Kosten- und Gebührenrecht

Erfolgloser Antrag auf Wiederaufnahme eines fahrerlaubnisrechtlichen Klageverfahrens

Aktenzeichen  11 ZB 17.2084

Datum:
7.11.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 133226
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 57 Abs. 2, § 60 Abs. 1, § 67 Abs. 2, 4, § 124a Abs. 4 S. 1
ZPO § 224 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand darf im sog. Anwaltsprozess nur dann gewährt werden, wenn der bedürftige Beteiligte bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist ein vollständiges Prozesskostenhilfegesuch mit allen dazugehörigen Unterlagen eingereicht hat und dieses lediglich nicht innerhalb der Frist beschieden worden ist (Anschluss an BVerwG BeckRS 2004, 21683). (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Bedürftigkeit einer Prozesskostenhilfe begehrenden Partei ist regelmäßig nicht glaubhaft gemacht, wenn der Antragsteller behauptet, weniger als einen kleinen Bruchteil des sog. “Harz IV Satzes” für die Kosten des täglichen Lebens zur Verfügung zu haben (Anschluss an OLG Naumburg BeckRS 2012, 15461). (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 6 K 17.2068 2017-09-14 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahrens wird auf 30.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger verfolgt die Wiederaufnahme eines mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Februar 2012 – 11 ZB 11.2813 – abgeschlossenen fahrerlaubnisrechtlichen Klageverfahrens.
Am 2. Mai 2017 erhob der Kläger Wiederaufnahmeklage und stellte gleichzeitig einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Das Verwaltungsgericht verwarf die Klage mit Gerichtsbescheid vom 14. September 2017 als unzulässig, da der Kläger die Fristen gemäß § 153 VwGO i.V.m. § 586 Abs. 1 und 2 ZPO nicht eingehalten habe, und lehnte mit Beschluss vom selben Tag den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussichten ab.
Gegen den am 28. September 2017 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit seinem am 6. Oktober 2017 beim Verwaltungsgericht eingegangenen, als „Berufung“ bezeichneten Schreiben und macht geltend, die gerichtlichen „Beschlüsse“ seien nicht handschriftlich unterschrieben, das Verwaltungsgericht habe im Jahr 2012 keinen gültigen Geschäftsverteilungsplan gehabt und das Verfahren habe eine erhebliche Bedeutung für ihn. Er stelle den Antrag, dass das Verfahren wegen erheblicher Rechtsbeugungen und –verletzungen „auf den vorigen Stand zurück versetzt“ werde. Weitere Begründungen könnten erst erfolgen, wenn er seine Unterlagen wieder habe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Rechtsbehelf ist zweckentsprechend (§ 122 Abs. 1, § 88 VwGO), wie in der Rechtsmittelbelehrungbezeichnet, als allein statthafter Antrag auf Zulassung der Berufung auszulegen. Der Antrag ist indes unzulässig, weil ihn der Kläger trotz ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung:selbst gestellt hat, ohne sich durch einen nach § 67 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 VwGO zum Auftreten vor dem Verwaltungsgerichtshof befugten Bevollmächtigten vertreten zu lassen.
Nachdem die durch die förmliche Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung in Gang gesetzte Monatsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO am 30. Oktober 2017 abgelaufen und nicht verlängerbar (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 224 Abs. 2 Hs. 2 ZPO; vgl. Happ in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 50) ist, kommt auch eine Nachholung des Zulassungsantrags durch einen Prozessbevollmächtigten nicht mehr in Betracht. Insofern kann dem Kläger, der innerhalb dieser Frist einen Prozesskostenhilfeantrag gestellt hat, keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO gewährt werden. Denn diese darf im sog. Anwaltsprozess nach obergerichtlicher Rechtsprechung nur dann gewährt werden, wenn der bedürftige Beteiligte bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist ein vollständiges Prozesskostenhilfegesuch mit allen dazugehörigen Unterlagen eingereicht hat und dieses lediglich nicht innerhalb der Frist beschieden worden ist (vgl. BVerwG, B.v. 28.1.2004 – 6 PKH 15/03 – DÖV 2004, 537 = juris Rn. 5 m.w.N.; Bier in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Oktober 2016, § 60 Rn. 17, 35). Hieran fehlt es jedoch. Die vom Kläger vorgelegte Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist lückenhaft und nicht schlüssig. Nach seinen Angaben verbleiben ihm nach Abzug der durch einen Kontoauszug belegten Miet- und Stromkosten noch rund 267,- EUR für die Lebensführung, bei Berücksichtigung der eingezogenen Telefonkosten und Zahlungen an die Landesjustizkasse sogar nur noch rund 24,- EUR, also weniger als ein kleiner Bruchteil des sog. Hartz IV-Satzes. Dies ist grundsätzlich nicht glaubhaft (vgl. OLG Sachsen-Anhalt, B.v. 6.2.2012 – 1 W 34/11 – juris Rn. 4). Obwohl der Kläger angegeben hat, nur über dieses Konto zu verfügen, weist dieses keinerlei Barabhebungen oder Zahlungen für übliche Lebenshaltungskosten wie Lebensmittel aus, gleichzeitig aber einen sogar geringfügig gestiegenen Kontostand. Dies lässt nur darauf schließen, was auch für den Kläger offenkundig sein musste, dass in der vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Zuwendungen Dritter, sonstige Einkünfte oder vorhandenes Vermögen nicht angegeben sind. Da er folglich mit einer Ablehnung seines Prozesskostenhilfegesuchs wegen Fehlens der wirtschaftlichen Voraussetzungen rechnen musste (vgl. Bier, a.a.O., Rn. 35), kann nicht von fehlendem Verschulden im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO ausgegangen werden.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 und orientiert sich an der Festsetzung durch den Verwaltungsgerichtshof im Ausgangsverfahren (11 ZB 11.2813).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird der angegriffene Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 i.V.m. § 84 Abs. 3, Halbs. 1 VwGO).

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