Kosten- und Gebührenrecht

Vertretung eines Klägers durch mehrere Prozessbevollmächtigte – Kostenerinnerung

Aktenzeichen  M 6 M 19.33763

Datum:
29.10.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 43102
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 151, § 165 S. 2
AsylG § 80

 

Leitsatz

1. Die Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss im Asylstreitverfahren, mit dem der Antrag auf Kostenfestsetzung gegen die Beklagte abgelehnt worden ist, wird nicht von dem in § 80 AsylG vorgesehenen Beschwerdeausschluss erfasst, da es sich dabei nicht um eine “Beschwerde” im Rechtssinne handelt (Rn. 14). (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Beschwerdeausschluss nach § 80 AsylG ist umfassend und gilt für alle Rechtsstreitigkeiten nach dem Asylgesetz einschließlich aller gerichtlichen Entscheidungen in Nebenverfahren (Rn. 21). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Erinnerung des Erinnerungsführers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 1. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.
II. Der Erinnerungsführer hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Zwischen dem Kläger des Hauptsacheverfahrens und der Beklagten wurde am 7. Februar 2019 ein Klageverfahren (M 6 K 17.47514) dahingehend entschieden, dass das Verfahren eingestellt wird, soweit die Klage zurückgenommen wurde (Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise Zuerkennung subsidiären Schutzes) und der Bescheid der Beklagten in den Nrn. 4-6 aufgehoben wurde und diese verpflichtet wurde festzustellen, dass beim Kläger die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz hinsichtlich Afghanistans vorliegen. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Kläger zu ¾ und der Beklagten zu ¼ auferlegt.
Das Urteil erging als Entscheidung der Berichterstatterin als Einzelrichterin, nachdem ihr der Rechtsstreit durch die Kammer zur Entscheidung übertragen worden war (§ 76 Abs. 1 AsylG).
Der Kläger im Verfahren M 6 K 17.47514 hatte zunächst am 6. September 2017 Klage zur Niederschrift in der Rechtsantragsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts München erhoben. Mit Schriftsatz vom 18. September 2017 bestellte sich der jetzige Erinnerungsführer unter Vollmachtsvorlage als Prozessbevollmächtigter (Klägervertreter zu 1). Mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2017 bestellte sich eine weitere Prozessbevollmächtigte des Klägers unter Vollmachtsvorlage (Klägervertreterin zu 2) und begründete die Klage. Mit Schreiben vom 1. Dezember 2017, vom 24. Januar 2018 und vom 31. Januar 2019 übersandte die 2. Prozessbevollmächtigte weitere Klagebegründungen. Mit Schriftsatz vom 5. Februar 2019 beschränkte sie den Klageantrag vom 6. September 2017. Vom Klägervertreter zu 1 ging keine Klagebegründung ein.
Am 28. Februar 2019 beantragte die Klägervertreterin zu 2 Kostenfestsetzung. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3. April 2019 setzte die Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts München, die dem Kläger von der Beklagten noch zu erstattenden Aufwendungen auf insgesamt 216,31 EUR fest.
Mit Schreiben vom 15. August 2019 beantragte der Klägervertreter zu 1 gleichfalls Kostenfestsetzung. Mit Schreiben der Urkundsbeamtin des Gerichts vom 6. September 2019 wurde ihm mitgeteilt, dass die Kosten bereits von der Prozessbevollmächtigten zu 2 beantragt und mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3. April 2019 festgesetzt wurden. Es bestünde noch die Möglichkeit einen Antrag nach § 11 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG – zu stellen. Voraussetzung hierfür sei, eine schriftliche Bestätigung, dass der Mandant eine Abrechnung nach § 10 RVG erhalten habe.
Mit Schriftsatz vom 30. September 2019 trug der Klägervertreter zu 1 vor, er habe den Kläger vertreten und sei auch im Rubrum des Urteils als alleiniger Prozessbevollmächtigte aufgeführt. Es sei ihm deshalb nicht nachvollziehbar, wie die andere Kanzlei einen entsprechenden Kostenfestsetzungsbeschluss erhalten konnte.
Mit Beschluss vom 1. Oktober 2019, dem Erinnerungsführer gegen Empfangsbekenntnis am 2. Oktober 2019 zugestellt, lehnte die Urkundsbeamtin den Antrag des Klägervertreters zu 1 vom 15. August 2019 auf Kostenfestsetzung gegen die Beklagte ab. Zur Begründung ist u.a. ausgeführt, dass die Kosten bereits mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3. April 2019 für die Klägervertreterin zu 2 festgesetzt wurden.
Mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2019, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München per Fax am gleichen Tag eingegangen, beantragte der Klägervertreter zu 1 (und Erinnerungsführer) gegen den Beschluss vom 1. Oktober 2019 die Entscheidung des Gerichts. Zur Begründung verwies er auf seinen bisherigen Sachvortrag.
Die Kostenbeamtin half der Erinnerung nicht ab und legte ihn zur Entscheidung des Gerichts vor.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die vorliegende Gerichtsakte und die vorstehend angeführte weitere Gerichtsakte verwiesen.
II.
Die Kostenerinnerung ist zulässig aber unbegründet.
1. Für die Entscheidung über die Kostenerinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ist funktionell zuständig, wer die zugrundeliegende Kosten(grund)-entscheidung getroffen hat (§ 165 S. 2, § 151 S. 1 VwGO). Im Ausgangsverfahren (M 6 K 17.47514) war die Berichterstatterin nach Übertragung des Rechtsstreits auf sie zur Entscheidung als Einzelrichterin zuständig.
2. Die Kostenerinnerung ist zulässig.
2.1 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist statthaft. Er wird nicht von dem in § 80 Asylgesetzes – AsylG – vorgesehenen Beschwerdeausschluss erfasst, denn es handelt sich bei der vorliegenden Kostenerinnerung schon nicht um eine „Beschwerde“ im Rechtssinne. § 165 Satz 2 VwGO regelt über die Verweisung auf § 151 VwGO und die dort in Satz 1 geregelte Möglichkeit, eine Entscheidung des Gerichts zu beantragen, und die in § 151 Satz 3 VwGO angeordnete entsprechende Geltung der §§ 147 bis 149 VwGO nur die analoge Anwendbarkeit einzelner Vorschriften des Beschwerderechts (OVG NW, B.v. 16.10.2014 – 11 B 789/14.A – NVwZ-RR 2015, 359, juris Rn. 8; VG München, B.v. 8.1.2018 – M 24 M 17.49735).
2.2 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wurde innerhalb der 2-wöchigen Rechtsmittelfrist gestellt (§ 151 Satz 1 VwGO).
3. Die Kostenerinnerung des Klägervertreters zu 1 ist nicht begründet. Auch wenn sich ein Kläger durch mehrere Prozessbevollmächtigte vertreten lässt, ist eine doppelte Kostenerstattung vom Kostengegner nicht möglich. Eine Ausnahme dieses Grundsatzes ist für den vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
Im Zeitpunkt der Antragstellung des Erinnerungsführers war bereits der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3. April 2019 zu Gunsten der Klägervertreterin zu 2 ergangen. Die Klägervertreterin zu 2 war berechtigt, ihre Kosten nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz geltend zu machen, obwohl sie im Rubrum des am 7. Februar 2019 ergangenen Urteils nicht genannt ist. Die schriftliche Mitteilung, dass sie den Kläger vertritt, erfolgte mit am 18. Oktober 2017 bei Gericht eingegangenen Schreiben unter Vorlage einer schriftlichen Vollmacht. Die Klägervertreterin zu 2 war somit unstreitig Prozessbevollmächtigte des Klägers auch wenn sie nicht im Rubrum des Urteils erfasst war. Ob ein Rechtsanwalt Verfahrensbevollmächtigter ist, hängt außerdem vom Auftrag im Innenverhältnis zum Auftraggeber ab, und nicht von der Vollmacht, die das Außenverhältnis gegenüber Dritten betrifft (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl., Rn. 12 zu VV Vorb.3). Ob der Rechtsanwalt im Sitzungsprotokoll oder im Urteil aufgeführt ist, ist dabei ohne Bedeutung. Das gilt nicht nur für den Gebührenanspruch, sondern auch für die Erstattungspflicht der Gegenpartei (vgl. Gerold/Schmidt a.a.O., Rn 41 zu VV Vorb.3).
Die Kostenerinnerung des Klägervertreters zu 1 (Erinnerungsführers) war somit zurückzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach allgemeiner Meinung jedenfalls im erstinstanzlichen Erinnerungsverfahren nicht erhoben (Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 165 Rn. 10).
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
Der Beschwerdeausschluss nach § 80 AsylG ist umfassend und gilt für alle Rechtsstreitigkeiten nach dem Asylgesetz einschließlich aller gerichtlichen Entscheidungen in Nebenverfahren (vgl. VGH BW, B.v. 28.2.2017 – A 2 S 271/17 – juris Rn. 2 m.w.d.Rspr. und Kom.lit.; BayVGH, B.v. 22.5.2013 – 8 C 13.30078 – juris Rn. 6). Dementsprechend ist nicht nur das ursprüngliche Erkenntnisverfahren eine Streitigkeit nach dem AsylG, sondern auch die Gegenstandswertfestsetzung und das Kostenerinnerungsverfahren. Die „ältere“ Vorschrift des § 80 AsylG wird nicht durch die Vorschrift des § 1 Abs. 3 RVG seit ihrer Einführung durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz zum 1. August 2013 verdrängt. Dass sich an dem Willen des Gesetzgebers, für Asylverfahren spezielle gerichtliche Vorschriften zu treffen und insbesondere Rechtsmittel jeglicher Art zu beschränken, durch die Einführung des § 1 Abs. 3 RVG etwas geändert haben sollte, findet in den Gesetzesmaterialien keine konkrete Stütze (vgl. BT-Drs. 17/11471, siehe ins. S. 266,154). Das Gericht schließt sich der Rechtsmeinung und den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg an (VGH BW, B.v. 28.2.2017 – A 2 S 271/17 – juris Rn. 3).


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