Kosten- und Gebührenrecht

Streitwert einer Klage auf Feststellung des Bestehens eines Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrages

Aktenzeichen  73 O 3885/18

Datum:
3.12.2019
Fundstelle:
JurBüro – 2020, 375
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 3

 

Leitsatz

1. Der Streitwert einer Klage auf Feststellung des Fortbestehens einer Berufsunfähigkeitsversicherung beläuft sich auf 50% des 3,5-fachen Jahresbetrages der Rentenleistung, wenn wegen behaupteter Berufsunfähigkeit Leistungen verlangt werden. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist ein Versicherungsfall weder eingetreten noch behauptet, beträgt der Streitwert einer Klage auf Feststellung des Fortbestehens einer Berufsunfähigkeitsversicherung 20% des 3,5 fachen Jahresbetrages der Rente. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Streitwertbeschluss aus dem Endurteil des Landgerichts Landshut vom 18.10.2019 wie folgt geändert:
Der Streitwert wird auf 18.607,26 EUR festgesetzt.
2. Im Übrigen wird der Streitwertbeschwerde nicht abgeholfen.

Gründe

I.
Die Parteien streiten um den Fortbestand eines Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrages.
Die Parteien waren seit Ende 2014 über einen Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag mit der Versicherungsschein-Nr. XY miteinander verbunden.
Im Jahr 2015 verunfallte der Kläger im Rahmen eines Drachenfluges und stellte in der Folge einen Leistungsantrag bei der Beklagten. Diese focht den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung an.
Der Kläger begehrte mit seiner Klage die Feststellung, dass der Versicherungsvertrag nicht beendet wurde, sondern fortbesteht.
Das Gericht hat der Klage mit Endurteil vom 18.10.2019 stattgegeben. Es hat den Streitwert auf 29.771,62 EUR festgesetzt, mithin auf 80% des 3,5-fachen Jahresbetrag der Rentenleistung.
Mit ihrer Streitwertbeschwerde vom 06.11.2019 – bei Gericht eingegangen am selben Tag – wendet sich die Beklagte gegen die Streitwertfestsetzung.
Unter Verweis auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 14.02.2001 (Az.: 20 W 29/99) führt die Beklagte aus, die gerichtliche Festsetzung sei verfehlt, weil der Kläger kein Leistungsbegehren im Gewande einer Feststellungsklage geltend gemacht habe. Vielmehr sei ein Abschlag von 80% vorzunehmen.
Das Gericht hat dem Kläger mit Verfügung vom 07.11.2019 Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Der Kläger hat hiervon keinen Gebrauch gemacht.
II.
Die Streitwertbeschwerde ist zulässig und teilweise begründet, sodass ihr im tenorierten Umfang zu entsprechen war.
Es spielt für das im Rahmen des § 3 ZPO zu bewertende wirtschaftliche Interesse am Bestehen oder Nichtbestehen eines Versicherungsverhältnisses eine maßgebliche Rolle, welche finanziellen Auswirkungen die getroffene Feststellung voraussichtlich für die Prozessparteien haben wird. Sie nehmen zu, wenn der Eintritt eines Versicherungsfalles angezeigt wird.
Der Streitwert einer Klage auf Feststellung des Fortbestehens einer Berufsunfähigkeitsversicherung beläuft sich auf 50% des 3,5-fachen Jahresbetrages der Rentenleistung, wenn der Versicherungsnehmer das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit behauptet und bei dem Versicherer einen entsprechenden Leistungsantrag gestellt hat.
Der Einwand der Beklagten, der Kläger habe kein Leistungsbegehren im Gewande einer Feststellungsklage geltend gemacht, führt nicht zu einer Reduzierung des Streitwerts auf 20% des 3,5-fachen Jahresbetrag der Rentenleistung.
Der Verweis der Beklagten auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 14.02.2001 (Az.: 20 W 29/99) geht fehl. Die zitierte Entscheidung betrifft, wie sich sowohl den Leitsätzen wie auch den Gründen entnehmen lässt, den Fall, dass ein Versicherungsfall weder eingetreten, noch behauptet, noch demnächst zu erwarten ist. Wie bei einer Risikolebensversicherung ist es bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung keineswegs sicher, dass der Versicherungsfall eintreten wird. Insoweit ist es im beschriebenen Fall angemessen, das wirtschaftliche Interesse des die Feststellung begehrenden Versicherungsnehmers geringer zu bemessen und einen 80%-igen Abschlag vorzunehmen (so auch BGH, Beschluss vom 23.07.1997 – IV ZR 38/97).
Hiervon unterscheidet sich der durch das Gericht entschiedene Fall jedoch grundsätzlich. Im hiesigen Fall war der Eintritt eines Versicherungsfalles behauptet und überdies Leistungsantrag bei der Beklagten gestellt. Das wirtschaftliche Interesse des Klägers war daher höher einzuschätzen als in dem von der Beklagten zitierten Fall.
Hat nämlich der Versicherungsnehmer wegen eines behaupteten Versicherungsfalles bei dem Versicherer einen Antrag auf Auszahlung der Leistungen gestellt, reduziert sich die Ungewissheit hinsichtlich des Eintritts eines Versicherungsfalles darauf, ob eine konkrete Verletzung bereits die Schwelle zur Berufsunfähigkeit überschritten hat. Der Versicherungsnehmer hat durch den Leistungsantrag bereits zum Ausdruck gebracht, dass aus seiner Sicht ein Versicherungsfall eingetreten ist. Insoweit ist sein wirtschaftliches Interesse an der Feststellung des Fortbestandes des Versicherungsvertrages höher zu gewichten. Die Ungewissheit, die insoweit für den Kläger besteht, ist aus Sicht des Gerichts mit 50% zu berücksichtigen (so auch BGH, Beschluss vom 12.02.1992 – IV ZR 241/91; BGH, Beschluss vom 11.07.1990 – IV ZR 100/90).
Der Streitwert berechnet sich daher wie folgt: 886,06 EUR x 12 Monate x 3,5 : 2 = 18.607,26 EUR.


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