Kosten- und Gebührenrecht

Gegenstandswert, Kostenfestsetzungsbeschluß, Vollstreckungsverfahren, Antragsgegner, Kosten des Erinnerungsverfahrens, Wertfestsetzung, Asylantragstellung, Asylverfahren, Unbilligkeit, Streitwertfestsetzung, Untätigkeitsklage, Asylrechtliche Streitigkeit, Hauptsacheverfahren, Urkundsbeamter, Abschiebungsandrohung, Einzelrichter, Gerichtskosten, Außergerichtliche Kosten, Kostengrundentscheidung, Verwaltungsgerichtsbarkeit

Aktenzeichen  M 31 M 19.33366

Datum:
15.1.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41841
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 165, § 151, § 172
RVG § 25 Abs. 1 Nr. 3, § 30 Abs. 1 und 2, § 33 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 5. September 2019 im Verfahren M 24 V 16.31517 wird geändert.
Die Neufassung des Kostenfestsetzungsbeschlusses nach Maßgabe dieses Beschlusses wird dem Urkundsbeamten bzw. der Urkundsbeamtin des Gerichts übertragen.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Am 31. Oktober 2015 erhob der Antragsgegner (vormals: Kläger) eine auf Fortführung des Asylverfahrens und Verbescheidung des Asylantrags gerichtete Klage. Mit Urteil des Einzelrichters (§ 76 Abs. 1 AsylG) vom 12. Februar 2016, bei Gericht geführt unter M 24 K 15.31499, wurde die Antragstellerin (vormals: Beklagte) verpflichtet, über den Asylantrag des Antragsgegners bis spätestens drei Monate nach Rechtskraft des Urteils zu entscheiden. Nachdem die Antragstellerin nicht innerhalb der ihr durch das vorgenannte Urteil gesetzten Frist über den Asylantrag entschieden hatte, beantragte der Antragsgegner mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 24. Juni 2016 die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil gemäß § 172 VwGO. Nachdem die Antragstellerin den Antragsgegner mit Bescheid vom 23. Juli 2016 klaglos gestellt hatte, wurde das Vollstreckungsverfahren, das bei Gericht unter M 24 V 16.31517 geführt wurde, nach übereinstimmender Erledigterklärung der Beteiligten durch Beschluss des Berichterstatters vom 23. August 2016 eingestellt. Die Kosten des Verfahrens wurden der Antragstellerin auferlegt.
Mit Schriftsatz vom 15. August 2019 beantragte der Bevollmächtigte des Antragsgegners, die ihm im Vollstreckungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten unter Zugrundelegung eines Gegenstandswerts von 5.000 EUR auf insgesamt 129,80 EUR festzusetzen. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 5. September 2019 setzte die Urkundsbeamtin des Gerichts die Kosten antragsgemäß fest.
Am 11. September 2019 beantragte die Antragstellerin hiergegen
die Entscheidung des Gerichts.
Der Gegenstandswert von 5.000 EUR sei unbillig. Dieser Wert sei jedenfalls zu halbieren, gegebenenfalls sogar nur mit einem Viertel anzusetzen.
Die Urkundsbeamtin half dem Antrag nicht ab und legte ihn dem Gericht zur Entscheidung vor.
Der Bevollmächtigte des Antragsgegners hat sich im Erinnerungsverfahren nicht geäußert.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und in den Verfahren M 24 K 15.31499 und M 24 V 16.31517 verwiesen.
II.
Die gemäß §§ 165, 151 VwGO zulässige Kostenerinnerung ist begründet.
Das Gericht entscheidet über die Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten in der Besetzung, in der die zugrunde liegende Kostengrundentscheidung getroffen wurde (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.2003 – 1 N 01.1845 – juris Rn. 10 m.w.N.). Diese erging mit Beschluss vom 23. August 2016 durch den gemäß § 87a Abs. 3 und Abs. 1 Nr. 3 VwGO zuständigen Berichterstatter als Einzelrichter.
Der für die Kostenfestsetzung zugrunde zu legende Gegenstandswert wird gemäß § 33 Abs. 1 i.V.m. § 30 Abs. 2 RVG auf 2.500 EUR festgesetzt. Entsprechend ist auch der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 5. September 2019 antragsgemäß zu ändern.
Zwar ist der Gegenstandswert selbst grundsätzlich nicht Inhalt, sondern vielmehr Maßstab und Voraussetzung der Kostenfestsetzung (vgl. BGH, B.v. 20.3.2014 – IX ZB 288.11 – juris), sodass der Urkundsbeamte bei asylrechtlichen Streitigkeiten regelmäßig auch den Gegenstandswert nach § 30 Abs. 1 RVG zugrunde legen kann. Dies gilt aber nur solange, wie keiner der Beteiligten gemäß § 33 Abs. 1 und 2 RVG einen Antrag auf (nach § 30 Abs. 2 RVG abweichende) Wertfestsetzung stellt. Ein solcher Antrag wurde von der Antragstellerin vorliegend ausdrücklich im Schriftsatz vom 10. September 2019, der bei Gericht am 11. September 2019 eingegangen ist, gestellt.
Der Gegenstandswert des Vollstreckungsverfahrens bestimmt sich nach dem Wert, den die zu erwirkende Handlung für den Gläubiger hat (§ 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG). Dieser Wert ist zu schätzen und entspricht regelmäßig dem Wert der Hauptsache, hier also dem der Untätigkeitsklage im Hauptsacheverfahren des Antragsgegners, der damit die Bescheidung seines Asylantrags verfolgte.
In gerichtlichen Verfahren nach dem Asylgesetz erfolgt die Bestimmung der anwaltlichen Gebühren im Kostenerstattungsverfahren auf der Grundlage des Gegenstandswerts (§ 30 Abs. 1 RVG, § 2 RVG i.V.m. Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG, § 13 RVG i.V.m. Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 RVG). Gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 RVG beträgt der Gegenstandswert im Hauptsacheverfahren des Einzelklägers nach dem Asylgesetz 5.000 EUR.
Das Gericht kann allerdings nach § 30 Abs. 2 RVG einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen, wenn der nach § 30 Abs. 1 RVG bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig ist. Im vorliegenden Fall sieht das Gericht den Gegenstandswert des § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG in Höhe von 5.000 EUR für unbillig an. Ziel war die Vollstreckung aus dem im Klageverfahren des Antragsgegners ergangenen Urteils vom 12. Februar 2016 war, das indes allein die Fortsetzung des Asylverfahrens anstrebte. Ein derartiges Klagebegehren – und mit ihm auch das daran anknüpfende Vollstreckungsverfahren – ist aber weder von der Bedeutung für den Kläger noch vom Aufwand für den Klägerbevollmächtigten vergleichbar mit einer beantragten (Sach-) Entscheidung durch das Gericht. Während eine Klage auf Sachentscheidung grundsätzlich noch weiteren Sachvortrag ermöglicht und gegebenenfalls auch erfordert, fällt der Aufwand für den Klägerbevollmächtigten im vorliegenden Fall deutlich geringer aus. Denn ein auf reine Durchführung eines Asylverfahrens unter Entscheidung des Asylantrages durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beschränktes Begehren erfordert keine für asylrechtliche Streitigkeiten kennzeichnende Bearbeitung; hinreichend ist die Darlegung des Zeitpunktes der Asylantragstellung, das Abwarten der Mindestfrist des § 75 Satz 2 VwGO und das Vorbringen, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe über den Asylantrag ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht entschieden (vgl. BVerwG, B.v. 11.7.2018 – 1 C 18.17 – juris Rn. 5 f.). Dass eine derartige Fallkonstellation von der grundsätzlichen Gleichbehandlung hinsichtlich der Streitwertfestsetzung der verschiedenen möglichen Verfahren nach dem Asylgesetz von der Neufassung des § 30 Abs. 1 RVG erfasst sein sollte, ergibt sich auch nicht aus der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (vgl. BT-Drs. 17/11471, S. 269). Diese zielt auf eine einheitliche Behandlung der verschiedenen Verfahren, die verschiedene Ansprüche zum Gegenstand hatten, wie Klagen auf Asylanerkennung, gegen Abschiebungsandrohungen und Abschiebungsanordnungen oder auch gegen die Durchsetzung einer Ausreisepflicht. All diesen Verfahren ist gemeinsam, dass sie – anders als vorliegend – eine materielle Anspruchsprüfung zum Gegenstand haben (vgl. VG München, B.v. 11.2.2019 – M 22 M 17.45482 – juris). Für die Vollstreckung aus einer Untätigkeitsklage, die, wie hier, allein auf eine Verbescheidung des Asylantrags gerichtet ist, erachtet das Gericht daher einen Gegenstandswert in Höhe von 2.500 EUR billigerweise für angemessen.
Eine weitere, noch darüber hinausgehende Reduzierung, beispielsweise i.S.d. Nr. 1.7.1 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (dort ¼), ist nicht veranlasst, da der bezüglich der Abgeltung der anwaltlichen Tätigkeit im Vollstreckungsverfahren typischerweise geringen Bedeutung im Vergleich zum Betreiben des Hauptsacheverfahrens bereits durch den im Vergleich zum Erkenntnisverfahren deutlich niedrigeren Gebührensatz nach § 2 Abs. 2 RVG i.V.m Nr. 3309 (und gegebenenfalls Nr. 3310) der Anlage I zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (Vergütungsverzeichnis) mit einer 3/10-Vollstreckungsverfahrensgebühr (und gegebenenfalls einer 3/10-Vollstreckungsterminsgebühr, wobei eine solche vorliegend nicht angefallen ist) Rechnung getragen ist.
Das Gericht überträgt die infolge dieser Entscheidung erforderliche Neufassung des Kostenfestsetzungsbeschlusses dem Urkundsbeamten bzw. der Urkundsbeamtin gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 573 Abs. 1 Satz 3 und § 572 Abs. 3 ZPO (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.2003 – 1 N 01.1845 – juris Rn. 20).
Der Antragsgegner hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG; vgl. zur Anwendbarkeit dieser Vorschrift z.B. VGH BW, B.v. 28.2.2017 – A 2 S 271.17 – juris).


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