IT- und Medienrecht

Zur Umdeutung eines Beitragsfestsetzungsbescheides im Rahmen des Widerspruchsverfahrens.

Aktenzeichen  AN 6 S 20.00290

Datum:
3.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 51782
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RBStV § 2
RBStV § 3
BayVwVfG Art. 47

 

Leitsatz

Die Bedeutung des Wohnungsbezugs für die Beitragserhebung im privaten Bereich erschöpft sich nicht darin, abstrakter Anknüpfungspunkt für den Vorteilsausgleich zu sein, sondern die Beitragserhebung im privaten Bereich ist in § 2 RBStV so konzipiert worden, dass es entscheidend darauf ankommt, auf welche genau bestimmte Wohnung sich die Beitragspflicht und die Beitragserhebung beziehen. Einer nachträglichen „Auswechselung“ der in Bezug genommenen konkreten Wohnung ist damit aber der rechtliche Boden entzogen.

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 12. Dezember 2017 gegen den Festsetzungsbescheid des Antragsgegners vom 1. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. November 2017 wird insoweit angeordnet, als dort Rundfunkbeiträge für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis zum 30. September 2014 festgesetzt worden sind.
2. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
3. Von den Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin 2/5 und der Antragsgegner 3/5 zu tragen.
4. Der Streitwert wird auf 158,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Vollziehbarkeit von drei Rundfunkbeitragsfestsetzungsbescheiden im privaten Bereich.
Der Antragsgegner setzte gegenüber der Antragstellerin unter der Beitragsnummer … jeweils für die Adresse … in … offene Rundfunkbeiträge nebst Säumniszuschlägen mit folgenden Bescheiden fest:
– Festsetzungsbescheid vom 1. Juni 2015 für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Januar 2015 in Höhe von insgesamt 457,50 EUR;
– Festsetzungsbescheid vom 2. Oktober 2015 für den Zeitraum vom 1. Februar 2015 bis zum 31. Juli 2015 in Höhe von insgesamt 113,96 EUR;
– Festsetzungsbescheid vom 2. November 2015 für den Zeitraum vom 1. August 2015 bis 31. Oktober 2015 in Höhe von insgesamt 60,50 EUR;
– Festsetzungsbescheid vom 4. März 2016 für den Zeitraum vom 1. November 2015 bis zum 31. Januar 2016 in Höhe von insgesamt 60,50 EUR.
Gegen diese Festsetzungsbescheide legte die Antragstellerin jeweils mit Schreiben vom 28. Juni 2015, vom 12. November 2015, vom 4. Dezember 2015 und vom 10. April 2016 Widerspruch ein, wobei sie anzweifelte, dass es sich bei den Festsetzungen um ein behördliches Schreiben oder gar um einen Verwaltungsakt handele. Es sei bereits keine etwaige erlassene Behörde zu entnehmen, deren Zuständigkeit überdies noch zu prüfen wäre, weshalb ernstliche bis hin zu erheblichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit bestünden. Darüber hinaus fehle es an weiteren grundlegenden Formvorschriften eines Verwaltungsaktes und einem Nachweis der Berechnungsgrundlagen. Auch wäre ein Festsetzungsbescheid als Grundlage einer etwaigen Zahlungspflicht sowieso ungeeignet und somit nichtig. Ferner wurde auf Beschlüsse des LG Tübingen verwiesen.
Die erhobenen Widersprüche wurden mit Widerspruchsbescheid vom 13. November 2017 vom Antragsgegner zurückgewiesen. In diesem Zuge wurde der Festsetzungsbescheid vom 1. Juni 2015 im Wege der Umdeutung dahingehend geändert, dass Rundfunkbeiträge für den Zeitraum Januar 2013 bis September 2014 nicht für die im Bescheid genannte Wohnung „… …, … …“, sondern für die Wohnung „…, … …“ festgesetzt werden. Zur Begründung wurde insbesondere angeführt, dass die Einwohnermeldebehörde dem Bayerischen Rundfunk im Mai 2014 mitgeteilt habe, dass die Antragstellerin seit Dezember 2008 unter der Anschrift „…, … …“ gemeldet sei. Mit Schreiben vom 23. Juli 2014 und vom 20. August 2014 sei die Antragstellerin über die Beitragspflicht für Wohnungen informiert worden und es sei angefragt worden, ob bereits Rundfunkbeiträge für deren Wohnung entrichtet würden. Eine Antwort sei nicht eingegangen. Daher sei die Antragstellerin unter der Beitragsnummer … ab Januar 2013 mit einer Wohnung unter der Anschrift „…, … …“ als Beitragsschuldnerin angemeldet worden. Die Anmeldung sei mit Schreiben vom 23. September 2014 bestätigt worden. Eine Zahlung sei nicht erfolgt. Die D. P. AG habe das Schreiben vom 23. September 2014 als nicht zustellbar zurückgesandt. Mit Meldesatz vom 22. Oktober 2014 habe die Einwohnermeldebehörde den Umzug der Antragstellerin am 1. Oktober 2014 mitgeteilt und die aktuelle Anschrift „…, … …“ genannt. Die Widersprüche seien vor diesem Hintergrund zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet. Die Bescheide seien formell und materiell rechtmäßig. Speziell zum Festsetzungsbescheid vom 1. Juni 2015 führte der Antragsgegner insofern insbesondere aus, dass in diesem fehlerhaft Rundfunkbeiträge für den Zeitraum Januar 2013 bis September 2014 für die Wohnung „…, … …“ statt für die Wohnung „…, … …“ festgesetzt worden seien. Insoweit werde der Festsetzungsbescheid im Wege der Umdeutung nach § 47 VwVfG geändert.
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 12. Dezember 2017, eingegangen bei Gericht per Telefax am selben Tag, ließ die Antragstellerin hiergegen Klage erheben (AN 6 K 17.02578) mit dem Antrag, die Festsetzungsbescheide des Antragsgegners vom 1. Juni 2015, vom 2. Oktober 2015, vom 2. November 2015 und vom 4. März 2016, jeweils in Gestaltung des Widerspruchsbescheids des Antragsgegners vom 13. November 2017, aufzuheben.
Die Klage wurde unter Bezugnahme auf Entscheidungen des LG Tübingen sowie des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 27.9.2017 – 6 C 32.16) und offene Verfahren beim Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen damit begründet, dass der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag i.V.m. dem Zustimmungsgesetz des Freistaats Bayern hierzu gegen höherrangiges Recht verstoße. Insbesondere wurde vorgebracht, dass es bei den Rundfunkanstalten an der nötigen Distanz zum Staat und den diesen beherrschenden Parteien fehle. Ferner wurde auf eine umfangreiche persönliche Klagebegründung der Antragstellerin Bezug genommen. Im weiteren Verfahren wurde noch vorgebracht, dass der Rundfunkbeitrag auch datenschutzrechtlich nicht mehr zu rechtfertigen sei. Darüber hinaus wurde ins Feld geführt, dass die bereits gesetzlich begründete Zahlungspflicht, für welche es nicht auf den Erlass eines vorherigen Bescheids ankomme, nicht mit der grundgesetzlich garantierten Rechtschutzgarantie vereinbar sei. Außerdem gebe es für die vorliegend erfolgte Zwangsanmeldung keine Ermächtigungsgrundlage. Zudem sei die materielle Behördeneigenschaft des Beklagten zweifelhaft. Schließlich hätten die Festsetzungsbescheide nicht in einem vollautomatisierten Verfahren erstellt werden dürfen, da es hierzu an einer Rechtsgrundlage im BayVwVfG fehle.
Mit Schreiben vom 20. Februar 2020, eingegangen bei Gericht am selben Tag, ließ die Antragstellerin beantragen,
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die angefochtenen Bescheide wird angeordnet.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der zuständige Gerichtsvollzieher die Antragstellerin zur Abnahme der Vermögensauskunft für den 5. März 2020 geladen habe. Damit drohe ihr eine einschneidende Vollstreckungsmaßnahme. Es bedürfe daher eines sofortigen Einschreitens des Gerichts. Zudem bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide, was sich aus den bisherigen Schriftsätzen ergebe.
Dem Antrag beigefügt waren ein Schreiben des Hauptgerichtsvollziehers vom 10. Februar 2020 sowie ein Abdruck des Vollstreckungsersuchens des Antragsgegners an das Amtsgericht … vom 1. Februar 2020 nebst Ausstandsverzeichnis.
Die Antragsgegnerseite trat dem Antrag mit Schreiben vom 26. Februar 2020 entgegen und ließ auf den Vortrag in der Sache AN 6 K 17.02578 verweisen. Es bestünden keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide, auch nicht in Hinblick auf die im Vollstreckungsersuchen nun genannten Bescheide, aus denen vollstreckt werde. Die Vollstreckung sei hier insofern nicht ausgesetzt, wobei auch zu berücksichtigen sei, dass es um einen nun schon einige Jahre zurückliegenden Zeitraum gehe. Auf die gesetzgeberische Wertung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO werde verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie im Klageverfahren AN 6 K 17.02578 sowie auf die dort beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
1. Mit ihrem Antrag vorläufigen Rechtsschutzes begehrt die Antragstellerin sinngemäß die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage vom 12. Dezember 2017 gegen die Festsetzungsbescheide des Antragsgegners vom 1. Juni 2015, vom 2. Oktober 2015 und vom 2. November 2015, deren Vollstreckung der Antragsgegner laut Vollstreckungsersuchen vom 1. Februar 2020 angeordnet hat (§ 122 Abs. 1, § 88 VwGO).
Der so verstandene Antrag ist zulässig und teilweise begründet.
a) Der Antrag ist zulässig. Seine Statthaftigkeit ergibt sich aus § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO, da die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage vorliegend gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO entfällt. Darüber hinaus liegt für den Antrag insbesondere auch das erforderliche Rechtschutzinteresse vor. Die dem Antrag zugrundeliegende Klage wahrt die Monatsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Da der streitgegenständliche Widerspruchsbescheid vom 13. November 2017 laut Postauslieferungsvermerk des Antragsgegners am 14. November 2017 zur Post gegeben worden ist, erfolgte die Klageerhebung mit Eingang der Klageschrift bei Gericht am 12. Dezember 2017 ohne weiteres fristgerecht. Auch § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO steht dem Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin hier nicht entgegen, da der Antragsgegner ihr gegenüber die Vollstreckung aus den streitgegenständlichen Festsetzungsbescheiden bereits konkret in Aussicht gestellt hat (vgl. § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO).
b) Der Antrag ist teilweise begründet.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse der Antragstellerin regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens hingegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung. Dabei ist jedoch im Falle von öffentlichen Abgaben und Kosten die gesetzliche Wertung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO zu berücksichtigen, nach welcher die Aussetzung der Vollziehung (nur) erfolgen soll, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für die Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
aa) Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der Antrag der Antragstellerin teilweise Erfolg.
Soweit gegenüber der Antragstellerin Rundfunkbeiträge für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 30. September 2014 festgesetzt worden sind, bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes.
Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung ist § 2 Abs. 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – RBStV – in der seit dem 1. Januar 2013 geltenden Fassung. Danach ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV ist Inhaber einer Wohnung jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Eine Wohnung ist gemäß § 3 Abs. 1 RBStV eine ortsfeste, baulich abgeschlossene Raumeinheit, die zum Wohnen oder Schlafen geeignet ist oder benutzt wird.
Vorliegend hat der Antragsgegner die Antragstellerin mit Bescheid vom 1. Juni 2015 unter anderem für den Zeitraum vom Januar 2013 bis zum September 2014 als Inhaberin der Wohnung unter der Adresse … in … … zu einem Rundfunkbeitrag herangezogen.
Tatsächlich bewohnte die Antragstellerin diese Wohnung in den genannten Zeiträumen jedoch nicht, denn sie war nach den vorliegenden Meldedaten erst zum 1. Oktober 2014 in diese Wohnung eingezogen und war bis dahin unter einer anderen Adresse ( … in … …) gemeldet. Die Inanspruchnahme der Antragstellerin für die Wohnung in … war damit für diesen Zeitraum rechtswidrig.
Ob der Antragsgegner im Rahmen des Widerspruchsbescheids vom 13. November 2017 den Festsetzungsbescheid vom 1. Juni 2015 im Wege der Umdeutung dahingehend abändern konnte, dass Rundfunkbeiträge für den Zeitraum vom Januar 2013 bis September 2014 nicht für die im Bescheid genannte Wohnung in …, sondern für die Wohnung in … festgesetzt werden, begegnet ernstlichen rechtlichen Zweifeln.
Nach der jedenfalls ihrem Rechtsgedanken nach anwendbaren Vorschrift des Art. 47 Abs. 1 BayVwVfG kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenen Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für ihren Erlass erfüllt sind.
Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Umdeutung ist damit unter anderem, dass der Verwaltungsakt, in den umgedeutet wird, auf das gleiche Ziel gerichtet ist. Dies setzt zwar keine vollständige inhaltliche Identität voraus. Allerdings schließen wesentliche Unterschiede bei einer expost-Betrachtung des Verwaltungsaktes eine Umdeutung aus, was beispielsweise dann anzunehmen ist, wenn die der Entscheidung zugrundeliegenden Lebenssachverhalte nicht identisch sind. Etwa auch eine fehlende Personenidentität spricht gegen die Zielgleichheit (Schwarz in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Auflage 2016, § 47 Rn. 14).
Daran, dass hier der geregelte Lebenssachverhalt identisch ist, bestehen durchgreifende Zweifel. Zum Regelungsgehalt des vorliegenden Festsetzungsbescheides gehört nämlich dessen konkreter Wohnungsbezug, der zugleich auch das Wesen eines solchen Bescheides ausmacht. Denn gemäß § 2 Abs. 1 RBStV ist „im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten“, es ist damit für die Beitragserhebung zwingend ein konkreter Wohnungsbezug vorgegeben; es heißt dort gerade nicht, dass jemand zum Rundfunkbeitrag herangezogen wird, weil er (irgend) eine Wohnung (sc. im Bundesgebiet oder zumindest im Sendegebiet der jeweiligen Landesrundfunkanstalt) innehat. Dieser Bezug und dessen Wesentlichkeit erhellt sich unter anderem auch daraus, dass nur so bestimmbar ist, für welche Wohnung auf einen solchen Bescheid hin der Beitrag entrichtet wird, wovon wiederum unter anderem abhängt, ob etwaige Gesamtschuldner des in § 2 Abs. 3 RBStV ergänzend statuierten Gesamtschuldverhältnisses durch die Zahlung von ihrer Beitragsschuld befreit werden. Die Bedeutung des Wohnungsbezugs für die Beitragserhebung im privaten Bereich erschöpft sich nicht darin, abstrakter Anknüpfungspunkt für den Vorteilsausgleich zu sein, sondern die Beitragserhebung im privaten Bereich ist folglich in § 2 RBStV so konzipiert worden, dass es entscheidend darauf ankommt, auf welche genau bestimmte Wohnung sich die Beitragspflicht und die Beitragserhebung beziehen. Einer nachträglichen „Auswechselung“ der in Bezug genommenen konkreten Wohnung ist damit aber der rechtliche Boden entzogen; es bedarf der Aufhebung des Ausgangsbescheides und des Erlasses eines neuen Beitragsfestsetzungsbescheides.
bb) Im Übrigen – was den mit Bescheid vom 1. Juni 2015 ferner festgesetzten Beitragszeitraum vom 1. Oktober 2014 bis 31. Januar 2015 sowie die Festsetzungsbescheide vom 2. Oktober 2015 und vom 2. November 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. November 2017 betrifft – ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO unbegründet.
Insofern kommt nach den oben genannten Grundsätzen eine Aussetzung der Vollziehung wegen ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Festsetzungsbescheide nicht in Betracht. Nach der im vorliegenden Verfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage vermag die Kammer nämlich insofern jedenfalls nicht festzustellen, dass ein Erfolg der Klage wahrscheinlicher als ihr Misserfolg ist.
(1) Die Antragstellerseite dringt mit ihren grundsätzlichen Einwendungen gegen die Vereinbarkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags mit höherrangigem Recht nicht durch. Das Gericht hegt keine durchgreifenden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit oder an der europarechtlichen Zulässigkeit der für die streitgegenständliche Beitragserhebung maßgeblichen Bestimmungen. Die Erwägungen, die in materieller Hinsicht für die Gestaltung der Abgabenerhebung mittels der Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags herangezogen worden sind, erweisen sich als tragfähig in Bezug auf die Bestimmungen des Grundgesetzes, der Bayerischen Verfassung und des Europarechts; der weite Regelungsspielraum, der dem Gesetzgeber bzw. den dem Rundfunkstaatsvertrag vereinbarenden Ländern zukommt, wird nicht verfassungswidrig oder europarechtswidrig überschritten. Insofern verweist das Gericht auf die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U.v. 13.12.2018 – C-492/17 – juris), des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16, 1 BvR 745/17, 1 BvR 836/17, 1 BvR 981/17 – juris), des Bundesverwaltungsgerichts (etwa BVerwG, U.v. 18.3.2016 – 6 C 21.15 -; B.v. 26.4.2017 – 6 B 33.17 – alle juris), des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (BayVerfGH, E.v. 15.5.2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 u.a. – juris) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, U.v. 29.7.2015 – 7 B 15.379 – juris), die es in ständiger Rechtsprechung teilt.
Insbesondere ist es nach vorläufiger Einschätzung mit der nach Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Rechtsweggarantie vereinbar und auch nicht sittenwidrig, dass die allein durch die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands des § 2 Abs. 1 RBStV entstehende Beitragsschuld (zunächst) gegenüber dem Beitragsschuldner durch Zusendung von Zahlungsaufforderungen und -erinnerungen ohne vorherigen Erlass eines mit einer Rechtsmittelbelehrungversehenen, die Beitragsschuld konkretisierenden Festsetzungsbescheids geltend gemacht wird. Unerachtet der konkreten Ausgestaltung stellt das verwaltungsprozessuale Rechtsschutzsystem ggf. in Form einer Feststellungs- oder Unterlassungsklage bzw. vorläufigen Rechtsschutzes ausreichende Rechtsschutzmöglichkeiten dagegen zur Verfügung. Zudem bedarf es zur Vollstreckung rückständiger Beitragsschulden gemäß § 10 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 Satz 1 RBStV in jedem Fall eines – dann mit einer Anfechtungsklage angreifbaren – Festsetzungsbescheids (vgl. VG Freiburg (Breisgau), U.v. 1.3.2019 – 9 K 8671/17 – juris Rn. 81 m.w.N.).
Darüber hinaus ist auch die Rechtmäßigkeit des Meldedatenabgleichs und damit auch einer Weitergabe der entsprechenden Meldedaten an die Landesrundfunkanstalten zur dortigen weiteren Nutzung im vorgegebenen rechtlichen Rahmen auch gegen den Willen der Betroffenen unter anderem bereits vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof bestätigt worden. Soweit beitragspflichtige Wohnungsinhaber ihrer rechtlichen Verpflichtung zur Anmeldung nicht nachkommen, ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass sie mit ihrer Wohnung von den Landesrundfunkanstalten dennoch in deren Datenbestand aufgenommen und darüber informiert werden. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Antragstellerin diesen Vorgang als „Zwangsanmeldung“ empfunden haben mag (vgl. VG München, U.v. 11.12.2015 – M 6a K 14.5474 – juris Rn. 32 f.).
(2) Die streitgegenständlichen Bescheide stellen sich im Übrigen auch als formell rechtmäßig dar.
Sie sind dem Antragsgegner insbesondere hinreichend zurechenbar. In § 10 Abs. 7 Satz 1 RBStV ist ausdrücklich festgelegt, dass jede Landesrundfunkanstalt die ihr nach diesem Staatsvertrag zugewiesenen Aufgaben und die damit verbundenen Rechte und Pflichten ganz oder teilweise durch die im Rahmen einer nicht rechtsfähigen öffentlichrechtlichen Verwaltungsgemeinschaft betriebene Stelle der öffentlichrechtlichen Landesrundfunkanstalten selbst wahrnimmt. In der auf § 9 Abs. 2 RBStV beruhenden Rundfunkbeitragssatzung ist in § 2 dazu normiert, dass die im Rahmen einer nicht rechtsfähigen, öffentlichrechtlichen Verwaltungsgemeinschaft betriebene gemeinsame Stelle der öffentlichrechtlichen Landesrundfunkanstalten die der Rundfunkanstalt zugewiesenen Aufgaben und die damit verbundenen Rechte und Pflichten nach § 10 Abs. 7 Satz 1 RBStV ganz oder teilweise für diese wahrnimmt und dabei auch für das ZDF und das Deutschlandradio tätig wird. Der Bayerische Rundfunk ist zugleich von Gesetzes wegen eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit dem Recht der Selbstverwaltung (vgl. Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Errichtung und die Aufgaben einer Anstalt des öffentlichen Rechts „Der Bayerische Rundfunk“) und damit ein selbständiger öffentlichrechtlicher Rechtsträger. Es besteht dementsprechend nebeneinander rechtmäßig sowohl die Möglichkeit, dass der Bayerische Rundfunk selbst mit „eigenem“ Personal Bescheide erlässt und Verwaltungstätigkeit ausübt als auch die Möglichkeit, dass sich der Bayerische Rundfunk dazu des Beitragsservice und „dortigen“ Personals bedient.
Die Zurechnung zur Landesrundfunkanstalt, hier dem Bayerischen Rundfunk, ist im vorliegenden Fall auch aus den Festsetzungsbescheiden ersichtlich, indem dort links oben der Bayerische Rundfunk aufgeführt ist, der Bayerische Rundfunk in den Schlussformeln der Schreiben allein genannt ist („Mit freundlichen Grüßen Bayerischer Rundfunk“) und es in den jeweiligen Rechtsbehelfsbelehrung:en heißt, dass der Widerspruch einzulegen ist „beim Bayerischen Rundfunk unter der Anschrift des für ihn tätigen Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio…“ (vgl. auch schon VG München v. 19.9.2014 – M 6a K 14.1156 – juris). Im Widerspruchsbescheid kommt die Zurechnung zum Bayerischen Rundfunk hinreichend durch die Absenderangabe und durch dessen Nennung in der Angabe über der Unterschrift zum Ausdruck.
Die streitgegenständlichen Festsetzungsbescheide genügen schließlich auch in ihrer Form und Bestimmtheit den rechtlichen Anforderungen. Für die Möglichkeit, in Massenverfahren, wozu die Festsetzung rückständiger Rundfunkbeiträge gehört, Bescheide formell wirksam auch ohne Unterschrift erlassen zu können, kann – trotz des Ausschlusses der direkten Anwendung des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes in Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG – auf den u.a. in § 37 Abs. 5 Satz 1 BayVwVfG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken verwiesen werden (vgl. hierzu näher OVG Saarlouis, B.v. 21.11.2016 – 1 D 291/16 – juris Rn. 4 ff.). Insofern ergibt sich nichts anderes aus der Neuregelung in § 10a RBStV.
(3) Die angegriffenen Bescheide erweisen sich darüber hinaus im Übrigen auch als materiell rechtmäßig.
Die Antragstellerin bestreitet nicht, dass sie seit Oktober 2014 Inhaberin der Wohnung in … ist, an die die Rundfunkbeitragspflicht ab diesem Zeitpunkt anknüpfte. Die Höhe des Rundfunkbeitragsbetrag bis zum 31. März 2015 gemäß § 8 RFinStV in der Fassung vom 7. Juni 2011 17,98 EUR und ab dem 1. April 2015 monatlich 17,50 EUR (§ 8 RFinStV in der Fassung vom 16.3.2015). Somit hatte die Antragstellerin Rundfunkbeiträge für die streitgegenständlichen Zeiträume in der jeweils festgesetzten Höhe zu zahlen.
Sonstige, durchgreifende Einwendungen, welche gegen eine Beitragspflicht der Antragstellerin im streitgegenständlichen Zeitraum sprechen, sind nicht ersichtlich.
2. Die Kostenentscheidung folgt nach alledem aus § 155 Abs. 1 VwGO; gemäß der Bewertung des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens führt dies hier zu einer Kostenteilung von 2/5 zu Lasten der Antragstellerin und zu 3/5 zu Lasten des Antragsgegners.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs (Fassung 2013).


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