Kosten- und Gebührenrecht

Gebühren im familienrechtlichen Beschwerdeverfahren

Aktenzeichen  11 WF 885/16

Datum:
30.8.2016
Fundstelle:
LSK – 2016, 15964
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FamFG FamFG § 38, § 58, § 111 Nr. 9
ZPO ZPO § 104 Abs. 3
VV Vorbemerkung 3.2.1 Nr. 2b RVG
VV 7005 RVG

 

Leitsatz

1. Für die Beschwerde eines Beteiligten nach § 58 FamFG gegen eine Endentscheidung (§ 38 Abs. 1 S. 1 FamFG) betreffend den Hauptgegenstand erhält sein Verfahrensbevollmächtigter nach Vorbemerkung 3.2.1 Nr. 2b VV-RVG die Gebühren eines Berufungsverfahrens. (redaktioneller Leitsatz)
2. Dies gilt auch bei Endentscheidungen über einen möglicherweise unzulässigen Widerantrag als Hauptgegenstand. (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Rechtsanwalt darf, ohne eine Geschäftsreise i. S. d. Nr. 7005 VV RVG unnötig in die Länge zu ziehen, für die Hinfahrt ein Polster einplanen, um auch bei etwaigen Verzögerungen, z. B. Stau, rechtzeitig beim Termin zu erscheinen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

003 F 333/13 2016-04-29 Bes AGTRAUNSTEIN AG Traunstein

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Traunstein vom 29.04.2016 dahingehend abgeändert, dass die von dem Antragsteller an die Antragsgegnerin nach dem vollstreckbaren Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 02.12.2015 zu erstattenden Kosten auf 2.618,71 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit 02.02.2016 festgesetzt werden.
2. Der Antragsteller trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Wert der Beschwerde beträgt 2.058,22 €.

Gründe

I. Mit Teilbeschluss vom 04.08.2015 (Bl. 93/97 Sonderheft GÜ) wies das Amtsgericht Traunstein den Antrag des Antragstellers auf Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Vollständigkeit und Richtigkeit ihrer Angaben zu ihrem Endvermögen im Schriftsatz vom 12.05.2014 an Eides statt zu versichern, zurück. Nachdem der Antragsteller gegen diesen Beschluss mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 25.08.2015 Beschwerde eingelegt hatte, ergingen im Beschwerdeverfahren 12 UF 1250/15 Hinweisbeschlüsse des Oberlandesgerichts München vom 18.11.2015 und vom 25.11.2015; im Termin vor dem Oberlandesgericht vom 02.12.2015 nahm der Antragsteller die Beschwerde zurück, worauf ihm mit Senatsbeschluss vom selben Tag die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt wurden. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wurde auf 20.000,00 € festgesetzt.
Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 01.02.2016 die Festsetzung einer 1,6 Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV-RVG, einer 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3202 W-RVG, von Reisekosten, Abwesenheitsgeld und der Pauschale nach Nr. 7002 W-RVG, insgesamt 2.618,71 €, beantragt. Das Amtsgericht hat mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.04.2016 die vom Antragsteller an die Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten lediglich auf 560,49 € nebst Zinsen festgesetzt und den weitergehenden Antrag zurückgewiesen. Da es sich um keine Endentscheidung wegen des Hauptgegenstandes gehandelt habe, seien gebührenrechtlich nicht die Nr. 3200 und 3202 W-RVG anzuwenden, sondern es seien nur eine 0,5 Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 und eine 0,5 Terminsgebühr nach Nr. 3513 VV-RVG anzusetzen; es sei nur Tage- und Abwesenheitsgeld von nicht mehr als 4 Stunden in Ansatz zu bringen.
Mit ihrer sofortigen Beschwerde, die sie mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten für das Kostenfestsetzungsverfahren vom 17.05.2016 eingelegt hat, wendet sich die Antragsgegnerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss. Wegen des Inhalts der Begründung wird auf den Schriftsatz vom 27.05.2016 Bezug genommen.
Die Rechtspflegerin hat mit Beschluss vom 03.06.2016 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
Hinsichtlich des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten im Beschwerdeverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig nach §§ 85 FamFG, 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO.
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache in vollem Umfang Erfolg.
1. Nach Vorbemerkung 3.2.1. VV-RVG ist der Unterabschnitt über die Berufung auch anzuwenden in Verfahren über Beschwerden gegen die Endentscheidung wegen des Hauptgegenstands in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Nr. 2 b). W 3200 ff. sind demnach auch anwendbar bei allen Familiensachen im Sinne von § 111 FamFG, also auch in Ehe- und Familienstreitsachen; die Beschwerde muss sich gegen eine Endentscheidung wegen des Hauptgegenstands richten, so dass z. B. nicht Beschwerden wegen Kostenentscheidungen, Richterablehnung, versagter Prozesskostenhilfe oder Aussetzung des Verfahrens erfasst sind (s. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl., VV Vorb. 3.2.1 Rn. 25, 28). Zu den Familiensachen gehören nach § 111 Nr. 9 FamFG die Güterrechtssachen. Nach § 58 FamFG findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte die Beschwerde statt. Eine Endentscheidung ist nach der gesetzlichen Definition in § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG eine Entscheidung, durch die der Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt wird; in der Regel ist das die für diesen Verfahrensgegenstand instanzbeendende Entscheidung (s. Zöller-Feskorn, a. a. O., § 38 FamFG Rn. 3).
2. Ausgehend von diesen Überlegungen sind bei der vorliegenden Fallgestaltung eine 1,6 Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 W-RVG und eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3202 W-RVG angefallen. Die mit dem angefochtenen Beschluss erfolgte Festsetzung einer 0,5 Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 W-RVG und einer 0,5 Terminsgebühr nach Nr. 3513 W-RVG entspricht nicht der Sach- und Rechtslage.
a) Gegenstand des Beschwerdeverfahrens 12 UF 1250/15 war der Teilbeschluss des Amtsgerichts Traunstein vom 04.08.2015, mit dem der Antrag des Antragstellers auf Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Vollständigkeit und Richtigkeit ihrer Angaben zu ihrem Endvermögen im Schriftsatz vom 12.05.2014 an Eides statt zu versichern, zurückgewiesen wurde. Dabei handelte es sich um den Antrag des Antragstellers aus dem Schriftsatz vom 28.04.2015 (GÜ 76/77), den er im Termin vor dem Amtsgericht am 16.07.2015 gestellt hatte.
Der Teilbeschluss vom 04.08.2015 erledigte den Antrag und stellt eine instanzbeendende Entscheidung über diesen Antrag dar. Die dagegen gerichtete Beschwerde, Az. 12 UF 1250/15 Oberlandesgericht München, die der Antragsteller im Termin vom 02.12.2015 zurückgenommen hat, löste eine 1,6 Verfahrensgebühr und eine 1,2 Terminsgebühr aus, die der Antragsgegnerin zu erstatten sind.
b) Zwar hatte die Antragsgegnerin mit ihrem Stufenantrag vom 28.11.2013 eine Zugewinnausgleichsforderung gegen den Antragsteller geltend gemacht. Dieser Stufenantrag der Antragsgegnerin war aber nicht Gegenstand der Beschwerde, sondern der in diesem Verfahren gestellte Widerantrag des Antragstellers, über den durch Teilbeschluss entschieden worden war, weil ersichtlich insoweit Entscheidungsreife gesehen wurde. Unabhängig von der Frage der Zulässigkeit eines solchen Antrags (s. insoweit die Ausführungen in den Schriftsätzen des Antragstellervertreters vom 12.08.2016 und des Antragsgegnervertreters vom 02.08.2016 bzw. 25.08.2016) ist über ihn jedenfalls instanzbeendend entschieden und Rechtsmittel eingelegt worden; er war Hauptgegenstand der Beschlussfassung des Amtsgerichts. Da im Hinblick darauf die Voraussetzungen der Vorbemerkung 3.2.1 Nr. 2 b W-RVG gegeben sind, haben sich die Anwaltsgebühren nach Nr. 3200, 3202 W-RVG zu richten.
Dabei ist von dem mit Beschluss vom 02.12.2015 auf 20.000,00 € festgesetzten Verfahrenswert auszugehen. Hinsichtlich der im Schriftsatz des Antragstellervertreters vom 13.07.2016 gegen diesen Wert vorgebrachten Bedenken ist darauf hinzuweisen, dass seit der Beendigung des Beschwerdeverfahrens mehr als 6 Monate vergangen sind (§ 63 Abs. 3 Satz 2 GKG) und im Übrigen auch eine Änderung durch den Senat im jetzigen Beschwerdeverfahren nicht möglich wäre (s. OLG Koblenz, JurBüro 2004, 32).
Wie beantragt, sind Gebühren von netto 1.187,20 € (1,6 Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 W-RVG) und von netto 890,40 € (1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3202 W-RVG) angefallen.
3. Auch das Tage- und Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 VV-RVG ist wie beantragt mit 40,00 € (statt 25,00 €) in Ansatz zu bringen. Die zeitlichen Angaben der Antragstellervertreterin in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 27.06.2016 sind in jeder Hinsicht nachvollziehbar und mit den gegebenen Verkehrsverhältnissen in Einklang zu bringen. Die Zeit wird gerechnet vom Verlassen der Kanzlei bzw. Wohnung bis zum Wiederbetreten; der Rechtsanwalt darf zwar die Reise nicht unnötig in die Länge ziehen, er darf aber für die Hinfahrt ein Polster einplanen, um auch bei etwaigen Verzögerungen, z. B. Stau, rechtzeitig beim Termin zu erscheinen (s. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a. a. O., Nr. 7003-7006 VV Rn. 67, 68). in Anbetracht der Sachlage ist ein Zeitaufwand von 4 Stunden und 25 Minuten (statt errechneter 3 Stunden und 54 Minuten) nicht zu beanstanden.
4. Ausgehend von diesen Erwägungen ist die Kostenfestsetzung antragsgemäß (s. Schriftsatz der Antragsgegnervertreter vom 01.02.2016) vorzunehmen. Die Berechnung entspricht der Sach-und Rechtslage. Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss ist auf einen Betrag von 2.618,71 € abzuändern. Dabei sind die genannten Gebühren von 1.187,20 € und 890,40 € sowie Fahrkosten von 63,00 €, Tage- und Abwesenheitsgeld von 40,00 € und die Pauschale nach Nr. 7002 W-RVG in Höhe von 20,00 € in Ansatz zu bringen, woraus sich netto 2.200,60 € und brutto 2.618,71 € errechnen.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Gerichtskosten sind nicht angefallen, nachdem die Beschwerde in vollem Umfang Erfolg hatte (Nr. 1912 KV-FamGKG).

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