IT- und Medienrecht

Zur Auslegung einer Förderrichtlinie für den ÖPNV

Aktenzeichen  W 6 K 16.1316

Datum:
28.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 6622
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
PBefG § 39
VO (EG) 1370/2007 Art. 3 Abs. 2, Art. 6

 

Leitsatz

1 Das Semesterticket stellt eine Fahrberechtigung für Studenten dar, für die das Studentenwerk ein Beförderungsentgelt entrichtet, und ist damit ein Tarif im Sinne des PBefG. (Rn. 27 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
2 Da die Förderrichtlinie eine allgemeine Vorschrift iSd VO (EG) 1370/2007 darstellt, in der ein Aufgabenträger einseitige Vorgaben im Hinblick auf den öffentlichen Personennahverkehr macht, die durch eine entsprechende Geldleistung kompensiert werden sollen, ist sie bei ihrer Auslegung an den unionsrechtlichen Vorgaben zu messen. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen des Beigeladenen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Klagegegenstand ist ausweislich der Klarstellung durch die Klägerin (nur) die Rechtsfrage, ob der Beklagte bei der Berechnung der Höhe des direkten Zuschusses für die Jahre 2014 und 2015 an die Klägerin die Einnahmen von 0,2% On-Top Zuschlag aus dem Semesterticket mit berücksichtigen durfte.
Die zulässige Klage ist unbegründet, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Aufhebung der Bewilligungsbescheide vom jeweils 23. November 2016 für die Zeiträume 2014 und 2015 soweit dort die Einnahmen aus dem Semesterticket hinsichtlich des On-Top Zuschlags in Höhe von 0,2% zur Abschmelzung mit herangezogen werden. Der Beklagte hat die Einnahmen aus dem Semesterticket nämlich zu Recht berücksichtigen und bei der Abschmelzung heranziehen dürfen, da es sich bei dem Semesterticket um einen Tarif im Sinne des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) und auch der „Förderrichtlinie des Landkreises M.-S. über den Ausgleich der integrationsbedingten Durchtarifierungs- und Harmonisierungsverluste und Einmalkosten im Raum des Verkehrsunternehmensverbundes M1.“ vom 19. Dezember 2012 bzw. in der aktualisierten Fassung vom 14. Oktober 2016 – Förderrichtlinie – handelt (hierzu unter 1.). Nachdem das Semesterticket auch nicht vom Anwendungsbereich der Förderrichtlinie ausgenommen ist, ist auch auf diesen Tarif der 0,2% On-Top Zuschlag gemäß § 3 Abs. 3 der FöRi anzuwenden (hierzu unter 2.).
Klarstellend ist festzuhalten, dass nachfolgend der Vereinfachung halber stets die „Förderrichtlinie (FöRi)“ genannt wird, ungeachtet der Tatsache, ob – je nach Zuschussjahr 2014 bzw. 2015 – auf die Fassung vom 19. Dezember 2012 oder vom 14. Oktober 2016 abgestellt wird, da sich die hier streitentscheidenden Regelungen der Förderrichtlinie im Hinblick auf die Kompensationen 1 und 2 durch die Modifizierung vom 14. Oktober 2016 nicht geändert haben. Dies ist im Hinblick auf den Anlass der Modifikation der Förderrichtlinie zum 1. August 2015 mit Änderung vom 14. Oktober 2016 zu sehen: Die Modifizierung der Förderrichtlinie war ausweislich ihrer Präambel erforderlich geworden, da es zu einer Reduzierung der Wabenzahl von 15 auf 12 gekommen war und die Nachfrage der Bahn von 2008 bis 2013 unerwartet stark zugenommen hat, so dass die H& D-Verluste aus dem ursprünglich der Förderrichtlinie zu Grunde gelegten Planfall 5b die tatsächlichen Mindererlöse zum Zeitpunkt der Verbundintegration nicht adäquat abgebildet haben. Folglich war der Wechsel zum Planfall 6 mit aktualisierten Berechnungsergebnissen geboten. Da die konkrete Berechnung der Zuschusshöhe insgesamt von der Klägerseite explizit ausgeschlossen wurde, wirken sich die Änderungen der Modifizierung der Förderrichtlinie vom 14. Oktober 2016 nicht auf den hiesigen Streitgegenstand aus. Nur sofern sich die beiden Fassungen bei der Bezugnahme dennoch unterscheiden, wird auf die „Förderrichtlinie 2012“ bzw. „Förderrichtlinie 2016“ verwiesen.
Gemäß § 3 Abs. 4 der FöRi wird die Zuschusshöhe, die vom Beklagten zu leisten ist, durch den On-Top Zuschlag, der auf die Tarife der Klägerin anzusetzen ist, gemindert bzw. abgeschmolzen. Da die Einnahmen aus dem Semesterticket dieser Regelung unterfallen und somit mit einem Zuschlag von 0,2% zusätzlich im Rahmen der Abschmelzung der direkten Zuschüsse zu berücksichtigen sind, sind die beiden verfahrensgegenständlichen Bewilligungsbescheide rechtmäßig ergangen.
1. Das Semesterticket stellt eine Fahrberechtigung für Studenten dar, für die das Studentenwerk ein Beförderungsentgelt entrichtet. Damit ist es ein Tarif im Sinne des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) und unterfällt grundsätzlich dem Anwendungsbereich des § 3 Abs. 3 der FöRi.
Dies ergibt sich zum einen aus dem gesetzlichen Rahmen, zum anderen aus den zwei von der Klägerin vorgelegten Vereinbarungen vom 18. Dezember 2012 und 11. November 2015 mit dem Studentenwerk W., welche die vertraglichen Regelungen des Semestertickets darstellen.
Nach den vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und dem Studentenwerk dürfen alle Studierende der Universität W., der Hochschule für Musik und der Fachhochschule W.-Sc., Abteilung W., für insgesamt zwei Semester alle in den Verkehrsverbund der Klägerin integrierten Straßenbahn- und Busverbindungen sowie der DB-Schiene kostenlos benutzen (vgl. § 1 Nr. 1 der Vereinbarungen). Als Gegenleistung für die Fahrberechtigung (Beförderungsentgelt) erhält der VVM einen bestimmten Betrag pro Semester für jeden der fahrberechtigten Studierenden, unabhängig davon, ob die Verkehrsmittel tatsächlich in Anspruch genommen werden oder genommen werden können (vgl. § 2 Nr. 1 der Vereinbarungen). Die Vereinbarung des Semestertickets stellt damit eine besondere vertragliche Regelung der Beförderung zwischen dem Studentenwerk und der Klägerin zu Gunsten der Studenten dar, welche gegen die Zahlung eines zuvor festgelegten Betrages an das Studentenwerk berechtigt sind, das Verkehrsangebot der Klägerin zu nutzen. Mit dem Semesterticket sind die Inhaber berechtigt, innerhalb eines bestimmten Zeitraums, vorliegend ein Jahr, beliebig viele Fahrten, nicht nur zu Ausbildungszwecken, zu unternehmen. Es handelt sich folglich um einen Vertrag zugunsten Dritter, da das Studentenwerk das Beförderungsentgelt als einen Gesamtbetrag an die Klägerin zahlt (vgl. § 2 Nrn. 4 und 5 der Vereinbarungen). Die gesetzliche Ermächtigung des Studentenwerks zur Erhebung des Betrages gegenüber den Studenten ergibt sich aus Art. 95 Abs. 4 Satz 1 des Bayerischen Hochschulgesetzes (BayHSG). Demnach ist das Studentenwerk ermächtigt, einen zusätzlichen Beitrag für die Beförderung oder die zu einem ermäßigten Beförderungsentgelt mögliche Beförderung der Studierenden im öffentlichen Nahverkehr zu erheben. Ein Beförderungsentgelt ist hierbei die Vergütung, die dem Unternehmer für vertragliche Beförderungsleistung zusteht. Gemäß § 1 Abs. 1 PBefG ist eine Beförderung dann entgeltlich, wenn sie auf eine geldwerte Gegenleistung gerichtet ist, insbesondere den Fahrpreis (BGH, U.v. 14.5.1981 – IV ZR 233/79). Auch aus dem Wortlaut der Vertragsvereinbarungen zwischen der Klägerin und dem Studentenwerk ergibt sich, dass im dortigen § 2 der Vereinbarungen ebenfalls von „Beförderungsentgelt“ bzw. „Entgelten“ gesprochen sowie festgelegt wird, dass eine „Tarifanpassung“ im laufenden Semester nicht möglich sei. Auch die Tatsache, dass der mit dem Studentenwerk ausgehandelte Betrag Gegenstand einer tarifrechtlichen Beurteilung ist und die Zustimmung der Genehmigungsbehörde erfordert, weist deutlich auf die Eigenschaft als Tarif im Sinne des Personenbeförderungsgesetzes hin. Mit der gesonderten Vereinbarung eines Fahrpreises für das Semesterticket zwischen der Klägerin und dem Studentenwerk wird von der üblichen Tarifstruktur der Klägerin abgewichen, was eine Verbilligung bzw. Änderung des Beförderungsentgeltes im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 1 PBefG darstellt. Das Beförderungsentgelt ist hierbei die vereinbarte Gesamtsumme, die das Studentenwerk an das Verkehrsunternehmen, hier die Klägerin, abführt.
Die Argumentation der Klägerin, dass die Vereinbarung zwischen ihr und dem Studentenwerk ein Verhandlungsergebnis darstelle und damit nicht mit dem Zustandekommen der sonstigen Tarife zu vergleichen sei, steht dem nicht entgegen. Denn die Bestimmung der Fahrpreise gehört zur Berufsfreiheit der Unternehmen und der allgemeinen Handlungsfreiheit der Fahrgäste – hier die Studierenden vertreten durch das Studentenwerk –, was auch in § 3 Abs. 2 Satz 1 PBefG bestätigt wird, wonach der Unternehmer den Verkehr auf eigene Rechnung und damit eigenwirtschaftlich betreiben muss. Diese Freiheit betrifft jeden einzelnen Beförderungsvertrag. Daher bleibt es der Klägerin grundsätzlich unbenommen, mit ihren Kunden gesonderte Entgelte zu vereinbaren; sobald diese Vereinbarungen von der allgemeingültigen Tarifstruktur abweichen, unterliegen sie jedoch dem behördlichen Genehmigungsvorbehalt gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 PBefG. Dass gesonderte Tarife zugunsten von Studenten und Auszubildenden nicht unüblich sind, zeigt § 45a Abs. 1 PBefG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) der Verordnung über den Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Leistungen im Straßenpersonenverkehr (PBefAusglV), wonach auch Studenten als Auszubildende auszusehen sind. In diesem Zusammenhang ist es auch sinnvoll, die Geltungsdauer des Ausbildungstarifs bzw. Semestertickets abweichend von den übrigen Tarifen der Klägerin an die jeweiligen Ausbildungszeiträume, vorliegend die Semesterabschnittszeiten, zu knüpfen. Dies spricht jedoch nicht dagegen, dass es sich hierbei um einen Tarif im beförderungsrechtlichen Sinne handelt. Ebenso wenig greift der Einwand der Klägerin durch, dass bei dem Semesterticket in den letzten Jahren unterschiedliche Erhöhungen als bei den sonstigen Tarifen stattgefunden hätten; so führt die Klägerin selbst aus, dass das Semesterticket bei der Preisbildung einem anderen Mechanismus unterliegt. Dieser Preisbildungsmechanismus ist jedoch von der vertraglichen Gestaltungsfreiheit der Vertragsparteien gedeckt und findet seine Grenze in der Genehmigungsfähigkeit im Rahmen des § 39 Abs. 1 Satz 1 PBefG.
2. Das Semesterticket ist nicht aus dem Anwendungsbereich der Förderrichtlinie ausgenommen, somit ist es ein Tarif, auf den der 0,2% On-Top Zuschlag gemäß § 3 Abs. 3 der FöRi anzuwenden ist. Zu diesem Ergebnis kommt man nach Auslegung der Förderrichtlinie (sowohl in der Fassung vom 19. Dezember 2012 als auch in der geänderten Fassung vom 14. Oktober 2016) unter Einbeziehung ihrer jeweiligen Anlagen 1 (Aufstellung der H& D-Verluste), der Anlage 4 zur FöRi 2012 (auszugsweise vorgelegtes Gutachten „W. GmbH“ vom April 2012 – WVI-Gutachten 2012) bzw. dem Arbeitspapier der WVI vom 8. Dezember 2015 als Anlage zur FöRi 2016, sowie bei Berücksichtigung der Systematik und dem Sinn und Zweck der Förderrichtlinie.
Hierbei ist unerheblich, ob die Klägerin für die streitgegenständlichen Zeiträume 2014 und 2015 den On-Top Zuschlag auf die jeweils gültigen Semesterticket-Tarife erhoben hat. Denn auch bei einer unterlassenen Erhebung eines (zulässigen) On-Top Zuschlags muss sich die Klägerin gemäß § 6 Abs. 4 der FöRi bei der Abschmelzung so behandeln lassen, wie wenn sie die Tariferhöhung vorgenommen hätte.
2.1. Ausweislich des Wortlauts in der Förderrichtlinie selbst – sowohl in der Fassung von 2012 als auch 2016 – wurde das Semesterticket nicht aus dem Geltungsbereich ausgenommen. Die einzige explizite Erwähnung des Semestertickets findet sich in Anlage 1 zur Förderrichtlinie 2012, welche die konkreten Harmonisierungs- und Durchtarifierungsverluste aufgrund der Integration des Landkreises M.-S. für die einzelnen Verkehrsunternehmen abhängig von Fahrplan bzw. Strecke auflistet. In der dort abgebildeten Tabelle findet sich in der Oberzeile bei der Spalte der Verluste der Begriff „Gesamt (ohne Semesterticket)“. Soweit jedoch die Klägerin daraus ableiten möchte, dass hierdurch das Semesterticket aus dem Anwendungsbereich der Förderrichtlinie insgesamt ausgenommen werden sollte, kann sie mit diesem Argument nicht durchdringen. Aus den Ausführungen des WVI-Gutachtens 2012 geht nämlich hervor, dass die Verluste, die durch das Semesterticket entstanden sind, lediglich bei der Berechnung ausgenommen und deshalb nicht miteinbezogen wurden, weil sie nicht bezifferbar sind. Dies ergibt sich aus den Ausführungen des WVI-Gutachtens 2012 auf Seite 52, wo es heißt: „Das Semesterticket wird separat ausgewiesen, da es über eine besondere Vertragslage in den VVM-Tarif eingebunden ist.“ Weiter heißt es in eben jenem Gutachten auf Seite 55 bei der Erklärung des der Förderrichtlinie 2012 zu Grunde liegenden Planfalls 5b: „Die Ausdehnung des Gültigkeitsgebietes des Semestertickets wird als unabhängig von der Realisierung der Integration des MSP in den VVM angesehen, da das Semesterticket eine andere Vertragsgrundlage besitzt als die Erweiterung des VVM-Gebietes. Die Harmonisierungsverluste durch das Semesterticket wird [sic] deshalb getrennt von den H& D-Verlusten durch die Integration des MSP in den VVM zu [sic] betrachtet.“
Dies korrespondiert zum einen mit den bereits oben getätigten Ausführungen unter 1., wonach das Semesterticket ein gesondert vereinbarter Tarif zwischen der Klägerin und dem Studentenwerk ist. Zum anderen ergibt sich aus diesen gutachterlichen Bemerkungen, dass die rechnerische Herausnahme der Verluste der Verkehrsunternehmen durch die erweiterte Geltung des Semestertickets im Gebiet des Beklagten lediglich einer unterschiedlichen Berechnungsweise geschuldet war, die zu einer gesonderten Bezifferung bzw. Ausweisung des Betrags führen. Es lässt sich jedoch nicht daraus schließen, dass das Semesterticket als solches aus dem Anwendungsbereich der Förderrichtlinie insgesamt hätte ausgeschlossen werden sollen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass in dem ebenfalls als Anlage K3 vorgelegten Arbeitspapier der WVI vom 13. Dezember 2016, welches die Erläuterungen zum Verwendungsnachweis der H& D-Ausgleichszahlungen im Zeitraum August 2013 bis Dezember 2015 zum Inhalt hat, stets auch die Abschmelzung für das Semesterticket analog zu den sonstigen Abschmelzungen berechnet wurden (so beispielsweise Anlage K 3, S. 8, S. 9, S. 10). Nachdem dieser Verwendungsnachweis dafür gedacht ist, zu verhindern, dass die Klägerin im Hinblick auf ihre Verluste überkompensiert wird (vergleiche § 7 der FöRi) spricht dies ebenfalls dafür, dass das Semesterticket auch von Seiten des Gutachterbüros nicht aus dem Anwendungsbereich der Förderrichtlinie ausgenommen werden sollte. Überdies fällt auf, dass in der Anlage 1 zur FöRi 2016, welche ebefalls die H& D-Verluste im Landkreisgebiet des Beklagten beziffert (hier nach Planfall 6 mit Datum vom 8.12.2015) in der obersten Kopfzeile bei der Auflistung der einzelnen Gewinne und Verluste der jeweiligen Unternehmen und Strecken in der entsprechenden Zeile nur noch „Gesamt €“ steht, ohne das Semesterticket auszunehmen wie in der Anlage 1 zu FöRi 2012. Bei den Berechnungsergebnissen im WVI-Arbeitspapier zum Planfall 6 vom 8. Dezember 2015 (Tabelle „Abbildung 1“) sind in Spalte „E“ wieder eine Berechnung „Gesamt {ohne Semesterticket)“, sowie in Spalte „N“ die Verluste im Hinblick auf das „Semesterticket“ ausgewiesen. Dies zeigt ebenfalls auf, dass das Semesterticket lediglich bei der Berechnung gesondert behandelt und ausgewiesen wurde, jedoch nicht aus dem Anwendungsbereich der Förderrichtlinie 2012 und 2016 ausgenommen wurde.
2.2. Ebenso wenig kommt man im Rahmen der Auslegung zu einer Herausnahme des Semestertickets aus dem Anwendungsbereich der FöRi 2012 und 2016.
Die Auslegung nach Sinn und Zweck der Förderrichtlinie streitet vielmehr für eine Anwendung auf das Semesterticket. So bestimmt § 3 Abs. 4 FöRi, dass die Kompensation 2, d.h. der On-Top Zuschlag von 0,2% auf die Tarife der Klägerin, die Fahrgeldeinnahmen der Klägerin erhöht und dadurch zum Abschmelzen der Kompensation 1, nämlich des jährlichen Direktzuschusses durch den Beklagten, führt. Allgemeine Fahrgeldeinnahmen, d.h. Beförderungsentgelte, sind auch Einnahmen aus dem Verkauf des Semestertickets (s.o. 1.). Bei der Förderrichtlinie handelt es sich um eine allgemeine Vorschrift i.S.d. VO (EG) 1370/2007 Art. 3 Abs. 2, in der ein Aufgabenträger (hier der Beklagte) einseitige Vorgaben im Hinblick auf den öffentlichen Personennahverkehr macht, die durch eine entsprechende Geldleistung kompensiert werden sollen. Daher ist die Förderrichtlinie bei ihrer Auslegung an den Vorgaben der VO (EG) 1370/2007 zu messen. Diese regelt die Vergabe und Finanzierung von im öffentlichen Interesse liegenden Personenverkehrsleistungen durch die dafür zuständigen Behörden, die auf Basis der am Markt erzielbaren Erlöse von Verkehrsunternehmen nicht erbracht werden. Hauptziele der Verordnung sind die Gewährleistung sicherer, effizienter und hochwertiger Personenverkehrsdienste durch regulierten Wettbewerb, der auch die Transparenz und Leistungsfähigkeit öffentlicher Personenverkehrsdienste garantiert, und zwar unter Berücksichtigung sozialer, umweltpolitischer und raumplanerischer Faktoren, sowie das Angebot spezieller Tarifbedingungen zugunsten bestimmter Gruppen von Reisenden. Die von den zuständigen Behörden gewährten Ausgleichsleistungen zur Deckung der Kosten, die durch die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Aufgaben verursacht werden, sollten so berechnet werden, dass übermäßige Ausgleichsleistungen vermieden werden (vgl. VO (EG) 1370/2007, Präambel Grund Nr. 27). Bei der Förderrichtlinie des Beklagten handelt es sich um die konkrete Regelung der Bezuschussung der Klägerin, welche die hier benachteiligten Verkehrsunternehmen im Gebiet des Beklagten repräsentiert. Überdies sind bei jeglichen Förderungen durch die öffentliche Hand stets auch haushaltsrechtliche Grundsätze zu beachten, insbesondere die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Mittelverwendung und die Vollständigkeit der Einnahmenbeschaffung (Art. 55, 56 LkrO, Art. 7, 34 BayHO). Dies ergibt sich hier auch aus Art. 6 der VO (EG) 1370/2007 i.V.m. den Bestimmungen des Anhangs (Regeln für die Gewährung von Ausgleichsleistungen). So entspricht es haushaltsrechtlichen Grundsätzen, dass ein direkter Zuschuss nur solange wie erforderlich auszuzahlen ist, im Umkehrschluss also eine Abschmelzung so schnell wie möglich zu erfolgen hat. Es ist deshalb nahe liegend, dass auch die Semesterticketeinnahmen – welche ein Beförderungsentgelt darstellen – mit 0,2% On-Top Zuschlag zu belegen sind, da dies im Sinne der o.g. haushaltsrechtliche Grundsätze zu einer schnelleren Abschmelzung der durch den Beklagten zu leistenden Kompensation 1 und damit zu einem früheren Ende der direkten Bezuschussung der Klägerin durch den Beklagten führt. Das Argument der Klägerin, es wäre ungerechtfertigt, wenn Studenten ebenfalls den On-Top Zuschlag mittragen würden und dies nicht vom Studentenwerk gefördert würde, greift nicht durch. Das Semesterticket ist ein Sondertarif, der sich selbst nicht trägt und der nur deshalb bestehen kann, weil die übrigen Fahrgäste im Verkehrsverbund der Klägerin diesen mit ihren Fahrpreisen indirekt mit unterstützen (sog. Quer-Subventionierung). Daher ist es nicht unbillig, wenn die Studenten sich ebenso wie alle anderen Fahrgäste im Verkehrsverbund der Klägerin über einen 0,2% On-Top Zuschlag an einer schnellstmöglichen Abschmelzung beteiligen.
Nichts anderes ergibt sich im Blick auf die Modifikation der Förderrichtlinie zum 1. August 2015 mit Änderung vom 14. Oktober 2016. Die Anpassung der Förderrichtlinie 2012 war ausweislich der Präambel der Förderrichtlinie 2016 erforderlich geworden, da es zu einer Reduzierung der Wabenzahl von 15 auf 12 gekommen war; überdies geht aus dem dazugehörenden Arbeitspapier der WVI vom 8. Dezember 2015 hervor, dass die Nachfrage der Bahn von 2008 bis 2013 unerwartet stark zugenommen hat, so das H& D-Verluste aus dem ursprünglich der Förderrichtlinie zu Grunde gelegten Planfall 5b die tatsächlichen Mindererlöse zum Zeitpunkt der Verbundintegration nicht adäquat abgebildet haben und weitere diverse Rahmenbedingungen in der Berechnung der Mindererläse verändert wurden (vgl. WVI-Arbeitspapier v. 8.12.2015, S. 1). Folglich war der Wechsel zum Planfall 6 mit aktualisierten Berechnungsergebnissen geboten. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass es bereits zum damaligen Zeitpunkt der Modifikation der Förderrichtlinie 2012 unterschiedliche Meinungen in Hinblick auf die Anwendung der Förderrichtlinie auf das Semesterticket gegeben habe und deshalb die Modifikation der Förderrichtlinie diesbezüglich eine Klarstellung hätte aufnehmen müssen, dringt sie damit nicht durch. Wie von den Vertretern des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung erläutert, gab es im September bzw. Oktober 2016 elektronischen Schriftverkehr und Telefonate zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen, sowie Besprechungen zwischen der Klägerin und dem Beklagten, bei denen festgestellt worden ist, dass aus Sicht sowohl des Beklagten als auch des Beigeladenen bei den Abschmelzungen ebenfalls die 0,2% On-Top Zuschlag auf das Semesterticket zu berücksichtigen seien (vgl. den in der mündlichen Verhandlung zur Akte gegebenen Ausdruck der E-Mail der Regierung von U. vom 5.10.2016, 15:39 Uhr, an die Klägerin).
Die Argumentation der Klägerin, das Semesterticket hätte explizit in die Förderrichtlinie aufgenommen werden müssen, wenn es denn unter deren Anwendungsbereich fallen solle, ist angesichts der oben dargestellten Umstände, wonach es sich bei dem Semesterticket um einen Tarif handelt, der Einnahmen aus Beförderungsentgelt einbringt (s.o. 1.), nicht zutreffend.
2.3. Der von der Klägerin herangezogene Vergleich mit dem Landkreis Kitzingen und der Tatsache, dass im Rahmen der dortigen Vereinbarung das Semesterticket bzw. die Einnahmen daraus nicht dem 0,2% On-Top Zuschlag unterlegen seien, ist nicht zielführend. Zunächst ist zu beachten, dass im vorliegenden Verfahren die Grundlage eine Förderrichtlinie, d.h. eine allgemeine Vorschrift und damit eine einseitige Bestimmung, ist, im anderen Sachverhalt jedoch die Klägerin mit dem Landkreis Kitzingen einen Kooperationsvertrag, d.h. eine bilaterale vertragliche Regelung, abgeschlossen hat. Es handelt sich hierbei schon nicht um vergleichbare Sachverhalte, sodass sich aus etwaigen vertraglichen Vereinbarungen mit einem anderen Vertragspartner als dem hier Beklagten keine Schlüsse für das hiesige Verfahren ziehen lassen. Überdies handelt es sich bei dem Kooperationsvertrag mit dem Landkreis Kitzingen aus dem Jahr 2009 um einen anderen Sachverhalt, der nicht nur einen anderen Geltungsbereich hat, sondern auch eine andere Gebietskörperschaft und damit eine andere juristische Person betrifft. Am Rande ist anzumerken, dass sich aus den von der Klägerseite vorgelegten Unterlagen (klägerischer Schriftsatz v. 13.3.2018, Kooperationsvertrag zwischen der Klägerin und dem Landkreis Kitzingen – K 15) die behauptete Herausnahme des Semestertickets aus den dortigen Vereinbarungen nicht explizit herauslesen lässt. Es ergibt sich lediglich aus dem dortigen Gutachten (WVI-Gutachten vom Mai 2009, Anlage 1 zu K 15), dass Einnahmen aus dem Semesterticket nicht berücksichtigt werden könnten, da Auswirkungen der Ausweitung des Gültigkeitsgebietes des Semestertickets auf den Landkreis Kitzingen nicht dargestellt werden können, da die zusätzlichen Einnahmen aus dem Semesterticket nicht vorliegen (WVI-Gutachten vom Mai 2009, S. 48).
2.4. Das von der Klägerin vorgebrachte Argument, die Verluste aus dem Semesterticket seien bereits über einen einmaligen Aufschlag auf das Semesterticket zum Sommersemester 2014 abgegolten, sodass sie nicht mehr unter die Kompensationsregelung mit den laufenden On-Top Zuschlägen fallen könnten, geht fehl. So vermischt die Klägerin hierbei die Kompensation 2 (0,2% On-Top Zuschlag zur Abschmelzung des Direktzuschusses) mit dem Ausgleich der H& D-Verluste über den Direktzuschuss durch den Beklagten (Kompensation 1). Unstrittig ist, dass das WVI-Gutachten von April 2012, welches der Förderrichtlinie 2012 zu Grunde liegt, die Verluste aus dem Semesterticket mit 19.434 EUR bezifferte. Dieser Verlust wurde im Rahmen der Modifizierung der Förderrichtlinie 2016 vom Gutachter mit 26.306 EUR beziffert (WVI-Arbeitspapier v. 8.12.2015, Abbildung 1: Tabellenspalte N). Diese Verluste waren nicht im Rahmen der § 3 Abs. 1, Abs. 2 der FöRi einbezogen und wurden nicht im Rahmen des Direktzuschusses (Kompensation 1) gemäß § 3 Abs. 2 der FöRi ausgeglichen. Wie sich aus der als Anlage K 9 vorgelegten E-Mail der Regierung von U. vom 19. September 2013 ergibt, sollte dieser negative Betrag durch einen einmaligen Zuschlag für Sondereffekte um 0,12 EUR, welcher zufällig in Prozentzahlen ebenfalls 0,2% beträgt, ausgeglichen werden. Die Vertreter des Beigeladenen haben in der mündlichen Verhandlung erneut bestätigt, dass es sich bei diesem einmaligen Zuschlag für Sondereffekte in Höhe von 0,12 EUR um einen Ausgleich im Rahmen der Kompensation 1 gehandelt habe. Des Weiteren ergibt sich aus dieser E-Mail vom 19. September 2013, dass bei der jährlichen Anpassung der Verbundtarife grundsätzlich ein Zuschlag von 0,2% auch auf das Semesterticket vorgenommen werden soll (Kompensation 2), mit dem die verbundbedingten H& D-Verluste abgeschmolzen werden. Dies ist auch in der Gesamtbetrachtung schlüssig. Die Abschmelzung der H& D-Verluste soll über zwei Kompensationsmechanismen erfolgen, einmal über eine direkte Zuschusszahlung seitens des Beklagten, zum anderen über die Beteiligung sämtlicher Fahrgäste durch die Entrichtung des On-Top Zuschlags in Höhe von 0,2% auf das geltende Tarifsystem. Aus der E-Mail vom 19. September 2013 geht hervor, dass für die Verluste in Höhe von 19.434 EUR (Stand 2012), welche nicht durch den Beklagten selbst im Rahmen seiner direkten Zuschüsse berücksichtigt werden, einmalig die Studenten mit einer Erhöhung herangezogen werden sollen. Diese direkte Bezuschussung entspricht auch dem Grundgedanken der Kompensation 1. Die Höhe des Semestertickets wurde so von der Klägerin mit dem Studentenwerk vereinbart und vom Beigeladenen genehmigt.
Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gemäß § 162 Abs. 3 VwGO sind die Kosten des Beigeladenen nur dann im Sinne einer Billigkeitsentscheidung erstattungsfähig, wenn der Beigeladene erfolgreich Anträge gestellt hat oder er das Verfahren sonst wesentlich gefördert hat (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 162 Rn. 23). Zwar hat der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung keinen eigenen Antrag gestellt. Jedoch ist vorliegend festzustellen, dass der Beigeladene den Prozess wesentlich gefördert hat, da er sowohl schriftsätzlich als auch in der mündlichen Verhandlung wichtige und für die Entscheidungsfindung maßgebliche Tatsachen vorgetragen hat.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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