Kosten- und Gebührenrecht

Rechtmäßigkeit der Ersatzvornahme

Aktenzeichen  M 22 K 16.323

Datum:
21.11.2016
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KG Art. 16
VwGO VwGO § 121, § 166
ZPO ZPO § 114
VwzVG Art. 32, Art. 41

 

Leitsatz

Wurde die Rechtswidrigkeit einer Ersatzvornahme bereits durch rechtskräftiges Urteil festgestellt, so sind die Beteiligten und das Gericht in der (nachfolgenden) Klage gegen die Heranziehung zu den Kosten für die Ersatzvornahme hieran gebunden.   (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Dem Kläger wird für das Verfahren erster Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt und insoweit Rechtsanwalt … …, München, beigeordnet.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt mit der Klage die Aufhebung des Leistungsbescheids vom 22. Dezember 2015, mit dem die Beklagte Ersatz von Kosten in Höhe von EUR 34.319,15 für die im Wege der Ersatzvornahme in Auftrag gegebene Fällung von umsturzgefährdeten Bäumen auf dem Klägergrundstück … der Gemarkung … geltend macht.
Mit Bescheid vom 14. Juni 2011 ordnete die Beklagte gegenüber dem Kläger die Fällung von umsturzgefährdeten Bäume auf Grundlage des Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG (Ziff. I.) sowie deren Ersatzvornahme auf Kosten des Klägers (Ziff. II.) an. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 28. Juni 2011 Klage beim erkennenden Gericht (Az. M 22 K 11.3008). Das Gericht beurteilte die Fällungsanordnung in Ziff. I. des Bescheids als rechtmäßig, die Anordnung der Ersatzvornahme in Ziff. II. jedoch als rechtswidrig, da zum Zeitpunkt des Beginns der Ersatzvornahme am 14. Juni 2011 der Grundverwaltungsakt (Ziff. I.) mangels Bekanntgabe noch nicht wirksam war und es somit an einer allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzung fehlte. Daher wurde mit Urteil vom 18. Juli 2013 die Anordnung der Ersatzvornahme in Ziff. II. des Bescheids aufgehoben, die Klage gegen die Fällungsanordnung in Ziff. I. des Bescheids dagegen abgewiesen. Der von der Beklagten gestellte Berufungszulassungsantrag gegen diese Entscheidung wurde durch Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. Februar 2014 – Az. 10 ZB 13.1922 – abgelehnt, so dass das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2013 rechtskräftig ist.
Nach einer erfolglosen Aufforderung des Klägers durch die Beklagte zur Zahlung der EUR 34.319,15 unter Fristsetzung erhob die Beklagte im bei der Kammer anhängigen Parallelverfahren M 22 K 14.5771 Leistungsklage gegen den Kläger mit dem Antrag, den Kläger zur Zahlung von EUR 34.319,15 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 30.08.2014, hilfsweise ab Rechtshängigkeit zu verpflichten.
Am 22. Dezember 2015 erließ die Beklagte gegenüber dem Kläger einen Leistungsbescheid hinsichtlich der Kosten der Ersatzvornahme in Höhe von EUR 34.319,15. Sie forderte den Kläger auf, den Betrag innerhalb von vier Wochen nach Erhalt des Bescheids zu begleichen. Die Rechtsbehelfsbelehrung:enthielt den Hinweis, dass der Leistungsbescheid nur vollzogen werde, falls die beim Verwaltungsgericht zu Az. M 22 K 14.5771 anhängige Klage rechtskräftig abgewiesen werde.
Mit der am 22. Januar 2016 beim Gericht eingegangenen Klage beantragt der Kläger durch seinen Bevollmächtigten:
Der Leistungsbescheid der Beklagten vom 22.12.2015, Az.: … …, wird aufgehoben.
Zugleich beantragt er,
1.dem Kläger für das Verfahren 1. Instanz vor dem Verwaltungsgericht München Prozesskostenhilfe zu bewilligen,
2.ihm den Unterzeichnenden, … …, als Prozesskostenbevollmächtigten beizuordnen.
Der Kläger ist der Ansicht, der verfahrensgegenständliche Leistungsbescheid sei rechtswidrig, da Voraussetzung für einen Kostenerstattungsanspruch die Rechtmäßigkeit der Ersatzvornahme sei, welche das Gericht im Verfahren M 22 K 11.3008 jedoch mit Urteil vom 18. Juli 2013 rechtskräftig verneint habe. Diese Feststellung sei im vorliegenden Verfahren nach § 121 Nr. 1 VwGO wegen der Rechtskraftwirkung bindend.
Die Beklagte beantragt durch ihren Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 3. März 2016:
Die Klage wird abgewiesen.
Wegen der Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte im streitgegenständlichen Verfahren M 22 K 14.5771 sowie auf die Gerichts- und Behördenakten im Parallelverfahren M 22 K 16.323 Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung ist begründet.
Nach § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag hin ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder die Gegenseite durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO).
1. Der Kläger ist bedürftig im Sinne der prozesskostenhilferechtlichen Bestimmungen.
2. Die Rechtsverfolgung des Klägers bietet auch hinreichende Aussicht auf Erfolg, da die zulässige Klage aller Voraussicht nach begründet ist.
Rechtsgrundlage für den Leistungsbescheid ist Art. 32 Satz 1, Art. 41 VwzVG i.V.m. Art. 1 ff. KG. Nach Art. 41 Abs. 1 Satz 1 VwZVG i.V.m. Art. 16 Abs. 5 KG werden Kosten nur für rechtmäßige Maßnahmen erhoben (vgl. auch BayVGH, B.v. 30.3.2005 – 11 B 03.1818 – BayVBl. 2005, 536, 537). Mit rechtskräftigem Urteil vom 18. Juli 2013 hat das Gericht im Verfahren M 22 K 11.3008 die Anordnung der Ersatzvornahme in Ziff. II. des Bescheids vom 14. Juni 2011 wegen der Rechtswidrigkeit der Ersatzvornahme aufgehoben. Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Streitgegenstand der im Verfahren M 22 K 11.3008 erhobenen Anfechtungsklage war nicht nur der prozessuale Anspruch des Klägers auf Aufhebung der Anordnung der Ersatzvornahme in Ziff. II. des Bescheids vom 14. Juni 2011, sondern auch die Rechtsbehauptung des Klägers, dass die Anordnung der Ersatzvornahme rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BVerwG, B.v. 15.3.1968 – VII C 183.65 -, juris Rn. 16; U.v. 28.4.1972 – IV C 42.69 – juris Rn. 32; U.v. 8.12.1992 – 1 C 12/92 – juris Rn. 11). Es steht daher für die Parteien sowie für das erkennende Gericht im streitgegenständlichen Verfahren bindend fest, dass die Ersatzvornahme rechtswidrig erfolgte (vgl. BVerwG, B.v. 11.11.1998 – 8 B 218/98 -, juris Rn. 5; VG Halle (Saale), U.v. 17.7.2013 – 4 A 189/11, juris Rn. 14ff.). Da für eine rechtswidrige Maßnahme nach Art. 41 Abs. 1 Satz 1 VwZVG i.V.m. Art. 16 Abs. 5 KG keine Kosten erhoben werden dürfen, wird man daher davon auszugehen haben, dass der streitgegenständliche Leistungsbescheid rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
3. Dem Kläger war sein Bevollmächtigter als Rechtsanwalt beizuordnen, da die Beklagte ebenfalls anwaltlich vertreten ist und die Vertretung durch einen Rechtsanwalt darüber hinaus auch erforderlich erscheint, § 121 Abs. 2 ZPO).
4. Die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag ist gerichtsgebührenfrei. Eine Kostenerstattung findet nicht statt (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).


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