Kosten- und Gebührenrecht

Streitwert bei einseitiger Erledigungserklärung

Aktenzeichen  10 CE 15.764

Datum:
29.1.2016
Fundstelle:
LSK – 2016, 130162
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GKG GKG §§ 40, 52 I, II, 63 III 1 Nr.1, III 2

 

Leitsatz

1. In Fällen einer einseitigen Erledigungserklärung bemisst sich der Streitwert nach dem Wert der für erledigt erklärten Hauptsache. (amtlicher Leitsatz)

Tenor

Unter Abänderung der Nr. III des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Oktober 2015 wird der Streitwert für das Verfahren in beiden Rechtszügen auf jeweils 25.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

[1 ] In Nr. III seines Beschlusses vom 28. Oktober 2015 hat der Verwaltungsgerichtshof unter Abänderung der Nr. III des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 18. März 2015 den Streitwert für das Verfahren über den Antrag der Antragstellerin, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO aufzugeben, die angekündigte Erteilung von 20 Sportwettkonzessionen zu unterlassen, solange nicht über ihren eigenen Antrag auf Erteilung einer Konzession zur Veranstaltung von Sportwetten bestandskräftig entschieden wurde, in beiden Rechtszügen auf jeweils 2.500,- Euro festgesetzt. Der Senat ging dabei davon aus, dass im Hinblick auf die einseitige Erledigungserklärung der Antragstellerin der Streitwert nach § 53 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 2 GKG in Höhe des im Eilverfahren zu halbierenden (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013) Auffangwertes festzusetzen sei.
Die dagegen gerichtete Gegenvorstellung der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin, die der Verwaltungsgerichtshof als Anregung versteht, die Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GKG von Amts wegen zu ändern (vgl. Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 29. Oktober 2015, Vorbem. zu § 124 Rn. 12), und zu der die übrigen Beteiligten Gelegenheit hatten, sich zu äußern, hat Erfolg. Der Senat hält an der der Streitwertfestsetzung zugrundeliegenden Rechtsauffassung, maßgeblich sei der halbe Auffangwert, nicht mehr fest, sondern setzt den Streitwert für das Verfahren in beiden Rechtszügen unter Abänderung der Nr. III seines Beschlusses vom 28. Oktober 2015 nach § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und § 53 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 GKG auf jeweils 25.000,- Euro fest.
Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GKG kann die Festsetzung des Streitwerts von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, von Amts wegen geändert werden. Die Änderung ist dabei nach § 63 Abs. 1 Satz 2 GKG nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Dabei ist eine Änderung dann nicht nur möglich, sondern auch notwendig, wenn die Rechtslage es erfordert, also insbesondere, wenn der Streitwert unrichtig festgesetzt ist (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl. 2015, § 63 GKG Rn. 38 f.). Danach ist Nr. III des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs aber dahingehend abzuändern, dass der Streitwert für das Verfahren in beiden Rechtszügen auf jeweils 25.000,- Euro festgesetzt wird.
1. Als Gericht, das den Streitwert in Nr. III des Beschlusses vom 28. Oktober 2015 festgesetzt hat, ist der Verwaltungsgerichtshof für eine Änderung der Streitwertfestsetzung von Amts wegen nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GKG zuständig.
2. Die Änderung erfolgt auch gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 GKG innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt hat. Denn die Entscheidung in der Hauptsache ist mit dem gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbaren Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Oktober 2015 rechtskräftig geworden. Seitdem sind aber noch keine sechs Monate vergangen.
3. Die Streitwertfestsetzung in Nr. III dieses Beschlusses ist unrichtig, weil statt nach § 53 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 2 GKG ein Streitwerts von 2.500,- Euro auf der Grundlage von § 53 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 GKG ein Streitwert von 25.000,- Euro festzusetzen gewesen wäre.
a) In der Rechtsprechung werden im Wesentlichen zwei unterschiedliche Ansichten zum Streitwert von Verfahren vertreten, die wie hier in der Hauptsache durch den Antragsteller oder Kläger einseitig für erledigt erklärt worden sind.
Zum einen wird davon ausgegangen, dass der Antragsteller oder Kläger, der den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hat, mit seinem darin liegenden Erledigungsfeststellungsantrag nicht mehr das hinter seinem ursprünglichen Antrag stehende Interesse verfolgt, sondern nur noch das Interesse, aus dem Prozess ohne einseitige und zwingende Kostenlast aussteigen zu können, und dass deshalb der Streitwert auf den Betrag der bis zur Erledigungserklärung entstandenen Kosten festzusetzen ist (vgl. BGH, U.v. 8.2.1989 – IVa ZR 98/87 – juris Rn. 22; BVerwG, B.v. 3.7.2006 – 7 B 18.06 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 28.4.2011 – 6 ZB 11.328 – juris Rn. 4; OVG RhPf, B.v. 2.4.2014 – 8 A 10021/14 – juris Rn. 19). Zum anderen wird die Auffassung vertreten, anzusetzen sei auch nach einer einseitigen Erledigungserklärung der Wert der für erledigt erklärten Hauptsache (vgl. OLG Düsseldorf, B.v. 17.11.1992 – 10 W 61/92 – NJW-RR 1993, 510/511; OLG Köln, B.v. 14,7,1993 – 17 W 145/93 – juris Rn. 4 f.; OLG SH, B.v. 2.2.2004 – 4 U 47/03 – juris Rn. 3 ff.; HessVGH, B.v. 20.12.2006 – 6 NG 1645/06 – juris Rn. 5 f.; LSG BW, U.v. 20.10.2010 – L 5 KA 352/09 – juris Rn. 37; SächsOVG, B.v. 27.1.2012 – 5 A 157/10 – juris Rn. 10; der Sache nach auch BayVGH, B.v. 19.1.2015 – 10 CE 13.761 – juris Rn. 11).
Auch der Senat ist nunmehr der Auffassung, dass für den Streitwert auch nach einer einseitigen Erledigungserklärung des Klägers oder Antragstellers der Wert der für erledigt erklärten Hauptsache maßgeblich ist.
Zwar trifft es zu, dass in solchen Fällen nach der Erledigungserklärung keine Entscheidung über den ursprünglich geltend gemachten Anspruch mehr begehrt wird, sondern mit dem in der Erledigungserklärung liegenden Antrag auf Feststellung der Erledigung nur noch das Interesse verfolgt wird, aus dem Prozess ohne einseitige und zwingende Kostenlast aussteigen zu können. Dies führt jedoch nicht dazu, dass sich der Streitwert auf das Kosteninteresse reduziert. Nach § 40 GKG ist für die Wertberechnung vielmehr der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung entscheidend, die den Rechtszug einleitet. Eine durch eine Klage- oder Antragsänderung bedingte Verringerung des Wertes, wie sie in der Regel einträte, wenn man statt des Wertes der Hauptsache den Wert des Kosteninteresses zugrunde legen würde, kann aufgrund dieser Regelung aber bei der Bemessung des Streitwertes keine Berücksichtigung finden (vgl. HessVGH, B.v. 20.12.2006 – 6 NG 1645/06 – juris Rn. 6; Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl. 2015, § 40 GKG, Rn. 3). Dass danach der Streitwertfestsetzung für einseitig für erledigt erklärte Verfahren der Wert der Hauptsache und nicht der Wert der bis zur Erledigungserklärung entstandenen Kosten zugrunde zu legen ist, findet eine Stütze darüber hinaus in der Gesetzessystematik. Denn nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GKG wird die Verfahrensgebühr in Prozessverfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit der Einreichung der Klageschrift fällig. Dem entspricht es aber, dass dieser Zeitpunkt auch für die Streitwertfestsetzung maßgeblich ist. Außerdem kommt es wie im vorliegenden Fall, in dem die Erledigungserklärung erst in der zweiten Instanz abgegeben worden ist, erst zu einem Zeitpunkt zu einer Erledigungserklärung, zu dem das Verfahren bereits weit vorangeschritten ist, so dass es nicht gerechtfertigt erscheint, den Streitwert trotz weitgehender Förderung des Verfahrens durch das Gericht und die Beteiligten zu reduzieren (vgl. HessVGH, B.v. 20.12.2006 – 6 NG 1645/06 – juris Rn. 6).
Schließlich wird auch in den Fällen, in denen die Gegenseite der Erledigungserklärung des Klägers oder Antragstellers zustimmt und es deshalb zu übereinstimmenden Erledigungserklärungen kommt, der Streitwert nach dem Wert der Hauptsache bemessen. Da in solchen Fällen ebenso wie in den Fällen der einseitigen Erledigungserklärung der Erledigungserklärung des Klägers oder Antragstellers das Interesse zugrunde liegt, die Kostenlast zu vermeiden, erscheint es aber im Hinblick auf § 52 Abs. 1 GKG, nach dem für die Bemessung des Streitwerts die sich aus dem Antrag ergebende Bedeutung der Sache für den Kläger oder Antragsteller maßgeblich ist, nicht gerechtfertigt, die Höhe des Streitwerts davon abhängig zu machen, ob der Beklagte oder Antragsgegner der Erledigungserklärung zustimmt oder widerspricht. Ebenso wenig kann dabei nach § 52 Abs. 1 GKG im Übrigen entscheidend sein, ob nach der Erledigungserklärung über die Zulässigkeit und Begründetheit der Hauptsache zu entscheiden ist.
b) Ist danach der Streitwert nicht nach den bis zur Erledigungserklärung entstandenen Kosten, sondern nach dem Wert der Hauptsache zu bestimmen, so setzt der Senat den Streitwert für das Verfahren in beiden Rechtszügen in Anlehnung an die Streitwerte, die er bisher bei Streitigkeiten in Bezug auf Sportwetten im Internet der Streitwertfestsetzung zugrunde gelegt hat, auf jeweils 25.000,- Euro fest (vgl. BayVGH, B.v. 30.9.2013 – 10 CE 13.1371 – juris Rn. 45 und Tenor). Er geht dabei von einem Streitwert von 50.000,- Euro aus, der nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren ist.
Einer Kostenentscheidung und Streitwertfestsetzung bedarf es nicht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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