Kosten- und Gebührenrecht

Beginn der Monatsfrist für Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist nach vorgeschaltetem Prozesskostenhilfeverfahren

Aktenzeichen  8 U 76/19

Datum:
1.8.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19083
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 233, § 234 Abs. 1 S. 1, § 517, § 520 Abs. 2

 

Leitsatz

Da bei vorgeschaltetem PKH-Prüfungsverfahren zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung regelmäßig nicht nur die Berufungseinlegungsfrist des § 517 ZPO, sondern auch die Begründungsfrist des § 520 Abs. 2 ZPO abgelaufen ist, stellt es keine Benachteiligung des mittellosen Klägers dar, auch in diesen Fällen neben der zweiwöchigen Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO (für die Berufungseinlegung) auch die Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO (für die Berufungsbegründung) mit dem Zeitpunkt der Bekanntgabe der PKH-Entscheidung anlaufen zu lassen (abweichend zu BGH, NJW 2007, 3354; BGH, NJW 2014, 2442). (Rn. 5)
Das Versäumen der Monatsfrist des § 234 Abs. 1 S. 2 ZPO ist jedenfalls dann unverschuldet, wenn der Kläger die Frist entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs berechnet hat, auch wenn das Berufungsgericht eine hiervon abweichende Meinung vertritt. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

91 O 775/18 Ins 2019-03-13 Urt LGWUERZBURG LG Würzburg

Tenor

Dem Kläger wird auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung, § 517 ZPO, bewilligt.

Gründe

Dem Kläger war Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung zu bewilligen; § 233 ZPO.
Der Wiedereinsetzungsantrag vom 10.07.2019 ist zulässig. Er ist am 11.07.2019, mithin innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 234 Abs. 1 ZPO nach der am 10.07.2019 erfolgten Zustellung der Prozesskostenhilfeentscheidung des Senats eingegangen. Die versäumte Prozesshandlung, die Berufungseinlegung, ist ebenfalls am 11.07.2019 erfolgt, § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
Der Wiedereinsetzungsantrag ist auch begründet. Der Kläger hat hinreichend glaubhaft gemacht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, die Frist zur Einlegung der Berufung einzuhalten, § 233 Satz 1 ZPO. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Rechtsmittelführer, der – wie vorliegend am 23.04.2019 (Dienstag nach Ostern) – vor Ablauf der Rechtsmittelfrist – vorliegend ebenfalls 23.04.2019 – Prozesskostenhilfe beantragt hat, bis zur Entscheidung über den Antrag so lange als ohne sein Verschulden an der Fristwahrung verhindert anzusehen, als er auf die Entscheidung über seinen Antrag wartet (Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 233 Rn. 23 „Prozesskostenhilfe“ m.w.N.).
Die Einreichung einer Berufungsbegründung innerhalb der Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO nach Zustellung der Prozesskostenhilfeentscheidung des Senats war vorliegend nicht erforderlich. Obgleich dem Berufungsführer, der zunächst Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Rechtsmittelverfahren begehrt, für die Berufungsbegründung somit regelmäßig eine weit längere Frist für die Berufungsbegründung zur Verfügung steht als der nicht um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Partei, so ist der Senat doch insoweit an die Rechtsprechung des III. und XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs gebunden, wonach die Monatsfrist für die Berufungsbegründung nach § 234 Abs. 1 Satz 2, § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO für eine mittellose, um Prozesskostenhilfe nachsuchende Partei bei versäumter Berufungsfrist erst mit der Mitteilung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beginnt.
Der erkennende Senat vertritt hingegen die Auffassung, dass bei „vorgeschaltetem“ PKH-Prüfungsverfahren schon wegen der der Gegenpartei einzuräumenden Stellungnahmefrist zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht nur die Berufungseinlegungsfrist des § 517 ZPO, sondern regelmäßig auch die Begründungsfrist des § 520 Abs. 2 ZPO abgelaufen ist. Nach Auffassung des erkennenden Senats stellt es keine Benachteiligung des mittellosen Klägers dar, auch in diesen Fällen neben der zweiwöchigen Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO (für die Berufungseinlegung) auch die Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO (für die Berufungsbegründung) mit dem Zeitpunkt der Bekanntgabe der PKH-Entscheidung anlaufen zu lassen. Dies gilt umso mehr, als die um Prozesskostenhilfe nachsuchende Partei ihr beabsichtigtes Rechtsmittel im PKH-Verfahren ohnehin, nämlich im Rahmen der Darstellung der hinreichenden Erfolgsaussicht, begründen muss. Die genannte höchstrichterliche Rechtsprechung hat deshalb nicht nur eine deutliche Besserstellung der mittellosen Partei, sondern auch eine erheblich längere Verfahrensdauer zur Folge, weil sie das erkennende Gericht neben dem PKH-Prüfungsverfahren zu zwei „hintereinander geschalteten“ Wiedereinsetzungsverfahren mit den damit verbundenen Verfahrensdauern zwingt. Nach der Rechtsprechung der beiden vorgenannten Senate des BGH soll nämlich die mittellose Partei nicht schon dann, wenn sie die Entscheidung zu ihrem Prozesskostenhilfeantrag erhält, sondern erst dann zur Berufungsbegründung gehalten sein, wenn sie weiß, dass ihr hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung gewährt worden ist (vgl. BGH, NJW 2007, 3354; BGH, NJW 2014, 2442). Der erkennende Senat kann gleichwohl schon deshalb nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichen, weil der Kläger im vorliegenden Verfahren auf die Berücksichtigung und Anwendung der vorgenannten höchstrichterlichen Rechtsprechung vertrauen durfte. Eine Abweichung hiervon würde zwar dazu führen, vorliegend eine Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu bejahen, diese wäre aber wiederum – wegen des anzunehmenden Vertrauens des Klägers – unverschuldet.


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