Kosten- und Gebührenrecht

Keine unangemessene Verfahrensdauer

Aktenzeichen  8 EK 2/2

Datum:
5.2.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41029
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GVG § 198 Abs. 1

 

Leitsatz

Unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 S. 1 GVG ist eine Verfahrensdauer dann, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 S. 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag des Antragstellers, ihm für die Durchführung eines Entschädigungsverfahrens Prozesskostenhilfe zu gewähren und ihm einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird zurückgewiesen.
II. Das Verfahren ist gebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt mit Schreiben vom 13.01.2021 Prozesskostenhilfe für ein Verfahren, in dem er gegen den Antragsgegner einen Anspruch auf eine Entschädigung wegen überlanger Dauer eines Beratungshilfeverfahrens des Amtsgerichts Bamberg geltend zu machen beabsichtigt. Er habe mit Schreiben vom 23.04.2018 bei der Rechtsantragsstelle des Amtsgerichts Bamberg die Gewährung von Beratungshilfe beantragt. Ein Aktenzeichen sei ihm nicht mitgeteilt worden. Sein Antrag sei nicht bearbeitet.
Er stellt hierzu die Anträge:
– Für das Entschädigungsverfahren gem. § 198 GVG wird mir Verfahrens-/Prozesskostenhilfe bewilligt
– Mir wird ein (noch zu benennender) Rechtsanwalt zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung meiner Rechte beigeordnet
Die Verfahrensakten zum Antrag vom 23.04.2018 wurden beigezogen und auf sie wird Bezug genommen (Bl. 1 ff. der beigezogenen Akten 155 UR II 1302/18).
In den beigezogenen Akten befindet sich ein Vermerk vom 11.10.2018, in dem u.a. folgendes ausgeführt wird: „Über den Befangenheitsantrag des Antragstellers wird nicht entschieden, weil er rechtsmissbräuchlich zu verfahrensfremden Zwecken gestellt wurde. (…) Der Antragsteller hat in über 500 Verfahren gegen mehrere Rechtspfleger gleichzeitig und in vier Verfahren 192 UR II 729/18, 155 UR II 720/18, 155 UR II 721/18 und 187 UR II 725/18 jeweils gleichlautende Befangenheitsanträge gegen verschiedene namentlich genannte Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger gestellt “. Ferner befindet sich in den Akten ein Aktenvermerk des Rechtspflegers vom 11.04.2019, in dem u.a. folgendes ausgeführt wird: „Da es bei dem Antragsteller in all seinen Anträgen immer wieder um den gleichen Antrag geht und in dieser Angelegenheit schon mehrfach entschieden wurde, die Rechtsmittelinstanzen ausgeschöpft und alle Entscheidungen zur Ablehnung des Antrags führten, wird (…) keine Entscheidung mehr ergehen. Die Vorgehensweise des Antragstellers zeigt, dass es nicht um ein Rechtsschutzinteresse geht, sondern das Amtsgericht mit Anträgen zu überhäufen. Eine Entscheidung unterbleibt daher.“
Der Senat hatte im Verfahren 8 EK 34/20 (u.a.) zusätzlich die Verfahren des Amtsgerichts Bamberg mit den Aktenzeichen 192 UR II 729/18, 155 UR II 720/18, 155 UR II 721/18 und 187 UR II 725/18 beigezogen. In diesen Verfahren befindet sich jeweils ein Befangenheitsantrag des Antragstellers vom Mai 2018 sowie jeweils ein Beschluss des Amtsgerichts Bamberg vom 24.07.2018, durch den die vom Antragsteller gestellten Befangenheitsanträge gegen sechs namentlich genannte Rechtspfleger als unzulässig und ein weiterer Befangenheitsantrag gegen einen weiteren Rechtspfleger als unbegründet zurückgewiesen wurde. In den Beschlüssen wird in den Gründen auf Seite 4 jeweils folgendes ausgeführt: „Da in sämtlichen Verfahren, in denen der Antragsteller nun Beratungshilfe beantragt hat, bereits in früheren Entscheidungen die ursprünglich beantragte Beratungshilfe abgelehnt wurde, beabsichtigt das Gericht, über die nun noch vorliegenden Anträge auf Beratungshilfe und Befangenheit nicht mehr zu entscheiden, sondern sofern die sachliche Prüfung ergibt, dass kein neuer Sachverhalt zugrunde liegt, sie in Sammelbänden nach Eingangsdatum abzulegen.“
Die vorgenannten Beschlüsse vom 24.07.2018 wurden dem Antragsteller jeweils am 27.07.2018 zugestellt.
Am 26.11.2018 reichte der Antragsteller im Verfahren Az. 155 UR II 1302/18 eine „Verzögerungsrüge“ ein.
II.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe sowie Beiordnung eines Rechtsanwalts war zurückzuweisen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und mutwillig erscheint.
Gemäß § 114 Abs. 1 ZPO kann Prozesskostenhilfe nur bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Ein Rechtsschutzbegehren hat Aussicht auf Erfolg, wenn bei einer summarischen Prüfung ein Erfolg in der Sache hinreichend wahrscheinlich ist (Wache in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 114 ZPO, Rn. 50; Zöller/Schultzky, Kommentar zur ZPO, 33. Auflage 2020, § 114 ZPO, Rn. 18 und Rn. 19).
Im vorliegenden Fall fehlt eine hinreichende Erfolgswahrscheinlichkeit, da eine unangemessene Verfahrensdauer im Sinne von § 198 Abs. 1 GVG nicht vorliegt. Unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist eine Verfahrensdauer dann, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist. Bezugspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit ist die Gesamtverfahrensdauer, wie sie § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definiert. Die Verfahrensdauer muss eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen (Rechtsstaatsprinzip, Grundsatz richterlicher Unabhängigkeit) für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (st. Rspr., vgl. nur BGH vom. 23.01.2014 – III ZR 37/13, NJW 2014, 939, 941; Zimmermann in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2017, § 198 GVG, Rn. 29).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist im vorliegenden Fall von keiner unangemessenen langen Verfahrensdauer auszugehen.
Angesichts der Vielzahl der Beratungshilfeanträge des Antragstellers (im Jahr 2018 durchschnittlich mehr als 3 werktäglich und insgesamt, so der Stand im Frühjahr 2019, bereits mehr ca. 1.570) und der Behinderung einer zügigen Bearbeitung durch die sich ausnahmslos als unzulässig bzw. unbegründet erweisenden Befangenheitsanträge ist für das Beratungshilfeverfahren mit dem Aktenzeichen 155 UR II 1302/18 mit einer Verfahrensdauer von unter einem Jahr keine als unangemessen lange zu wertende Zeit festzustellen.
III.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO in Verbindung mit § 574 Abs. 3 ZPO).
Der Rechtssache kommt weder eine grundsätzliche Bedeutung zu noch dient sie der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
IV.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben