Kosten- und Gebührenrecht

Erfolglose Kostenerinnerung wegen Festsetzung einer Pauschale für Post- u. Telekommunikationsdienstleistungen

Aktenzeichen  M 17 M 17.47881

Datum:
9.1.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 31575
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 162 Abs. 2 S. 3, § 165
VV RVG Nr. 7002

 

Leitsatz

Die bei den erstattungsfähigen Kosten zugunsten der Behörde bestehende Möglichkeit der Geltendmachung eines Pauschhöchstbetrages als Auslagenersatz ändert nichts daran, dass für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen tatsächlich (notwendige) Aufwendungen im Rahmen des Prozessverfahrens stattgefunden haben müssen. (Rn. 9 – 10) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.

Gründe

I.
Mit Urteil vom 1. Juni 2017 (M 17 K 17.31283) hat das Verwaltungsgericht München den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 23. Dezember 2016 in den Nrn. 4 bis 6 aufgehoben und die Antragstellerin verpflichtet, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistans vorliegen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Kosten hat das Gericht zu 3/4 dem Antragsgegner und zu 1/4 der Antragstellerin auferlegt. Im Klageverfahren hat das Bundesamt lediglich die elektronische Asylakte übermittelt, sich aber ansonsten nicht geäußert.
Auf Kostenausgleichsantrag des Antragsgegners erging am 21. Juli 2017 Kostenfestsetzungsbeschluss, in dem die dem Antragsgegner im Klageverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen auf 925,23 € festgesetzt wurden, sodass die Antragstellerin 1/3 = 241,31 € zu tragen hat. Aufwendungen der Antragstellerin wurden nicht angesetzt. Hiergegen beantragte die Antragstellerin am 26. Juli 2017 die Entscheidung des Gerichts. Es wurde beantragt, Postauslagen entsprechend § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO in Höhe von 20,- € zu berücksichtigen. Die allgemeine Prozesserklärung vom 27. Juni 2017 stehe dem nicht entgegen, da sich diese nicht auf den Kostenausgleich nach § 106 ZPO, sondern nur auf Kostenfestsetzungsanträge nach § 104 ZPO, mithin nur auf Klageverfahren beziehe, in denen das Bundesamt vollständig obsiege. Hintergrund sei, dass beim Kostenausgleich die Kosten beider Parteien ohne zusätzlichen Aufwand miteinander verrechnet werden könnten, während beim reinen Obsiegen die Kosten direkt beim Verfahrensgegner angefordert werden müssten, was durch die dafür entstehenden Sach- und Personalkosten bei Beträgen von 20,- € für die Postpauschale im Regelfall unwirtschaftlich sei. Auch die elektronische Bearbeitung von Verwaltungsvorgängen verursache Ausgaben/Kosten (Gehalt der Mitarbeiter, technische Ausstattung, Sachausgaben, Miete, Anschaffung, Strom etc.), die gerade in die Postauslagen entsprechend § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO einflössen und auch die Übersendung des Prozesskostenausgleichs, die Erinnerung und die Stellungnahme erfolgten postalisch, sodass damit Porti entstünden.
Die Urkundsbeamtin half dem Antrag nicht ab. Voraussetzung für die Pauschale sei, dass der Behörde im jeweiligen Verfahren tatsächlich Kosten für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen entstanden seien. In der Gerichtsakte befinde sich weder ein Schreiben der Antragstellerin noch ein Hinweis auf entsprechende Dienstleistungen. Es sei lediglich die Akte auf elektronischem Weg über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) übersandt worden. Das EGVP stehe den Nutzern kostenfrei zur Verfügung. Tatsächliche Kosten, die die Entstehung der Pauschale nach Nr. 7002 RVG rechtfertigen würden, seien der Antragstellerin nicht entstanden.
Die Parteien erhielten hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Schreiben vom 5. Januar 2018 wiederholte die Antragstellerin ihr Vorbringen und führte ergänzend aus, dass die Pauschale regelmäßig und – wie schon der Begriff aussage – ohne Überprüfung des konkreten Aufwand zu gewähren sei, was im Übrigen bei derartigen Kleinbeträgen der gegenseitigen Arbeitserleichterung und der kostenmäßigen Aufwandsminimierung diene. Der Antragstellerin seien außergerichtliche Kosten entstanden. Aufgrund der Pauschalierungsregelung sei ein Einzelnachweis gerade nicht erforderlich. Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass für den Fall, dass alle Seiten am EGVP teilnähmen, was bundesweit bisher so gut wie nie der Fall sei, hilfsweise eine Gebühr nach Nr. 7000 Ziffer 2 der Anlage 1 zum RVG für die Überlassung von elektronisch gespeicherten Daten maximal in Höhe der Dokumentenpauschale geltend gemacht werde.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Verfahren M 17 K 17.31283 verwiesen.
II.
Zur Entscheidung über die vorliegende Kostenerinnerung ist im Rahmen der Annexzuständigkeit der auch für die Hauptsache zuständige Einzelrichter berufen, der die Kostengrundentscheidung getroffen hat (vgl. BVerwG, B.v. 14.2.1996 – 11 VR 40/95 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 03.12.2003 – 1 N 01.1845 – juris Rn. 9 ff.).
1. Die Kostenerinnerung ist zulässig, insbesondere wurde sie innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Kostenfestsetzungsbeschlusses erhoben (§§ 165, 151 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
2. Die Erinnerung ist jedoch unbegründet. Die Urkundsbeamtin hat die Festsetzung der Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen i.H.v. 20,- € zu Recht abgelehnt.
2.1 Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf eine Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG). Nach § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO können Behörden den Höchstsatz der Pauschale nur „an Stelle ihrer tatsächlich notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen“ fordern. Auch nach Nr. 7002 Abs. 1 VV RVG besteht der Anspruch auf die erhöhte Pauschale nur „an Stelle der tatsächlichen Auslagen nach Nummer 7001“. Der nach § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO zugunsten der Behörde vorgesehene Rückgriff auf die Geltendmachung eines Pauschhöchstbetrages als Auslagenersatz anstelle der Geltendmachung und des Nachweises der Einzelauslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen ändert nichts an der Tatsache, dass für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen tatsächlich (notwendige) Aufwendungen im Rahmen des Prozessverfahrens seitens der Behörde stattgefunden haben müssen. Die Behörde wird lediglich von der Verpflichtung, Einzelnachweise für die jeweiligen Aufwendungen zu erbringen, entbunden (vgl. a. VG München, B.v. 4.1.2018 – M 24 M 17.48673 m.w.N.).
Das Bundesamt hatte hier aber mangels Äußerung im Klageverfahren keine Aufwendungen oder Auslagen. Eine Übersendung der Kostennote im Klageverfahren kann einen Anspruch auf Festsetzung der Pauschale ebenso wenig begründen wie der Antrag auf Entscheidung des Gerichts im Erinnerungsverfahren. Denn gemäß § 162 Abs. 1 VwGO müssen die Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig gewesen sein. Die Beschränkung auf die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung bewirkt, dass die Aufwendungen während des eigentlichen Prozessverfahrens, hier also des Klageverfahrens, angefallen sein müssen (vgl. a. VG München, B.v. 4.1.2018 – M 24 M 17.48673). Innerbehördliche Betriebs- und Personalkosten, d.h. allgemeine Geschäftskosten des Behördenbetriebs, sind keine Aufwendungen für tatsächlich entstandene Kosten für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen. Bei Behörden sind Generalkosten, die allgemein mit der Prozessführung verbunden sind, nicht zu erstatten (vgl. VG München, B.v. 4.1.2018 – M 24 M 17.48673; Schmidt in Eyermann, VwGO, Kommentar 14. Aufl. 2014, § 162 Rn. 7; Gerold/Schmidt, RVG Kommentar, 23. Auflage, Vorb. 7 VV RVG Rn. 10).
2.2 Auch eine Gebühr nach Nr. 7000 Nr. 2 VV RVG kann die Antragstellerin nicht geltend machen, weil sich juristische Personen des öffentlichen Rechts auf diese Dokumentenpauschale nicht berufen können (vgl. § 1 RVG; VG München, B.v. 2.1.2018 – M 19 M 17.49875; SG Fulda, B.v. 4.4.2016 – S 4 SF 45/15 E – juris Rn. 18).
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar (vgl. VGH BW, B.v. 28.2.2017 – A 2 S 271/17 – juris Rn. 3).

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen

Europarecht

Schadensersatz, Ermessensentscheidung, Aussetzungsantrag, Kommission, Aussetzung, Fahrzeug, Vorabentscheidungsverfahren, Zeitpunkt, Beschwerde, Verfahren, Schriftsatz, Rechtssache, EuGH, Anspruch, Aussetzung des Rechtsstreits, erneute Entscheidung
Mehr lesen