzug begründenden Weise angeboten. Insoweit geht das Gericht allerdings von einer geringfügigen Zuvielforderung im Sinne von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gegenüber der Beklagten zu 2) aus.
Die geltend gemachten Zinsen sind nach § 291 BGB begründet.
2. Gegenüber der Beklagten zu 1) ist die Klage unbegründet, denn ihr gegenüber hatte der Kläger sowohl vorgerichtlich als auch mit den ursprünglichen Klageanträgen Minderung geltend gemacht. Der zuletzt von dem Kläger gegenüber der Beklagten zu 1) gestellte Antrag auf Rückabwicklung des Kaufvertrags nach erklärtem Rücktritt ist unbegründet, denn Rücktritt und Minderung schließen einander aus. Deshalb ist ein Übergang von der Minderung zum Rücktritt nicht möglich. Deliktische Ansprüche sind gegenüber der Beklagten zu 1) nicht gegeben, denn sie muss sich etwaiges Verhalten der Beklagten zu 2) nicht zurechnen lassen.
3. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten gegen die Beklagte zu 1) scheiden mangels eines begründeten Hauptanspruchs aus. Gegenüber der Beklagten zu 2) ist eine vorgerichtliche anwaltliche Tätigkeit der Klägervertreter nicht nächgewiesen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.


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