Kosten- und Gebührenrecht

Kostenerinnerung, Vertreter des öffentlichen Interesses als Revisionskläger, Kostenfestsetzungsantrag bzgl. vorverauslagtem Gerichtskostenvorschuss

Aktenzeichen  M 3 M 17.1818

Datum:
4.5.2022
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11094
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 165, § 151
LABV § 5 Abs. 1 S. Nr. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23. März 2017 im Verfahren M 3 K 11. … wird dahingehend geändert, dass die Ziffer III. dieses Beschlusses aufgehoben wird.
Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Erinnerungsverfahrens gesamtschuldnerisch zu tragen.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 23. März 2017.
Mit Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Juli 2015 wurde auf die Revision der Antragsgegnerin hin das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Mai 2014 geändert; die Berufungen der Antragsteller gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 26. Februar 2013 im Verfahren M 3 K 11. … wurden zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens wurden den Antragstellern auferlegt.
Mit Schriftsatz vom 30. August 2016 beantragte die Antragsgegnerin, die als Vertreterin des öffentlichen Interesses Revision gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Mai 2014 eingelegt hatte, die Rückfestsetzung gemäß §§ 29 ff. GKG i.V.m. § 812 BGB hinsichtlich der von ihr gezahlten Gerichtskosten vor dem Bundesverwaltungsgericht in Höhe von 730,- EUR.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23. März 2017 setzte die Urkundsbeamtin die der Antragsgegnerin im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht entstandenen notwendigen Aufwendungen auf 730,- EUR fest (Ziffer I.), stellte fest, dass diese Kosten nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Juli 2015 die Kläger (Antragsteller im vorliegenden Verfahren) zu tragen hätten (Ziffer II.) und der unter Ziffer I. festgesetzte Betrag ab dem 5. September 2016 mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen sei (Ziffer III.).
Gegen diesen Beschluss legten die Antragsteller mit Schriftsatz vom 4. April 2017 Erinnerung ein und beantragten,
den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23. März 2017 aufzuheben.
Die Landesanwaltschaft Bayern sei eine Behörde des Freistaats Bayern und nach dem Rechtsträgerprinzip nicht aktivlegitimiert. Das Schreiben der Landesanwaltschaft Bayern vom 30. August 2016 stelle auch keinen Kostenfestsetzungsantrag dar, da nur die Rückzahlung der vorschüssig an die Bundeskasse eingezahlten Gerichtskosten beantragt worden sei. Dieser Antrag richte sich aber nicht gegen die Antragsteller, sondern nur gegen die Bundeskasse. Es sei auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin die Kostenrechnung über den Vorschussbetrag überhaupt bezahlt bzw. den Betrag nicht wieder zurückerhalten habe. Im Übrigen sei keine Verzinsung beantragt worden, sodass die Festsetzung in Ziffer III. schon aus diesem Grunde fehlerhaft sei.
Die Urkundsbeamtin half dem Antrag nicht ab und legte ihn mit Schreiben vom 27. April 2017 dem Gericht zur Entscheidung vor. Das Gericht hat den Beteiligten mit Schreiben vom 11. Mai 2017 Gelegenheit zur weiteren Stellungnahme gegeben.
Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 22. Mai 2017 beantragt,
die Erinnerung zurückzuweisen.
Sie hat mitgeteilt, dass die Gerichtskosten am 28. August 2014 an das Bundesverwaltungsgericht gezahlt worden seien und eine Rücküberweisung von dort nicht erfolgt sei.
Die Antragsteller haben sich nicht mehr geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und die Gerichtskostenakte im Verfahren M 3 K 11.2963 verwiesen.
II.
Die gemäß §§ 165, 151 VwGO zulässige Kostenerinnerung ist nur insoweit begründet, als in Ziffer III. die Verzinsung des nach Ziffer I. festgesetzten Betrags angeordnet worden ist. Im Übrigen ist die Kostenerinnerung unbegründet.
Über den Antrag der Antragsteller auf gerichtliche Entscheidung (Erinnerung) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23. März 2017 entscheidet die Kammer. § 87a Abs. 1 und 3 VwGO begründen nur dann eine Zuständigkeit des Berichterstatters, wenn die Entscheidung „im vorbereitenden Verfahren“ ergeht. Diese Voraussetzung ist jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn – wie hier – eine mündliche Verhandlung vor dem Spruchkörper (Kammer) stattgefunden hat und das Verfahren darin beendet worden ist (vgl. BVerwG, B.v. 29.12.2004 – 9 KSt 6/04 – juris Rn. 3).
1. Die Urkundsbeamtin hat in zutreffender Weise die von der Antragsgegnerin beantragte Festsetzung der von ihr beim Bundesverwaltungsgericht für das Revisionsverfahren (Az. 6 C 33.14) verauslagten Verfahrensgebühr (Nr. 5130 des Kostenverzeichnisses zum GVG) ausgesprochen.
Zunächst ist festzustellen, dass die Antragsgegnerin im Kostenfestsetzungsverfahren antragsberechtigt ist. Antragsbefugt ist, wer gegen einen anderen an dem vorausgegangenen Prozess Beteiligten aus der Kostenentscheidung einen Erstattungsanspruch hat (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Rn. 5 zu § 164).
Beteiligte im Revisionsverfahren war die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses nach § 63 Nr. 4 VwGO und nicht der Freistaat Bayern. Der Landesanwaltschaft Bayern als eine dem Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration unmittelbar nachgeordnete Behörde obliegt u.a. die Vertretung des Freistaates Bayern als Kläger, Beklagter oder Beigeladener (§ 63 Nr. 1 bis 3 VwGO) sowie die Vertretung des öffentlichen Interesses nach §§ 36, 63 Nr. 4 VwGO (vgl. § 1 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 LABV).
Im Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (Az. 6 C 33.14) trat die Landesanwaltschaft Bayern nicht als Vertretungsbehörde des Freistaats Bayern nach § 3 Abs. 1 LABV auf, sondern nahm die Vertretung des öffentlichen Interesses gemäß § 36 VwGO vor dem Bundesverwaltungsgericht wahr (vgl. § 5 Abs. 1 Satz Nr. 2 LABV). Als Vertretung des öffentlichen Interesses ist die Landesanwaltschaft Beteiligte nach § 63 Nr. 4 VwGO und damit auch kostenpflichtig. Der Vertreter des öffentlichen Interesses kann insbesondere zur Kostentragung herangezogen werden, wenn er als Rechtsmittelführer (vgl. § 154 Abs. 2 VwGO) auftritt (vgl. VG Ansbach, B.v. 29.7.2020 – AN 4 M 19.02620 – juris Rn. 21). Insoweit ist es unerheblich, dass die Verauslagung der Kosten über einen Haushaltstitel des Freistaats Bayern vorgenommen wird.
Nach § 164 VwGO setzt der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszugs auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. Voraussetzungen für die Kostenfestsetzung sind das Vorliegen einer rechtskräftigen oder zumindest vorläufig vollstreckbaren Kostengrundentscheidung zu Gunsten desjenigen, der die Festsetzung seiner Kosten beantragt, und die Erstattungsfähigkeit der beantragten Kosten nach § 162 Abs. 1 und 2 VwGO (Olbertz in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 41. EL Juli 2021, § 164 Rn. 2; Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, Rn. 24 zu § 164; Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, Rn. 13 zu § 164). Die Kostengrundentscheidung bestimmt gemäß §§ 154 ff. VwGO, auf wen und ggf. mit welcher Quote die Kosten des Verfahrens entfallen, während sich die nachfolgende Kostenfestsetzung inhaltlich nach § 162 Abs. 1 und 2 VwGO richtet und die konkrete Höhe der zu erstattenden Aufwendungen festlegt (Olbertz in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 41. EL Juli 2021, § 162 Rn. 2; Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 162 Rn. 123, § 164 Rn. 24).
Die Kostengrundentscheidung, aufgrund derer die Urkundsbeamtin die Kostenfestsetzung vorliegend vorgenommen hat, ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Juli 2015 im Verfahren 6 C 33.14.
Das Schreiben der Landesanwaltschaft Bayern vom 30. August 2016 stellt – anders als von den Antragstellern vorgetragen – den für eine Festsetzung nach § 164 VwGO erforderlichen und ausreichenden Antrag auf Kostenfestsetzung dar. Unschädlich ist dabei, dass der Antrag nicht als „Kostenfestsetzungsantrag“ überschrieben und dem Wortlaut nach auf Rückfestsetzung nach §§ 29 ff. GKG i.V.m. § 812 BGB gerichtet ist. Dass damit eine Kostenfestsetzung nach § 164 VwGO und nicht eine Rückerstattung bei der und durch die Bundeskasse beantragt worden ist, ergibt sich bereits daraus, dass der Antrag gerade nicht an die Bundeskasse gerichtet worden ist, sondern an das Bayerische Verwaltungsgericht München, das als Gericht des ersten Rechtszugs auch nach Abschluss des Revisionsverfahrens beim Bundesverwaltungsgericht für die Kostenfestsetzung – auch soweit es um Kosten der höheren Instanzen geht – zuständig ist (Olbertz in Schoch/Schneider, VwGO, 41. EL Juli 2021, Rn. 10 zu VwGO). Damit war eine Kostenfestsetzung im Verhältnis der Beteiligten des Rechtsstreits zueinander, also die sekundäre Kostenerstattung (vgl. Wysk, VwGO, 3. Auflage 2020, Rn. 3 zu § 164) gewollt. Dies ergibt sich darüber hinaus auch aus dem Verweis auf § 812 BGB im Antrag vom 30. August 2016, da sich die Antragsteller aufgrund der vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommenen Verrechnung der von der Antragsgegnerin verauslagten 730,- EUR auf die Kostenschuld der Antragsteller (vgl. Schlusskostenrechnung vom 22.9.2015) insoweit Aufwendungen erspart hatten, die nunmehr im Wege der Kostenfestsetzung nach § 164 VwGO an die Antragsgegnerin erstattet werden sollen (vgl. auch den Hinweis auf der Schlusskostenrechnung vom 22.9.2015).
Soweit die Antragsteller geltend machen, dass sie vor Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses nicht angehört worden sind, ist dieser Mangel im Erinnerungsverfahren geheilt worden (Kunze in BeckOKVwGO, 60. Ed. 1.10.2021, Rn. 9, 9.1 zu § 164 VwGO m.w.N.).
Die von der Antragsgegnerin als Revisionskläger aufgrund der Kostenrechnung vom 11. August 2014 an die Bundeskasse verauslagten Gerichtskosten (Verfahrensgebühr nach Nr. 5130 des Kostenverzeichnisses zum GKG) stellen auch nach § 162 VwGO erstattungsfähige Kosten des Verfahrens dar (vgl. Hellstab in von Eicken/Hellstab/Lappe/Madert/Dörndorfer, Die Kostenfestsetzung, 21. Auflage 2013, Rn. D 135 f.).
Dass diese von der Antragsgegnerin auch tatsächlich verauslagt worden sind, erschließt sich für das Gericht zweifelsfrei aus der am 28. August 2014 erfolgten Feststellung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit durch die Antragsgegnerin auf der Rechnung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. August 2014 sowie der Bestätigung der vollständigen und richtigen Erfassung im Integrierten Haushalts- und Kassenverfahren (IHV) des Freistaates Bayern, über das Zahlungen der Behörden des Freistaats Bayern abgewickelt werden.
Dass die Gerichtskosten von der Bundeskasse nach Verfahrensabschluss nicht wieder rückerstattet worden sind, ist der Schlusskostenrechnung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. September 2015 zu entnehmen. Die Antragsgegnerin als Rechtsmittelführerin (§ 12 Abs. 1 Satz 1 GKG) hat zunächst (zur Fälligkeit als Vorschuss vgl. § 6 Abs. 1 GKG) Gerichtskosten einbezahlt, die nach der Kostengrundentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht sie, sondern die Antragsteller zu tragen haben. Diesen ist mit Schreiben vom 22. September 2015 eine Schlusskostenrechnung übersandt worden. Darin erfolgte eine Verrechnung mit der von der Antragsgegnerin verauslagten Gerichtskosten in Höhe von 730,- EUR. Anhaltspunkte dafür – dass wie von den Antragstellern vorgetragen – dieser Vorschuss wieder an die Antragsgegnerin zurückerstattet worden sein könnte, sind damit nicht ersichtlich. Insbesondere wäre es dann an den Antragstellern gewesen, durch Vorlage einer Nachforderung der Bundeskasse zu belegen, dass diese den Vorschuss an die Antragsgegnerin zurückerstattet hat und die Antragsteller infolgedesses den zunächst verrechneten Betrag in Höhe von 730,- EUR nachträglich zu entrichten hatten.
Die Festsetzung der notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in Höhe von 730,- EUR ist damit im streitbefangenen Kostenfestsetzungsbeschluss zu Recht erfolgt.
2. Aufzuheben ist dagegen die Ziffer III. des Kostenfestsetzungsbeschlusses, weil die Verzinsung in der mit Schreiben vom 30. August 2016 beantragten Rückerstattung im Antrag vom 30. August 2016 nicht enthalten war und somit auch nicht festgesetzt werden durfte.
Nach § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO sind die Kosten ab Eingang des Festsetzungsantrags zu verzinsen, allerdings nur auf Antrag. Einen solchen Antrag enthält das Schreiben der Antragsgegnerin vom 30. August 2016 offensichtlich nicht. Auch ein nachträglicher Antrag auf Verzinsung ist nicht gestellt worden. Somit ist der Ausspruch im Kostenfestsetzungsbeschluss, dass der unter Ziffer I. festgesetzte Betrag ab dem 5. September 2016, dem Tag des Eingangs des Kostenfestsetzungsantrags bei Gericht, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist, ohne entsprechenden Antrag und damit zu Unrecht ergangen.
Im Übrigen war die Erinnerung zurückzuweisen.
3. Die Antragsteller haben die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen; das Obsiegen hinsichtlich der Zinsen betrifft nur einen untergeordneten Teil (§ 154 Abs. 1 i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 3, 159 Satz 2 VwGO). Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.


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