Kosten- und Gebührenrecht

Entzug der Waffenbesitzkarte wegen der Nähe zur Ideologie der Reichsbürger

Aktenzeichen  24 C 20.1089

Datum:
17.6.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14623
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 146 Abs. 1, § 147, § 166 Abs. 1
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b, lit. c

 

Leitsatz

1. Eine Verletzung der Rechtsschutzgleichheit kann darin liegen, dass das Ausgangsgericht Prozesskostenhilfe verweigert hat, obwohl eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kam sowie keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen würde. (Rn. 12 – 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Ehegatte ist nach § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB verpflichtet, dem anderen Ehegatten die Kosten eines Rechtsstreits vorzuschießen, wenn eine persönliche Angelegenheit betroffen ist. Der Widerruf einer Waffenbesitzkarte ist ein solcher Eingriff in persönliche Rechte. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 4 K 19.2651 2020-04-01 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage, die er gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarte erhoben hat.
Mit Schreiben vom 13. Mai 2019 teilte die zuständige Kriminalpolizeiinspektion dem Landratsamt mit, dass sich der Kläger am 18. November 2018 gegenüber Polizeibeamten in einer für Angehörige der Szene der sogenannten Reichsbürger typischen Weise geäußert und dabei auch mit erhobener Faust auf einen Beamten zugestürmt sei. Wegen des Vorfalls am 18. November 2018 hat das Amtsgericht C. den Kläger wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 15,00 Euro verurteilt (Entscheidung vom 20. Februar 2019).
Mit Bescheid vom 20. November 2019 erließ das Landratsamt C. einen Bescheid, in dessen Nr. 1 es die Waffenbesitzkarte des Klägers widerrief. Zudem forderte es den Kläger auf, binnen einen Monats nach Zustellung des Bescheids seine Schusswaffen Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen und dies nachzuweisen (Nr. 2). Im Fall einer nur vorübergehenden Überlassung müsse die endgültige innerhalb von drei Monaten nach Bestandskraft des Bescheids nachgewiesen werden (Nr. 3). Darüber hinaus erlegte es dem Kläger die Kosten des Verfahrens in Höhe von 100,- Euro auf (Nr. 4 und 5). Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei waffenrechtlich unzuverlässig. Zum einen habe er sich die Ideologie der Reichsbürger als für sich verbindlich zu eigen gemacht und sei daher waffenrechtlich unzuverlässig nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und c WaffG. Zum anderen sei er eine leicht erregbare, unbeherrschte und zu einer Aggression neigende Person, bei der auch eine Affekthandlung nicht ausgeschlossen werden könne. Deshalb sei er unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr .2 Buchst. a Alt. 1 WaffG.
Der Kläger hat am 20. Dezember 2019 Klage erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie Anwaltsbeiordnung beantragt.
Das Verwaltungsgericht hat die beantragte Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 1. April 2020 abgelehnt.
Der Kläger ließ am 27. April 2020 gegen den am 14. April 2020 zugestellten Beschluss Beschwerde einlegen, der das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen hat.
II.
1. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde (§ 146 Abs. 1, § 147 VwGO) ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung zu Recht abgelehnt. Die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinsichtlich der Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids bereits keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinn des § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zu Recht das Vorliegen der wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe verneint. Der Senat bezieht sich auf die Gründe des angegriffenen Beschlusses und sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Das Beschwerdevorbringen führt zu keiner anderen Beurteilung.
Die Beschwerde führt aus, der Ausgang des Rechtsstreits hänge von einer Beweisaufnahme ab. Der Kläger habe Zeugen angeboten. Vor der Durchführung der Beweisaufnahme seien die Erfolgsaussichten jedenfalls offen und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig. Dies reiche für die Gewährung von Prozesskostenhilfe aus. Beim Kläger lägen die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe vor. Ein zivilrechtlicher Prozesskostenvorschussanspruch des Klägers gegen seine Ehefrau sei nicht zu berücksichtigen. Er liege keine persönliche Angelegenheit i.S.d. § 1360a Abs. 4 BGB vor. Die Jagd sei das persönliche Hobby des Klägers. Seine Ehefrau habe damit nichts zu tun. Zudem wurde auf das Vorbringen im Klageverfahren verwiesen, in welchem ausgeführt wird, der Kläger habe mit der sog. Reichsbürgerbewegung nichts zu tun. Bei dem Polizeieinsatz am 18. November 2018 sei er nicht aggressiv gewesen.
Daraus ergibt sich nicht, dass die gegen den Widerruf der Waffenbesitzkarte gerichtete Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, es sei bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung davon auszugehen, dass der Widerruf der Waffenbesitzkarte in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids rechtmäßig ist. Der Beklagte sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger nach § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG nicht die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt und die Waffenbesitzkarte daher gemäß § 45 Abs. 2 WaffG widerrufen werden musste.
Das Amtsgericht C. hat den Kläger aufgrund des Vorfalls am 18. November 2018 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 15,00 Euro Geldstrafe verurteilt (Entscheidung vom 20. Februar 2019). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, steht gegen die Aussage des Klägers, er sei niemals aggressiv aufgetreten und habe auch am 18. November 2018 keinen Widerstand leisten wollen, die Verurteilung nach § 113 Abs. 1 StGB. Die Behörde darf sich auf die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts stützen und grundsätzlich von der Richtigkeit der Verurteilung ausgehen (BayVGH, B.v. 5.7.2017 – 21 CS 17.856 – juris Rn. 10). Der Kläger ist dem zugrundeliegenden Geschehen nicht substanziiert entgegengetreten. Zwar hat er seine Ehefrau und seinen Sohn als Zeugen zum Beweis der behaupteten Tatsache, er neige nicht zu Aggressionen, angeboten. Zudem trägt er vor, er könne aufgrund einer Verletzung an der rechten Hand nur mit geballter Faust aufstehen, was durch ärztliches Sachverständigengutachten bewiesen werden könnte.
Eine Verletzung der Rechtsschutzgleichheit kann darin liegen, dass das Ausgangsgericht Prozesskostenhilfe verweigert hat, obwohl eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kam sowie keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgehen würde (BVerfG, E.v. 28.01.2013 – 1 BvR 274/12 – juris). Im vorliegenden Fall ist aber eine Beweisaufnahme nicht veranlasst, da der Kläger rechtskräftig wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt wurde und sich aus dem bloßen Angebot einer Zeugeneinvernahme die evidente Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Verurteilung auch nicht aufdrängt. Auch angesichts der polizeilichen Feststellungen und Ermittlungen zum Vorfall am 18. November 2018 (Bl. 37 ff. der Behördenakte) ist eine Beweisaufnahme vor dem Verwaltungsgericht in diesem Fall nicht angezeigt.
Soweit die Klage hinsichtlich der Nummern 2 und 3 des Bescheids hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, hat das Verwaltungsgericht zu Recht das Vorliegen der wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe verneint. Gemäß § 1360a Abs. 4 Satz 1 BGB ist ein Ehepartner verpflichtet, dem anderen Ehepartner die Prozesskosten vorzuschießen, wenn dieser die Kosten des Rechtsstreits nicht selbst tragen kann, der Rechtsstreit eine persönliche Angelegenheit betrifft und das Vorschießen der Prozesskosten der Billigkeit entspricht. In verwaltungsgerichtlichen Verfahren sind regelmäßig persönliche Angelegenheiten tangiert. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Betroffene sich gegen einen Verwaltungsakt zur Wehr setzen möchte, mit dem in seine persönlichen Rechte eingegriffen wird (BeckOGK/Preisner BGB § 1360a Rn. 265). Der angefochtene Widerruf der Waffenbesitzkarte ist ein Eingriff in persönliche Rechte des Klägers. Persönliche Angelegenheiten betreffen vor allem immaterielle Rechtsgüter wie die gesundheitliche Integrität, Gesundheit, Freiheit, Ehre (MüKoBGB/Weber-Monecke BGB § 1360a Rn. 27). Die waffenrechtliche Zuverlässigkeit ist als immaterielles Rechtsgut anzusehen. Die Frage, inwieweit die Jagd das persönliche Hobby des Klägers und nicht das seiner Ehefrau ist, ist insoweit irrelevant.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als im Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz fallen im Beschwerdeverfahren Gerichtskosten an, wobei allerdings Kosten nicht erstattet werden (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil nach § 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
Gegen diesen Beschluss gibt es kein Rechtsmittel (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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