Kosten- und Gebührenrecht

I ZR 153/20

Aktenzeichen  I ZR 153/20

Datum:
4.11.2021
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:041121BIZR153.20.0
Normen:
§ 103 UrhG
§ 48 GKG
§ 3 ZPO
Spruchkörper:
1. Zivilsenat

Verfahrensgang

vorgehend OLG Nürnberg, 11. August 2020, Az: 3 U 3016/19vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 31. Juli 2019, Az: 3 O 9159/15

Tenor

Der Streitwert für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird auf 145.358,73 € festgesetzt.

Gründe

1
I. Der Kläger ist Modefotograf. Die Beklagte stellt Bade- und Strandbekleidung her und vertreibt diese nicht direkt an den Endkunden, sondern an Händler. Ab 2006 fertigte der Kläger Lichtbilder von Bademoden für die Beklagte und die G.                GmbH & Co. KG, die inzwischen auf die Beklagte verschmolzen wurde. Die Beklagte bzw. die G.                  GmbH & Co. KG nutzte die vom Kläger im Rahmen von insgesamt 13 Auftragsshootings zwischen 2006 und 2011 erstellten insgesamt 34.562 Fotografien in verschiedener Weise für Werbezwecke.
2
Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe die von ihm auftragsgemäß gefertigten Fotografien unter Überschreitung der vertraglich eingeräumten Nutzungsrechte und damit unbefugt für sich und ihre Händler verwendet. Er hat mit seiner Klage vom 15. Dezember 2015 Schadensersatzfeststellungs- und Auskunftserteilungsansprüche sowie Freistellung von Abmahnkosten geltend gemacht. Mit weiterem Schriftsatz vom 17. Oktober 2016 hat er darüber hinaus beantragt, das Urteil öffentlich bekannt zu machen.
3
II. Das Landgericht hat der Klage insoweit stattgegeben, als Lichtbilder von der Beklagten an Händler weitergegeben bzw. diesen zugänglich gemacht worden sind. Den Antrag auf Urteilsbekanntmachung hat es abgewiesen. Den Streitwert hat das Landgericht zuletzt auf insgesamt 177.198,41 € festgesetzt, wobei es für den Antrag auf Urteilsbekanntmachung einen Wert von 500 € als angemessen angesehen hat.
4
Beide Parteien haben gegen das landgerichtliche Urteil Berufung eingelegt. Die Berufung der Beklagten ist weitgehend ohne Erfolg geblieben. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert. Das Berufungsgericht hat den Tenor zum Antrag auf Urteilsbekanntmachung gemäß § 103 UrhG wie folgt gefasst:
Dem Kläger wird gestattet, auf Kosten der Beklagten das vorliegende Urteil in Auszügen (Rubrum und Tenor, den Sachbericht der Gründe (I.) bis “worden war” und die Rechtsausführungen der Gründe (II.) in den ersten beiden Absätzen sowie den mit 4. nummerierten Absatz) je in einer deutschlandweit und einer in Österreich erscheinenden Tageszeitung sowie in zwei Fachmagazinen für die Textilwirtschaft (deren Adressatenkreis Deutschland und Österreich erfasst) zu veröffentlichen.
5
Das Berufungsgericht hat sodann nach seiner Begründung einen Wert von 181.698,41 € errechnet, den Streitwert dann allerdings zunächst auf insgesamt 181.397,16 € festgesetzt. Nachdem die Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde erhoben hatte, hat das Berufungsgericht den Streitwert auf die Gegenvorstellung des Prozessbevollmächtigten des Klägers II. Instanz mit Beschluss vom 22. Juni 2021 auf 431.397,16 € festgesetzt.
6
Der Senat hat die von der Beklagten erhobene Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 1. Juli 2021 ohne Festsetzung des Streitwerts zurückgewiesen. Zwischen den Parteien steht allein noch der Streitwert für den Antrag auf Urteilsbekanntmachung im Streit.
7
Die Beklagte hat im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde mit Schriftsatz vom 8. Juli 2021 beantragt, den Streitwert auf insgesamt 201.397,16 € festzusetzen. Sie ist der Auffassung, der Streitwert für den Antrag auf Urteilsbekanntmachung sei mit einem Bruchteil des Unterlassungswerts anzusetzen, da sich das Interesse des Klägers auf die Beseitigung der Wirkungen der Urheberrechtsverletzung richte. Dieses Interesse sei unabhängig von den Kosten der Veröffentlichung. Im Streitfall sei der Wert mit einem Zwanzigstel des Unterlassungsstreitwerts anzusetzen, da der Kläger an der Urteilsveröffentlichung aufgrund des Zeitablaufs kein besonderes Interesse mehr habe.
8
Der Kläger vertritt demgegenüber die Auffassung, dass auf die tatsächlichen Kosten der Urteilsveröffentlichung abzustellen sei, hilfsweise aber jedenfalls mindestens ein Drittel der Kosten des Unterlassungsstreitwerts anzusetzen wäre.
9
III. Der Streitwert für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren war nach § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO auf insgesamt 145.358,73 € festzusetzen.
10
1. Das Berufungsgericht hat den Streitwert unter Bezugnahme auf die Festsetzung durch das Landgericht zunächst auf insgesamt 181.397,16 € festgesetzt, wobei es für den Antrag auf Urteilsbekanntmachung einen Wert von 5.000 € angesetzt hat. Mit Beschluss vom 22. Juni 2021 hat das Berufungsgericht den Streitwert unter Schätzung der Kosten der Urteilsbekanntmachung um einen Betrag von 250.000 € erhöht und mit 431.397,16 € festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich das nach § 3 ZPO zu schätzende Interesse des Klägers an der Veröffentlichung des Urteils aus dessen Interesse im eigentlichen Sinn und den Kosten der Veröffentlichung zusammensetze. Diese seien für die Veröffentlichung des Berufungsurteils in zwei Tageszeitungen und zwei Fachmagazinen mit Erscheinungsschwerpunkt in Deutschland und Österreich auf 250.000 € zu schätzen. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
11
2. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO ist der Streitwert vom Gericht nach freiem Ermessen festzusetzen. Für den Antrag auf Urteilsveröffentlichung ist dabei entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts nicht auf die vom Beklagten aufzubringenden Kosten der Urteilsveröffentlichung, sondern auf das Beseitigungsinteresse des Klägers abzustellen.
12
a) Der Wert der öffentlichen Bekanntmachung eines Urteils ist nach § 3 ZPO frei und unabhängig vom Streitwert der Hauptsache sowie von den Kosten der Bekanntmachung zu schätzen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. August 2016 – VI ZB 17/16, GRUR 2016, 1207 Rn. 14; OLG Hamm, JMBlNRW 1954, 177 f.; OLG Frankfurt a.M., GRUR 1955, 450, 451; OLG Frankfurt a.M., JurBüro 1972, 706; OLG Hamburg, MDR 1977, 142; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl., § 25 Rn. 38; Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 103 Rn. 1; Gehle in Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, ZPO, 79. Aufl., § 3 Rn. 129; Großkomm.UWG/Feddersen, 2. Aufl., § 12 E Rn. 6; Teplitzky/Feddersen, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., Kap. 49 Rn. 31; Retzer in Harte/Henning, UWG, 5. Aufl., § 12 Rn. 670; BeckOK.Patentrecht/Voß,22. Edition [Stand: 15. Oktober 2021], § 140e PatG Rn. 22; aA OLG Karlsruhe, WRP 1958, 190 f.; OLG Stuttgart, NJW 1959, 890 f.; Ahrens in Büscher, UWG, 2. Aufl., § 12 Rn. 434; Bähr in Ahrens, Wettbewerbsprozess, 9. Aufl., Kap. 39 Rn. 31; Jansen in Ekey/Bender/Fuchs/Wissemann, Markenrecht, 4. Aufl., § 19c MarkenG Rn. 31).
13
b) Ausgangspunkt und Maß der Bewertung des Streitwerts gemäß § 3 ZPO ist nach den allgemeinen Grundsätzen das nach objektiven Maßstäben zu beurteilende individuelle Interesse des Anspruchstellers (BVerfG, NJW 1997, 311, 312 [juris Rn. 9]; BGH, Urteil vom 22. Oktober 2004 – V ZR 47/04, NJW-RR 2005, 501, 502 f. [juris Rn. 14 f.]; MünchKomm.ZPO/Wöstmann, 6. Aufl., § 3 Rn. 5). Während sich bei urheberrechtlichen Unterlassungsansprüchen deren Wert nach dem Interesse des Anspruchstellers an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße richtet und dieses Interesse pauschalierend unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bewerten ist und maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit für den Inhaber des verletzten Schutzrechts, bestimmt wird (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – I ZR 1/15, GRUR 2016, 1275 Rn. 33 = WRP 2016, 1525 – Tannöd, mwN; zum wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch vgl. BGH, Urteil vom 26. April 1990 – I ZR 58/89, GRUR 1990, 1052, 1053 [juris Rn. 19] – Streitwertbemessung, mwN), ist das Interesse bei der Befugnis zur Urteilsbekanntmachung auf die Beseitigung einer Beeinträchtigung gerichtet (BGH, Urteil vom 8. Mai 2002 – I ZR 98/00, GRUR 2002, 799, 801 [juris Rn. 42] = WRP 2002, 990 – Stadtbahnfahrzeug; Spindler in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl., § 103 UrhG Rn. 1), die aufgrund einer Rechtsverletzung, einer unzutreffenden Urheberberühmung oder auch eines unzutreffenden Plagiatsvorwurfs eingetreten ist (BeckOK.UrhR/Reber, 32. Edition [Stand: 15. September 2021], § 103 UrhG Rn. 1; Dreier in Dreier/Schulze aaO § 103 Rn. 1; Eichelberger in Eichelberger/Wirth/Seifert, UrhG, 3. Aufl., § 103 Rn. 1; Ohst/Bohne in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 5. Aufl., § 103 UrhG Rn. 2). Betroffene Urheber haben insoweit ein schutzwürdiges Interesse daran, der Öffentlichkeit anzuzeigen, dass ihre Schöpfungen von anderen entstellt oder zu Unrecht ausgenutzt wurden oder ein gegen sie erhobener Vorwurf des Plagiats unbegründet ist (Entwurf eines Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte,BT-Drucks. IV/270, 105 f.; Dreier in Dreier/Schulze aaO § 103 Rn. 1; Wimmers in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl., § 103 UrhG Rn. 1).
14
c) Auf die den Beklagten treffenden Kosten der Urteilsbekanntmachung ist für die Bemessung des Streitwerts danach schon deshalb nicht abzustellen, weil sich der vom Gericht festzusetzende Streitwert grundsätzlich nach dem Interesse des Anspruchstellers richtet. Zudem sind die Kosten der Urteilsbekanntmachung für die Streitwertbemessung ungeeignet. Art und Umfang der Bekanntmachung und damit die für die Veröffentlichungskosten relevanten Umstände werden erst durch das Gericht mit dem Urteil festgelegt (vgl. OLG Frankfurt a.M., GRUR 2014, 296 [juris Rn. 26]; Dreier in Dreier/Schulze aaO § 103 Rn. 9;Wimmers in Schricker/Loewenheim aaO § 103 UrhG Rn. 8). Gemäß § 40 GKG ist jedoch für die Bemessung des Werts auf den Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung abzustellen, die den Rechtsweg einleitet.
15
3. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die ursprüngliche Streitwertbemessung des Berufungsgerichts für den Anspruch auf Urteilsbekanntmachung im Berufungsurteil – mit Ausnahme eines Rechenfehlers – nicht zu beanstanden, so dass der Senat diesen Wert auch für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zugrunde legt.
16
Das Berufungsgericht hat – von den Parteien nicht beanstandet – für den bezifferten Freistellungsanspruch zu III einen Wert von 36.698,41 € festgesetzt. Für den vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruch gemäß dem Antrag zu II hat es einen Wert von 100.000 € angesetzt. Auch hiergegen wenden sich die Parteien nicht. Weiter ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Wert des Auskunftsanspruchs für die Anträge zu I.1 und I.2 mit einem Wert von jeweils 20.000 € zu bemessen ist. Rechtsfehler sind auch insoweit nicht ersichtlich. Schließlich hat das Berufungsgericht den Wert des Anspruchs auf Gestattung der Urteilsbekanntmachung mit einem Wert von 5.000 € angesetzt.
17
Der Senat erachtet die Ansetzung eines Werts von 5.000 € für die Befugnis zur Urteilsbekanntmachung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls für ermessensfehlerfrei. Dies gilt auch mit Blick auf den, wenn auch erst im Rahmen des Berufungsverfahrens erhobenen Vortrag des Klägers, wonach er ein großes Interesse an der Urteilsbekanntmachung habe, da hierdurch eine nicht monetäre Rehabilitation erfolge und es für die Öffentlichkeit von Interesse sei, dass er sich gegen einen “übermächtigen” Auftraggeber durchgesetzt habe.
18
Hiernach ergibt sich für den Streitwert des Berufungsverfahrens zunächst ein Gesamtbetrag in Höhe von 181.698,41 €. Weiter ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass das Unterliegen der Beklagten rund 80% betrage, was die Parteien ebenfalls nicht beanstandet haben. Dementsprechend ergibt sich für die Nichtzulassungsbeschwerde, deren Gegenstand lediglich die Beschwer zu Lasten der Beklagten erfasst, ein Betrag in Höhe von 80% des oben genannten Streitwerts, also 145.358,73 €.
Koch     
        
Löffler     
        
Schwonke
        
Feddersen     
        
Schmaltz     
        


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